Leitsatz (amtlich)
Inhalt und Wirkung einer Option zur Regelbesteuerung nach § 19 Abs. 4 UStG 1967.
Normenkette
UStG 1967 § 19 Abs. 4; 3. UStDV § 7
Tatbestand
Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin) ist am 20. April 1969 gegründet worden und hat ihre Geschäfte im Oktober 1969 aufgenommen. Gegenstand der Gesellschaft ist nach ihrem Gesellschaftsvertrage der An- und Verkauf von Anlagevermögen jeglicher Art, insbesondere von Grundstücken, ferner die Errichtung von Gebäuden und die Verwaltung von eigenem und fremdem Vermögen. Die Klägerin begann im Jahre 1969 mit der Errichtung von Appartements-Ferienwohnungen in A, die zur Vermietung an Feriengäste bestimmt waren. Im Veranlagungszeitraum 1969 sind bei der Klägerin Teilherstellungskosten in Höhe von 538 456 DM einschließlich ihr in Rechnung gestellter Umsatzsteuer in Höhe von 51 072,82 DM angefallen.
Mit Schreiben vom 31. Oktober 1969 teilte die Klägerin dem Beklagten und Revisionskläger (FA) ihre Gründung und die Aufnahme der Geschäftstätigkeit mit. Gleichzeitig erklärte sie gemäß § 19 Abs. 4 UStG 1967 die Option zur Regelbesteuerung für den Veranlagungszeitraum 1969 und den Widerruf dieser Option mit Wirkung ab 1. Januar 1970. Umsätze wurden noch nicht im Veranlagungszeitraum 1969, sondern erst im Veranlagungszeitraum 1970 getätigt, nachdem die Klägerin die Appartementswohnungen fertiggestellt (Ende März 1970) und ihrem Anlagevermögen zugeführt hatte.
In ihrer Anfang Januar 1970 abgegebenen Umsatzsteuerjahreserklärung 1969 setzte die Klägerin die Höhe ihrer Umsätze und der darauf entfallenden Umsatzsteuer mit 0 DM und die abziehbaren Vorsteuerbeträge mit 51 072,82 DM an. Das FA lehnte jedoch eine Berücksichtigung der Vorsteuerbeträge bei der Steuerberechnung nach § 16 UStG 1967 ab und setzte die Umsatzsteuer 1969 auf 0 DM fest. Der Einspruch der Klägerin blieb ohne Erfolg. Das FG gab der Klage, mit der die Anerkennung der bei der Klägerin angefallenen Vorsteuern als nach § 15 Abs. 1 UStG 1967 abziehbare Vorsteuern begehrt wurde, statt. Es hat im wesentlichen ausgeführt, daß die Klägerin rechtswirksam für den Veranlagungszeitraum 1969 zur Besteuerung nach den allgemeinen Vorschriften des Gesetzes optiert habe. Entgegen der Auffassung des FA setze die Wirksamkeit einer Option nach § 19 Abs. 4 UStG 1967 nicht voraus, daß der Unternehmer im Veranlagungszeitraum der Option auch tatsächlich Umsätze bewirkt habe. Es genüge die Aufnahme einer unternehmerischen Tätigkeit, die unstreitig im Veranlagungszeitraum 1969 erfolgt sei. Auch sei diese Option nicht durch den gleichzeitig erklärten Widerruf für die Zeit ab 1. Januar 1970 unwirksam geworden. Die Wirksamkeit dieses auf § 7 der 3. UStDV vom 28. Dezember 1967 (BGBl I 1967, 1377, BStBl I 1968, 161) gestützten Widerrufs, die es grundsätzlich bejahe, sei aber abschließend erst im Veranlagungszeitraum 1970 zu beurteilen.
