Entscheidungsstichwort (Thema)
Berufliche Veranlassung einer doppelten Haushaltsführung
Leitsatz (NV)
Die Wegverlegung der Familienwohnung vom Beschäftigungsort aus privaten Gründen schließt eine beruflich veranlaßte doppelte Haushaltsführung auch dann aus, wenn der Steuerpflichtige wegen der altersbedingten Beendigung eines Arbeitsverhältnisses eine Dienstwohnung am Beschäftigungsort räumen mußte und gleichzeitig an demselben Beschäftigungsort eine Zweitwohnung begründet, um (ggf. nur vorübergehend) einer neuen selbständigen Beschäftigung nachzugehen.
Normenkette
EStG § 4 Abs. 4, § 9 Abs. 1 Nr. 5
Verfahrensgang
Tatbestand
Der 1921 geborene Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger) ist Facharzt. Er war bis 1973 an der Universitätsklinik in A und von 1973 bis zum 30. Juni 1988 als Chefarzt eines Krankenhauses in B nichtselbständig tätig und übt seit dem 1. Juli 1988 im Rahmen einer Gemeinschaftspraxis in B eine freiberufliche Tätigkeit aus.
Der Kläger bewohnte bis 1973 zusammen mit seiner Ehefrau und zwei Kindern ein eigenes Einfamilienhaus in C bei A. Von 1973 bis 30. Juni 1988 befand sich die Familienwohnung am Beschäftigungsort in B. Dort hatte der Kläger mit seiner Familie auf Veranlassung seines Arbeitgebers 1973 eine Dienstwohnung beziehen und diese nach Beendigung des Dienstverhältnisses räumen müssen. Die Eheleute verlegten im Juli 1988 ihre Familienwohnung wieder in das eigene Einfamilienhaus; dieses Einfamilienhaus hatten sie bis zu diesem Zeitpunkt -- von 1973 an -- als Nebenwohnung beibehalten, in der die Familie häufig die Ferien und freie Tage verbrachte. Der Kläger erwarb im Streitjahr 1988 eine Eigentumswohnung in D, die er ab Juli 1988 an den Arbeitstagen gemeinsam mit einem volljährigen, arbeitsunfähigen Sohn bewohnt.
In den Erklärungen zur gesonderten und einheitlichen Feststellung der Einkünfte der Gemeinschaftspraxis für die Streitjahre 1988 und 1989 wurden Sonderbetriebs ausgaben des Klägers in Höhe von ins gesamt ... DM (1988) und ... DM (1989) geltend gemacht, die überwiegend auf Aufwendungen für eine doppelte Haushaltsführung entfielen.
Im Anschluß an eine Außenprüfung vertrat der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt -- FA --) die Auffassung, die doppelte Haushaltsführung sei nicht anzuerkennen, weil die Familienwohnung aus privaten Gründen vom bisherigen Beschäftigungsort wegverlegt worden sei. Es berücksichtigte in dem nach § 164 Abs. 2 der Abgabenordnung (AO 1977) geänderten Feststellungsbescheid 1988 und in dem erstmaligen Feststellungsbescheid 1989 lediglich Sonderbetriebsausgaben des Klägers in Höhe von ... DM für 1988 (Aufwendungen für Fahrten zwischen beiden Wohnungen und der Praxis) und ... DM für 1989 (sämtliche Aufwendungen lt. Erklärung außer Verpflegungspauschalen und Unterbringungskosten).
Der Kläger machte mit der nach erfolg losem Einspruch erhobenen Klage zusätz liche Sonderbetriebsausgaben in Höhe von ... DM (1988) und ... DM (1989) geltend. Zur beruflichen Veranlassung der doppelten Haushaltsführung trug er vor: Er habe von vornherein geplant, nach Beendigung des Dienstverhältnisses als Chefarzt den Familienwohnsitz nach C zurückzuverlegen. Kurz vor Beendigung des Dienstverhältnisses und dem dadurch bedingten Auszug aus der Dienstwohnung habe sich die Möglichkeit einer Tätigkeit für die Gemeinschaftspraxis ergeben. Aus diesem Grund habe er die Eigentumswohnung erworben und bezogen. Das FA könne ihn nicht zwingen, seinen Familienwohnsitz am (alten und neuen) Beschäftigungsort beizubehalten.
