Entscheidungsstichwort (Thema)
Verdeckte Gewinnausschüttung: Veräußerung eines bei einer GmbH erworbenen Wissens durch deren Gesellschafter-Geschäftsführer, Zurechnung auf mehrere GmbH entsprechend deren Unternehmensgegenständen, kein Wettbewerbsverbot für Gesellschafter einer Einmann-GmbH, Annahme einer verdeckten Gewinnausschüttung unabhängig von Zustimmung der Gesellschafter
Leitsatz (amtlich)
1. Überläßt der Gesellschafter-Geschäftsführer einer GmbH Wissen, das er als Ausfluß seiner Geschäftsführertätigkeit für die GmbH erwarb, entgeltlich einem Dritten, so ist eine verdeckte Gewinnausschüttung i.S. des § 8 Abs.3 Satz 2 KStG in der Form einer verhinderten Vermögensmehrung anzunehmen.
2. Handelt es sich bei dem entgeltlich überlassenen Wissen um ein solches, das der Gesellschafter-Geschäftsführer durch seine Geschäftsführertätigkeit bei zwei GmbH erwarb, so ist bei der Anwendung des § 8 Abs.3 Satz 2 KStG davon auszugehen, daß sich beide Gesellschaften zur gemeinsamen Nutzung ihrer Geschäftschancen zusammengeschlossen und das Entgelt nach einem angemessenen Schlüssel geteilt hätten.
3. Unterhält der Gesellschafter-Geschäftsführer kein Einzelunternehmen, so kann das FG in Ermangelung anderer Beweismittel die Geschäftschance entsprechend den Unternehmensgegenständen den in Betracht kommenden Gesellschaften zurechnen.
Orientierungssatz
1. Der Gesellschafter einer Einmann-GmbH unterliegt grundsätzlich keinem Wettbewerbsverbot (vgl. BFH-Urteil vom 30.8.1995 I R 155/94).
2. Steuerrechtlich kann die Rechtsfolge des § 8 Abs.3 Satz 2 KStG nicht durch das Einvernehmen aller Gesellschafter mit einer verdeckten Gewinnausschüttung ausgeschlossen werden. Eine verdeckte Gewinnausschüttung ist unabhängig davon anzunehmen, ob die Gesellschafter ihr zugestimmt haben oder nicht (vgl. BFH-Urteil vom 2.2.1994 I R 78/92).
Normenkette
KStG 1977 § 8 Abs. 3 S. 2
Verfahrensgang
Tatbestand
I. Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin) ist eine im Jahr 1978 gegründete GmbH. Nach § 2 ihrer Satzung ist Gegenstand u.a. die Finanz- und Wirtschaftsberatung, ferner der Kauf, die Verwaltung, die Vermittlung und die Veräußerung von Vermögen aller Art.
Alleiniger Gesellschafter und Geschäftsführer war in den Streitjahren 1982 und 1983 F. F war außerdem Gesellschafter und Geschäftsführer der C-GmbH. Zwischen der C-GmbH und F bestand ein Geschäftsführervertrag samt Zusatzvereinbarung vom 10. Juni 1979.
Im Geschäftsführervertrag zwischen der Klägerin und F vom 31. Oktober 1982 war u.a. vereinbart, daß F berechtigt sein sollte, Nebentätigkeiten auszuüben, soweit dies die Interessen der Klägerin nicht beeinträchtigte. Insbesondere sollte die Tätigkeit als Geschäftsführer der C-GmbH unberührt bleiben (§ 2). In § 5 des Vertrags hieß es, daß eine Wettbewerbsvereinbarung nicht getroffen werde.
Bei einer Außenprüfung stellte der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt --FA--) fest, daß F der A-GmbH am 15. Dezember 1982 40 680 DM (36 000 DM + 4 680 DM Umsatzsteuer) an "Vermittlungsgebühren" in Rechnung gestellt hatte. Außerdem hatte er der A-GmbH in einer weiteren Rechnung vom 31. Oktober 1983 wegen "Tip-Provisionen für verschiedene Objekte in M u.a." 35 000 DM berechnet. Für beide Beträge wurden F jeweils noch im Jahr der Rechnungsstellung Schecks ausgestellt.
Zu diesem Vorgang gab die Klägerin an, die Vermittlungsgebühren (Rechnung 1982) beträfen die Benennung von Funktionsträgern für Bauherrenmodelle (Verwalter, Garantiegeber). Mit den "Tip-Provisionen" (Rechnung 1983) seien Hinweise, die F der A-GmbH für Objekte in M gegeben habe, vergütet worden.