Hiergegen richtet sich die Revision des FA. Es vertritt die Auffassung, daß bei einer Option nach § 19 Abs. 4 UStG 1967 für ein Jahr, in dem noch keine Umsätze ausgeführt wurden, und bei einem gleichzeitig erklärten Widerruf dieser Option vom Beginn des folgenden Jahres an eine rechtswirksam erklärte Option zur Besteuerung nach den allgemeinen Vorschriften des Gesetzes (Regelbesteuerung) nicht vorliege. Eine Option zur Regelbesteuerung setze immer voraus, daß auch Umsätze der Regelbesteuerung unterworfen würden. Eine Option könne zwar auch für ein Jahr erfolgen, in dem noch keine Umsätze ausgeführt werden und es könnten auch Vorsteuerbeträge in diesem Jahre zum Abzug zugelassen werden; in diesem Falle sei aber die Fortdauer der Option für das Folgejahr, in dem erste Umsätze getätigt würden, erforderlich. Eine andere Auslegung des § 19 Abs. 4 UStG 1967 führe dazu, daß die Klägerin Vorsteuern abziehen, jedoch die Entstehung einer Selbstverbrauchsteuerschuld vermeiden könne. Die Gewährung einer solchen Vergünstigung verstoße klar gegen die Absicht des Gesetzgebers. Auch aus § 7 der 3. UStDV ergebe sich nichts Gegenteiliges. Die Verkürzung der zeitlichen Bindungsfristen habe nur den Zweck, dem optierenden Unternehmer die Möglichkeit einer vorzeitigen Rückkehr zur Versteuerung nach § 19 UStG 1967 zu geben, wenn er im Laufe des Jahres nachteilige Auswirkungen der Option erkennt. Die Klägerin wolle jedoch die Verkürzung der zeitlichen Bindungsfristen zu ihrem Vorteil, nämlich zur Vermeidung einer Selbstverbrauchsteuerpflicht, ausnutzen. Ferner stelle sich die Frage, ob die Optionserklärung der Klägerin nicht als nichtig anzusehen sei. Die Klägerin habe bei Abgabe der Optionserklärung gewußt, daß sie im Veranlagungszeitraum 1969 keinen Umsatz der Regelbesteuerung unterwerfen werde. Das von ihr objektiv Erklärte sei nicht von ihrem Willen getragen gewesen.
Das FA beantragt, das finanzgerichtliche Urteil aufzuheben und die Umsatzsteuer für den Veranlagungszeitraum 1969 auf 0 DM festzusetzen.
Die Klägerin beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Sie hält ihre Option für rechtswirksam. Die vom FA vorgenommene Auslegung des § 19 Abs. 4 UStG 1967 fände im Gesetz keine Stütze. Es sei vielmehr jeder Veranlagungszeitraum getrennt zu betrachten. Das gelte auch für die Frage des auf § 7 der 3. UStDV gestützten Widerrufs. Hierüber könne nur im Rahmen der Veranlagung 1970 entschieden werden. Im übrigen habe der Verordnungsgeber die Möglichkeit, daß sich durch die Verkürzung der zeitlichen Bindungsfristen im Einzelfall Vorteile ergeben könnten, gesehen. Ein Mißbrauch der vom Gesetz- bzw. Verordnungsgeber gewährten steuerlichen Gestaltungsmöglichkeiten läge nicht vor. Auch sei die vom FA behauptete Nichtigkeit ihrer Optionserklärung zu verneinen. Bei Abgabe dieser Erklärung habe sie lediglich gewußt, daß ihre Umsätze in 1969 nur unwesentlich sein würden.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist unbegründet.
Ein Abzug von Vorsteuern nach Maßgabe des § 15 UStG 1967 setzt voraus, daß der Unternehmer seine Umsätze nach den allgemeinen Vorschriften des Gesetzes versteuert (§ 19 Abs. 1 Satz 2 UStG 1967). Den danach vom Vorsteuerabzug ausgeschlossenen sogenannten Kleinunternehmern im Sinne des § 19 Abs. 1 UStG 1967 gibt jedoch der Absatz 4 dieser Vorschrift das Recht, statt der Besteuerung nach § 19 Abs. 1 bis 3 UStG 1967 die Besteuerung nach den allgemeinen Vorschriften des Gesetzes zu wählen (sogenannte Option zur Regelbesteuerung). Dieser Wechsel in der Besteuerungsform setzt eine entsprechende einseitige Erklärung des Unternehmers gegenüber dem FA voraus. Sie wird - falls innerhalb einer bestimmten Frist abgegeben - für das laufende Kalenderjahr wirksam und bindet den Unternehmer für mindestens fünf Kalenderjahre. Diese Bindungsfrist ist durch § 7 der 3. UStDV für eine Übergangszeit verkürzt worden. Ein Unternehmer, der mit Wirkung vom Beginn der Kalenderjahre 1968 oder 1969 erstmals eine Option zur Regelbesteuerung abgegeben hat, kann diese Option mit Wirkung vom Beginn eines jeden folgenden Kalenderjahres an widerrufen.
