Leitsatz (amtlich)
Unterbreitet ein Grundstückseigentümer (A) "denjenigen Personen, die von B benannt werden" ein Kaufangebot, so kann in der Benennung einer dritten Person (C) durch B in Verbindung mit der Annahme des Vertragsangebots durch C eine Abtretung von Rechten des B im Sinne § 1 Abs. 1 Nr. 6, 7 GrEStG liegen, sofern in der Benennung eine Grundstücksverwertung auf eigene Rechnung zu sehen ist.
Normenkette
GrEStG 1940 § 1 Abs. 1 Nrn. 6-7
Tatbestand
In notarieller Verhandlung vom 10. Juni 1964 machte der Architekt H J als Miteigentümer des Ruinengrundstücks in X, (Veräußerer) ein Angebot zum Abschluß eines Kaufvertrags "derjenigen Person oder denjenigen Personen", welche von dem Kläger benannt würden. Das Angebot wurde durch einen in der notariellen Urkunde als Teil A enthaltenen Kaufvertragsentwurf im einzelnen festgelegt. In diesem Entwurf wurde u. a. bestimmt, daß der Veräußerer die ihm gehörende ideelle Hälfte des Grundstücks an den oder die vom Kläger zu Benennenden verkaufe. Falls das Angebot von mehreren Personen angenommen werde, stehe es diesen frei, zu welchen ideellen Bruchteilen sie das Angebot annehmen wollten. Der Kaufpreis wurde auf 52 000 DM festgesetzt. Die Übergabe der ideellen Hälfte des Grundstücks sollte an dem auf den Tag der Annahme des Angebots folgenden Monatsersten erfolgen. Von diesem Tage ab sollten die Nutzungen und Lasten auf den oder die Käufer als Gesamtgläubiger und Gesamtschuldner übergehen. Die erste Hälfte des Kaufpreises (26 000 DM) war "von dem Käufer oder den Käufern als Gesamtschuldner spätestens bis zum 25. Juli 1964 an den Veräußerer in bar zu zahlen", die zweite Hälfte in gleicher Weise bis zum 10. September 1964. Der Veräußerer behielt sich das Widerrufsrecht vor, wenn das Angebot nicht bis zum 10. September 1964 angenommen sein sollte. Für den Fall eines solchen Widerrufs sollte die vom Kläger an den Veräußerer bei Unterbreitung des Kaufangebots entrichtete Anzahlung in Höhe von 3 500 DM verfallen.
Im Zeitpunkt des Angebots war das Grundstück für den Wiederaufbau mit einem Gebäude mit Eigentumswohnungen vorgesehen. Die Interessenten an diesen Eigentumswohnungen waren zu dieser Zeit dem Kläger bekannt; sie waren aber noch nicht im einzelnen bestimmt, weil der Interessentenkreis größer war als der Käuferkreis. Mit den Interessenten wurden Maklerverträge abgeschlossen, die sich auf bestimmte Eigentumswohnungen bezogen.
In notariellen Verhandlungen vom 27. und 30. Juni, vom 6., 14., 20. und 27. Juli sowie vom 4. und 11. August 1964 benannte der Kläger die Erwerber der Eigentumswohnungen als Käufer des Grundstücks. Diese nahmen für sich das Angebot in den genannten notariellen Verhandlungen an. Die Auflassung erklärte der Kläger am 24. November 1964 namens des Veräußerers und der Käufer. Er bewilligte und beantragte in ihrem Namen die Umschreibung des Eigentums im Grundbuch.
Das beklagte FA erblickte in der Benennung der Erwerber durch den Kläger, die das Kaufangebot annahmen, ein Rechtsgeschäft i. S. des § 1 Abs. 1 Nr. 6 GrEStG 1940. Es setzte die Grunderwerbsteuer (einschließlich Zuschlag) nach der Hälfte des Einheitswerts des Grundstücks von 25 200 RM/DM = 12 600 DM auf 882 DM fest.
Der Einspruch des Klägers blieb erfolglos.
