Entscheidungsstichwort (Thema)
Zum Unterschriftserfordernis bei Setzung einer Ausschlußfrist zur Vollmachtsvorlage
Leitsatz (NV)
1. Die Anordnung einer Ausschlußfrist gemäß Art. 3 § 1 VGFGEntlG zur Vorlage der Vollmacht muß vom zuständigen Richter unterschrieben werden.
2. Wird an Stelle der Urschrift der Verfügung eine Abschrift zugestellt, so muß diese lediglich mit dem Beglaubigungsvermerk des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle versehen sein.
3. Der Berichterstatter kann auch ohne vorherige formlose Mahnung eine Frist mit ausschließender Wirkung setzen.
Normenkette
FGO §§ 53, 56; VGFGEntlG Art. 3 § 1; VwZG § 2 Abs. 1
Verfahrensgang
Tatbestand
Die Prozeßbevollmächtigten des Klägers und Revisionsklägers (Kläger) erhoben am 3. Mai 1983 in dessen Namen Klage gegen den Haftungsbescheid des Beklagten und Revisionsbeklagten (Finanzamt - FA -) vom 3. Januar 1983 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 25. April 1983, ohne eine Prozeßvollmacht vorzulegen.
Mit Verfügung vom 10. Mai 1983 setzte der Berichterstatter (beauftragter Richter) am Finanzgericht (FG) den Prozeßbevollmächtigten eine Frist zur Vorlage der Vollmacht bis zum 5. Juni 1983. Die Verfügung, die vom Berichterstatter unterschrieben wurde, enthielt den Zusatz, daß die Frist zur Vorlage der Vollmacht eine Ausschlußfrist im Sinne des Art. 3 § 1 des Gesetzes zur Entlastung der Gerichte in der Verwaltungs- und Finanzgerichtsbarkeit (VGFGEntlG) sei. Sie wurde den Prozeßbevollmächtigten in beglaubigter Abschrift am 13. Mai 1983 zugestellt. Die Vollmacht ging erst am 15. Juli 1983 beim FG ein. Die Prozeßbevollmächtigten des Klägers trugen hierzu vor, eine frühere Vorlage sei nicht möglich gewesen, da sich der Kläger berufsbedingt teilweise im Ausland aufgehalten habe.
Das FG wies die Klage wegen der verspäteten Vorlage der Vollmacht als unzulässig ab. Die Gewährung von Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Frist zur Vorlage der Vollmacht lehnte es ab, da der Kläger keine Einzelheiten zu den behaupteten Auslandsaufenthalten mitgeteilt und damit weder dargetan noch glaubhaft gemacht habe, daß er unverschuldet an der fristgerechten Vorlage der Vollmacht gehindert gewesen sei.
Mit seiner Revision rügt der Kläger die Verletzung formellen Rechts.
Er trägt hierzu vor, daß die Klage mangels einer wirksamen Ausschlußfrist nicht als unzulässig hätte abgewiesen werden dürfen. Die Verfügung vom 10. Mai 1983 leide an einem erheblichen Fehler, da sie lediglich von einem Verwaltungsangestellten beglaubigt worden sei, eine Unterschrift durch den anordnenden Richter jedoch fehle.
Der Kläger beantragt, das angefochtene Urteil aufzuheben und die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung zurückzuverweisen.
Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist unbegründet; sie war daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung - FGO -).
1. Die Anordnung vom 10. Mai 1983 enthält eine wirksame Fristsetzung.
a) Gemäß Art. 3 § 1 Satz 1 VGFGEntlG vom 31. März 1978 (BGBl I 1978, 446) kann der Vorsitzende oder der von ihm gemäß § 79 FGO bestimmte Richter für das Einreichen der Vollmacht eine Frist mit ausschließender Wirkung setzen. Wird die Vollmacht nicht innerhalb der Frist beigebracht, sind die Prozeßhandlungen des Bevollmächtigten als unwirksam anzusehen; die von diesem eingereichte Klage muß durch Prozeßurteil abgewiesen werden.
b) Die Anordnung gemäß Art. 3 § 1 VGFGEntlG muß vom zuständigen Richter unterschrieben werden. Das Unterschriftserfordernis folgt aus der Notwendigkeit, daß eine gerichtliche Willensäußerung, die Rechtswirkungen für die Prozeßbeteiligten hat, ihren Urheber erkennen lassen muß (vgl. Urteil des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 26. August 1982 IV R 31/82, BFHE 136, 351, BStBl II 1983, 23). Die Anordnung muß ferner den Text der Fristsetzung enthalten (BFH-Urteil vom 14. April 1983 V R 4/80, BFHE 138, 21, BStBl II 1983, 421).
