Entscheidungsstichwort (Thema)
Nachversteuerung wegen Aufgabe des begünstigten Zwecks (vorübergehende Vermietung einer eigengenutzten Eigentumswohnung)
Leitsatz (NV)
Aus der Zusammenschau der Begriffsbestimmung in § 10 Abs. 1 und 6 GrEStG RP mit § 7 Abs. 2 Satz 1 II. WoBauG folgt, daß eine eigengenutzte Eigentumswohnung ihren Charakter nicht durch eine vorübergehende Vermietung verliert.
Normenkette
GrEStG RP § 9 Abs. 1 Nr. 9; GrEStG RP § 10 Abs. 1; GrEStG RP § 10 Abs. 6; GrEStG RP § 12 Abs. 2; II. WoBauG § 7 Abs. 2 S. 1
Verfahrensgang
Tatbestand
Mit notariell beurkundetem Kaufvertrag vom 25. Februar 1971 erwarben der Kl. 2/3 und seine (im Dezember 1971 verstorbene) Ehefrau 1/3 Miteigentum an einer Eigentumswohnung. Der Erwerbsvorgang wurde vom FA antragsgemäß nach § 9 Abs. 1 Nr. 9 GrEStG RP von der GrESt ausgenommen. In die materiell vorläufige Steuerbefreiung wurde auch der Erwerb von Sondereigentum an einem weiteren Raum desselben Gebäudes, das der Kl. durch Kaufvertrag vom 1. Februar 1973 erworben hatte, einbezogen.
Die Eigentumswohnung wurde nach dem Erwerb vom Kl. und seiner Familie bewohnt. Der zuerworbene Sonderraum wurde als Spiel- bzw. Kinderzimmer genutzt. Mitte 1974 wurde der Kl. ins Ausland versetzt. Er zog daraufhin Anfang August 1974 mit seiner Familie ins Ausland. Die Eigentumswohnung stand nach dem Auszug zunächst leer; sie ist seit April 1976 vermietet.
Das FA setzte durch drei Nacherhebungsbescheide vom 12. November 1979 gegen den Kl. GrESt fest: Zwei der Bescheide betrafen den Erwerb des Miteigentumsanteils des Kl. an der Wohnung bzw. den Erwerb des Zusatzraumes durch ihn, der letzte richtete sich gegen ihn als Rechtsnachfolger und betraf den Erwerb des Miteigentumsanteils an der Wohnung durch seine verstorbene Ehefrau. Zur Begründung der Steuerfestsetzung führte das FA aus, die Wohnung sei am Ende der Fünfjahresfrist nicht eigengenutzt worden.
Der Einspruch blieb erfolglos.
Mit der Klage begehrte der Kl. die Aufhebung der Steuerfestsetzungen. Zur Begründung seiner Klage führte er aus, er habe den steuerbegünstigten Zweck nicht durch seinen Umzug ins Ausland aufgegeben. Er habe damals erwartet, daß er dort nur vorübergehend für seinen Arbeitgeber tätig sein werde, weil dieser sich auch das Recht vorbehalten hätte, ihn jederzeit mit sofortiger Wirkung wieder zurückzurufen. Deshalb habe er die Wohnung leerstehen lassen und nicht vermietet.
Das FG hat die Klage abgewiesen. Zur Begründung seiner Entscheidung hat es ausgeführt, ein Ersterwerber, der den steuerbegünstigten Zweck innerhalb der Fünfjahresfrist realisieren müsse, müsse eine bereits begonnene Eigennutzung, die anschließend unterbrochen worden sei, vor Ablauf der Fünfjahresfrist zur Vermeidung der Nachversteuerung wieder aufnehmen. Nur in diesem Fall sei der Zustand, der nach dem Willen des Gesetzgebers die Steuerbefreiung rechtfertige, bei Ablauf der Frist tatsächlich verwirklicht. Ungewißheiten, die sich aus einem Leerstehenlassen der Wohnung zum Ende der Frist ergäben, sollten durch § 12 Abs. 2 GrEStG RP gerade vermieden werden.
Mit der vom FG zugelassenen Revision verfolgt der Kl. sein Klagebegehren weiter.
Entscheidungsgründe
Die Revision des Kl. ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils sowie zur Zurückverweisung der Sache an das FG zu anderweitiger Verhandlung und Entscheidung.
Nach § 9 Abs. 1 Nr. 9 i. V. m. § 10 Abs. 6 Satz 2 GrEStG RP war auf Antrag von der Besteuerung ausgenommen der erste Erwerb einer steuerbegünstigten Eigentumswohnung, durch eine Person, die diese zur Eigennutzung übernimmt. Ein derartiger Erwerbsvorgang unterlag nach § 12 Abs. 2 GrEStG RP bereits mit der Aufgabe des begünstigten Zwecks der Steuer, wenn der steuerbegünstigte Zweck innerhalb von fünf Jahren aufgegeben wurde. Unzutreffend hat das FG aus dem Umstand allein, daß die einmal aufgenommene Eigennutzung abgebrochen und im Zeitpunkt des Ablaufs der Fünfjahresfrist nicht wieder aufgenommen wurde, die Erfüllung des Nacherhebungstatbestandes bejaht. Aus der Zusammenschau der Begriffsbestimmung in § 10 Abs. 1, GrEStG RP mit § 7 Abs. 2 Satz 1 des Zweiten Wohnungsbaugesetzes (II. WoBauG) folgt, daß eine eigengenutzte Eigentumswohnung ihren Charakter nicht durch eine vorübergehende Vermietung verliert. Denn nach dem Grundsatz des § 7 Abs. 2 Satz 1 II. WoBauG verliert ein Familienheim die Eigenschaft als solches nur dann, wenn es für die Dauer nicht seiner Bestimmung gemäß genutzt wird. Dieser, auch für eigengenutzte Eigentumswohnungen geltende Grundsatz gilt auch für das rheinland-pfälzische GrESt-Recht (vgl. § 10 Abs. 1 GrEStG RP; s. auch das Urteil des erkennenden Senats vom 3. Oktober 1979 II R 5/78, BFHE 128, 554, BStBl II 1980, 15).
Die Sache ist nicht spruchreif, weil das FG aus seiner Sicht zu Recht keine Feststellungen dahingehend getroffen hat, ob sich der Kl. und ggf. wann vor der Vermietung entschlossen hat, die Wohnung auf Dauer nicht mehr selbst zu nutzen.
Fundstellen
Haufe-Index 414743 |
BFH/NV 1987, 738 |