Entscheidungsstichwort (Thema)
Zeitpunkt der Aufzeichnung von Bewirtungsaufwendungen
Leitsatz (NV)
Bewirtungsaufwendungen müssen zeitnah aufgezeichnet werden; das Gebot zeitgerechter Verbuchung bezieht sich allein auf den zeitlichen Abstand zwischen dem Anfall der Aufwendungen und dem Zeitpunkt der buchmäßigen Erfassung. Dem Zweck der zeitnahen und laufenden Aufzeichnungspflicht (Einschränkung der Manipulationsmöglichkeiten beim sog. Spesenabzug) ist jedenfalls dann nicht genügt, wenn die Verbuchungen erstmals nach Ablauf des Geschäftsjahres vorgenommen werden.
Normenkette
EStG § 4 Abs. 5 Nr. 2, Abs. 6 (Abs. 7 n.F.); AO 1977 § 146 Abs. 1 S. 1
Verfahrensgang
Tatbestand
Die Kläger und Revisionsbeklagten (Kläger) sind zur Einkommensteuer zusammenveranlagte Ehegatten.
Der Kläger ist Versicherungsvertreter und ermittelt den Gewinn nach § 5 des Einkommensteuergesetzes (EStG). In den Streitjahren 1978 bis 1980 nahm er die Buchungen der Geschäftsvorfälle nicht im zeitlichen Anschluß an diese vor. Er beschränkte sich im wesentlichen auf das Sammeln der Belege und übergab diese nach Ablauf des Geschäftsjahres seiner Steuerbevollmächtigten, die daraus den Jahresabschluß erstellte. Dabei buchte sie die Aufwendungen des Klägers für Geschenke und für Bewirtungen von Geschäftsfreunden i. S. des § 4 Abs. 5 Nr. 1 und 2 EStG einzeln und getrennt von den sonstigen Betriebsausgaben. Die insoweit als Betriebsausgaben geltend gemachten Aufwendungen ließ der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt - FA - ) nicht zum Abzug zu, weil der Kläger sie nicht fortlaufend i. S. des § 4 Abs. 6 EStG (nunmehr § 4 Abs. 7 EStG) aufgezeichnet habe.
Mit der nach erfolglosen Einspruchsverfahren gegen die entsprechenden Einkommensteuer- und Gewerbesteuerbescheide erhobenen Klage hatten die Kläger Erfolg.
Zur Begründung seiner zur Veröffentlichung in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) vorgesehenen Entscheidung führte das Finanzgericht (FG) aus, die Aufzeichnungen i. S. des § 4 Abs. 6 EStG seien zwar nach § 146 Abs. 1 der Abgabenordnung (AO 1977) zeitgerecht vorzunehmen. Nach dem insoweit maßgeblichen Zweck der Aufzeichnungspflicht seien aber die besonderen Aufzeichnungen des § 4 Abs. 6 EStG nur dann nicht zeitgerecht vorgenommen worden, wenn die Aufwendungen i. S. des § 4 Abs. 5 EStG zunächst zusammen mit anderen Betriebsausgaben gebucht und erst später, beispielsweise beim Jahresabschluß auf ein besonderes Konto umgebucht würden. Die Pflicht zur Trennung von Anfang an solle u. a. verhindern, daß der Steuerpflichtige die Aufwendungen später heraussuchen müsse und dabei ,,versteckte" Aufwendungen vergesse. Im Streitfall habe der Kläger aber die streitigen Aufwendungen bereits bei der ersten Verbuchung als Betriebsausgaben getrennt und einzeln aufgezeichnet.
Mit der vom FG zugelassenen Revision rügt das FA die Verletzung der Vorschriften der §§ 4 Abs. 7 Satz 1 EStG und 146 Abs. 1 Satz 1 AO 1977. Eigentlicher Zweck der Aufzeichnungspflicht sei nicht die Prüfungserleichterung, sondern die Bekämpfung des Spesenmißbrauchs. Insbesondere im Hinblick auf die mit wachsendem zeitlichem Abstand der Verbuchung zum Geschäftsvorfall zunehmende Gefahr der Manipulation könnten derart weit hinausgeschobene Buchungen wie im Streitfall nicht mehr als zeitgerecht angesehen werden.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Abweisung der Klage.
Nach § 4 Abs. 6 Satz 1 EStG (nunmehr § 4 Abs. 7 Satz 1 EStG) sind die Aufwendungen i. S. des § 4 Abs. 5 Nrn. 1 bis 5 und 7 EStG einzeln und getrennt von den sonstigen Betriebsausgaben aufzuzeichnen. Darunter fallen Aufwendungen für Geschenke (§ 4 Abs. 5 Ziff. 1 EStG) und Bewirtungsspesen (§ 4 Abs. 5 Ziff. 2 EStG). Bei einem Verstoß gegen die Aufzeichnungspflicht dürfen diese Aufwendungen bei der Gewinnermittlung nicht berücksichtigt werden (§ 4 Abs. 6 Satz 2 EStG).
