Leitsatz (amtlich)
Ansiedlungsbeiträge nach § 17 des Preußischen Gesetzes über die Gründung neuer Ansiedlungen vom 10. August 1904 (Sammlung des Schleswig-Holsteinischen Landesrechts 1963 Bd. 1 Gl. Nr. 233 S. 2 ff.) rechnen zu den Gebäudeherstellungskosten und nicht zu den Aufwendungen für den Grund und Boden.
Normenkette
EStG § 9 Abs. 1 Nr. 7, § 7
Tatbestand
Zu entscheiden ist, ob Ansiedlungsbeiträge nach § 17 des Preußischen Gesetzes über die Gründung neuer Ansiedlungen vom 10. August 1904 (Sammlung des Schleswig-Holsteinischen Landesrechts 1963 Bd. 1 Gl. Nr. 233 S. 2 ff.) - Ansiedlungsgesetz (AnsG) - Teil der Herstellungskosten von Gebäuden oder Anschaffungskosten für den Grund und Boden sind.
Die Kläger und Revisionskläger (Kläger) sind Miteigentümer der Grundstücke K 19 a bis 19 c und 21 a und 21 b in H. Diese Grundstücke hatten die Kläger 1967 vor der Bebauung von der T-GmbH in A (GmbH) gekauft. Diese errichtete als Bauträger für die Kläger auf diesen Grundstücken Mitte 1968 bezugsfertig gewordene Mietwohnhäuser. Die GmbH belastete die Kläger bei der Bauabrechnung u. a. mit 48 000 DM, die sie als Ansiedlungsbeiträge (Schulbaubeitrag und Beitrag für die Errichtung öffentlicher Anlagen und Einrichtungen der Gemeinde) aufgrund ihres Folgelastenvertrages mit der Gemeinde H vom 6. September 1962 und des gegen sie aufgrund der §§ 13 und 17 AnsG ergangenen Ansiedlungsund Leistungsbescheids des Landrats des Kreises B vom 14. Juli 1965 errichtet hatte.
Die Kläger bezogen diesen Betrag in die Herstellungskosten der Gebäude ein. Dem folgte der Beklagte und Revisionsbeklagte (FA) bei der einheitlichen und gesonderten Feststellung ihrer Einkünfte für 1968 nicht. Das FA kürzte die nach § 7 Abs. 5 EStG geltend gemachte AfA und stellte entsprechend höhere Einkünfte der Kläger aus Vermietung und Verpachtung einheitlich fest.
Hiergegen richtet sich nach erfolglosem Einspruchsverfahren die Klage, die das FG mit der in Entscheidungen der Finanzgerichte 1974 S. 10 veröffentlichten Vorentscheidung abgewiesen hat. Zur Begründung führte das FG im wesentlichen aus: Die Ansiedlungsbeiträge seien Teil der Aufwendungen für den Grund und Boden. Daß ihre Entrichtung Voraussetzung für die Bebauung sei und ihre Höhe nach der Anzahl der Wohnungen bemessen werde, zwinge nicht dazu, diese Aufwendungen zu den Herstellungskosten der Gebäude zu rechnen. Die Ansiedlungsgenehmigung sei von der Baugenehmigung rechtlich unabhängig. Die Ansiedlungsbeiträge würden gleichsam nur durch die "abstrakte Gefahr" der Bebauung ausgelöst und nur aus Gründen der Gerechtigkeit nach der Bebauungsweise bemessen, steigerten jedoch ausschließlich den Wert des Grund und Bodens. Das zeige sich, wenn nach Erteilung der Ansiedlungsgenehmigung und Entrichtung des Ansiedlungsbeitrags das daraufhin errichtete Gebäude später abgerissen werde und das Grundstück im Rahmen des früheren Bauvolumens erneut bebaut oder nach Erteilung der Ansiedlungsgenehmigung und nach Entrichtung des Ansiedlungsbeitrags veräußert und im Rahmen des der Ansiedlungsgenehmigung zugrunde liegenden Bauvorhabens bebaut werde. In beiden Fällen werde ein erneuter Ansiedlungsbeitrag nicht erhoben. Daß auch bei nachträglicher Schaffung weiteren Wohnraums weitere Ansiedlungsbeiträge erhoben werden könnten, ergebe sich aus dem Bemühen um eine gleichmäßige und gerechte Verteilung der öffentlich-rechtlichen Belastungen.
Gegen dieses Urteil richtet sich die von der Vorinstanz wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zugelassene Revision der Kläger, die sinngemäß die Verletzung der §§ 7 Abs. 5 und 9 Abs. 1 Nr. 2 EStG rügen und beantragen, unter Aufhebung der Vorentscheidung dem Klageantrag zu entsprechen.
Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Revision führt zur Aufhebung der Vorentscheidung.
