Leitsatz (amtlich)
Eine Anschlußrevision kann jederzeit, auch noch in der mündlichen Verhandlung, eingelegt werden.
Normenkette
FGO § 115 ff., § 155; VwGO §§ 127, 141; ZPO § 556
Gründe
Aus den Gründen:
Auch die Anschlußrevision ist statthaft. Da das am 8. Dezember 1965 gefällte Urteil des FG der Gesellschaft erst am 28. Januar 1966 zugestellt wurde, also auch dann erst "ergangen" (§ 184 Abs. 2 Nr. 2 FGO) war, gelten hinsichtlich der Zulässigkeitsvoraussetzungen eines Rechtsmittels die am 1. Januar 1966 in Kraft getretenen Vorschriften der FGO (Urteil des BFH VI R 80/66 vom 15. Juli 1966, BFH 86, 543, BStBl III 1966, 595). Die FGO enthält zwar keine ausdrückliche Vorschrift über die Möglichkeit einer Anschlußrevision, doch ist sie nach der Rechtsprechung des BFH (Urteil VI R 104/66 vom 30. Juni 1967, BFH 89, 337, BStBl III 1967, 655; vgl. auch den Beschluß I B 35/67 vom 31. Juli 1967, BFH 90, 92, BStBl III 1967, 784) und auch nach allgemeiner Ansicht in der Literatur (Berger, Deutsches Steuerrecht 1966 S. 3 - DStR 1966, 3 -; Bauer, Der Betrieb 1965 S. 1681 - DB 1965, 1681 -; Barske-Woerner, Finanzgerichtsordnung S. 120; Hübschmann-Hepp-Spitaler, Kommentar zur Reichsabgabenordnung und Finanzgerichtsordnung, § 115 FGO, Anm. 63 ff.; Ziemer-Birkholz, Finanzgerichtsordnung, § 121 Anm. 14) zu bejahen. Der Senat schließt sich dem an.
Streitig ist allerdings, bis zu welchem Zeitpunkt die Anschließung erfolgen kann. Barske-Woerner, a. a. O., S. 121, vertreten die Auffassung, die Anschlußrevision könne noch in der mündlichen Verhandlung, d. h. also auch während des ganzen Verfahrens bis zur mündlichen Verhandlung, eingelegt werden, wie das in den §§ 127, 141 VwGO für das verwaltungsgerichtliche Verfahren ausdrücklich festgelegt ist. Dagegen sind nach anderer, auch in dem genannten Urteil des VI. Senats des BFH VI R 104/66 - allerdings nur beiläufig - geäußerter Ansicht auf die Anschlußrevision nach § 155 FGO die Revisionsvorschriften der ZPO, also auch § 556 ZPO, anzuwenden (Hübschmann-Hepp-Spitaler, a. a. O., § 121 FGO, Anm. 8, 15; Ziemer-Birkholz, a. a. O., § 121 Anm. 14). Nach dieser Vorschrift kann die Anschlußrevision nur bis zum Ablauf der (für die Hauptrevision laufenden) Revisionsbegründungsfrist eingelegt werden. Ob diese Frist hier eingehalten ist, kann nicht ohne weiteres festgestellt werden. Die Beantwortung der Frage hängt davon ab, ob die Zustellung des angefochtenen Urteils an das FA ordnungsgemäß war und damit Revisionseinlegungs- und -begründungsfrist in Gang gesetzt waren. Doch kommt es darauf nicht an, weil sich der Senat der Ansicht anschließt, daß die Anschlußrevision jederzeit, bis zur mündlichen Verhandlung einschließlich, eingelegt werden kann.
