Entscheidungsstichwort (Thema)
Wirksamkeit der Befreiung von Beschränkungen des § 181 BGB nach Abschluß von In-sich-Geschäften
Leitsatz (NV)
Der Alleingesellschafter-Geschäftsführer einer GmbH ist rechtswirksam von den Beschränkungen des § 181 BGB befreit, wenn die Befreiung nach Abschluß von In-sich- Geschäften in der Satzung geregelt und im Handelsregister eingetragen wird. Die In- sich-Geschäfte sind dann als nachträglich genehmigt anzusehen. Das steuerrechtliche Rückwirkungsverbot steht dem nicht entgegen, vorausgesetzt, den In-sich-Geschäften liegen klare und von vornherein abgeschlossene Vereinbarungen zugrunde (Bestätigung des Senatsurteils vom 23. Oktober 1996 I R 71/95, BFHE 181, 328).
Normenkette
KStG § 8 Abs. 3 S. 2; BGB § 181; GmbHG § 35 Abs. 4
Verfahrensgang
Tatbestand
Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) ist eine im Jahre 1987 gegründete GmbH, deren alleinige Gesellschafterin und Geschäftsführerin X war. Im Geschäftsführer-Anstellungsvertrag vom 23. Juni 1987, der von X auch für die Klägerin unterzeichnet worden war, heißt es, daß die Geschäftsführerin von den Beschränkungen des § 181 des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) befreit sei. Ende 1987/Anfang 1988 wurden weitere Geschäftsführer bestellt. Eine Befreiung der Geschäftsführer von den Beschränkungen des § 181 BGB wurde am 10. Oktober 1988 beschlossen und am 31. Oktober 1988 im Handeslregister eingetragen.
Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt -- FA --) behandelte die an X im Streitjahr bis zum Oktober 1988 gezahlten Gehälter als verdeckte Gewinnausschüttungen (vGA), weil diese zunächst nicht wirksam vom Verbot des Selbstkontrahierens befreit worden sei.
Einspruch und Klage blieben erfolglos.
Mit ihrer Revision rügt die Klägerin Verletzung materiellen Rechts.
Sie beantragt sinngemäß, das Urteil des Finanzgerichts (FG) aufzuheben und den angefochtenen Bescheid in der Weise zu ändern, daß die vom FA als vGA angesehenen Beträge als Betriebsausgaben abgezogen werden.
Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Revision der Klägerin ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Klagestattgabe. FA und FG haben zu Unrecht in den an den Gesellschafter- Geschäftsführer geleisteten Geschäftsführervergütungen vGA gesehen.
1. Unter einer vGA i. S. des § 8 Abs. 3 Satz 2 des Körperschaftsteuergesetzes (KStG) ist bei einer Kapitalgesellschaft eine Vermögensminderung (verhinderte Vermögensmehrung) zu verstehen, die durch das Gesellschaftsverhältnis veranlaßt ist, sich auf die Höhe des Einkommens auswirkt und in keinem Zusammenhang mit einer offenen Ausschüttung steht (Urteil des Bundesfinanzhofs -- BFH -- vom 11. Dezember 1991 I R 49/90, BFHE 166, 545, BStBl II 1992, 434). Für den größten Teil der entschiedenen Fälle hat der BFH eine Veranlassung der Vermögensminderung durch das Gesellschaftsverhältnis angenommen, wenn die Kapitalgesellschaft ihrem Gesellschafter einen Vermögensvorteil zuwendet, den sie bei Anwendung der Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters einem Nichtgesellschafter nicht gewährt hätte (BFH-Urteil vom 16. März 1967 I 261/63, BFHE 89, 208, BStBl III 1967, 626). Ist der begünstigte Gesellschafter ein beherrschender Gesellschafter, so kann eine vGA auch dann anzunehmen sein, wenn die Kapitalgesellschaft eine Leistung an ihn erbringt, für die es an einer klaren und von vornherein abgeschlossenen Vereinbarung fehlt oder für die die entsprechende Vereinbarung entweder nicht durchgeführt ist oder zivilrechtlich unwirksam ist (vgl. BFH-Urteile vom 22. September 1976 I R 68/74, BFHE 120, 200, BStBl II 1977, 15; vom 14. März 1990 I R 6/89, BFHE 160, 459, BStBl II 1990, 795; vom 13. März 1991 I R 1/90, BFHE 164, 255, BStBl II 1991, 597).
Gemäß § 35 Abs. 4 des Gesetzes betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung (GmbHG) i. d. F. des Gesetzes vom 4. Juli 1980 (BGBl I 1980, 836) ist auf In- sich-Geschäfte des alleinigen Gesellschafters und Geschäftsführers einer GmbH seit dem 1. Januar 1981 § 181 BGB anzuwenden. Die Vertretungsmacht des Geschäftsführers als Organ der GmbH umfaßt somit bei Einmann-Gesellschaften derartige Geschäfte nur, wenn sie ihm "gestattet" sind. Eine einem Alleingesellschafter nach dem 31. Dezember 1980 erteilte allgemeine Befreiung vom Selbstkontrahierungsverbot bedarf einer Regelung in der Satzung und der Eintragung im Handelsregister (Urteil des Bundesgerichtshofs -- BGH -- vom 6. Oktober 1960 II ZR 215/58, BGHZ 33, 189, Neue Juristische Wochenschrift -- NJW -- 1960, 2285; BGH-Beschluß vom 28. Februar 1983 II ZB 8/82, BGHZ 87, 59 = GmbH-Rundschau -- GmbHR -- 1983, 269; BGH-Beschluß vom 8. April 1991 II ZB 3/91, BGHZ 114, 167, GmbHR 1991, 261, 262; Senatsurteil in BFHE 164, 255, BStBl II 1991, 597, jeweils m. w. N.).