Die Ansiedlungsbeiträge sind Teil der Herstellungskosten der Wohngebäude i. S. des § 7 Abs. 5 EStG. Sie dienten der Herstellung der Gebäude, weil ihre Entrichtung Voraussetzung für die Erteilung der Ansiedlungsgenehmigung war, die ihrerseits vorliegen mußte, damit die Baugenehmigung erteilt wurde (§ 17, § 13 Abs. 1 Satz 2 AnsG). Sie sind hingegen keine Aufwendungen auf den Grund und Boden.
Wie Ansiedlungsbeiträge einkommensteuerrechtlich zu beurteilen sind, ist, soweit ersichtlich, höchstrichterlich noch nicht entschieden worden. Im Fall des Urteils des BFH vom 9. Dezember 1965 IV 62/63 U (BFHE 84, 524, BStBl III 1966, 191) hatte den Ansiedlungsbeitrag der Erwerber eines unbebauten Grundstücks gezahlt, nachdem der Ansiedlungs- und Leistungsbescheid auf ihren Antrag der Verkäuferin des Grundstücks erteilt worden war. Der BFH sah den vom Grundstückserwerber geleisteten Ansiedlungsbeitrag als Teil des Kaufpreises für den Grund und Boden an, weil die Beitragsverbindlichkeit bereits in der Person der Verkäuferin entstanden sei und der Erwerber mit der Zahlung des Beitrags lediglich seine Verpflichtung aus dem Kaufvertrag, die Verkäuferin von allen Verbindlichkeiten freizuhalten, erfüllt habe. Die Zahlung des Ansiedlungsbeitrags durch den Erwerber stelle daher die vertraglich übernommene Erfüllung einer fremden Schuld dar, die sich naturgemäß nur auf das unbebaute Grundstück, nicht aber auf das vom Erwerber später errichtete Gebäude habe erstrecken können.
Anliegerbeiträge zur Erstanlage einer Straße (BFH-Urteil vom 18. September 1964 VI 100/63 S, BFHE 81, 233, BStBl III 1965, 85) und zum Ausbau einer Ortsstraße (BFH-Urteil vom 19. Februar 1974 VIII R 65/72, BFHE 111, 496, BStBl II 1974, 337) hat der BFH im Hinblick auf den sich aus diesen Erschließungsmaßnahmen für das Grundstück ergebenden Wertzuwachs und den fehlenden Sachbezug dieses Aufwands zur Bebauung als Aufwand für den Grund und Boden oder als Aufwand für ein gegenüber dem Grundstück gesondertes Wirtschaftsgut angesehen, das wie der Grund und Boden nicht absetzbar sei (BFH-Urteil vom 29. Juni 1965 VI 253/64 U, BFHE 83, 219, BStBl III 1965, 580). Dementsprechend hat der BFH den Erschließungsbeitrag eines Erbbauberechtigten als Aufwand für den Erwerb des Erbbaurechts behandelt (Urteil vom 22. Februar 1967 VI 295/65, BFHE 88, 285, BStBl III 1967, 417) und den entsprechenden Aufwand eines Grundstückspächters als Kosten für die Anschaffung eines besonderen Wirtschaftsguts, das auf die Dauer der Pacht abschreibbar sei (Urteil vom 29. April 1965 IV 403/62 U, BFHE 82, 461, BStBl III 1965, 414). Als Aufwendungen auf den Grund und Boden hat der BFH ferner die von Grundstückseigentümern zu leistenden Beiträge zum Bau der gemeindlichen Grundstücksentwässerung angesehen (Urteile vom 3. August 1966 IV 290/63, BFHE 86, 710, BStBl III 1967, 600; vom 24. November 1967 VI R 302/66, BFHE 91, 42, BStBl II 1968, 178, und vom 6. Juli 1972 VIII R 20/72, BFHE 106, 311, BStBl II 1972, 790), weil diese Beiträge das Grundstück bebaubar machten und deshalb den Wert des Grund und Bodens ein für allemal steigerten.
Diese einkommensteuerrechtliche Beurteilung der Erschließungskosten (vgl. § 127 Abs. 2 und Abs. 4 des Bundesbaugesetzes - BBauG -) kann auf die zu den Erschließungsfolgelasten (vgl. Cholewa, Erschließungsbeitragsrecht, 3. Aufl., 1967, Tz. 37; Schmidt, Handbuch des Erschließungsrechts, 3. Aufl., 1972, S. 31) zu rechnenden Ansiedlungsbeiträge nicht übertragen werden.
Der Erwerb der Grundstücke durch die Kläger war von der Entrichtung der Ansiedlungsbeiträge unabhängig. Diese stellen deshalb keine Anschaffungskosten für die Grundstücke dar.
