Leitsatz (amtlich)
Gleichen die Partner einer Arbeitsgemeinschaft des Baugewerbes ihre Mehr- bzw. Minderleistungen an Gerätevorhaltungen gegenüber dem im Arbeitsgemeinschafts-Vertrag bestimmten Soll durch Zahlung des Spitzenbetrages unter sich aus, ohne daß ein solcher Spitzenausgleich außerhalb der Arbeitsgemeinschaft im Arbeitsgemeinschafts-Vertrag vereinbart war, so sind die Gerätevorhaltungen mit den "statistisch angeschriebenen" Beträgen voll zur Umsatzsteuer heranzuziehen.
Normenkette
UStG 1951 § 1 Nr. 1; UStDB 1951 § 7 Abs. 1
Tatbestand
Der Kläger und Revisionsbeklagte (Steuerpflichtiger) ist Bauunternehmer. Er hatte sich durch Vertrag vom ... mit einer GmbH zwecks gemeinsamer Errichtung des Neubaues eines Werks zu einer Arbeitsgemeinschaft (Arge) zusammengeschlossen. Die Anteile der beiden Gesellschafter an allen Rechten, insbesondere am Gewinn und Verlust, betrugen je 50 v. H. Die Arge-Partner waren nach dem Gesellschaftsvertrag verpflichtet, der Arge im Verhältnis der Beteiligung Geräte (z. B. Formeisen, Spundbohlen, Gerüste, Tafelschalungen, Maschinen) als Gesellschafterbeitrag "kostenlos" zur Verfügung zu stellen. In einem Nachtrag zum Gesellschaftsvertrag vereinbarten sie folgendes:
"... Sollte es sich ... nach Beendigung der Baustelle herausstellen, daß ein Gesellschafter einen höheren Gerätebeitrag geleistet hat als der andere, so soll dieser Spitzenbetrag in Rechnung gestellt werden. Hierfür gilt die 1,6fache Gerätemiete. Jede Firma muß monatlich zwecks statistischer Erfassung eine Geräteaufstellung mit den Werten der Geräteliste 1952 zuzüglich 60 v. H. einreichen ..."
Nach der "statistischen Anschreibung" hat der Steuerpflichtige in den Jahren 1959 und 1960 Gerätevorhaltungen im Werte von ... DM und ... DM erbracht. Diese Beträge, die der Steuerpflichtige in seinen Umsatzsteuer-Erklärungen nicht angegeben hatte, hat der Beklagte und Revisionskläger (FA) im Anschluß an eine bei der Arge durchgeführte Betriebsprüfung für 1959 und 1960 zusätzlich zur Umsatzsteuer herangezogen. Da sich nach Beendigung der Bauarbeiten herausstellte, daß der Steuerpflichtige im Verhältnis zur GmbH sein Soll an Gerätevorhaltungen überschritten hatte, erhielt er entsprechend den Werten in der statistischen Anschreibung den Spitzenbetrag im Jahre 1968 von der GmbH ersetzt.
Streitig ist, ob das FA die Beträge von ... DM und ... DM für die Jahre 1959 und 1960 zu Recht der Umsatzsteuer unterworfen hat.
Nach erfolglosen Einsprüchen hat das FG der Klage stattgegeben und die streitigen Beträge von der Umsatzsteuer ausgenommen. Das FG ist der Ansicht, daß ein umsatzsteuerbarer Leistungsaustausch insoweit nicht vorliegt, als sich die Gerätevorhaltungen der Arge-Partner wertmäßig decken. Es kämen die Vorschriften des BGB über die Gesellschaft (§§ 702, 732 bis 735 BGB) zur Anwendung. Das Gericht sei an die bürgerlich-rechtliche Vereinbarung im Gesellschaftsvertrag, nach der die Arge-Partner die Gerätevorhaltungen "kostenlos" zu erbringen hätten, gebunden. Es dürfe den eindeutigen Willen der Gesellschafter nicht umdeuten und einen Leistungsaustausch als gewollt annehmen. Ein Leistungsaustausch könnte nur dann angenommen werden, wenn die Gerätevorhaltungen nicht im Gesellschaftsvertrag als Gesellschafterbeitrag, sondern außerhalb des Gesellschaftsvertrages vereinbart worden wären. Der Umstand, daß die Geräteüberlassungen wertmäßig statistisch erfaßt worden seien, rechtfertige es nicht, einen entsprechenden Gewinnanteil als Entgelt für die Geräteüberlassungen anzusehen und sie als besonders vergütete Sonderleistungen zu behandeln. Die Gesellschafterbeiträge seien vielmehr insgesamt durch die Beteiligung am Gewinn und Verlust abgegolten worden. Sie hätten der gemeinsamen Durchführung des Gesellschaftszwecks, d. h. der gemeinsamen Durchführung des Bauauftrages, gedient. Infolgedessen sei nur der Spitzenausgleich, zu dem sich der ausgleichende Gesellschafter vertraglich nicht verpflichtet habe - der hier nicht interessiere, weil er in einem späteren Jahre erfolgt sei -, als Sonderleistung der Umsatzsteuer zu unterwerfen. Diese Auffassung sei vom BFH in einem gleichliegenden Falle (nicht veröffentlichtes Urteil V 261/56 vom 28. August 1958) bestätigt worden.
