Entscheidungsstichwort (Thema)
Einkommensteuer, Lohnsteuer, Kirchensteuer
Leitsatz (amtlich)
Zur Höhe der verdeckten Gewinnausschüttung, wenn eine Kapitalgesellschaft ihren Gesellschaftern 7c-Darlehen mit einer fünfzehn Jahre überschreitenden Laufzeit gewährt.
Normenkette
EStG §§ 7c, 20 Abs. 2 Ziff. 1, § 43/2, § 44; KapStDV § 5
Tatbestand
An dem 20 000 DM betragenden Stammkapital der Steuerpflichtigen, einer GmbH, waren in den Jahren 1950 und 1951 die Kaufleute U. mit 3000 DM und K. mit 17 000 DM beteiligt. Die GmbH gewährte ihren Gesellschaftern in den Jahren 1950 und 1951 unverzinsliche Darlehen im Sinn des § 7c des Einkommensteuergesetzes (EStG) 1950 zur Errichtung von Wohngebäuden, und zwar dem Gesellschafter K. 307 815 DM und dem Gesellschafter U. 71 171 DM. Die Darlehen sind dinglich nicht gesichert und können von der GmbH nicht gekündigt werden. Sie sind nach Ablauf von zwei Jahren mit gleichbleibenden Beträgen innerhalb von 84 und 95 Jahren zurückzuzahlen.
Das Finanzamt sah in den Darlehen wirtschaftlich insoweit einen Zuschuß, als sie vertragsmäßig erst nach Ablauf von 30 Jahren zurückzuzahlen sind. Es ging dabei von der Erwägung aus, daß unbeteiligten Dritten üblicherweise 7c-Darlehen mit einer längeren Laufzeit als 30 Jahren nicht gewährt würden und daß deshalb der nach Ablauf von 30 Jahren zurückzuzahlende Darlehnsbetrag eine verdeckte Gewinnausschüttung darstelle. Es berechnete die verdeckten Gewinnausschüttungen an die beiden Gesellschafter auf insgesamt 248 486 DM und machte die GmbH für die auf diesen Betrag entfallende Kapitalertragsteuer in Höhe von 33 1/3 v. H. = 82 828,65 DM haftbar.
Auf die Berufung der GmbH hob das Finanzgericht den Haftungsbescheid ersatzlos auf. Aus eingeholten Gutachten ergebe sich, daß bei 7c-Darlehen Laufzeiten nicht nur bis zu 50 Jahren, sondern der Lebensdauer der Gebäude entsprechend bis zu 100 Jahren vereinbart würden und wirtschaftlich vertretbar seien. Auch die Unkündbarkeit der Darlehen erscheine unter Berücksichtigung der berechtigten Interessen der Darlehnsnehmer verständlich. Weder die Langfristigkeit noch die Unkündbarkeit der Darlehen rechtfertige deshalb die Annahme, daß ein gleichartiger Vertrag nicht auch zwischen fremden Personen hätte geschlossen werden können. Die Steuervergünstigung sei für die GmbH Grund genug für die Hingabe der Darlehen gewesen. Da der Gesetzgeber den Steuerpflichtigen ein Wahlrecht zwischen Zuschüssen und Darlehen gegeben habe, könne die Ausübung dieses Rechts nicht als Mißbrauch von Formen und Gestaltungsmöglichkeiten des bürgerlichen Rechts angesehen werden.
Entscheidungsgründe
Die Rechtsbeschwerde (Rb.) des Vorstehers des Finanzamts ist begründet und führt zur Aufhebung der Vorentscheidung.
Die GmbH haftet für die Einbehaltung und Entrichtung der von dem Finanzamt angeforderten Kapitalertragsteuer, wenn die ihren Gesellschaftern gewährten Darlehen besondere Entgelte und Vorteile im Sinn des § 20 Abs. 2 Ziff. 1 EStG 1950 enthalten, die Erträge aus der Beteiligung der Gesellschafter an der GmbH darstellen (ß 43 EStG 1950, § 5 der Kapitalertragsteuer-Durchführungsverordnung - KapStDV - 1949). Zu diesen Entgelten gehören auch verdeckte Gewinnausschüttungen, die die Kapitalgesellschaft ihren Gesellschaftern mit Rücksicht auf die Gesellschaftereigenschaft ohne Anrechnung auf die Geschäftsanteile zuwendet. Dabei kommt es, wie der Senat im Urteil I 13/53 U vom 16. Februar 1954 (Slg. Bd. 58 S. 759, Bundessteuerblatt - BStBl - 1954 III S. 201) dargelegt hat, weniger auf die formale oder zivilrechtliche Seite des Vorgangs, als vielmehr auf den wirtschaftlichen Zweck und Gehalt der Maßnahme an. Wie der Senat in einem wesentlichen gleichliegenden Fall im Urteil I 103/53 U vom 6. Dezember 1955 (Slg. Bd. 62 S. 214, BStBl 1956 III S. 80) ausgeführt hat, werden unverzinsliche Darlehen nach § 7c EStG 1950 nach den Erfahrungen des täglichen Lebens an völlig unbeteiligte Dritte mit einer Laufzeit von mehr als 10 bis 15 Jahren nicht gegeben. Geht die Laufzeit von solchen Darlehen über diesen Zeitraum hinaus, so hat der Darlehnsgeber regelmäßig neben der Absicht der Steuerersparnis noch andere Gründe, die ihn zur Hingabe des Darlehens veranlassen. Solche Umstände können in den gesellschaftsrechtlichen Beziehungen der Parteien begründet sein. Die Ausführungen des Finanzgerichts, daß Verträge über 7c-Darlehen unter den hier vorgesehenen Bedingungen erfahrungsgemäß auch zwischen fremden Personen abgeschlossen werden würden, sind mit den Erfahrungen des täglichen Lebens und mit den von dem Finanzgericht eingeholten Gutachten nicht vereinbar (wird näher ausgeführt).