Die Ansiedlungsbeiträge sind auch nicht als nachträgliche Aufwendungen auf den Grund und Boden zu erfassen. Wie die vorstehend aufgeführte Rechtsprechung zeigt, werden Erschließungskosten als nachträgliche Aufwendungen auf den Grund und Boden deshalb angesehen, weil die Erschließungsmaßnahmen die Nutzbarkeit der Grundstücke allgemein erweitern. Erschließungsmaßnahmen wie Wegebau und Kanalbau beseitigen unmittelbar die Beschränkung der Nutzbarkeit der Grundstücke auf Zwecke, die nicht in der Errichtung, Änderung oder Nutzungsänderung von baulichen Anlagen bestehen (vgl. § 29 BBauG). Demgemäß entsteht die Beitragspflicht hier (abgesehen von dem Fall der bei Inkrafttreten des Bundesbaugesetzes bereits vorhanden gewesenen Erschließungsanlagen) ohne Rücksicht auf ein bestimmtes Bauvorhaben bereits mit Eintritt der Baureife der Grundstücke (§ 133 Abs. 1 BBauG) und überdies nur für den Eigentümer oder Erbbauberechtigten (§ 134 BBauG), nicht für den Bauherrn. Aufwendungen im Zusammenhang mit einer bestimmten Nutzung des Grundstücks werden hingegen dem Grund und Boden nicht zugeordnet, sondern dieser Nutzung. Das läßt sich dem Urteil des BFH VI R 302/66 entnehmen, in welchem die Aufwendungen für den Anschluß des Gebäudes an den gemeindlichen Kanal den Herstellungskosten des Gebäudes zugerechnet wurden, und dem BFH-Urteil VIII R 65/72, in welchem Anliegerbeiträge u. a. wegen ihres fehlenden Sachbezugs zur Bebauung als Aufwand für den Grund und Boden angesehen wurden. Der Ansiedlungsbeitrag als Voraussetzung für die Ansiedlungsgenehmigung (§ 17 Abs. 3 AnsG) und für die Baugenehmigung (§ 13 Abs. 1 Satz 2 AnsG) steht in unmittelbarem Zusammenhang mit einer bestimmten Nutzung des Grundstücks, nämlich dem Bau von Wohnungen; er wird vom Bauherrn erhoben (§ 13 Abs. 1 Satz 2 AnsG; Thiem, Kommentar zum Schleswig-Holsteinischen Kommunalabgabengesetz, § 9 Anm. 44). Diese Zuordnung des Ansiedlungsbeitrags zu einer bestimmten Nutzung des Grundstücks verbietet es, ihn den Aufwendungen auf den Grund und Boden zuzurechnen.
Die im vorliegenden Fall erhobenen Ansiedlungsbeiträge dienten überdies der Finanzierung von Folgelasten, die sich nicht aus der Belegenheit der Grundstücke im Außenbereich (§ 35 BBauG) ergaben. Nach § 17 AnsG konnte ein Ansiedlungsbeitrag nur erhoben werden, wenn anzunehmen war, daß infolge der Ansiedlung als solcher, nämlich der Errichtung einer Wohnung, eine Änderung oder Neuordnung der Gemeinde-, Kirchen- oder Schulverhältnisse erforderlich wurde. Die Ursache für diese Maßnahmen lag allein in dem durch den Wohnungsbau herbeigeführten Bevölkerungszuwachs (Urteil des Oberverwaltungsgerichts vom 3. November 1966 III OVG A 151/65, OVGE 23, 321, 325). Demgemäß hat das Bundesverwaltungsgericht mit Urteil vom 14. Mai 1969 IV C 37.67 (Deutsches Verwaltungsblatt 1970 S. 83) entschieden, daß § 17 AnsG keine Grundlage biete, Ansiedlungsleistungen für Erschließungsfolgelasten zu erheben, die ausschließlich durch den mit der Ansiedlung verbundenen Bevölkerungszuwachs und nicht durch die Lage des Vorhabens im Außenbereich verursacht werden, und § 9 des Kommunalabgabengesetzes Schleswig-Holstein vom 10. März 1970 (Gesetzessammlung Schleswig-Holstein II 6640 - 1), aufgrund dessen Ansiedlungsbeiträge erhoben werden, nachdem das Ansiedlungsgesetz außer Kraft gesetzt worden ist, stellt auf die Belegenheit des Grundstücks im Außenbereich nicht mehr ab.
Daß der Grundstücksmarkt die Nähe eines Grundstücks zu den mit dem Ansiedlungsbeitrag finanzierten Gemeinbedarfsanlagen als wertbildenden Umstand berücksichtigt, muß außer Betracht bleiben, weil die Zuordnung von Aufwendungen zu bestimmten Wirtschaftsgütern sich allein nach der Veranlassung dieser Aufwendungen bestimmt. Aus dem gleichen Grund kann nicht berücksichtigt werden, daß die Beitragspflicht nicht entstand, soweit früher einmal ein Ansiedlungsbeitrag anläßlich der Schaffung von Wohnraum erhoben worden war.
Die Vorinstanz ist von anderen Grundsätzen ausgegangen. Die Vorentscheidung wird daher aufgehoben. Die Sache ist spruchreif. Die einheitlich festgestellten Einkünfte der Kläger aus Vermietung und Verpachtung für 1968 vermindern sich um 3,5 v. H. der als Herstellungskosten der Gebäude anzusehenden Ansiedlungsbeiträge von 48 000 DM.
Fundstellen
Haufe-Index 71853 |
BStBl II 1976, 449 |
BFHE 1976, 437 |