Leitsatz (amtlich)
Bei der Bemessung der Lohnsumme (§ 24 GewStG) ist die gemäß § 42 a Abs. 2 Nr. 3 EStG 1971 nach Pauschsteuersätzen bemessene und vom Arbeitgeber übernommene Lohnsteuer und Lohnkirchensteuer nicht als eine an die Arbeitnehmer gezahlte "Vergütung" anzusehen.
Normenkette
GewStG i.d.F. vor Inkrafttreten des StÄndG 1979 vom 30. November 1978 (BGBl I, 1849, BStBl I 1978, 479) § 24; EStG 1971 § 42a Abs. 2 Nr. 3
Tatbestand
Streitig ist, ob in die Lohnsumme (§ 24 Abs. 1 des Gewerbesteuergesetzes - GewStG -) die nach Pauschsteuersätzen bemessene und vom Arbeitgeber übernommene Lohnsteuer und Lohnkirchensteuer für kurzfristig beschäftigte Arbeitnehmer (§ 42 a Abs. 2 Nr. 3 des Einkommensteuergesetzes - EStG - 1971, § 35 b Abs. 1 Nr. 1 b der Lohnsteuer-Durchführungsverordnung - LStDV - 1971) einzubeziehen ist.
Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin) betreibt ein gastronomisches Unternehmen. In ihrem Betrieb waren in den Streitjahren (1971 bis 1974) kurzfristig beschäftigte Arbeitnehmer (Aushilfskräfte, Teilzeitbeschäftigte) tätig, für die sie die nach einem Pauschsteuersatz bemessene Lohnsteuer und Lohnkirchensteuer übernommen hatte.
Auf Antrag des Steueramtes der Freien Hansestadt Bremen setzt der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt - FA -) die Lohnsummensteuermeßbeträge für die Jahre 1971 bis 1974 nach § 27 GewStG fest (Bescheid vom 5. Januar 1976). Dabei bezog das FA die pauschalierten Lohn- und Lohnkirchensteuerbeträge in die Bemessungsgrundlage für die Lohnsummensteuer ein.
Die hiergegen gerichtete - ohne Vorverfahren gemäß § 45 Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) eingelegte - Klage hatte Erfolg. Zur Begründung seiner Entscheidung führte das Finanzgericht (FG) aus, als Lohnsumme sei nach § 24 Abs. 1 GewStG die Summe der Vergütungen anzusehen, die an die Arbeitnehmer der in der Gemeinde belegenen Betriebstätte gezahlt worden seien. Unter Vergütungen seien grundsätzlich die Arbeitslöhne i. S. des § 19 Abs. 1 Nr. 1 EStG zu verstehen (§ 24 Abs. 2 GewStG). Dazu gehöre die pauschalierte Lohn- und Lohnkirchensteuer für die teilzeitbeschäftigten Arbeitnehmer nicht. Wenn sich ein teilzeitbeschäftigter Arbeitnehmer mit der Pauschalierung der Steuer einverstanden erklärt habe, werde der Arbeitslohn an ihn in voller Höhe ausgezahlt; er werde in diesem Fall nicht mit Lohn- und Lohnkirchensteuer belastet. Mit der Übernahme der Pauschalsteuer durch den Arbeitgeber werde eine eigene Steuerschuld des Arbeitgebers begründet. Bei einer Veranlagung des Arbeitnehmers oder bei dessen Lohnsteuer-Jahresausgleich blieben der Arbeitslohn und die gezahlten Pauschsteuern außer Betracht (§ 42 a Abs. 2 letzter Satz EStG 1971, § 35 b Abs. 2 Satz 2 LStDV 1971; Urteil des Bundesfinanzhofs -BFH - vom 15. Dezember 1972 VI R 146/69, BFHE 108, 322, BStBl II 1973, 421). Insofern liege es hier anders als bei den sog. "Nettolohnvereinbarungen". Hier müsse der bei der Veranlagung des Arbeitnehmers anzusetzende Nettolohn um die vom Arbeitgeber übernommene Steuer erhöht werden, weil der Arbeitnehmer Schuldner dieser Steuer sei (BFH-Beschluß vom 12. Dezember 1975 VI B 124/75, BFHE 117, 553, BStBl II 1976, 543). - Das FG ließ die Revision wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache zu.
Gegen das Urteil des FG legte das FA Revision ein. Es rügt die Verletzung der §§ 23, 24 GewStG i. V. m. § 42 a Abs. 2 Nr. 3 EStG 1971 und § 35 b Abs. 1 Nr. 1 b LStDV 1971. Nach seiner Auffassung gehören zu den in die Lohnsumme einzubeziehenden Vergütungen (§ 24 GewStG) außer den Gehältern, Löhnen usw. auch andere Vorteile, die den Arbeitnehmern gewährt werden. Ein solcher Vorteil könne darin liegen, daß die Arbeitnehmer eigene Aufwendungen ersparten. Um einen derartigen Vorteil handle es sich auch bei der vom Arbeitgeber übernommenen pauschalierten Lohnsteuer.
