Entscheidungsstichwort (Thema)
Steuerliche Förderungsgesetze Sonstiges Bewertung Bewertung/Vermögen-/Erbschaft-/Schenkungsteuer
Leitsatz (amtlich)
Der einem weichenden Erben nach § 30 RErbhG vom 29. September 1933 (Reichsgesetzblatt I S. 685) gegen den Anerben zustehende Ausstattungsanspruch gehört ebenso wie der einer Tochter nach § 1620 BGB gegen den Vater zustehende Aussteueranspruch zum sonstigen Vermögen im Sinne des § 67 BewG und unterliegt deshalb nach § 21 LAG bei dem Berechtigten der Vermögensabgabe.
Normenkette
LAG § 21; RErbhG § 30; BGB §§ 1620, 1624; BewG §§ 67, 110, 68 Ziff. 7, § 111/10
Tatbestand
Streitig ist, ob ein der Abgabepflichtigen gegen ihren Bruder als Anerben eines Erbhofes zustehender Ausstattungsanspruch zum sonstigen Vermögen gehört und der Vermögensabgabe unterliegt. Der Vater der Abgabepflichtigen war Erbhofbauer; er hatte durch Testament seinen ältesten Sohn zum Anerben eingesetzt und diesem die Auflage gemacht, für die Abgabepflichtige bei deren Verheiratung "eine standesgemäße Aussteuer zu kaufen". Der Vater starb im Jahre 1940, die Abgabepflichtige heiratete im Jahre 1942; ihr Ehemann fiel im Kriege.
Am 21. Juni 1948 war die Aussteuer für die Abgabepflichtige noch nicht beschafft; ihr Bruder kam seiner Verpflichtung erst im Jahre 1951 und in den darauffolgenden Jahren nach, indem er der Abgabepflichtigen nach und nach 9.500 DM in bar auszahlte. Diese verwandte von dem Geld 6.700 DM zum Kauf einer Wohnungseinrichtung, während der Rest von 2.800 DM zur Bestreitung des Lebensunterhalts verbraucht wurde.
Das Finanzamt hat die Aussteuerforderung der Abgabepflichtigen an ihren Bruder in Höhe von 9.500 DM als sonstiges Vermögen angesehen und die Abgabepflichtige damit neben anderen Vermögenswerten zur Vermögensabgabe herangezogen.
Hiergegen richteten sich der Einspruch und die Berufung, die die Abgabepflichtige damit begründete, sie habe gegen ihren Bruder einen Anspruch auf Lieferung von Hausrat gehabt, der nach § 68 Ziff. 7 des Bewertungsgesetzes (BewG) nicht zum sonstigen Vermögen gehöre. Außerdem sei sie als Kriegerwitwe nicht vermögensabgabepflichtig. Beide Rechtsmittel blieben ohne Erfolg.
Das Finanzgericht vertrat die Ansicht, der Anspruch sei erbrechtlicher Natur und habe seine Grundlage im Reichserbhofgesetz (RErbhG). Er sei ein Ausstattungsanspruch, wenn auch das Testament von einer "Aussteuer" spreche. Die Ausstattung umfasse aber nicht nur Einrichtungsgegenstände und Kleidung - wie die Aussteuer -, sondern auch unbewegliche Sachen und Rechte. Der der Abgabepflichtigen aus § 30 RErbhG erwachsene Anspruch sei noch umfassender als das Recht auf Ausstattung, so daß § 68 Ziff. 7 BewG, der nur bewegliche körperliche Gegenstände befreie, nicht zum Zuge kommen könne. Darüber hinaus befreie aber die genannte Vorschrift die Gegenstände selbst, nicht aber die Ansprüche auf Leistung solcher Gegenstände. Zudem habe die Beschwerdeführerin (Bfin.) einen Teil des erhaltenen Geldes nicht zur Beschaffung von Hausrat, sondern zum Lebensunterhalt verwendet.
Mit der Rechtsbeschwerde (Rb.) rügt die Abgabepflichtige Verletzung des materiellen Rechts und macht geltend, auf Grund des Testaments sei ihr ein Vermächtnisanspruch entstanden, der ein Verschaffungsvermächtnis darstelle und auf einen Sachinbegriff gerichtet sei. Die Ansicht, dieser Anspruch zähle zum sonstigen Vermögen, verstoße gegen den Wortlaut des Gesetzes, das nur von Kapitalforderungen spreche. Der Bruder habe wegen des Bezugscheinzwangs und wegen Mangels an allen Waren bis zur Währungsreform und in der ersten DM-Zeit die Aussteuer nicht beschaffen können; bei normalen Verhältnissen wäre der Aussteueranspruch lange vor der Währungsreform erfüllt worden.
Entscheidungsgründe
Der Rb. ist der Erfolg zu versagen.