Das FG hob auf die Klage die Einspruchsentscheidung und den zugrunde liegenden Grunderwerbsteuerbescheid ersatzlos auf, da weder eine Abtretung von Rechten mit der Folge einer Steuerpflicht nach § 1 Abs. 1 Nr. 7 GrEStG 1940 stattgefunden habe noch ein Rechtsgeschäft geschlossen worden sei, das den Anspruch auf Abtretung der Rechte aus einem Kaufvertrag (§ 1 Abs. 1 Nr. 6 GrEStG 1940) begründet habe. Eine Abtretung sei nicht erforderlich gewesen, weil die Käufer die Annahme des Kaufangebots auch ohne Abtretung von Rechten des Klägers unmittelbar hätten erklären und damit ihren Grundstücksanteil hätten erwerben können; denn das Kaufangebot sei nicht dem Kläger, sondern den von ihm zu benennenden Personen gemacht.
Mit der wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zugelassenen Revision beantragt das FA, das Urteil des FG aufzuheben und die Klage kostenpflichtig abzuweisen. Gerügt wird ein Verstoß gegen § 96 FGO sowie die Verletzung der §§ 1 Abs. 1 Nr. 6 und 7 GrEStG 1940 i. V. m. §§ 164, 177 BGB.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Revision des Beklagten (vgl. Beschluß des BFH vom 10. März 1969 GrS 4/68, BFHE 95, 366, BStBl II 1969, 435) ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das FG, weil die vom FG getroffenen Feststellungen nicht für die Prüfung ausreichen, ob die Voraussetzungen des § 1 Abs. 1 Nr. 6 oder Nr. 7 GrEStG 1940 gegeben sind oder nicht.
Gemäß § 1 Abs. 1 Nr. 6 GrEStG 1940 unterliegt der Grunderwerbsteuer ein Rechtsgeschäft, das den Anspruch auf Abtretung der Rechte aus einem Kaufangebot begründet, nach Nummer 7 dieser Vorschrift aber die Abtretung selbst, wenn ihr kein solches Rechtsgeschäft vorausgegangen ist. Es ist dabei unerheblich, ob die Rechte aus dem Kaufangebot auf ein - meist befristetes - Vertragsangebot oder auf einen sogenannten Optionsvertrag zurückgehen. Dies ergab sich für das GrEStG 1919 aus dessen § 5 Abs. 4 Nr. 2, der zu den Veräußerungsgeschäften neben der Übertragung von Rechten aus Anträgen zur Schließung eines Veräußerungsgeschäftes, die den Veräußerer binden, auch die Übertragung von Rechten aus Verträgen rechnete, durch die nur der Veräußerer zur Schließung eines Veräußerungsgeschäftes verpflichtet wurde. § 1 Abs. 1 Nr. 6 GrEStG 1940 hat zwar diese Verträge in seinem Tatbestand nicht mehr ausdrücklich erwähnt. Dadurch ist aber keine Rechtsänderung eingetreten; denn Rechte aus einem Kaufangebot i. S. des § 1 Abs. 1 Nr. 6 GrEStG 1940 können sowohl durch eine sogenannte Festofferte als auch durch Vertrag, den sogenannten Optionsvertrag, begründet werden (vgl. Henrich, Vorvertrag-Optionsvertrag-Vorrechtsvertrag S. 230 f.).
Ohne Bedeutung für die Auslegung des § 1 Abs. 1 Nr. 6 GrEStG 1940 ist es auch, wie man das dort genannte Recht aus einem Kaufangebot zivilrechtlich beurteilt, ob man es als Gestaltungsrecht ansieht oder nur als bloße rechtliche Möglichkeit (vgl. hierzu Georgiades in Festschrift für Larenz, 1973 S. 409 f. [420] mit weiteren Nachweisen).
Bietet jemand einem anderen ein Grundstück zum Kauf an und gestattet er diesem, das Kaufangebot auf einen Dritten zu übertragen, so fällt ein Rechtsgeschäft, das den Anspruch auf die Übertragung der Rechte aus dem Kaufangebot begründet, grundsätzlich unter § 1 Abs. 1 Nr. 6 GrEStG 1940. Schwieriger ist die Rechtslage zu beurteilen, wenn das Kaufangebot alternativ an den Angebotsempfänger oder einen von diesem zu benennenden Dritten gerichtet ist oder - wie im vorliegenden Fall - allein derjenigen Person gemacht wurde, die von einer bestimmten anderen Person benannt worden ist.
