Entscheidungsstichwort (Thema)
Keine Grundsteuerbefreiung nach § 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 6 GrStG für ein 1992 ersatzweise erworbenes Grundstück im gesonderten Vermögen einer Religionsgesellschaft
Leitsatz (NV)
- Veräußert eine kirchliche Stiftung im Jahr 1992 ein seit langem ihr gehörendes Grundstück und erwirbt sie zugleich ersatzweise ein anderes Grundstück, um ihrer satzungsmäßigen Verpflichtung zur Vermögenserhaltung zu genügen, ist dieses Ersatzgrundstück nicht nach § 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 6 GrStG von der Grundsteuer befreit. Die Tatsache, dass es an die Stelle eines der Stiftung am 1. Januar 1987 gehörenden Grundstücks getreten ist, führt nicht dazu, es im Sinne einer dinglichen Surrogation wie ein an diesem Stichtag bereits vorhandenes Grundstück behandeln zu können.
- Von Verfassungs wegen ist eine Grundsteuerbefreiung in derartigen Fällen nicht geboten.
Normenkette
GG Art. 140; GrStG § 3 Abs. 1 S. 1 Nr. 6
Verfahrensgang
FG Baden-Württemberg (EFG 2000, 453) |
Tatbestand
I. Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) ist als katholische Pfarrpfründe eine kirchliche Stiftung des öffentlichen Rechts, die nach ihrer Satzung die Aufgabe hat, den Pfarrer zu besolden. Ihre Rechtsstellung beruht auf der Verordnung über das Recht der Stiftungen vom 15. Juni 1988 des Erzbischofs der Erzdiözese … sowie auf der dieser Verordnung als Anlage 2 beigefügten Satzung der römisch-katholischen Pfarrpfründe. Zum Vermögen der Klägerin gehören Grundstücke, deren Erträge an die Bistumskasse fließen, aus der die Besoldung der Geistlichen erfolgt.
Mit notariell beurkundetem Vertrag vom 30. Dezember 1992 veräußerte die Klägerin ein unbebautes Grundstück, dessen Eigentümerin sie bereits vor dem 1. Januar 1987 geworden war. Mit Vertrag vom selben Tage erwarb sie von einem anderen Vertragspartner ein ―ebenfalls unbebautes― Grundstück. Nach einem im Jahr 1996 durchgeführten Baulandumlegungsverfahren erhielt sie für das erworbene Grundstück zwei zur Bebauung vorgesehene Grundstücke zugeteilt.
Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt ―FA―) erließ am 17. Februar 1997 für die zwei Baugrundstücke Einheitswert- und Grundsteuermessbescheide auf den 1. Januar 1997. Einspruch und Klage, mit denen die Klägerin die Grundsteuerfreiheit der beiden Grundstücke geltend gemacht hatte, blieben ohne Erfolg. Die Entscheidung des Finanzgerichts (FG) ist in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2000, 453 veröffentlicht.
Mit der Revision rügt die Klägerin Verletzung des § 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 6 des Grundsteuergesetzes (GrStG 1993) vom 13. September 1993, eingefügt durch Art. 12 des Standortsicherungsgesetzes (StandOG) vom 13. September 1993 (BGBl I 1993, 1569, BStBl I 1993, 774) und von Art. 1, 2, 3, 14 sowie 140 des Grundgesetzes (GG) i.V.m. Art. 137 und 138 der Weimarer Reichsverfassung (WRV). Sie ist der Auffassung, die erworbenen Grundstücke seien grundsteuerbefreit. Die Befreiung ergebe sich aus einer verfassungskonformen Auslegung des § 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 6 GrStG 1993. Sollte eine solche Auslegung nicht möglich sein, sei § 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 6 GrStG 1993 verfassungswidrig.
Die Klägerin beantragt, die Vorentscheidung sowie die Einheitswert- und Grundsteuermessbescheide auf den 1. Januar 1997 aufzuheben.
Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
Das beigetretene Bundesministerium der Finanzen (BMF) hat keinen Antrag gestellt. Nach seiner Auffassung steht der Klägerin die begehrte Grundsteuerbefreiung nicht zu.