Das FA vertrat die Auffassung, daß es sich bei der Tätigkeit von F um eine gleichartige Betätigung gehandelt habe, wie sie auch von der Klägerin hätte ausgeübt werden können. Die Zahlungen seien daher als verdeckte Gewinnausschüttung (vGA) i.S. des § 8 Abs.3 Satz 2 des Körperschaftsteuergesetzes (KStG) und als andere Ausschüttung i.S. des § 27 Abs.3 Satz 2 KStG zu behandeln.
Das FA erließ am 21. September 1988 entsprechend geänderte Körperschaftsteuerbescheide. Der Einspruch hatte keinen Erfolg (Einspruchsentscheidung vom 8. April 1991). Das Finanzgericht (FG) gab der Klage statt. Sein Urteil ist in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 1995, 1118 veröffentlicht.
Mit seiner vom FG zugelassenen Revision rügt das FA die Verletzung materiellen Rechts.
Es beantragt, den Gerichtsbescheid des FG München vom 7. September 1995 7 K 1466/91 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
II. Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das FG (§ 126 Abs.3 Nr.2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--).
1. Unter einer vGA i.S. des § 8 Abs.3 Satz 2 KStG 1977 ist bei einer Kapitalgesellschaft eine Vermögensminderung (verhinderte Vermögensmehrung) zu verstehen, die durch das Gesellschaftsverhältnis veranlaßt ist, sich auf die Höhe des Einkommens auswirkt und in keinem Zusammenhang zu einer offenen Ausschüttung steht (vgl. Urteil des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 2. Februar 1994 I R 78/92, BFHE 173, 412, BStBl II 1994, 479). Für den größten Teil der entschiedenen Fälle hat der BFH die Veranlassung durch das Gesellschaftsverhältnis angenommen, wenn die Kapitalgesellschaft ihrem Gesellschafter einen Vermögensvorteil zuwendet, den sie bei der Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters einem Nichtgesellschafter nicht gewährt hätte (vgl. BFH-Urteil vom 16. März 1967 I 261/63, BFHE 89, 208, BStBl III 1967, 626). Ist allerdings der begünstigte Gesellschafter ein beherrschender, so kann eine vGA auch dann anzunehmen sein, wenn die Kapitalgesellschaft eine Leistung an ihn erbringt, für die es an einer klaren, im voraus getroffenen, zivilrechtlich wirksamen und tatsächlich durchgeführten Vereinbarung fehlt (vgl. BFH-Urteil vom 14. März 1990 I R 6/89, BFHE 160, 459, BStBl II 1990, 795).
2. Das FG hat einen Anspruch der Klägerin auf Herausgabe und/oder Schadensersatz in Höhe von 40 680 DM und 35 000 DM bejaht, jedoch dessen Aktivierung in den für die Streitjahre aufzustellenden Bilanzen verneint. Nach dem BFH-Urteil vom 30. August 1995 I R 155/94 (BFHE 178, 371, Der Betrieb --DB-- 1995, 2451) ist in mit dem Streitfall vergleichbaren Sachverhalten --wie auch die Beteiligten heute übereinstimmend vortragen-- auf die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH) zu dem Wettbewerbsverbot des Gesellschafters einer Einmann-GmbH abzustellen (vgl. BGH-Urteil vom 10. Mai 1993 II ZR 74/92, BGHZ 122, 333). Danach unterliegt der Gesellschafter einer Einmann-GmbH keinem gesetzlichen Wettbewerbsverbot. Aus diesem Grunde stehen der Einmann-GmbH auch keine Ansprüche gegen den Gesellschafter-Geschäftsführer wegen des Verstoßes gegen ein solches Wettbewerbsverbot zu. Es ist deshalb schon ein Anspruch der Klägerin gegenüber F zu verneinen, weshalb es auf die Frage nach seiner Aktivierung nicht mehr ankommt. Ob etwas anderes gilt, wenn der Alleingesellschafter seiner GmbH Vermögen entzieht, das diese zur Deckung des Stammkapitals benötigt, bedarf keiner Entscheidung, weil der vom FG festgestellte Sachverhalt keinen Anlaß zu einer entsprechenden Annahme gibt.