In der bei Geschäftsaufnahme abgegbenen Erklärung der Klägerin, daß sie für das Kalenderjahr 1969 ihre Umsätze den allgemeinen Vorschriften des Gesetzes unterwerfen wolle, ist die Abgabe einer Optionserklärung im Sinne des § 19 Abs. 4 Satz 1 UStG 1967 zu sehen. Diese Erklärung ist fristgerecht und entgegen der Auffassung des FA auch wirksam abgegeben worden. Sie hatte zur Folge, daß die Klägerin ab 1. Januar 1969 der Regelbesteuerung unterlag und daher grundsätzlich Vorsteuern nach Maßgabe des § 15 UStG 1967 abziehen konnte. Aus der Fassung des Gesetzes kann nicht hergeleitet werden, daß der optierende Unternehmer in dem Kalenderjahr, für das eine Option zur Regelbesteuerung erklärt wird, auch tatsächlich Umsätze ausführen muß. Die von § 19 Abs. 4 Satz 1 UStG 1967 verwendete Formulierung, der Unternehmer müsse erklären, daß er seine Umsätze nicht dem § 19 Abs. 1 bis 3 UStG 1967, sondern den allgemeinen Vorschriften des Gesetzes unterwerfen wolle, beinhaltet ausschließlich eine Bezeichnung der beiden dem Umsatzsteuergesetz 1967 bekannten Formen der Umsatzsbesteuerung. Der Regelfall ist die Besteuerung nach dem durch den Systemwechsel verwirklichten Nettoallphasensystem mit Vorsteuerabzug, für das sich zur Abgrenzung des im Rahmen des § 19 UStG 1967 beibehaltenen alten Bruttoallphasensystems die Kurzbezeichnung "Regelbesteuerung" eingebürgert hat (vgl. Erlaß des BdF vom 29. März 1971 - IV A/3 - S 7360 - 5/71, BStBl I 1971, 201, USt-Kartei § 19 S 7360 K. 2).
Mit der Erklärung nach § 19 Abs. 4 Satz 1 UStG 1967 trifft der Unternehmer eine Entscheidung darüber, welcher Besteuerungsform er sich für die Zukunft unterwerfen will. Eine Verpflichtung, innerhalb der gewählten Besteuerungsform auch Umsätze zu bewirken, hat er weder mit seiner Optionserklärung bzw. ihrem Widerruf einzugehen. Um die Gefahr von Mißbräuchen beim Vorsteuerabzug auszuschließen, die dadurch entstehen können, daß der Unternehmer nach der Option zur Regelbesteuerung im laufenden Kalenderjahr nur Vorsteuern abzieht, aber keine Umsätze oder nur solche nicht nennenswerten Umfangs bewirkt, hat der Gesetzgeber den Unternehmer durch § 19 Abs. 4 Satz 2 UStG 1967 für fünf Jahre an die getroffene Wahl gebunden (vgl. Schriftlicher Bericht des Finanzausschusses des Deutschen Bundestages, Abschn. "Im einzelnen" zu § 19, zu Bundestagsdrucksache V/1581). Durch diese Bindungswirkung für fünf Kalenderjahre werden Mißbräuche (z. B. Verlagerung von Vorbezügen und Investitionen in den Zeitraum der Regelbesteuerung, Abbau der Vorräte und Einschränkung der Investitionen während der Besteuerung nach § 19 UStG 1967) weitestgehend ausgeschlossen. Allerdings kann der Unternehmer, soweit seine Unternehmensverhältnisse dies zulassen, für ihn steuerlich günstige Überlegungen der vorbezeichneten Art im letzten Jahr der fünfjährigen Bindungsfrist anstellen. Diese möglicherweise eintretenden Folgen hat der Gesetzgeber in Kauf genommen. Die vom FA vertretene Auffassung läßt sich daher dem Gesetz nicht entnehmen. Vielmehr ergibt sich, daß der Gefahr von Mißbräuchen beim Vorsteuerabzug (und in der Zeit bis zum 31. Dezember 1972 bei der Selbstverbrauchsteuer) allein durch die fünfjährige Bindungsfrist entgegengetreten werden soll.