Das FA beantragt, das FG-Urteil aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist nicht begründet.
1. Besteuerungsgrundlage für die Lohnsummensteuer ist die Lohnsumme (§ 23 GewStG); Lohnsumme ist die Summe der Vergütungen, die an die Arbeitnehmer der in der Gemeinde belegenen Betriebstätte gezahlt worden sind (§ 24 Abs. 1 GewStG).
Unter "Vergütungen" versteht das Gesetz "die Arbeitslöhne i. S. des § 19 Abs. 1 Ziff. 1 des Einkommensteuergesetzes, soweit sie nicht durch andere Rechtsvorschriften von der Einkommensteuer befreit sind" (§ 24 Abs. 2 Satz 1 GewStG). Hiernach rechnen zu den Vergütungen außer Gehältern, Löhnen, Gratifikationen und Tantiemen auch "andere Bezüge und Vorteile, die für eine Beschäftigung im öffentlichen oder privaten Dienst gewährt werden" (§ 19 Abs. 1 Nr. 1 EStG 1971).
Arbeitslohn i. S. des § 19 Abs. 1 EStG und somit auch des § 24 Abs. 2 Satz 1 GewStG ist der Bruttoarbeitslohn; dies sind die nach Einkommensteuerrecht steuerbaren Lohneinnahmen (BFH-Urteil vom 28. Februar 1956 I 262/54 U, BFHE 62, 350, BStBl III 1956, 130). Nur das, was im Rahmen des Einkommensteuerrechts als Arbeitslohn erfaßt wird, kann auch Lohnsumme sein. Unterschiede in der Behandlung von Lohnteilen bei der Einkommensteuer einerseits und bei der Lohnsummensteuer andererseits sind - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - im Gesetz nicht vorgesehen.
2. Hiernach unterliegen die nach § 35 b Abs. 1 Nr. 1 Buchst. b LStDV (i. d. F. der Lohnsteuer-Durchführungsverordnung vom 18. September 1962, BGBl I, 621, BStBl I 1962, 1063) pauschalierten Lohnsteuer- und Lohnkirchensteuerbeträge der Lohnsummensteuer nicht. Denn die vom Arbeitgeber übernommene Pauschalsteuer kann bei der Ermittlung der Lohnsumme ebensowenig wie im Lohnsteuerrecht als steuerbarer "Vorteil" des Arbeitnehmers angesehen werden.
a) Übernimmt der Arbeitgeber bei der Pauschalbesteuerung nach § 35 b Abs. 1 Nr. 1 Buchst. b LStDV die Pauschalsteuer, so wird der vereinbarte Arbeitslohn in voller Höhe ausgezahlt. Der Arbeitgeber wird wie der Schuldner der Pauschalsteuer behandelt. Im Falle zu Unrecht gezahlter Steuer hat er - und nicht der Arbeitnehmer - einen Erstattungsanspruch (BFH-Urteil vom 19. Dezember 1960 VI 92/60 U, BFHE 72, 465, BStBl III 1961, 170). Bei der Pauschalsteuererhebung wird der Arbeitnehmer nicht eingeschaltet. Dem entspricht es, daß die pauschal versteuerten Bezüge und die für sie gezahlte Lohnsteuer bei einer Veranlagung und beim Lohnsteuer-Jahresausgleich der Arbeitnehmer außer Betracht bleiben. Die Bezüge des Arbeitnehmers werden nicht um die Pauschsteuerbeträge gekürzt (BFH-Urteil vom 3. November 1972 VI R 270/69, BFHE 107, 381 [384], BStBl II 1973, 128). Erfüllt aber der Arbeitgeber mit der Abführung der Pauschalsteuer eine eigene Steuerschuld, dann kann darin nicht die Zuwendung eines Vorteils an den Arbeitnehmer gesehen werden.