Entscheidungsgründe
II. Die Revision ist unbegründet.
Über die Frage der Grundsteuerbefreiung kann im Verfahren sowohl gegen den Einheitswertbescheid als auch gegen den Grundsteuermessbescheid oder gegen beide Bescheide entschieden werden, denn der Gesetzgeber hat den in den Urteilen des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 24. Juli 1985 II R 227/82 (BFHE 144, 201, BStBl II 1986, 128) und vom 22. Oktober 1986 II R 214/84 (BFH/NV 1988, 19) aufgezeigten Widerspruch zwischen § 184 Abs. 1 Satz 2 der Abgabenordnung (AO 1977), § 19 Abs. 2 Satz 2, Abs. 4 des Bewertungsgesetzes (BewG) und § 13 Abs. 1 GrStG 1993 nicht beseitigt. Der Klägerin steht die begehrte Steuerbefreiung nach § 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 6 Satz 1 GrStG 1993 jedoch nicht zu. Von Verfassungs wegen ist eine Befreiung nicht geboten.
1. Nach § 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 6 Satz 1 GrStG 1993 ist u.a. Grundbesitz der Religionsgesellschaften, die Körperschaften des öffentlichen Rechts sind, und der jüdischen Kultusgemeinden, der am 1. Januar 1987 und im Veranlagungszeitpunkt zu einem nach Kirchenrecht gesonderten Vermögen, insbesondere einem Stellenfonds gehört, dessen Erträge ausschließlich für die Besoldung und Versorgung der Geistlichen und Kirchendiener sowie ihrer Hinterbliebenen bestimmt sind, von der Grundsteuer befreit. Für die beiden unbebauten Grundstücke, um deren Grundsteuerfreiheit im vorliegenden Streitfall gestritten wird, greift die Steuerbefreiung nach § 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 6 Satz 1 GrStG 1993 jedoch nicht ein, weil diese am 1. Januar 1987 noch nicht Teile eines in der Befreiungsvorschrift bezeichneten Vermögens waren.
a) Die Tatsache, dass das Austauschgrundstück wegen der in § 2 Abs. 1 Satz 1 der Satzung der Klägerin enthaltenen Verpflichtung, das Stiftungsvermögen in seinem Bestand zu erhalten, als Ausgleich für das veräußerte Grundstück erworben werden musste, vermag eine Zugehörigkeit der beiden Baugrundstücke zu dem genannten Vermögen bereits vor dem maßgeblichen Stichtag nicht zu begründen. Die Grundsteuerbefreiung nach § 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 6 Satz 1 GrStG 1993 ist an die einzelne wirtschaftliche Einheit ―d.h. den einzelnen Steuergegenstand i.S. von § 2 GrStG 1993― gebunden. Wird aufgrund der Bestandserhaltungspflicht nach dem Stichtag für ein veräußertes grundsteuerbefreites Grundstück ein anderes Grundstück erworben, so kommt das erworbene Grundstück nicht in den Genuss der Grundsteuerbefreiung, weil es mit dem veräußerten Grundstück nicht (rechts-) identisch ist (so auch Troll, Grundsteuergesetz, Kommentar, 7. Aufl., § 3 Rn. 59; Halaczinsky, Grundsteuer, Kommentar, 2. Aufl., § 3 Rn. 35).
b) Der im Streitfall durch privatrechtliche Verträge bewirkte Austauschvorgang ist auch nicht mit dem einer Landabfindung im Flurbereinigungsverfahren vergleichbar. Denn im Flurbereinigungsverfahren tritt die Landabfindung kraft ausdrücklicher Regelung (vgl. § 68 Abs. 1 Satz 1 des Flurbereinigungsgesetzes ―FlurbG―) hinsichtlich der Rechte an dem alten Grundstück an dessen Stelle. Das an dem neuen Grundstück bestehende dingliche Recht ist grundsätzlich mit dem an dem alten Grundstück bestehenden identisch, so dass sich eine Grundsteuervergünstigung auch auf die Landabfindung erstreckt (BFH-Urteil vom 9. Juli 1971 III R 30/70, BFHE 103, 92, BStBl II 1971, 785). An einer vergleichbaren gesetzlichen Regelung fehlt es im Streitfall für den Ersatz des ursprünglichen Grundstücks durch das Austauschgrundstück.
c) Für das Baulandumlegungsverfahren enthält § 63 Abs. 1 Satz 1 des Baugesetzbuches (BauGB) zwar eine gleichlautende Regelung; sie führt jedoch nicht dazu, dass die beiden Baugrundstücke, die 1996 durch die Baulandumlegung auf die Klägerin übergegangen sind, an die Stelle des 1992 veräußerten Grundstücks getreten sind. Die Funktion eines Surrogates kommt ihnen nur im Verhältnis zu dem zwischenzeitlich erworbenen Austauschgrundstück zu, mit dem die Klägerin an dem Umlegungsverfahren teilgenommen hat. Dieses ist aber erst nach dem Stichtag erworben worden.