Diese Auslegung entspricht auch den wirtschaftlichen Verhältnissen. Nach § 19 Abs. 4 Satz 1 UStG 1967 ist der Unternehmer gehalten, die Wahl der Besteuerungsform der Regelbesteuerung spätestens bis zum zehnten Tage nach Ablauf des ersten Voranmeldungszeitraums eines Kalenderjahres zu treffen. Im Falle des Widerrufs der Option ist die Frist noch kürzer. Zu diesem Zeitpunkt dürfte der Unternehmer in nicht wenigen Fällen nicht in der Lage sein, seine wirtschaftliche Entwicklung während der kommenden Zeit vollends abzusehen. Unvorhergesehene Ereignisse (z. B. Autounfall des Inhabers eines Einmannunternehmens, der zu einer länger anhaltenden Arbeitsunfähigkeit führt) können durchaus zur Folge haben, daß im Jahre der Option keine Umsätze getätigt werden. Das Gesetz bietet keine Handhabe, deshalb die Option für dieses Kalenderjahr als unwirksam anzusehen. Daß in einem solchen Fall die Besteuerung ausgewogen bleibt (z. B. wegen Vorbezügen, die auf Bestellungen aus dem Vorjahr zurückgehen) und nicht zu Mißbräuchen bei der Inanspruchnahme des Vorsteuerabzugs führt, wird in hinreichendem Maße durch die fünfjährige Bindungsfrist sichergestellt. Für die vom FA vertretene Auffassung bleibt angesichts dieses Zusammenwirkens der Einzelvorschriften des § 19 Abs. 4 UStG 1967 kein Raum.
Die durch § 7 der 3. UStDV für eine Übergangszeit zugelassene Verkürzung der Bindungsfrist kann nicht zu einer abweichenden Auslegung des § 19 Abs. 4 UStG 1967 veranlassen. Auch läßt sich aus ihr keine Unwirksamkeit der erklärten Option herleiten. Es wird dabei nicht verkannt, daß der Verordnungsgeber - gestützt auf die gesetzliche Ermächtigung des § 26 Abs. 1 UStG 1967 - diese Verkürzung der Bindungsfrist zur Beseitigung von Unbilligkeiten in Härtefällen zugelassen hat. Nach der amtlichen Begründung zur Dritten Verordnung zur Durchführung des Umsatzsteuergesetzes - Mehrwertsteuer - (vgl. Eckhardt-Weiß, Umsatzsteuergesetz, Textteil) kann es aus verschiedenen Gründen erforderlich werden, einem Unternehmer die vorzeitige Rückkehr zur Besteuerung nach § 19 Abs. 1 bis 3 UStG 1967 zu ermöglichen. Dies gilt nach der amtlichen Begründung insbesondere für die ersten Jahre nach dem Inkrafttreten des neuen Umsatzsteuergesetzes, in denen die Unternehmer noch keine ausreichenden Erfahrungen mit der Mehrwertsteuer sammeln konnten. Demgemäß ist durch § 7 der 3. UStDV zugelassen worden, daß Unternehmer, die mit Wirkung vom Kalenderjahr 1968 oder 1969 an erstmalig eine Optionserklärung im Sinne des § 19 Abs. 4 Satz 1 UStG 1967 abgegeben haben, diese Erklärung mit Wirkung vom Beginn eines jeden folgenden Kalenderjahres an widerrufen können. Der Verordnungsgeber ist sich der möglichen Folgen, die sich aus dieser Verkürzung ergeben können und deren Vermeidung die vom Gesetz geforderte fünfjährige Bindungsfrist dient, durchaus bewußt gewesen. Die amtliche Begründung zu § 7 der 3. UStDV (vgl. Eckhardt-Weiß, a. a. O.) führt nämlich folgendes aus: "Die Verkürzung der zeitlichen Bindungen dürfte in der Übergangszeit nicht zu Mißbräuchen führen, da infolge der Besteuerung des Selbstverbrauchs ein Wechsel in der Besteuerungsart" - gemeint ist die Besteuerungsform - "wegen beabsichtigter Investitionen im allgemeinen nicht zu ins Gewicht fallenden Steuerersparnissen führen wird." Diese Erwartung des Verordnungsgebers mag für den Regelfall gerechtfertigt sein. Sie gilt, wie die Erwägungen des Verordnungsgebers zeigen, nicht ausnahmslos. Fallen die Vorsteuerbeträge zum wesentlichen Teil im Kalenderjahr der Regelbesteuerung an und wird - wenn der Unternehmer die Option wirksam zum Jahresende widerrufen hat - die Zuführung zum Anlagevermögen