Das Finanzgericht (FG) gab der Klage teilweise statt. Es erkannte Aufwendungen für doppelte Haushaltsführung für beide Streitjahre -- aufgrund verschiedener, unstreitiger Kürzungen -- teilweise und sonstige, mit 600 DM pauschal geltend gemachte Aufwendungen für 1988 zur Hälfte an (zusätzliche Sonderbetriebsausgaben insgesamt ... DM für 1988 und ... DM für 1989). Es führte aus: Der Kläger habe die Familienwohnung nicht aus privaten Gründen vom Beschäftigungsort wegverlegt. Die Räumung der Dienstwohnung sei dienstlich veranlaßt gewesen (vgl. Urteil des Bundesfinanzhofs -- BFH -- vom 21. Juli 1989 VI R 129/86, BFHE 158, 26, BStBl II 1989, 917 zur beruflichen Veranlassung von Umzugskosten). Demzufolge sei auch der Familienwohnsitz aus beruflichen Gründen wegverlegt worden. Beim Auszug aus der Dienstwohnung sei der Kläger nicht gezwungen gewesen, seinen neuen Familienwohnsitz am (alten und neuen) Beschäftigungsort zu nehmen, zumal die freiberufliche Tätigkeit im Hinblick auf das Alter des Klägers nur vorübergehend sein sollte.
Mit der vom FG zugelassenen Revision rügt das FA die Verletzung materiellen Rechts (§ 4 Abs. 4, § 9 Abs. 1 Nr. 5, § 12 Nr. 1 des Einkommensteuergesetzes -- EStG --).
Das FA beantragt,
das angefochtene Urteil aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist im wesentlichen begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung, zu einer anderweitigen Feststellung der Einkünfte für das Streitjahr 1988 und im übrigen zur Abweisung der Klage (§ 126 Abs. 3 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung -- FGO --).
Das FG hat zu Unrecht Aufwendungen wegen doppelter Haushaltsführung anerkannt.
1. Steuerpflichtige mit Einkünften aus selbständiger Arbeit dürfen Auwendungen, die ihnen aus Gründen doppelter Haushaltsführung entstehen, unter den Voraussetzungen des § 9 Abs. 1 Nr. 5 EStG als (Sonder-)Betriebsausgaben i. S. des § 4 Abs. 4 EStG absetzen. Eine doppelte Haushaltsführung liegt vor, wenn der Steuerpflichtige außerhalb des Ortes, in dem er einen eigenen Hausstand unterhält, tätig ist und auch am Beschäftigungsort wohnt; die notwendigen Mehraufwendungen sind abzugsfähig, wenn die doppelte Haushaltsführung aus beruflichem Anlaß begründet ist (§ 9 Abs. 1 Nr. 5 Sätze 1 und 2 EStG).
Nach ständiger Rechtsprechung des BFH ist eine beruflich veranlaßte doppelte Haushaltsführung zu verneinen, wenn der Steuerpflichtige die Familienwohnung aus privaten Gründen vom Beschäftigungsort wegverlegt hat und weiterhin von der am Beschäftigungsort begründeten oder beibehaltenen Zweitwohnung seiner bisherigen Beschäftigung nachgeht; es genügt nicht, daß die Einrichtung oder Beibehaltung der Zweitwohnung am Beschäftigungsort -- für sich gesehen -- aus beruflichen Gründen erforderlich ist (z. B. Urteile vom 10. November 1978 VI R 21/76, BFHE 126, 511, BStBl II 1979, 219, vom 2. Dezember 1981 VI R 22/80, BFHE 135, 182, BStBl II 1982, 323; vom 22. September 1988 VI R 14/86, BFHE 154, 522, BStBl II 1989, 94).
2. Danach war die Begründung der doppelten Haushaltsführung nicht beruflich ver anlaßt.
a) Die Verlegung der Familienwohnung beruhte zumindest auch auf privaten Gründen. Die Motive für die Auswahl einer Wohnung und die Bestimmung des Wohnorts sind nahezu stets durch die private Lebensgestaltung geprägt (vgl. BFH-Urteil vom 22. November 1991 VI R 77/89, BFHE 166, 534, BStBl II 1992, 494). Im Streitfall war die Erwägung maßgeblich, daß der Kläger und seine Ehefrau an den Ort, an dem sich bis 1973 der Mittelpunkt ihrer Lebensinteressen befunden hatte, zurückkehren wollten; auch der Bezug und die Nutzung des Eigenheims sind Umstände, die als solche dem Bereich der privaten Lebensführung zuzuordnen sind (vgl. BFH- Urteil vom 6. November 1986 VI R 106/85, BFHE 148, 164, BStBl II 1987, 81).
b) Diese privaten Gründe für die Wegverlegung der Familienwohnung zwingen ungeachtet der Besonderheiten des Streitfalls zu der Annahme, daß die Begründung der doppelten Haushaltsführung nicht beruflich veranlaßt ist.