b) Dem läßt sich nicht entgegenhalten, daß der Arbeitnehmer aus der Übernahme der Pauschalsteuer durch den Arbeitgeber mittelbar insofern einen Vorteil hat, als er eine auf ihn entfallende Lohnsteuer nicht selbst zu tragen braucht, wenn seine Bezüge zu Lasten des Arbeitgebers pauschversteuert werden (so Loberg, Deutsche Gemeindesteuer Zeitung 1976 S. 50; - hws -, Finanz-Rundschau 1973 S. 401). Soweit der Arbeitnehmer selbst steuerpflichtig wäre, würde er zwar mit der Übernahme der Pauschalsteuer durch den Arbeitgeber von einer etwaigen eigenen Steuerschuld befreit. Das Ausmaß dieser Schuldbefreiung würde sich jedoch nicht mit der Höhe der vom Arbeitgeber übernommenen Pauschalsteuer decken, sondern müßte von Fall zu Fall nach den persönlichen Besteuerungsmerkmalen ermittelt werden. Nur durch eine solche individuelle Prüfung könnte festgestellt werden, ob und in welcher Höhe dem einzelnen Arbeitnehmer aus der Übernahme der Pauschalsteuer durch den Arbeitgeber ein Vorteil erwächst. Damit würde aber die mit der Pauschbesteuerung bezweckte Vereinfachung des Besteuerungsverfahrens, insbesondere der Verzicht auf die Vorlage der Lohnsteuerkarte (Abschn. 52 c Abs. 2 letzter Satz der Lohnsteuer-Richtlinien - LStR - in der für die Streitjahre geltenden Fassung; nunmehr: § 40 a Abs. 1 EStG 1975) weitgehend vereitelt werden. Mit dem Wegfall des Vereinfachungseffekts würde die Pauschbesteuerung praktisch bedeutungslos werden. Das kann nicht i. S. des Gesetzes liegen, das das vereinfachte Pauschverfahren eingeführt hat, um damit bestimmten Bedürfnissen des Wirtschaftslebens Rechnung zu tragen (so zutreffend Urteil des Bundessozialgerichts vom 12. November 1975 3/12 RK 8/74, BSGE 41, 16; dieses Urteil ist zu der versicherungsrechtlichen Frage ergangen, ob die vom Arbeitgeber zu tragende Pauschalsteuer für die Arbeitnehmer als "Entgelt" anzusehen ist). Demgemäß ist im Lohnsteuerrecht die Übernahme der Pauschalsteuer durch den Arbeitgeber nicht als Zuwendung eines "Vorteils" i. S. des § 19 Abs. 1 Nr. 1 EStG anzusehen. Die Pauschalsteuer ist deshalb auch bei der Ermittlung der Lohnsumme nicht als "Vergütung" i. S. des § 24 Abs. 1 GewStG zu betrachten.
c) Gegen die vom Senat vertretene Auffassung läßt sich schließlich auch nicht einwenden, daß in den Fällen einer "Nettolohnvereinbarung" die Übernahme der Lohnsteuerschuld durch den Arbeitgeber ein Vorteil ist, der dem ausgezahlten Arbeitslohn des Arbeitnehmers hinzugerechnet werden muß. Denn zwischen der Pauschbesteuerung und der Nettolohnbesteuerung bestehen erhebliche Unterschiede. Übernimmt ein Arbeitgeber durch Vereinbarung mit dem Arbeitnehmer dessen Lohnsteuerschuld, dann bleibt der Arbeitnehmer Steuerschuldner (§ 38 Abs. 4 EStG 1971). Die Lohnsteuer ist dann "aus dem Arbeitslohn zu berechnen, der nach Abzug der Lohnsteuer den ausgezahlten Nettobetrag ergibt" (§ 2 Abs. 5 [6] LStDV in ihrer bis Ende 1974 geltenden Fassung; zum Berechnungsverfahren vgl. Abschn. 54 LStR in der bis 1974 geltenden Fassung). Die im Innenverhältnis auf arbeitsrechtlicher Grundlage zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer vereinbarte Übernahme der Lohnsteuer führt also nach außen - gegenüber dem FA - zu keiner Änderung der Steuerschuldnerschaft. Der Arbeitnehmer bleibt verpflichtet, dem Arbeitgeber die Lohnsteuerkarte vorzulegen (§ 29 LStDV). Der Nettolohn wird (in Höhe des "Bruttobetrags") bei der Einkommensteuerveranlagung bzw. beim Lohnsteuer-Jahresausgleich erfaßt. Mit der Einbehaltung und Abführung der Lohnsteuer durch den Arbeitgeber wird der Steuerfall also nicht - wie im Fall der Pauschalbesteuerung - endgültig erledigt.
Mit dieser Entscheidung schließt sich der Senat der Auffassung des FG Bremen an, dessen Urteil vom 20. März 1975 II 63/73 (Entscheidungen der Finanzgerichte 1975 S. 331) von der Finanzverwaltung bisher nicht angewendet wurde (Erlaß des Finanzministers des Landes Nordrhein-Westfalen vom 15. März 1976 - G 1440 - 16 - VB 4, Deutsche Steuer-Zeitung, Ausgabe B - Eildienst - 1976 S. 131).
Fundstellen
Haufe-Index 73391 |
BStBl II 1980, 127 |
BFHE 1980, 180 |