im Kalenderjahr der Bruttoallphasenbesteuerung vorgenommen, was die Vermeidung einer Selbstverbrauchsteuerpflicht nach sich zieht, so ergeben sich andere steuerliche Folgen. Eine abweichende Auslegung des § 19 Abs. 4 Satz 1 UStG 1967 vermag dies nicht zu veranlassen. § 7 der 3. UStDV ist eine den § 19 Abs. 4 Satz 2 UStG 1967 abändernde Regelung. Die Verkürzung der fünfjährigen Bindungsfrist bis auf günstigstenfalls ein Kalenderjahr mußte zwangsläufig die Möglichkeit einer Gefahr unausgewogener Besteuerungsverhältnisse herbeiführen. Gleichwohl hat der Verordnungsgeber darauf verzichtet, in § 7 der 3. UStDV entsprechende, solche Gefahren ausschließende Regelungen aufzunehmen. Er hat hiervon Abstand genommen, weil er diese Gefahren offenbar nicht für bedeutsam hielt. Der Senat sieht sich nicht in der Lage, den § 7 der 3. UStDV angesichts dieser Entstehungsgeschichte und seines klaren Wortlauts einschränkend dahin auszulegen, daß eine auf ein Kalenderjahr beschränkte Option zur Regelbesteuerung dann unzulässig oder unwirksam ist, wenn die auf § 7 der 3. UStDV gestützte Verkürzung der Bindungsfrist im Einzelfall zu dem Ergebnis führt, daß beim Unternehmer Steuerersparnisse eintreten.
Eine derartige Rechtsauffassung würde auch schwerlich mit dem Rechtscharakter einer Optionserklärung im Sinne des § 19 Abs. 4 Satz 1 UStG 1967 vereinbar sein. Es handelt sich bei ihr um eine einseitige Willenserklärung des Unternehmers, die mit ihrem Zugang beim FA rechtsgestaltend auf das Umsatzsteuerrechtsverhältnis einwirkt. Sie führt, ohne daß es einer Mitwirkung des FA bedarf, zu einer konstitutiven Änderung des materiellen Inhalts des Umsatzsteuerrechtsverhältnisses, die im Rahmen des § 19 Abs. 4 UStG 1967 in einem Wechsel in der Besteuerungsform besteht. Ausfluß dieser rechtsbegründenden Willenserklärung ist die für den Regelfall in § 19 Abs. 4 Satz 2 UStG 1967 vorgesehene Bindung des Unternehmers für fünf Kalenderjahre an die abgegebene Erklärung. Aus dem durch die Optionserklärung modifizierten Umsatzsteuerrechtsverhältnis kann der Unternehmer nur durch eine weitere einseitige Erklärung, nämlich den Widerruf der Option, entlassen werden.
Ob dem FA darin gefolgt werden kann, daß eine erklärte Option zur Regelbesteuerung den Unternehmer auch für das Folgejahr an diese Entscheidung bindet, wenn nicht schon im Kalenderjahr der Option, sondern erst im Folgejahr erste Umsätze bewirkt werden, ist - wie das FG zutreffend ausgeführt hat - eine die Wirksamkeit des Widerrufs betreffende Frage. Es kann jedoch nicht übersehen werden, daß mit dieser Auffassung des FA dem § 19 Abs. 4 Satz 1 UStG 1967 eine dahingehende Auslegung gegeben würde, daß der Unternehmer sich mit der Abgabe der Optionserklärung zur Bewirkung von der Regelbesteuerung zu unterwerfenden Umsätzen verpflichtet. Dieser Auslegung vermag der Senat jedoch - wie bereits ausgeführt wurde - nicht beizutreten. Ob sich aus anderen Gründen eine Unwirksamkeit des Widerrufs herleiten könnte, braucht der Senat in diesem Verfahren nicht abschließend zu prüfen. Dies gilt u. a. auch für den vom FA vorgetragenen Gesichtspunkt der Steuerumgehung, die darin bestehen soll, daß die Klägerin durch ihren Widerruf eine Selbstverbrauchsteuerpflicht vermeiden wollte.
Auf das Vorbringen des FA, die Optionserklärung sei nichtig, weil die Klägerin eine bewußt falsche Erklärung des Inhalts abgegeben habe, daß in 1969 Umsätze - wenn auch unter 60 000 DM liegend - bewirkt würden, braucht der Senat schon deshalb nicht einzugehen, weil es sich hierbei um neues tatsächliches Vorbringen in der Revision handelt.
Fundstellen
BStBl II 1973, 574 |
BFHE 1973, 287 |