Entscheidungsstichwort (Thema)
Steuerliche Förderungsgesetze
Leitsatz (amtlich)
Die Eigennutzung eines Grundstückes macht allein die Abgrenzung der Grundstückserträge von sonstigen Erträgen nicht unmöglich, wenn eine "übliche Miete" (= ortsübliche Miete) geschätzt werden kann. Eine "übliche Miete" ist nicht feststellbar, wenn das Grundstück bauliche Besonderheiten größeren Ausmaßes aufweist, auf Grund deren es an vergleichbaren vermieteten Grundstücken in hinreichender Zahl fehlt.
Fehlt eine übliche Miete für Teile des Gebäudes, während sie für andere Gebäudeteile feststeht, so ist die überwiegende Nutzung für die Zulässigkeit einer Herabsetzung der Abgabeschuld entscheidend. Bei dem Gebäudeteil ist deren Mietwert maßgeblich.
Normenkette
LAG § 104 Abs. 1 S. 3
Tatbestand
Den Abgabepflichtigen gehört je zur Hälfte ein mit Hypotheken belastetes Grundstück, das Kriegsschaden erlitten hatte; es wurde im Jahre 1954 wieder aufgebaut. Das wiederaufgebaute Grundstück wird wie folgt genutzt:
Gesamte Nutzfläche --------------------- 4.168 qm davon durch die Abgabepflichtigen eigengewerblich genutzt: Tankstellenhof --------------------- 900 qm Werkstatt und Lager ----------------- 18 qm Waschhalle ------------------------- 128 qm Großgarage (Keller) ---------------- 763 qm Ladenbüro --------------------------- 26 qm Büroräume --------------------------- 35 qm 1.870 qm davon fremdgenutzt: Gaststätte im Erdgeschoß ------------ 50 qm Büro- und Praxisräume im I. Obergeschoß ------------------ 246 qm Büroräume im II. und III. Obergeschoß 562 qm Hotelbetrieb im IV., V. und VI. Obergeschoß -------------------- 640 qm Teppichgroßhandlung im Hintergebäude 800 qm 2.298 qm. Den Antrag der Abgabepflichtigen auf Herabsetzung der Abgabeschulden der Hypothekengewinnabgabe nach § 104 LAG lehnte das Finanzamt ab, da sich die Erträge des Grundstückes infolge der Art seiner Benutzung nicht hinreichend bestimmt von sonstigen Erträgen oder Wirtschaftsergebnissen abgrenzen ließen (ß 104 Abs. 1 Satz 3 LAG).
Bezüglich der eigengenutzten Grundstücksteile seien die Erträge des Grundstückes nicht von den gewerblichen Erträgen der Abgabepflichtigen zu trennen. Das beruhe darauf, daß das Gebäude in allen diesen seinen Teilen auf die besonderen gewerblichen Bedürfnisse der Abgabepflichtigen zugeschnitten worden sei und daß sich eine ortsübliche Miete für sie nicht ergebe, die als fiktiver Grundstücksertrag angesetzt werden könne. Damit aber fehle es für die in der Wirtschaftlichkeitsberechnung von den Abgabepflichtigen als ersparte Miete angesetzten Beträge an der Nachhaltigkeit im Sinne des § 4 der Achtzehnten Durchführungsverordnung über Ausgleichsabgaben nach dem Lastenausgleichsgesetz (18. AbgabenDV-LA) vom 30. November 1955 (BStBl 1955 I S. 705); als nachhaltig könnten nur solche Erträge angesprochen werden, die im Falle der Vermietung der fraglichen Gebäudeteile aller Voraussicht nach stets erzielbar seien, was aber bei der Herrichtung der Gebäudeteile für einen ganz bestimmten gewerblichen Zweck, die ihre Nutzung auf den Kreis eben dieses Gewerbes begrenze, nicht der Fall sei. Dasselbe gelte für die fremdgenutzten Gebäudeteile, mindestens soweit sie durch den Hotelbetrieb genutzt würden. Auch hier lasse die spezielle Herrichtung einen nachhaltigen Ertrag im Sinne der obengenannten Bestimmung nicht als gesichert erscheinen
Einspruch und Berufung blieben ohne Erfolg. Das Finanzgericht hat die Preisstelle für Mieten und Pachten um Auskunft darüber ersucht, wie hoch die ortsüblichen Mieten für Gebäude bzw. Teile von Gebäuden in dem in Betracht kommenden Stadtteil sind, die auf eine gewerbliche Benutzung als Tankstellenhof, Werkstatt und Lager, Waschhallen, Großgarage, Ladenbüro, Büroräume, Gaststätten- und Hotelbetrieb baulich abgestellt sind. Die Preisstelle hat mitgeteilt, sie sei aus personellen Gründen nicht in der Lage, ein Gutachten zu erstatten; ihre Akten enthielten zur Beurteilung der Frage kein geeignetes Material. In der Beurteilung des Streitfalles hat es sich im wesentlichen der Rechtsansicht des Finanzamts angeschlossen.
Mit der Rb. rügen die Bf. unrichtige Rechtsanwendung und Verstoß gegen den Akteninhalt.
Entscheidungsgründe
Die Rb. führt zur Aufhebung der Vorentscheidung.