Es ist davon auszugehen, daß im allgemeinen bei unbeschränkt Abgabepflichtigen das Vermögen zu Beginn des 21. Juni 1948 der Vermögensabgabe unterliegt, das sich nach den bei der Vermögensteuer für die Ermittlung des Gesamtvermögens maßgebenden Vorschriften errechnet (ß 21 Abs. 1 des Lastenausgleichsgesetzes - LAG -). Als sonstiges Vermögen kommen dabei gemäß § 67 BewG alle Wirtschaftsgüter, insbesondere Forderungen aller Art in Betracht, sofern sie nicht zu den drei anderen Vermögensarten gehören oder durch § 68 BewG als nicht zum sonstigen Vermögen gehörig bezeichnet worden sind (vgl. Urteil des Bundesfinanzhofs III 27/52 U vom 13. Februar 1953, Bundessteuerblatt 1953 III S. 90, Slg. Bd. 57 S. 225). Die Bfin. kann sich allenfalls auf § 68 Ziff. 7 BewG berufen, der Hausrat und andere bewegliche körperliche Gegenstände als nicht zum sonstigen Vermögen gehörig bezeichnet. Selbst wenn man mit den Urteilen der Finanzgerichte Münster (vom 18. Dezember 1956 III e 15/56, Entscheidungen der Finanzgerichte 1957 Nr. 123) und Nürnberg (vom 28. November 1956 IV 85/56, Entscheidungen der Finanzgerichte 1957 Nr. 309) annehmen wollte, daß auf den Aussteueranspruch der § 68 Ziff. 7 BewG ebenso angewendet werden kann wie auf den Hausrat, so kann der Senat der Bfin. nicht darin beipflichten, daß es sich vorliegendenfalls um einen Aussteueranspruch handelt. Dem Finanzgericht ist vielmehr darin zuzustimmen, daß der Anspruch der Bfin. gegen ihren Bruder sich nicht nur auf die Aussteuer bezog, sondern auf den durch § 30 RErbhG den Töchtern zugesicherten Ausstattungsanspruch, der weitergeht als der Anspruch auf eine Aussteuer nach § 1620 BGB und nicht nur "Hausrat und andere bewegliche Gegenstände" umfaßt. Das Testament sagt zwar: "Für die Schwester hat Karl eine standesgemäße Aussteuer bei deren Verheiratung zu kaufen"; die Formulierung ist aber auslegungsbedürftig. Dabei ist durch § 133 BGB die Buchstabenauslegung verboten. Durch § 30 RErbhG war der Vater verpflichtet (vgl. Vogels, Reichserbhofgesetz, 4. Auflage, § 30 Anm. 22), die Tochter auszustatten. Der § 30 RErbhG sollte eine angemessene Versorgung der Miterben sicherstellen, um diese vor der Verarmung zu bewahren. Der Erblasser kann die Versorgung der Miterben im Testament regeln, muß aber die gesetzlichen Schranken des RErbhG beachten: Bemißt er die Ansprüche zu hoch, so verstoßen sie gegen die Beschränkung des Anerbenrechts nach § 24 RErbhG; werden die Ansprüche zu gering berücksichtigt, so verletzt der Erblasser die Pflichtteilsansprüche der Berechtigten. Aus dem Testament ist nichts dafür zu entnehmen, daß der Vater entgegen den gesetzlichen Vorschriften die Rechte seiner Tochter einschränken wollte. Der vom Erblasser gewählte Ausdruck "Aussteuer" darf ohne Bedenken als "Ausstattung" gedeutet werden. Daß über den allgemeinen Wortsinn auf die subjektiven Vorstellungen und Absichten des Erblassers zurückgegriffen werden muß, gilt grundsätzlich auch dann, wenn er sich eines technisch-juristischen Ausdrucks bedient hat (vgl. Staudinger, Kommentar zum BGB, 11. Auflage, § 133 Anm. 27).
Hat aber der Vater seinem Sohn die Beschaffung einer Ausstattung auferlegt, so bezieht sich der Anspruch der Abgabepflichtigen nicht nur auf Hausrat und dergleichen, wie es der Inhalt des § 68 Ziff. 7 BewG verlangt. Da der Anspruch aus anderen Gründen keine Befreiung erfährt, gehört er zum sonstigen Vermögen und ist mit Recht zur Vermögensabgabe herangezogen worden.
Das Finanzgericht hat auch zutreffend darauf hingewiesen, daß die Bfin. von den zu "Aussteuer" -Zwecken in bar erhaltenen 9.500 DM zugestandenermaßen einen Teilbetrag von 2.800 DM nicht zur Beschaffung von Hausrat usw., sondern zum Lebensunterhalt verwendet hat.
Auf die Frage, ob der Anspruch auf Aussteuer ebenso zu behandeln ist wie der in § 68 Ziff. 7 BewG aufgeführte Hausrat, kommt es hiernach nicht mehr an. Es mag aber darauf hingewiesen werden, daß der Senat die Ansicht der Finanzgerichte Münster und Nürnberg, a. a. O., nicht zu teilen vermag. Da der Gesetzgeber eindeutig nur von Hausrat spricht, ist es nicht vertretbar, auch Ansprüche auf Beschaffung von Hausrat unter die Befreiung zu rechnen; es kann auch nicht anerkannt werden, daß der Anspruch dem Besitz von Hausrat wesensgleich ist. Zu diesem Schluß führt auch die Begründung, die Gürsching-Stenger (Kommentar zum Bewertungsgesetz und Vermögensteuergesetz, § 68 BewG Anm. 11) für die Befreiung des Hausrats geben. Wenn die Befreiung dadurch veranlaßt ist, daß die Besteuerung des Hausrats ein tiefes Eindringen in private Verhältnisse des Steuerpflichtigen bedeuten würde, das vermieden werden soll, und die Bewertung zu schwierig wäre, so treffen diese Gründe auf Forderungen der hier in Rede stehenden Art nicht zu.
Das Finanzgericht hat weiter zutreffend festgestellt, daß der Verlust des Gatten im Kriege der Bfin. keinen Anspruch auf Befreiung von der Vermögensabgabe gewährt. Ob Billigkeitsmaßnahmen angebracht sind, ist in diesem Verfahren nicht zu entscheiden. Die Kostenfolge beruht auf § 307 der Reichsabgabenordnung.
Fundstellen
Haufe-Index 409199 |
BStBl III 1958, 477 |
BFHE 1959, 533 |
BFHE 67, 533 |