Der RFH hatte in der Benennung eines Dritten in den Fällen eine Übertragung von Rechten aus Kaufangeboten gesehen, in denen jemand den Kaufantrag dem Antragsempfänger oder einem von diesem zu benennenden Dritten gemacht hatte (vgl. z. B. Entscheidung vom 20. März 1922 GrS 1/22, Mrozek-Kartei, Grunderwerbsteuergesetz 1919, § 5 Abs. 4 Nr. 2, Rechtsspruch 1). Er hatte hiervon allerdings Ausnahmen zugelassen, wenn von vornherein feststand, daß ein schon fest bestimmter Dritter das Angebot annehmen werde (Urteil vom 2. Oktober 1925 II A 499/25, Mrozek-Kartei, Grunderwerbsteuergesetz 1919, § 5 Abs. 4 Nr. 2, Rechtsspruch 9), für den der Angebotsempfänger nur als Stellvertreter aufgetreten sei. Dies sollte auch dann gelten, wenn die Person des Vertretenen dem Anbietenden nicht bekannt war, es aber objektiv feststand, daß der Angebotsempfänger nur in Stellvertretung eines Dritten handeln wollte (vgl. die Hinweise im RFH-Urteil vom 30. Juli 1929 II A 370/29, Mrozek-Kartei, Grunderwerbsteuergesetz 1919, § 5 Abs. 4 Nr. 2, Rechtsspruch 18).
Für den Fall, daß das Angebot lediglich einem von einem anderen zu benennenden Dritten gemacht wurde, hatte der RFH es für eine Frage der Auslegung erklärt, ob der andere selbst Antragsempfänger oder nur Stellvertreter des Dritten sei (Urteil vom 5. Januar 1923 II A 276/22, RFHE 11, 153). Steuerpflicht nach § 5 Abs. 4 Nr. 2 GrEStG 1919 könne nur dann eintreten, wenn festgestellt werden könne, daß die Mittelsperson ein eigenes Recht zur Annahme des Vertragsantrages habe erwerben sollen mit der Befugnis, einen Dritten zu benennen, der an ihrer Stelle den Antrag sollte annehmen können (vgl. auch RFH-Urteil vom 11. März 1930 II A 117/30, Mrozek-Kartei, Grunderwerbsteuergesetz 1919, § 5 Abs. 4 Nr. 2, Rechtsspruch 20).
Der erkennende Senat ist im Gegensatz zu der Auffassung des RFH der Ansicht, daß das Selbstbenennungsrecht der Mittelsperson in derartigen Fällen nicht das entscheidende Kriterium für die Steuerpflicht nach § 1 Abs. 1 Nr. 6 GrEStG 1940 sein kann. Erfaßt werden von dieser Vorschrift gerade die Fälle, in denen ein Selbstbenennungsrecht nicht ausgeübt wird. Abgesehen davon, daß in derartigen Fällen die Feststellung, ob der Benennungsberechtigte ein Selbstbenennungsrecht hat oder nicht, weitgehend von Zufällen abhängen wird, führt eine derartige Auslegung nach Auffassung des Senats nicht zu einer dem Sinn und Zweck der Vorschrift entsprechenden Anwendung des Gesetzes.
Als eine dem § 1 Abs. 1 Nr. 6 GrEStG 1940 vergleichbare Vorschrift erstmals in das Steuerrecht eingeführt wurde, sollte damit der Grundstückshandel getroffen werden, der der Steuer für die Weiterveräußerung von Grundstücken dadurch auswich, daß er mit Kaufangeboten handelte (vgl. hierzu auch die Ausführungen in der Entscheidung des RFH GrS 1/22). Erfaßt werden sollten alle den Veräußerer bindenden Zwischengeschäfte (vgl. Greiff, Kommentar zum Reichsstempelsteuergesetz 2. Aufl., Tarifnr. 11, Anm. 26). Für denjenigen aber, der mit Kaufangeboten handeln will, kann es keinen Unterschied machen, ob ihm das Kaufangebot in Person mit dem Recht der Übertragung gemacht wird oder ob ihm lediglich das Benennungsrecht eingeräumt wird. In allen Fällen hat er die Macht, mit dem Kaufangebot zu handeln. Dabei kann das Selbstbenennungsrecht nur dann Bedeutung haben, wenn der Benennungsberechtigte beabsichtigen sollte, das Grundstück selbst zu erwerben. Diese Fälle jedoch sind für § 1 Abs. 1 Nr. 6 GrEStG 1940 ohne Bedeutung.