Materiell ist streitig, ob eine Herabsetzung der Hypothekengewinnabgabeschuld versagt werden kann, weil sich die Erträge des Grundstückes infolge der Art seiner Benutzung von sonstigen Erträgen oder Wirtschaftsergebnissen nicht abgrenzen lassen. "Sonstige Erträge" sind gewerbliche, land- und forstwirtschaftliche oder Erträge öffentlicher, gemeinnütziger, mildtätiger oder kirchlicher Unternehmen und Einrichtungen (vgl. Harmening, Kommentar zum Lastenausgleich, § 104 Anm. 15). Der Vorinstanz ist darin zuzustimmen, daß es für die Entscheidung darauf ankommt, ob trotz gewerblicher Eigennutzung eines Grundstückes im Rahmen eines gewerblichen Betriebes aus den Erträgen des Gewerbebetriebes ein Teilbetrag als reiner Grundstücksertrag ermittelt werden kann. Bei Eigennutzung fehlt in der Gewinnberechnung für den gewerblichen Betrieb im allgemeinen ein Ausgabeposten für Geschäftsraummiete; sie macht allein die Abgrenzung nicht unmöglich, wenn eine "übliche Miete" geschätzt werden kann. Für die Zulässigkeit der Herabsetzung entscheidet das Vorhandensein einer ortsüblichen Miete (vgl. Erlasse des Bundesministers der Finanzen vom 29. Juni 1957 IV C/5 - LA 2555 - 16/57, BStBl 1957 I S. 365 = LA-Kartei § 104 Karte 11, und vom 16. März 1957 IV C/5 - LA 2614 - 5/57, BStBl 1957 I S. 189 LA-Kartei § 129 Karte 21). Ob die Folgerung des Bundesministers der Finanzen zutrifft, daß diese Voraussetzung nur bei einem "Typengrundstück" vorliegt, hängt davon ab, was unter einem solchen Grundstück zu verstehen ist. Ist damit ein Grundstück gemeint, wie es der Art nach vermietet werden kann und vermietet wird, bestehen gegen die Rechtsansicht keine Bedenken. Jedenfalls läßt sich eine übliche Miete nicht feststellen, wenn das Grundstück bauliche Besonderheiten größeren Ausmaßes aufweist, auf Grund deren es an vergleichbaren vermieteten Grundstücken in hinreichender Anzahl fehlt.
Den Bf. kann nicht in der Ansicht gefolgt werden, daß bei einer Großtankstelle, Großgarage und Waschhalle "die Feststellung einer üblichen vergleichbaren Miete nicht auf die leisesten Schwierigkeiten" stoße. Solche Gebäude sind für Spezialzwecke hergerichtet, die nur für diese mit den entsprechenden Einrichtungen "verpachtet" werden können; eine schätzbare Pacht ist aber keine Grundstücksmiete. Solche Erträge sind weder reine Grundstückserträge im Sinne des § 104 LAG noch "nachhaltig" im Sinne des § 4 der 18. AbgabenDV-LA.
Die Vorinstanz ist aber nicht auf das Vorbringen eingegangen, daß der größere Teil des Grundstückes (2298 qm von 4.168 qm) fremdgenutzt ist. Fehlt nämlich eine übliche Miete lediglich für Teile des Gebäudes, während sie für andere Gebäudeteile feststeht, so bestehen keine Bedenken, der Ansicht des Bundesministers der Finanzen (vgl. Erlaß vom 29. Juni 1957, a. a. O., Tz. 46) zu folgen, die überwiegende Nutzung für die Zulässigkeit einer Herabsetzung für das ganze Grundstück entscheidend sein zu lassen. Kann demnach für den fremdgenutzten Teil eine nachhaltige Miete ermittelt werden, so wäre § 104 LAG grundsätzlich anwendbar.
Bereits im Schriftsatz vom 12. Juni 1958 haben die Bf. vorgetragen, es handle sich um Büroräume und einen Hotelbetrieb, deren Einrichtung nicht von den Bf. vorgenommen ist und für die von den fremden Mietern die ortsübliche Miete gezahlt werde. Aus den Akten ist keine Feststellung darüber zu entnehmen, daß die vermieteten Räume für einen bestimmten Zweck hergerichtet und kein Miet-, sondern ein Pachtvertrag vorläge. Wenn sich das Finanzgericht der Meinung des Finanzamts in der Einspruchsentscheidung anschloß, für die fremdgenutzten Gebäudeteile gelte das gleiche wie für die eigengenutzten, so hätte es hierzu tatsächliche Feststellungen treffen und seine Rechtsansicht begründen müssen. Da dies nicht geschehen ist, hat die Vorentscheidung rechtliche Gesichtspunkte unberücksichtigt gelassen, die für das Ergebnis des Rechtsstreites von entscheidender Bedeutung sind.
Die Sache geht daher zur erneuten Entscheidung an das Finanzgericht zurück, welches nunmehr darüber zu befinden hat, ob der fremdgenutzte Teil überwiegt und nach den vorstehenden Ausführungen eine Herabsetzung der Hypothekengewinnabgabe möglich ist. Diese Prüfung kann allerdings nicht durch einen Vergleich der Bodenflächen (qm) des eigen- und des fremdgenutzten Teiles erfolgen. Maßgeblich ist vielmehr der Mietwert dieser Teile, weil für die Entscheidung über einen Antrag nach § 104 LAG die Ertragslage maßgeblich ist und die Gegenüberstellung der anteiligen Erträge auch die der Vorschrift entsprechende überwiegende Nutzung ergibt.
Fundstellen
Haufe-Index 410276 |
BStBl III 1962, 88 |
BFHE 1962, 232 |
BFHE 74, 232 |