3. Die Annahme einer vGA nur i.S. des § 8 Abs.3 Satz 2 KStG muß jedoch auch dann in Betracht gezogen werden, wenn ein zivilrechtlicher Anspruch der Kapitalgesellschaft gegen ihren Gesellschafter-Geschäftsführer nicht besteht. Dies ergibt sich aus der Überlegung, daß zivilrechtlich gesehen die Zustimmung der Gesellschafter zu einer vGA gegenüber einem Gesellschafter deren Rückforderung ausschließt. Steuerrechtlich kann jedoch die Rechtsfolge des § 8 Abs.3 Satz 2 KStG nicht durch das Einvernehmen aller Gesellschafter mit einer vGA ausgeschlossen werden. Deshalb ist steuerrechtlich eine vGA unabhängig davon anzunehmen, ob die Gesellschafter ihr zugestimmt haben oder nicht (vgl. BFH-Urteil vom 2. Februar 1994 I R 78/92, BFHE 173, 412, BStBl II 1994, 479, unter II. 3. h).
4. Bezogen auf den Streitfall kommt eine vGA i.S. des § 8 Abs.3 Satz 2 KStG nur in der Form der verhinderten Vermögensmehrung in Betracht. Die entsprechenden Voraussetzungen wären erfüllt, wenn sich das Wissen des F, das dieser der A-GmbH in 1982 und 1983 gegen Entgelt überließ, als eine Geschäftschance der Klägerin darstellt, die sie selbst durch entsprechende Überlassung an die A-GmbH hätte nutzen können. Insoweit kommt es entscheidend darauf an, ob F das Wissen, das er der A-GmbH gegen Entgelt überließ, aufgrund seiner Geschäftsführertätigkeit für die Klägerin erwarb. Dann wäre es die Sache der Klägerin gewesen, das Wissen gegen Entgelt an die A-GmbH weiterzugeben. Dies gilt unabhängig davon, ob die entsprechende Weitergabe zum Unternehmensgegenstand der Klägerin gehörte und ob F die Geschäftsbeziehung zur A-GmbH "privat" knüpfte. Steuerlich gesehen gebietet es § 8 Abs.3 Satz 2 KStG, das Verhalten der Klägerin und des F am Fremdvergleich zu messen. Ein ordentlicher und gewissenhafter Geschäftsleiter der Klägerin hätte jedoch jede sich ihm auch zufällig bietende Geschäftschance genutzt. Gleichzeitig hätte er Geschäftschancen, die aus der Tätigkeit für die Klägerin stammten, nur für deren Rechnung genutzt (vgl. § 60 des Handelsgesetzbuches --HGB--). Sollte das von F an die A-GmbH weitergegebene Wissen sowohl auf die Geschäftsführertätigkeit bei der Klägerin als auch auf die bei der C-GmbH zurückzuführen sein, so kann unter dem Gesichtspunkt des Fremdvergleichs angenommen werden, daß sich beide Gesellschaften zur gemeinsamen Nutzung ihrer Geschäftschancen zusammengeschlossen und das Entgelt nach einem angemessenen Schlüssel geteilt hätten.
5. Die Vorentscheidung entspricht nicht den unter II. 4. wiedergegebenen Grundsätzen. Deshalb kann sie keinen Bestand haben. Die Sache ist nicht entscheidungsreif. Es ist in tatsächlicher Hinsicht zu klären, ob das Wissen, das F der A-GmbH in 1982 und 1983 gegen Entgelt überließ, in einem Zusammenhang mit seiner Geschäftsführertätigkeit bei der Klägerin steht und deshalb deren Geschäftschance war. Die tatsächlichen Feststellungen nachzuholen ist die Aufgabe des FG. Deshalb war die Vorentscheidung aufzuheben; die Sache war an das FG zurückzuverweisen. Im zweiten Rechtszug kann das FG seine Überzeugungsbildung auch an der Tatsache ausrichten, daß F kein Einzelunternehmen unterhielt, weshalb er sein Wissen im Zweifel als Geschäftsführer der Klägerin und/oder der C-GmbH erwarb. Sollten andere Beweismittel nicht erreichbar sein, so ist es nicht zu beanstanden, wenn das FG die Geschäftschance entsprechend den Unternehmensgegenständen den in Betracht kommenden Unternehmen zuordnet.
Fundstellen
Haufe-Index 66040 |
BFH/NV 1997, 30 |
BFHE 181, 122 |
BFHE 1997, 122 |
BB 1996, 2394 |
BB 1996, 2394-2395 (LT) |
DB 1996, 2366 (LT) |
DStR 1996, 1769-1770 (KT) |
DStZ 1997, 382 (LT) |
HFR 1997, 26-27 (L) |
StE 1996, 733-734 (K) |