Da im vorliegenden Fall die Gründe für die Hingabe der langfristigen Darlehen nur in der Tatsache bestanden haben können, daß die Empfänger der Darlehen Gesellschafter der GmbH sind, so ist, das Vorliegen einer verdeckten Gewinnausschüttung dem Grunde nach zu bejahen.
Die vorstehende tatsächliche Feststellung kann nicht mit der Behauptung widerlegt werden, daß unbeteiligten Dritten oft 7c-Darlehen mit langen Laufzeiten gewährt worden seien, ohne daß der Geber andere Gründe als den Gesichtspunkt der Steuerverlagerung für die Hingabe des Darlehens gehabt habe. Dem Senat sind solche Fälle nicht bekannt und auch die GmbH hat solche Fälle nicht anführen können. Ihre Unwahrscheinlichkeit ergibt sich aus der Vermutung, daß der Kaufmann keine Geschäfte abschließt, die ihm keinen Vorteil bringen. Dem Vorteil der Steuerverlagerung stehen die erheblichen Nachteile der Liquiditätsminderung, des Zinsverlustes und der langfristigen und ungesicherten Bindung der Betriebsmittel gegenüber. Berücksichtigt man, daß die GmbH ihre flüssigen Mittel, die jedenfalls zur Zeit für den Betrieb nicht gebraucht würden, zinslos und ohne jede dingliche Sicherung auf mehr als 80 Jahre festlegte, so liegt der Teilwert im Zeitpunkt der Hingabe bei der Annahme, daß ein Ertrag von mindestens 7 v. H. hätte erzielt werden können, weit unter 15 v. H. des Nennbetrags. Es ist nicht anzunehmen, daß ein Kaufmann einen Verlust von über 85 v. H. des bar hingegebenen Geldbetrags lediglich des Vorteils wegen hinnehmen würde, daß ihm die auf der Darlehnsvaluta liegende Steuerschuld langfristig gestundet wird.
Daß die überlegungen, von denen sich der Senat auch im Urteil I 103/53 U hat leiten lassen, zutreffend sind, ergibt sich auch aus folgender Erwägung. Der Gesetzgeber hat durch Abschnitt 1 Art. 1 Ziff. 5 des Gesetzes zur änderung des Einkommensteuergesetzes und des Körperschaftsteuergesetzes vom 5. Oktober 1956 (Bundesgesetzblatt 1956 I S. 781) die nach § 10 Abs. 1 Ziff. 4 EStG 1955 geltende Sperrfrist für Kapitalansammlungsbeträge von zehn auf drei Jahre verkürzen müssen, weil die gewährte Steuervergünstigung zu einer Festlegung auf die Dauer von zehn Jahren nicht anreizen konnte. Berücksichtigt man, daß bei Kapitalansammlungsverträgen durch den Abzug der Sparsumme von den Einkünften ein endgültiger Steuervorteil, bei der Hingabe von 7c-Darlehen dagegen grundsätzlich nur eine Steuerverlagerung gewährt wird, und daß die im Kapitalansammlungsvertrag festgelegten Mittel nicht unerhebliche Zinsen erbringen, so könnte aus der Verkürzung der Sperrfrist bei Kapitalansammlungsverträgen eher der Schluß gezogen werden, daß in der Regel völlig unbeteiligten Dritten 7c-Darlehen nicht einmal mit einer Laufzeit von zehn Jahren gewährt worden sind.
Da das Finanzgericht die Rechtslage verkannt hat, muß die Entscheidung aufgehoben werden. Wie sich aus dem Urteil I 103/53 U ergibt, liegt bei einer Laufzeit der unverzinslichen Darlehen von fast 100 Jahren unter Berücksichtigung der Unkündbarkeit durch die GmbH die Annahme nahe, daß die Beteiligten an eine Darlehnsgewährung nicht gedacht und sich bei wirtschaftlicher Betrachtung im Wege der als Darlehen bezeichneten Zuschüsse die Erträge der GmbH endgültig in ihr Vermögen überführt haben. Es erscheint jedoch im Hinblick auf die Würdigung des Finanzamts noch vertretbar, nicht die vollen Darlehnsbeträge, sondern nur die Teile als Zuschüsse und verdeckte Gewinnausschüttungen der Kapitalertragsteuer zu unterwerfen, die nach Ablauf von fünfzehn Jahren seit Hingabe der Darlehen zurückzuzahlen sind. Diese Art der Berechnung hat den Vorteil, daß es keiner Erörterung bedarf, welcher Zinssatz als angemessen anzusehen ist. Es ist von der Sach- und Rechtslage auszugehen, wie sie sich aus den im Zeitpunkt der Hingabe der Darlehen von den Beteiligten getroffenen Vereinbarungen ergibt. Spätere änderungen dieser Vereinbarungen können nicht bewirken, daß sich die Höhe der durch die Hingabe der Darlehen durchgeführten verdeckten Gewinnausschüttungen vermindert.
Die Sache wird an das Finanzamt zurückverwiesen, das die Höhe der verdeckten Gewinnausschüttung den vorstehenden Ausführungen entsprechend im Einspruchsverfahren berechnen wird.
Fundstellen
Haufe-Index 408947 |
BStBl III 1958, 69 |
BFHE 1958, 174 |
BFHE 66, 174 |
BB 1958, 296 |
DB 1958, 154 |