2. Dass die nach dem 1. Januar 1987 erworbenen Grundstücke nicht grundsteuerbefreit sind, ist verfassungsrechtlich unbedenklich.
a) Das den Kirchen gemäß Art. 140 GG i.V.m. Art. 137 Abs. 3 WRV eingeräumte Selbstbestimmungsrecht, das ―ohne Rücksicht auf ihre Rechtsform― auch für kirchliche Einrichtungen gilt (vgl. Beschluss des Bundesverfassungsgerichts ―BVerfG―- vom 25. März 1980 2 BvR 208/76, BVerfGE 53, 366 [391]), garantiert diesen die Freiheit, ihre Angelegenheiten selbständig innerhalb der Schranken des für alle geltenden Gesetzes zu ordnen und zu verwalten. Das Grundsteuergesetz ist ein für alle geltendes Recht in diesem Sinne, denn es hat für die Kirchen dieselbe Bedeutung wie für jedermann. Die Grundsteuer gehört zu den Kosten eines Grundstücks, mit denen jeder Grundstückseigentümer rechnen muss wie mit anderen Ausgaben, die sich aus dem Grundbesitz ergeben (BFH-Urteil vom 18. Oktober 1989 II R 209/83, BFHE 159, 207, BStBl II 1990, 190). Die Glaubens- und Bekenntnisfreiheit der Kirchen und ihr durch Art. 4 Abs. 2 GG geschütztes Grundrecht auf ihrem Eigenverständnis entsprechende Religionsausübung wird durch die Erhebung der Grundsteuer ―zumal bei Berücksichtigung der in § 3 Abs. 1 Nrn. 3 bis 5 GrStG 1993 eingeräumte Steuerbefreiungen― nicht verletzt (vgl. BVerfG in BVerfGE 53, 366 (401)).
b) Zu den Staatsleistungen i.S. des Art. 140 GG i.V.m. Art. 138 Abs. 1 WRV rechnen nicht nur Geldzahlungen und Naturalleistungen, sondern als sog. negative Staatsleistungen auch die Befreiung der Kirchen von bestimmten Steuern. Ob darunter auch eine Grundsteuerbefreiung fällt, kann auf sich beruhen. Denn die Grundsteuerbefreiung, die die Klägerin begehrt, hätte ihr auch nach der früher bestehenden Rechtslage nicht zugestanden. Denn nach § 3 Abs. 1 Nr. 5 GrStG in der bis zum In-Kraft-Treten des Art. 12 StandOG geltenden Fassung (GrStG 1973) waren Dienstgrundstücke der Religionsgesellschaften mit Körperschaftsstatus von der Grundsteuer nur befreit, wenn sie dergestalt unmittelbar zum Unterhalt des Stelleninhabers bestimmt waren, dass der Stelleninhaber über Nutzungsart und Erträgnisse des Grundbesitzes frei befinden konnte. Dies traf auf den früheren Grundbesitz der Klägerin nicht zu. Mit der Änderung von § 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 GrStG 1973 und Einfügung von § 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 6 GrStG 1993 durch das Standortsicherungsgesetz erfolgte zwar insoweit eine Erweiterung der bisherigen Grundsteuerbefreiung für Dienstgrundstücke, als es nunmehr nur noch darauf ankommt, dass das Grundstück zu einem nach Kirchenrecht gesonderten Vermögen, insbesondere einem Stellenfonds gehört, dessen Erträge ausschließlich für die Besoldung und Versorgung der Geistlichen und Kirchendiener sowie ihrer Hinterbliebenen bestimmt und daher nicht mehr in das Befinden des Inhabers einer konkreten Pfarre gestellt sind (vgl. Troll, a.a.O., § 3 Rn. 59; Halaczinsky, a.a.O., § 3 Rn. 36). Aber diese Voraussetzung muss nicht nur zum Veranlagungszeitpunkt, sondern bereits zum 1. Januar 1987 erfüllt gewesen sein. Wenn die neuen Grundstücke der Klägerin nunmehr die stichtagsbezogenen Voraussetzungen der erweiterten Steuerbefreiung nicht erfüllen, kann darin keine Verletzung der Rechte aus Art. 140 GG i.V.m. Art. 138 Abs. 1 WRV liegen, weil diese Steuerbefreiung erst nach In-Kraft-Treten des Grundgesetzes geschaffen wurde (BFH-Urteil vom 9. Juli 1971 III R 19/69, BFHE 103, 85, BStBl II 1971, 781).