Zwar verweist die FGO in § 155 hinsichtlich der Ausfüllung von Lücken der finanzgerichtlichen Verfahrensvorschriften auf die ZPO. § 155 FGO schreibt aber nur eine sinngemäße Anwendung dieser Vorschriften vor und läßt die Ergänzung auch nur insoweit zu, als es die grundsätzlichen Unterschiede der beiden Verfahrensarten nicht ausschließen. Im übrigen aber wurde die FGO weitestgehend und gerade hinsichtlich der Revisionsvorschriften sogar fast wörtlich der VwGO nachgebildet. Zur Ausfüllung von Lücken und insbesondere zur Bestimmung der Grenze, bis zu der Vorschriften der ZPO aus Gründen, die in der Besonderheit des finanzgerichtlichen Verfahrens liegen, wörtlich übernommen werden können, sowie zur Feststellung, was eine sinngemäße Anwendung der Vorschriften der ZPO sei, ist daher auch die VwGO heranzuziehen. Diese läßt die Anschlußrevision bis zur mündlichen Verhandlung einschließlich zu. Das hat seinen guten Sinn. Denn während im Zivilprozeß die Revision beim Revisionsgericht einzulegen ist, ist sie im Verwaltungsprozeß beim VG einzulegen und sogar zu begründen. Das bedeutet, daß dem Revisionsgericht und auch dem Revisionsbeklagten die Einlegung der Revision meist erst nach Ablauf der Revisionsbegründungsfrist bekanntwerden wird. Zwar wäre bei Versäumung der Frist zur Einlegung der Anschlußrevision eine Wiedereinsetzung möglich (Wieczorek, Kommentar zur ZPO, § 556 Anm. B III a 3; Baumbach-Lauterbach, Kommentar zur ZPO, 29. Aufl., § 556 Anm. 1 a. E.; Hübschmann-Hepp-Spitaler, a. a. O., § 121 FGO Anm. 15), doch ist es unsachgemäß, diesen Umweg zu wählen, der, wie schon vorauszusehen, in der Mehrzahl der Fälle beschritten werden muß und der bei sachgemäßer Auslegung des Gesetzes vermeidbar ist. Eine Auslegung, wie sie der Senat hier vornimmt, ist um so mehr gerechtfertigt, als die FGO in der vom Bundestag bereits verabschiedeten, aber dann vom Bundesrat insoweit durch Anrufung des Vermittlungsausschusses inhibierten Fassung die in den §§ 127, 141 VwGO enthaltenen Vorschriften über die Anschlußrevision wörtlich übernehmen wollte (§§ 107 e, 114a FGO in der Fassung der Bundestagsdrucksache IV/3523).
Der VI. Senat hat auf Anfrage erklärt, daß er an seiner in dem Urteil VI R 104/66 geäußerten abweichenden Ansicht nicht festhalte.
Ob die Anschlußrevision einer Begründung bedarf, erscheint fraglich. Die §§ 127, 141 VwGO sagen hierzu nichts; nach § 556 Abs. 2 ZPO ist die Begründung erforderlich. Der Senat braucht hierauf nicht einzugehen, da die Anschlußrevision als ausreichend begründet anzusehen ist. Die Gesellschaft reichte mit einem Anschreiben eine umfangreiche Stellungnahme zu der Revisionsbegründung des FA ein und getrennt davon die Anschlußrevisionsschrift. In dieser Schrift ist das angefochtene Urteil angegeben, ein bestimmter Antrag gestellt und die verletzte Rechtsnorm, wenn auch nicht mit der Paragraphennummer, angegeben. Es heißt dann weiter: "Wegen der Begründung wird auf die von mir eingereichten Schriftsätze verwiesen." In der gleichzeitig eingereichten Stellungnahme zur Revision ist ausdrücklich dargelegt, daß entgegen der Ansicht des FA die Kosten der Reise Betriebsausgaben seien, und zwar nicht nur zum Teil, wie das FG annahm, sondern insgesamt. Es ist also auch die Frage behandelt, die Gegenstand der Anschlußrevision sein sollte. Das genügt nach Ansicht des Senats.
Fundstellen
Haufe-Index 67879 |
BStBl II 1968, 207 |
BFHE 1968, 145 |