1. Sofern - wie im Streitfall - eine Buchführung eingerichtet ist, liegt eine getrennte Aufzeichnung nur vor, wenn die Aufwendungen i. S. des § 4 Abs. 5 EStG auf besonderen Konten innerhalb der Buchführung verbucht werden (Urteil des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 3. April 1974 I R 241/71, BFHE 112, 178, BStBl II 1974, 497). Dabei muß diese Verbuchung - dem Erfordernis des § 146 Abs. 1 AO 1977 entsprechend - zeitgerecht und damit zeitnah erfolgen (BFH-Urteile vom 28. Mai 1968 IV R 150/67, BFHE 92, 487, BStBl II 1968, 648, zu dem dem § 146 Abs. 1 AO 1977 im wesentlichen entsprechenden § 162 Abs. 2 Satz 1 der Reichsabgabenordnung - AO -, und IV R 28/68, BFHE 92, 491, BStBl II 1968, 651 betreffend die Gewinnermittlung nach § 4 Abs. 3 EStG: ,,von Anfang an vorzunehmende Trennung"). Im Urteil vom 19. September 1980 VIII R 208/78 (BFHE 131, 370, BStBl II 1980, 745) hat der BFH eine monatliche Aufgliederung schon als nicht mehr ausreichend angesehen. Zuletzt hat der erkennende Senat im Urteil vom 22. Januar 1988 III R 171/82 (BFHE 152, 341, BStBl II 1988, 535) ausgesprochen, dem Erfordernis der zeitgerechten Verbuchung genüge es nicht, wenn die getrennten Aufzeichnungen - wie im Streitfall - erstmals nach Ablauf des Geschäftsjahres vorgenommen werden.
2. Zu Unrecht geht demgegenüber das FG davon aus, das Erfordernis der zeitgerechten und getrennten Verbuchung sei auch dann erfüllt, wenn - unabhängig vom Zeitpunkt der Verbuchung - die Aufwendungen bei ihrer ersten kontenmäßigen Erfassung - und damit in diesem Sinne von Anfang an - getrennt aufgezeichnet werden. Dabei wird übersehen, daß sich das Gebot zeitgerechter Verbuchung allein auf den zeitlichen Abstand zwischen dem Geschäftsvorfall - hier also dem Anfall der Aufwendungen für Bewirtungen und Geschenke - und dem Zeitpunkt der buchmäßigen Erfassung beziehen kann (vgl. Hübschmann / Hepp / Spitaler, Kommentar zur Abgabenordnung und Finanzgerichtsordnung, 8. Aufl., § 146 AO 1977 Anm. 14).
a) Zwar läßt sich die Frage, ob Aufzeichnungen zeitgerecht i. S. des § 146 Abs. 1 AO 1977 sind, nicht für alle Fälle gleich beantworten. Entscheidend ist der mit der Aufzeichnungspflicht verfolgte Zweck. Danach hat der BFH die für die Inanspruchnahme erhöhter Absetzungen nach § 7 a Abs. 9 EStG vorgeschriebenen Aufzeichnungen als rechtzeitig (,,zeitgerecht") angesehen, auch wenn sie erst im Zeitpunkt der steuerlichen Geltendmachung der erhöhten Absetzungen erstellt werden (vgl. BFH-Urteil vom 9. August 1984 IV R 151/81, BFHE 142, 47, BStBl II 1985, 47). Demgegenüber läßt der Zweck der hier streitigen Aufzeichnungspflicht des § 4 Abs. 6 EStG ein solch weites Hinausschieben der Aufzeichnungen nicht zu.
b) Wie der BFH mehrfach ausgesprochen hat, verfolgt § 4 Abs. 6 EStG einmal den Zweck, die Bewirtungs- und Geschenkaufwendungen besonders leicht und sicher prüfen zu können (BFH-Urteil vom 20. April 1972 IV R 137/68, BFHE 106, 50, BStBl II 1972, 694).
Daneben sollen sich die laufenden Aufzeichnungen während des gesamten Gewinnermittlungszeitraums aber auch die Manipulationsmöglichkeiten beim sog. Spesenabzug einschränken. Dies erfordert eine alsbaldige und eindeutige Zuordnung der betreffenden Aufwendungen zum betrieblichen (oder privaten) Bereich (s. hierzu auch das Urteil des Senats vom 26. Februar 1988 III R 20/85, BFHE 152, 509, BStBl II 1988, 613).
Mit Aufzeichnungen, die - wie im Streitfall - erst nach Ablauf des Geschäftsjahres erstellt werden, würden diese Zwecke nicht erreicht. Denn nur Aufzeichnungen, die so zeitnah wie möglich erstellt werden, gewährleisten die zuverlässige und steuerrechtlich zutreffende Erfassung der in Frage stehenden Geschäftsvorfälle. Aus diesem Grund werden schon nach allgemeinen Grundsätzen ordnungsgemäßer Buchführung sog. Grundaufzeichnungen verlangt, die regelmäßig innerhalb einer Frist von 10 Tagen erstellt werden müssen, ausnahmsweise allenfalls einen Monat aufgeschoben bleiben dürfen (vgl. BFH-Urteil vom 24. März 1970 I R 38/68, BFHE 99, 120, BStBl II 1970, 540). Nur so können sie ihre Funktion, nämlich Belegsicherung und Garantie der Unverlierbarkeit des Geschäftsvorfalls, erfüllen.
Für die besondere Aufzeichnungspflicht des § 4 Abs. 6 EStG mit ihrer vergleichbaren Zielsetzung müssen daher hinsichtlich des Zeitpunktes ihrer Erfüllung ebenso strenge Anforderungen gestellt werden, wie sie nach allgemeinen Grundsätzen ordnungsgemäßer Buchführung für die Grundaufzeichnungen gelten.
c) Im Streitfall braucht hierfür allerdings die genaue zeitliche Grenze nicht festgelegt zu werden. Auf keinen Fall kann es genügen, wenn die Aufzeichnungen i. S. des § 4 Abs. 6 EStG, wie hier, erst nach Ablauf des Geschäftsjahres vorgenommen werden.
Fundstellen
Haufe-Index 62359 |
BFH/NV 1989, 22 |