Entscheidungsstichwort (Thema)
Umweg ohne Auswirkung auf Rechtsnatur der ,,Fahrt zur Arbeitsstätte"
Leitsatz (NV)
Die privat oder beruflich bedingte Einschaltung eines Umwegs auf der Fahrt zur Arbeitsstätte ändert nichts daran, daß die Kosten für die Zurücklegung der regulären Fahrtstrecke zwischen Wohnung und Arbeitsstätte nur im Rahmen des § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr.6 EStG zu berücksichtigen sind (Anschluß an Urteile vom 17. Februar 1977 IV R 87/72, BFHE 122, 55, BStBl II 1977, 543, sowie vom 25. März 1988 III R 96/85, BFHE 153, 119, BStBl II 1988, 655). Allenfalls die Kosten für eine beruflich bedingte Umwegfahrt sind uneingeschränkt als Betriebsausgaben abziehbar.
Normenkette
EStG § 4 Abs. 5 S. 1 Nr. 6, § 9 Abs. 1 Nrn. 4-5, Abs. 2
Tatbestand
Zwischen den Beteiligten ist streitig, in welchem Umfang Fahrten des Klägers und Revisionsklägers (Kläger) von der Wohnung zur Betriebsstätte und Kosten von Privatfahrten bei den Kfz-Kosten als beschränkt abzugsfähige Betriebsausgaben bzw. nicht als Betriebsausgaben zu berücksichtigen sind.
Der Kläger betreibt einen . . .einzelhandel. Er wohnt in A. Sein Geschäftslokal befand sich bis zum 30. April 1986 in der W-Straße und ab diesem Zeitpunkt am X-Platz. Bevor der Kläger jeweils das Geschäftslokal aufsucht, fährt er direkt von seiner Wohnung zum Großmarkt in der Y-Straße, um dort Waren für sein Geschäft einzukaufen. Auf dem Großmarkt verbringt der Kläger mit dem Einkauf täglich etwa 2 bis 3 Stunden. Ungefähr 10 Händler sind dort seine regelmäßigen Lieferanten.
Die Entfernung zwischen der Wohnung und dem Geschäft in der W-Straße beträgt 13 km und zwischen der Wohnung und dem Geschäft X-Platz 12,5 km. Die Entfernung zwischen der Wohnung und dem Großmarkt beträgt 18 km, zwischen dem Geschäft in der W-Straße und dem Großmarkt 6 km, zwischen dem Großmarkt und dem Geschäft X-Platz 9 km. Die verschiedenen Zielpunkte sind so gelegen, daß das Geschäft in der W-Straße ungefähr auf der Fahrtstrecke von der Wohnung zum Großmarkt lag, während die Wohnung, das Geschäft am X-Platz und der Großmarkt ein fast gleichschenkliges Dreieck bilden.
Der Kläger hatte in seinen Gewinnermittlungen für 1984 bzw. 1986 als beschränkt abzugsfähige Fahrten zwischen Wohnung und Betriebsstätte 924,54 DM bzw. 695,40 DM berücksichtigt. Dem Ansatz der Fahrten von der Wohnung zur Betriebsstätte lag jeweils eine Fahrt täglich, nämlich die Rückfahrt vom Geschäftslokal zur Wohnung, zugrunde. Die Kosten für die morgendliche Fahrt zum Großmarkt behandelte er als voll abzugsfähige Betriebsausgaben.
Als ausschließlich privat veranlaßten Nutzungsanteil erfaßte er für 1984 565 DM und für 1986 500 DM von den Gesamtkosten von 4814 DM bzw. 7224 DM.
Das Finanzamt (FA) setzte den Privatanteil an den Kraftfahrzeugkosten auf 20 v.H. fest und ging für die Berechnung der Fahrtkosten zwischen Wohnung und Betriebsstätte von jährlich 240 Hin- und Rückfahrten zwischen der Wohnung und dem Geschäftslokal aus. Die darüber hinaus durch die Fahrten zum Großmarkt anfallenden Kosten wurden vollen Umfangs als Betriebsausgaben berücksichtigt.
Die Einsprüche gegen die Gewinnfeststellungsbescheide 1984 und 1986 sowie gegen den Gewerbesteuermeßbescheid 1984 hatten insoweit Erfolg, als das FA den Anteil der privaten Kfz-Nutzung auf 10 v.H. ermäßigte.
Die Klage blieb erfolglos.
Das Finanzgericht (FG) führte aus, das FA habe fälschlicherweise zugunsten des Klägers die weiteren Kosten für den ,,Umweg" zum Großmarkt als voll abzugsfähig behandelt. Bei der täglichen Hinfahrt zum Großmarkt handele es sich nicht um eine betrieblich veranlaßte ,,Umwegfahrt", deren Kosten in vollem Umfang nur absetzbar seien, soweit sie den Umweg beträfen. Vielmehr sei die gesamte Fahrt von der Wohnung zum Großmarkt als Fahrt zur Arbeitsstätte zu werten. Denn der Großmarkt sei als Betriebsstätte i.S. des § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr.6 des Einkommensteuergesetzes (EStG) anzusehen. Soweit das FA statt dessen den pauschalierten Abzug nur für die Hin- und Rückfahrt zwischen Betrieb und Wohnung angesetzt und für die Fahrwegdifferenz der Hinfahrt zum Großmarkt die Aufwendungen zum vollen Abzug zugelassen habe, sei der Kläger dadurch nicht beschwert.