c) Auch Art. 140 GG i.V.m. Art. 138 Abs. 2 WRV schützt im Streitfall nicht gegen eine Grundsteuerbelastung. Die beiden Grundstücke der Klägerin haben lediglich die Funktion einer bloßen Einnahmequelle, deren Erträge nur mittelbar religiösen Zwecken zukommen, indem sie für die Besoldung der Geistlichen verwendet werden.
d) Die allgemeine wirtschaftliche Betätigungsfreiheit der Klägerin als Grundstückseigentümerin (Art. 2 und 14 GG) ist durch die Belastung der beiden Grundstücke mit Grundsteuer nicht berührt.
e) Eine von der Klägerin gemäß Art. 3 Abs. 1 GG gerügte Ungleichbehandlung im Vergleich zur evangelischen Kirche und deren sog. fiktiven Dienstgrundstücken liegt nicht vor. Wird nach dem 1. Januar 1987 ein sog. fiktives Dienstgrundstück veräußert und (als Ersatz) ein anderes Grundstück neu erworben, so ist das Ersatzgrundstück unabhängig von der Person des Veräußerers nicht grundsteuerbefreit, weil es am 1. Januar 1987 nicht zu dem in § 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 6 GrStG 1993 bezeichneten Vermögen gehörte.
f) Der Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG wird auch nicht dadurch verletzt, dass die am 1. Januar 1987 zu einem Stellenfonds i.S. des § 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 6 GrStG 1993 gehörenden Grundstücke grundsteuerbefreit sind, während dies für später in den Fonds gelangte Grundstücke nicht gilt. Die darin liegende stichtagsbedingte Ungleichbehandlung muss hingenommen werden, wenn die Einführung eines Stichtags notwendig und die Wahl des Zeitpunktes, orientiert am gegebenen Sachverhalt, vertretbar ist (BVerfG-Urteil vom 12. Mai 1999 1 BvF 1/94, BVerfGE 101, 239 (270)).
Mit § 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 6 GrStG 1993 wollte der Gesetzgeber einerseits den heutigen Besoldungsregelungen und der Tatsache Rechnung tragen, dass der für die zeitgemäße Bewirtschaftung von Grundbesitz erforderliche Verwaltungsaufwand keinen Raum mehr für die Eigenschaft "Dienstgrundstück" lässt (BTDrucks 12/4487, S. 47), sowie andererseits den Besitzstand wahren. Dies erforderte die Einführung eines Stichtags. Die Festlegung des Stichtags auf den 1. Januar 1987 ist vertretbar; sie ist ersichtlich auf die Entscheidung des BFH vom 13. Mai 1987 II R 225/82 (BFHE 150, 279, BStBl II 1987, 722) abgestimmt.
g) Ein die Klägerin treffender Verstoß gegen das sich aus dem Rechtsstaatsprinzip ergebende Rückwirkungsverbot (vgl. dazu BVerfG-Beschluss vom 3. Dezember 1997 2 BvR 882/97, BVerfGE 97, 67 [78]) liegt schon deshalb nicht vor, weil die Klägerin durch die Einfügung des § 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 6 GrStG 1993 und die Änderung des bisherigen § 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 GrStG 1973 keiner zusätzlichen Belastung unterworfen wurde. Auch nach § 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 GrStG 1973 wären die Baugrundstücke der Klägerin nicht von der Grundsteuer befreit, weil sie nicht die Anforderungen an Dienstgrundstücke erfüllen (vgl. dazu BFH in BFHE 150, 279, BStBl II 1987, 722).
Fundstellen
Haufe-Index 871780 |
BFH/NV 2003, 202 |
HFR 2003, 384 |