Mit der Revision beantragt das FA, unter Aufhebung der Vorentscheidung, die Klage des Steuerpflichtigen abzuweisen. Es stützt sich hierbei auf das Urteil des Senats V 43/65 vom 21. März 1968 (BFH 92, 120, BStBl II 1968, 449), dem ein im wesentlichen gleicher Sachverhalt zugrunde liegt.
Entscheidungsgründe
Aus den Gründen:
Die Revision ist begründet.
I.
Der Senat hat die Frage des sog. "Spitzenausgleichs im Baugewerbe" in einer anderen Sache, die ebenfalls heute zur Entscheidung anstand (Aktenzeichen V R 129/68 vom 11. Dezember 1969, BStBl II 1970, 358), nochmals eingehend und systematisch geprüft. Er ist hierbei zu Ergebnissen gelangt, die sich in den folgenden Leitsätzen widerspiegeln:
1. Überläßt der Partner einer Arbeitsgemeinschaft des Baugewerbes dieser seine Arbeitsgeräte, so vollzieht sich die Überlassung im Rahmen eines Leistungsaustausches, wenn sie von der Arbeitsgemeinschaft entsprechend Umfang und Wert der Leistungen abgegolten wird.
2. Wird im Arbeitsgemeinschafts-Vertrag vereinbart, daß Mehr- und Minderleistungen gegenüber dem im Vertrage vorgesehenen Soll an Gerätevorhaltungen und die darauf entfallenden Entgelte außerhalb der Arbeitsgemeinschaft zwischen den Partnern unmittelbar ausgeglichen werden sollen, und wird tatsächlich dementsprechend verfahren, so ist ein Leistungsaustausch zwischen den Partnern der Arbeitsgemeinschaft und dieser nicht feststellbar. Die Leistungen (Gerätevorhaltungen) der Partner an die Arbeitsgemeinschaft sind in diesen Fällen nichtsteuerbare echte Mitgliederbeiträge.
Auf die Gründe dieses Urteils wird Bezug genommen.
Der Streitfall hat mit dem Parallelfall viel Gemeinsames. Er unterscheidet sich von ihm aber in einem sehr wesentlichen Punkte: Es wurde (viele Jahre nach Beendigung der Arge) zwar auch ein betragsmäßiger Ausgleich der Mehr- und Minderleistungen anhand der "statistischen Anschreibung" zwischen den beiden Arge-Partnern unmittelbar durchgeführt, wobei der Steuerpflichtige wegen der von ihm bewirkten Mehrleistungen gegenüber dem vereinbarten Leistungssoll vom Mitgesellschafter einen Spitzenbetrag erhielt; diese Regelung war aber nicht in dem Arge-Vertrag vorgesehen, sondern ergab sich als Folge des Umstandes, daß die Arge seit Jahren nicht mehr bestand. Weder aus dem Arge-Vertrag noch aus dem Nachtrag dazu ist zu entnehmen, daß der Ausgleich der Mehr- und Minderleistungen und der darauf entfallenden Entgelte außerhalb der Arge zwischen den Arge-Partnern unmittelbar erfolgen sollte. In dem Nachtrag ist lediglich bestimmt, daß der Spitzenbetrag demjenigen Gesellschafter, der einen niedrigeren als den vertraglich bestimmten Gerätebeitrag (50 v. H.) geleistet hatte, "in Rechnung gestellt" werden solle.
Die Gründe, die den Senat hauptsächlich veranlaßt haben, im Parallelfall der formal-rechtlichen Gestaltung gegenüber der wirtschaftlichen Betrachtungsweise den Vorzug zu geben, liegen im Streitfalle nicht vor: Eine abweichende formalrechtliche Gestaltung ist im Arge-Vertrag nicht vereinbart worden. Eine entgeltliche Geschäftsbesorgung im Sinne des § 675 BGB war von den Arge-Partnern weder gewollt noch ist sie durchgeführt worden. Zum mindesten hat sie im Gesellschaftsvertrag keinen Niederschlag gefunden. Wenn Jahre nach der Beendigung der Arge der Ausgleichsbetrag nicht von der Arge, sondern von dem Partner, der sein Leistungssoll von 50 v. H. nicht erfüllt hatte, unmittelbar an den Partner, der sein Leistungssoll überschritten hatte, gezahlt worden ist, so kann hierin nur eine vereinfachte Verrechnungsart erblickt werden. Statt - wie im Arge-Vertrag vorgesehen - den Spitzenausgleich über die Arge durchzuführen, haben die beiden einzigen Partner der Arge den kürzeren und wegen der Beendigung der Arge allein gangbaren Weg gewählt und die Verrechnung unter sich vollzogen. Das wirtschaftliche Ergebnis ist dasselbe, wie sich aus dem nachfolgenden (aus der Stellungnahme des Steuerpflichtigen zur Revisionsbegründung des FA entnommenen) Beispiel ergibt.