Das FG hat eine Besonderheit vor allem darin gesehen, daß der Kläger mit seiner Familie die Dienstwohnung bei Beendigung des Dienstverhältnisses räumen mußte und die auslösenden Momente für die Wahl des Wohnorts sämtlich dem beruflichen Bereich zuzuordnen seien. Nach der vom FG herangezogenen Rechtsprechung des BFH zur Abziehbarkeit von Umzugskosten wird bei einem Auszug aus einer Dienstwohnung in der Tat eine nahezu ausschließlich berufliche Veranlassung des Umzugs bejaht; die privaten Motive für die Auswahl einer Wohnung und die Bestimmung des Wohnortes werden hier nicht als erheblich gewertet (z. B. BFH in BFHE 166, 534, BStBl II 1992, 494 m. w. N.). Diese Erwägungen sind indes für die Begründung der doppelten Haushaltsführung nicht maßgeblich. Die berufliche Veranlassung für die Begründung der doppelten Haushaltsführung wird darin gesehen, daß die Einrichtung einer Zweitwohnung am Beschäftigungsort auf der Entfernung zur Familienwohnung beruht und mit einer Ersparnis von Zeit und Fahrtkosten verbunden ist (vgl. z. B. BFH-Urteil vom 30. Oktober 1987 VI R 76/84, BFHE 152, 78, BStBl II 1988, 358 unter 2; Schmidt/Drenseck, Einkommensteuergesetz, 13. Aufl., § 9 Anm. 9 d). Demzufolge ist im Streitfall nicht der beruflich veranlaßte Auszug aus der Dienstwohnung, sondern die Wegverlegung der Familienwohnung aus privaten Gründen als der Umstand zu werten, der in erster Linie zu den streitigen Mehraufwendungen geführt hat; denn die Einrichtung der Zweitwohnung wurde wegen der großen Entfernung der neuen Familienwohnung zum Beschäftigungsort (198 km) erforderlich.
Nichts anderes ergibt sich auch daraus, daß der Kläger, wie das FG meint, nach Beendigung des Dienstverhältnisses die Familienwohnung aus privaten Gründen vom alten Beschäftigungsort hätte wegverlegen und gleichzeitig an einem neuen Beschäftigungsort eine Zweitwohnung hätte einrichten können. Ob die Aufwendungen bei dieser Fallgestaltung abziehbar wären, braucht der Senat nicht zu entscheiden, denn der Kläger hat eine neue, selbständige Tätigkeit an demselben Beschäftigungsort aufgenommen. Da sich nach dem Wortlaut des § 9 Abs. 1 Nr. 5 Satz 2 EStG die doppelte Haushaltsführung auf diesen (alten und neuen) Beschäftigungsort bezieht, ist die Wegverlegung der Familienwohnung aus privaten Gründen -- auch bei einem solchen Wechsel der Tätigkeit -- als schädlich anzusehen.
Das FG hat schließlich zu Unrecht berücksichtigt, daß die selbständige Tätigkeit im Hinblick auf das Alter des Klägers nur vorübergehend sein solle; eine kurze Dauer der doppelten Haushaltsführung ist für die Frage, ob sie aus beruflichem Anlaß begründet ist, ohne Bedeutung.
3. Die Vorentscheidung, die der Rechtsauffassung des Senats nicht entspricht, ist aufzuheben.
Die Sache ist spruchreif. Die Klage ist hinsichtlich der nicht abziehbaren Aufwendungen wegen doppelter Haushaltsführung abzuweisen. Nach den tatsächlichen Feststellungen des FG, die gemäß § 118 Abs. 2 FGO für den Senat bindend sind, waren für das Streitjahr 1988 Aufwendungen, die mit der streitigen doppelten Haushaltsführung nicht in Zusammenhang stehen, in Höhe von 300 DM ohne Nachweis anzuerkennen; in diesem Umfang führt die Revision unter Abänderung des geänderten Feststellungsbescheids 1988 vom 25. Januar 1991 zu einer anderweitigen Feststellung der Einkünfte des Klägers auf ... DM.
Fundstellen
Haufe-Index 420744 |
BFH/NV 1995, 1057 |