Die Schätzung des privaten Nutzungsanteils des Klägers mit 10 v.H. der Kfz-Kosten sei ebenfalls nicht zu beanstanden. In der Regel sei ein privater Nutzungsanteil von 20 bis 25 v.H. der enstandenen Kosten angemessen. Bei Steuerpflichtigen, die berufsbedingt ihr Kfz in besonders hohem Maße für berufliche Zwecke einsetzten, könne dieser Anteil niedriger geschätzt werden. Dies habe das FA mit dem Ansatz von rd. 10 v.H. privater Nutzung für den Kläger zutreffend getan.
Mit der Revision verfolgt der Kläger weiterhin sein Begehren, die erste tägliche Fahrt von der Wohnung zum Großmarkt als in vollem Umfange betrieblich veranlaßt anzusehen mit der Folge, daß nur die abendliche Heimfahrt vom Betrieb zur Wohnung der Kilometerpauschale unterworfen sei. Er macht geltend, daß dadurch, daß er sich von der Wohnung aus direkt zum Abschluß von betrieblich notwendigen Rechtsgeschäften begebe, eine Hinfahrt zum Betrieb vollständig entfalle. Die Fahrt zum Großmarkt müsse in vollem Umfang wie eine betrieblich veranlaßte Fahrt gewertet werden.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist unbegründet.
Die Schätzung des privaten Nutzungsanteils des Klägers mit 10 v.H. der gesamten Kfz-Kosten begegnet aus den in der Vorentscheidung dargestellten Gründen keinen Bedenken. Der Kläger selbst hat zu diesem Fragenkreis in der Revision nichts mehr vorgetragen.
Auch die steuerliche Behandlung der Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte seitens des FA begegnet keinen rechtlichen Bedenken. Die Auffassung des Klägers, Kosten für die morgendliche Fahrt von der Wohnung zum Großmarkt seien uneingeschränkt als Betriebsausgaben abzugsfähig, ist unzutreffend. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) ändert die privat oder beruflich bedingte Einschaltung eines Umwegs auf der Fahrt zur Arbeitsstätte nichts daran, daß die Kosten für die Zurücklegung der regulären Fahrtstrecke zwischen Wohnung und Arbeitsstätte nur im Rahmen des § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr.6 EStG zu berücksichtigen sind (vgl. Urteile vom 17. Februar 1977 IV R 87/72, BFHE 122, 55, BStBl II 1977, 543, sowie vom 25. März 1988 III R 96/85, BFHE 153, 119, BStBl II 1988, 655). Allenfalls die Kosten für eine beruflich bedingte Umwegfahrt sind uneingeschränkt als Betriebsausgaben abziehbar.
Der Senat folgt dieser Rechtsprechung. Jede andere Beurteilung würde zu sinnwidrigen Ergebnissen führen, wie die im Urteil in BFHE 122, 55, BStBl II 1977, 543 dargestellten Beispiele zeigen.
Es erscheint zweifelhaft, ob der Auffassung des FG gefolgt werden könnte, wonach angesichts der Regelmäßigkeit der Fahrtgestaltung die gesamte Fahrt des Klägers zum Großmarkt als Fahrt zwischen Wohnung und Betriebsstätte anzusehen ist. Bedenken gegen diese Auffassung lassen sich insbesondere schon daraus herleiten, daß - ihre Richtigkeit unterstellt - der Kläger veranlaßt würde, unsinnigerweise nur aus steuerrechtlichen Erwägungen zunächst zu seinem Betrieb und von dort zum Großmarkt zu fahren, was ihm jedenfalls bis April 1986 ohne nennenswerte Fahrtstreckenänderung möglich gewesen wäre.
Der Senat kann diese Frage indes offenlassen. Denn in den angefochtenen Verwaltungsakten wurden nur die Fahrten des Klägers von der Wohnung zu seinen Betrieben in der W-Straße (bis April 1986) und am X-Platz (ab Mai 1986) dem pauschalierten Betriebsausgabenabzug unterworfen. Die vom FG demgegenüber vertretene Rechtsauffassung, auch die Kosten der Fahrten von der Wohnung zu dem weiter abgelegenen Großmarkt (anstelle einer Direktfahrt zum Betrieb des Klägers) seien nur pauschaliert abziehbar, würde zu einer unzulässigen Verböserung führen.
Der Senat sieht sich nicht in der Lage, dem gestellten Hilfsantrag zu entsprechen. Die Revisionsbegründungsschrift enthält keine Darlegungen, die diesen Antrag als nachvollziehbar erscheinen lassen. Der Hinweis auf die ,,Ermittlung in der Klagesache" reicht mangels konkreter Angaben von Schriftsätzen oder anderer Urkunden nicht einmal für eine Plausibilitätsprüfung aus.
Fundstellen
Haufe-Index 418905 |
BFH/NV 1993, 473 |