A und B sind je zur Hälfte an einer Arge beteiligt. Der Gewinn beträgt 90, der Wert der Gerätevorhaltungen nach der "statistischen Anschreibung" insgesamt 60. A und B haben nach dem Arge-Vertrag die Geräte entsprechend ihrem Beteiligungsverhältnis (also 1:1) zu erbringen. Tatsächlich aber erfüllt A sein Leistungssoll nur zur Hälfte (also statt 30 nur 15); den Rest (von 15) übernimmt B zusätzlich (leistet also 30 + 15 = 45). Das Abrechnungsbild sieht dann so aus:
Partner Gesamterlös
ohne Berück-
sichtigung der Ist-Betrag
Geräte- der Geräte-
vorhaltungen vorhaltungen Gewinn
A: 60 15 (Soll 30) 45
B: 90 45 (Soll 30) 45
Zusammen: 150 60 (Soll 60) 90
Jeder Arge-Partner erhält den gleichen Anteil am Gewinn (je 45), der für die Umsatzbesteuerung ausscheidet. Außerdem erhalten A und B unterschiedliche Beträge entsprechend dem Wert ihrer unterschiedlichen Gesellschafterleistungen (A 15, B 45). Der gesamte Auszahlungsbetrag setzt sich für jeden Arge-Partner aus dem gleichhohen Gewinnanteil und einer verschieden hohen Vergütung für die unterschiedlichen Gerätevorhaltungen zusammen. Der Auszahlungsbetrag richtet sich also - vom Gewinn an gesehen - genau nach Art und Umfang der Gerätevorhaltung, bewertet nach einem einheitlichen Schlüssel; er ist "leistungsabhängig".
An dem wirtschaftlichen Ergebnis ändert sich für die beiden Arge-Mitglieder nichts, wenn die Arge den Gesamterlös ohne Berücksichtigung der Gerätevorhaltungen (150) entsprechend dem Beteiligungsverhältnis (1:1) an die Arge-Mitglieder ausschüttet und diese den Wertausgleich für die Mehr- und Wenigerleistungen gegenüber dem Soll außerhalb der Arge unter sich vornehmen. Es bekommt dann jeder der Partner die Hälfte des Gesamterlöses, mithin 75, aber A muß wegen der Übernahme der Hälfte seiner Soll-Leistungen durch B 15 an diesen abgeben, so daß im Endergebnis - ebenso wie bei der Abrechnung im Rahmen der Arge - A (75 ./. 15 =) 60 und B (75 + 15 =) 90 erhalten. Auch in diesem Falle ist also der Auszahlungsbetrag an das einzelne Arge-Mitglied "leistungsabhängig".
Die wirtschaftliche Betrachtungsweise muß im Streitfall zum Zuge kommen, weil sie nicht im Gegensatz zu einer von den Vertragspartnern vereinbarten anderweitigen Rechtsgestaltung steht. Ein Durchgriff durch gewollte und vertraglich normierte Rechtsverhältnisse zwischen den Arge-Partnern (entgeltliche Geschäftsbesorgung) findet hier - anders als im Parallelfalle - nicht statt.
II.
Es bleibt noch übrig, auf den zweiten Punkt des Rechtsstreits einzugehen, ob nämlich das Entgelt in den Jahren 1959 und 1960 in der Höhe, in der es vom FA zur Umsatzsteuer herangezogen worden ist, vom Steuerpflichtigen vereinnahmt wurde. Die Frage beantwortet sich nach den obigen Ausführungen von selbst. Die Arge-Partner haben in den Streitjahren auf ihre Auseinandersetzungsguthaben Abschlagzahlungen in Höhe der bei der Arge verfügbaren liquiden Mittel erhalten. Ebenso wie in den Gesamterlösen sind in den Abschlagzahlungen Vergütungen für die Gesellschafterleistungen enthalten, wie sie sich aus der "statistischen Anschreibung" für das betreffende Jahr ergaben. Da der Spitzenausgleich von vornherein vertraglich vorgesehen war, die Vergütungen für die Gesellschafterleistungen auf Grund der "statistischen Anschreibung" in den Jahren 1959 und 1960 unter den in diesen Jahren von der Arge an die Partner geleisteten Gesamtzahlungen lagen und - wie oben dargelegt - der volle Gegenwert der statistisch angeschriebenen Gesellschafterleistungen der Umsatzsteuer unterlag, spielt es keine Rolle, wann der Spitzenbetrag seitens der GmbH an den Steuerpflichtigen gezahlt worden ist. Das FA hat die Beträge von ... DM bzw. ... DM zutreffend der Umsatzsteuer für die Veranlagungszeiträume 1959 bzw. 1960 unterworfen.
Auf die Revision des FA war daher unter Aufhebung der Vorentscheidung die Klage des Steuerpflichtigen gegen die Einspruchsentscheidungen des FA mit der Kostenfolge aus § 135 Abs. 1 FGO abzuweisen.
Fundstellen
BStBl II 1970, 356 |
BFHE 1970, 88 |