Nach den vorstehenden Ausführungen würde der Kläger unter § 1 Abs. 1 Nr. 6, 7 GrEStG 1940 fallen, da auch die weitere von der Rechtsprechung geforderte Voraussetzung gegeben ist, wonach das weiter übertragene Kaufangebot von dem Dritten angenomen worden sein muß (vgl. BFH-Urteile vom 6. Mai 1969 II 131/64, BFHE 96, 201, BStBl II 1969, 595, und vom 31. Mai 1972 II R 162/66, BFHE 106, 367, BStBl II 1972, 828). Der Senat hält jedoch eine derartige Auslegung nicht für vereinbar mit den Zielen, die durch diese Vorschrift erreicht werden sollen. Erfaßt werden soll der Handel mit Kaufangeboten. Es gibt jedoch Fälle, in denen Benennungsrechte eingeräumt werden, ohne daß der Benennungsberechtigte die Absicht oder die Möglichkeit hat, mit dem Kaufangebot zu handeln. Es kann nicht der Sinn des § 1 Abs. 1 Nr. 6 GrEStG 1940 sein, auch diese Fälle zu erfassen, zumal die in vielem vergleichbare Vorschrift des § 1 Abs. 2 GrEStG 1940 auf die Macht abstellt, ein inländisches Grundstück auf eigene Rechnung zu verwerten. Beide Vorschriften sind seinerzeit geschaffen worden, um besteuerungswürdige Fälle zu erfassen, in denen rechtlich ein Grundstücksumsatz vermieden wird, wirtschaftlich aber ein der Grundstücksveräußerung vergleichbarer Vorgang vorliegt. Unter diesen Umständen ist es nicht vertretbar, § 1 Abs. 1 Nr. 6 GrEStG 1940 ohne Rücksicht auf § 1 Abs. 2 GrEStG 1940 auszulegen. Zwar wäre es besser gewesen, die Fälle des § 1 Abs. 1 Nr. 6 GrEStG 1940 im Zusammenhang mit § 1 Abs. 2 GrEStG 1940 zu regeln. Daß dies nicht geschehen ist, kann der Senat aber nicht daran hindern, den für beide Vorschriften parallel laufenden Gesetzeszweck auf dem Wege der restriktiven Gesetzesauslegung zu realisieren.
Deshalb scheidet die Anwendung des § 1 Abs. 1 Nr. 6 GrEStG 1940 aus, wenn trotz Vorliegens der übrigen Voraussetzungen feststeht, daß eine Grundstücksverwertung für eigene Rechnung und damit ein Handel mit Grundstückskaufangeboten nicht in Betracht kommt. Durch diese Auslegung wird erreicht, daß die Fälle des Benennungsrechtes praktisch nicht anders behandelt werden als die wirtschaftlich kaum abweichenden Fälle, in denen einem Makler ein Kaufangebot gemacht und ihm gleichzeitig Verkaufsvollmacht eingeräumt wird (vgl. BFH-Urteil vom 28. April 1970 II 144/64, BFHE 99, 320, BStBl II 1970, 674).
Das FG hat bisher keine ausreichenden Ermittlungen darüber angestellt, ob die Voraussetzungen des § 1 Abs. 1 Nr. 6 GrEStG 1940 in der Auslegung, die der Senat dieser Vorschrift gibt, gegeben sind. Der Senat ist deshalb nicht in der Lage, abschließend zu entscheiden. Das angefochtene Urteil mußte deshalb aufgehoben werden, ohne daß eine entsprechende Verfahrensrüge erforderlich war (vgl. BFH-Urteile vom 5. März 1968 II R 36/67, BFHE 92, 416, BStBl II 1968, 610, und vom 16. November 1971, VIII R 37/68, BFHE 104, 277, BStBl II 1972, 349).
Auf die Frage, ob neben § 1 Abs. 1 Nr. 6, 7 GrEStG 1940 auch § 1 Abs. 2 GrEStG 1940 anwendbar sei (vgl. hierzu das Urteil des Senats II 131/64) braucht der Senat nicht einzugehen, da das FA die Steuer nach dem Einheitswert berechnet hat und eine Verböserung im finanzgerichtlichen Verfahren unzulässig ist.
Fundstellen
Haufe-Index 71170 |
BStBl II 1975, 86 |
BFHE 1975, 474 |