2. Schließt ein Alleingesellschafter-Geschäftsführer im Namen der Gesellschaft mit sich selbst Rechtsgeschäfte, ohne wirksam von den Beschränkungen des § 181 BGB befreit zu sein, so handelt er insoweit ohne Vertretungsmacht. Die Rechtsgeschäfte sind zunächst schwebend unwirksam (§ 177 Abs. 1 BGB). Die im Rahmen eines solchen Vertrages an den alleinigen oder beherrschenden Gesellschafter geleisteten Zahlungen werden daher nach ständiger Rechtsprechung des Senats grundsätzlich als (verdeckte und andere) Gewinnausschüttungen i. S. der § 8 Abs. 3 Satz 2, § 27 KStG beurteilt (vgl. z. B. BFH-Urteile in BFHE 120, 200, BStBl II 1977, 15; in BFHE 164, 255, BStBl II 1991, 597).
3. Daran hält der Senat fest. Die Forderung nach rechtswirksamen Verträgen zwischen einer Kapitalgesellschaft und ihrem beherrschenden Gesellschafter dient dazu, Gewinnausschüttungen und Leistungen aufgrund schuldrechtlicher Verpflichtungen klar voneinander unterscheiden zu können, um auf diese Weise steuerliche Manipulationen des beherrschenden Gesellschafters zu vermeiden. Nur Rechtsgeschäfte, die den an sie gestellten zivilrechtlichen Anforderungen entsprechen, verdeutlichen, daß den Leistungen der Kapitalgesellschaft ein schuldrechtlicher und nicht ein verdeckter gesellschaftsrechtlicher Anlaß zugrunde liegt. Die zivilrechtliche Unwirksamkeit eines Vertrages, insbesondere zwischen Nahestehenden (Eheleuten, Angehörigen, beherrschenden Gesellschaftern) indiziert im allgemeinen eine mangelnde Ernsthaftigkeit schuldrechtlicher Leistungsverpflichtungen.
Wie der Senat in seinem Urteil vom 23. Oktober 1996 I R 71/95 (BFHE 181, 328, Deutsches Steuerrecht -- DStR -- 1996, 1969) entschieden hat, sind solche, unter Verstoß gegen das Verbot des Selbstkontrahierens zustandegekommenen Vereinbarungen zwischen Kapitalgesellschaften und ihren Alleingesellschafter-Geschäftsführern steuerrechtlich jedoch dann anzuerkennen, wenn der Abschluß dieser Vereinbarungen später genehmigt wird (§ 184 BGB). Eine solche Genehmigung wird immer dann anzunehmen sein, wenn der alleinige oder beherrschende Gesellschafter-Geschäftsführer nach Abschluß des Vertrages in rechtswirksamer Weise von den Beschränkungen des § 181 BGB befreit wird. Dies ist im Streitfall durch die Änderung des Gesellschaftsvertrages der Klägerin aufgrund des Gesellschafterbeschlusses vom 10. Oktober 1988 geschehen. Das steuerliche Rückwirkungsverbot, dem der alleinige oder beherrschende Gesellschafter einer GmbH unterfällt, steht dem nicht entgegen. Dies wäre nur dann der Fall, wenn die eigentliche vertragliche Vereinbarung im Zuwendungszeitpunkt gefehlt hat und erst zu einem späteren Zeitpunkt nachgeholt wird. Darum handelt es sich jedoch nicht, wenn -- wie im Streitfall in Gestalt der vom FG festgestellten Vereinbarungen über die Festlegungen und Anpassungen des Geschäftsführergehalts im Zuwendungszeitpunkt klare und eindeutige vertragliche Abreden zwischen der Kapitalgesellschaft und dem alleinigen Gesellschafter-Geschäftsführer getroffen wurden und diese lediglich infolge der zunächst ausstehenden Befreiung vom Verbot des In- sich-Geschäfts noch schwebend unwirksam waren. Es ist auch steuerlich anzuerkennen, wenn der Schwebezustand im Einklang mit den zivilrechtlichen Vorgaben rückwirkend beendet wird und das Geschäft dadurch Wirksamkeit erlangt. -- Um weitere Wiederholungen zu vermeiden, nimmt der Senat auf sein Urteil in BFHE 181, 328, DStR 1996, 1969 im übrigen Bezug.
4. Die Vorinstanz hat ihrer Entscheidung eine abweichene Rechtsauffassung zugrunde gelegt. Ihr Urteil war deshalb aufzuheben. Der Senat kann durcherkennen. Die angefochtenen Bescheide sind dahin zu ändern, daß die in Rede stehenden Geschäftsführervergütungen als Betriebsausgaben anzusehen sind (§ 7 des Gewerbesteuergesetzes i. V. m. § 8 Abs. 1 KStG, § 4 Abs. 4 des Einkommensteuergesetzes). Der einheitliche Gewerbesteuer-Meßbetrag 1988 ist sonach auf ... DM festzusetzen, die sich wie folgt errechnen: ...
Fundstellen
Haufe-Index 422098 |
BFH/NV 1997, 803 |