Diese Formerfordernisse sind im Streitfall erfüllt. Die in der Prozeßakte befindliche Urschrift der Anordnung vom 10. Mai 1973 ist mit der Unterschrift des Berichterstatters versehen. Auch stimmen Inhalt von Ur- und Abschrift der Anordnung überein.
c) Nach § 53 FGO müssen gerichtliche Anordnungen, durch die eine Frist in Lauf gesetzt wird, den Beteiligten nach den Vorschriften des Verwaltungszustellungsgesetzes (VwZG) zugestellt werden. Die Zustellung besteht in der Übergabe eines Schriftstücks in Urschrift, Ausfertigung oder beglaubigter Abschrift oder in dem Vorlegen der Urschrift (§ 2 Abs. 1 Satz 1 VwZG).
Im Streitfall ist die Fristsetzung zur Vorlage der Prozeßvollmacht den Prozeßbevollmächtigten des Klägers nicht in Urschrift (vgl. hierzu BFH-Urteil vom 14. Juni 1984 I R 152/81, BFHE 141, 455, BStBl II 1984, 841), sondern in beglaubigter Abschrift zugestellt worden. Eine Abschrift ist jedoch von dem anordnenden Richter nicht zu unterschreiben; sie muß lediglich den Beglaubigungsvermerk durch den Urkundsbeamten der Geschäftsstelle enthalten, durch den die Übereinstimmung mit der - unterschriebenen - Urschrift bestätigt wird (vgl. auch BFH-Beschluß vom 9. April 1987 V B 102/86, BFH/NV 1987, 594).
d) Bedenken gegen die Wirksamkeit der Ausschlußfrist ergeben sich auch nicht daraus, daß der Berichterstatter ohne vorherige Mahnung sofort eine Frist mit ausschließender Wirkung gesetzt hat (vgl. hierzu BFH-Urteil vom 18. Februar 1987 II R 213/84, BFHE 149, 19, BStBl II 1987, 392).
2. Das FG hat es zu Recht abgelehnt, wegen Versäumung der gesetzten Ausschlußfrist zur Vorlage der Prozeßvollmacht Wiedereinsetzung in den vorigen Stand in entsprechender Anwendung des § 56 FGO zu gewähren (Art. 3 § 1 Satz 2 VGFGEntlG).
Hierbei kann dahinstehen, ob der Kläger die Hinderungsgründe für eine rechtzeitige Erteilung der schriftlichen Vollmacht ausreichend dargetan und glaubhaft gemacht hat.
Das die Wiedereinsetzung ausschließende Verschulden der Prozeßbevollmächtigten des Klägers, das diesem zuzurechnen ist (§ 155 FGO i.V.m. § 85 Abs. 2 der Zivilprozeßordnung), ist bereits darin zu sehen, daß die Prozeßbevollmächtigten keinen Fristverlängerungsantrag gestellt haben.
Die Ausschlußfrist des Art. 3 § 1 VGFGEntlG kann auf Antrag verlängert werden (BFH-Urteil vom 21. Februar 1980 V R 71-73/79, BFHE 130, 240, BStBl II 1980, 457). Bei glaubhafter Darlegung, der Kläger sei wegen eines Auslandsaufenthalts vorübergehend nicht erreichbar, hätte das FG unter Beachtung der Pflicht zur Gewährung rechtlichen Gehörs die - bei einem Auslandsaufenthalt des Klägers möglicherweise knapp bemessene - Frist verlängern müssen. Die Fristversäumung hätte somit durch rechtzeitige Beantragung der Fristverlängerung vermieden werden können.
Fundstellen
Haufe-Index 415439 |
BFH/NV 1989, 41 |