Entscheidungsstichwort (Thema)
Einkommensteuer, Lohnsteuer, Kirchensteuer
Leitsatz (amtlich)
Die vertragliche Vereinbarung, daß bei Wegfall der Geschäftsgrundlage die Höhe einer Rentenzahlung der Abänderung unterliegen soll, läßt den Charakter der Rente als einer Leibrente unberührt.
Normenkette
EStG § 10 Abs. 1 Nr. 1, § 22/1/a
Tatbestand
Streitig ist, ob die Zahlungen, die der Revisionskläger (Stpfl.) seit dem 1. März 1960 zu Lasten des Betriebsergebnisses geleistet hat, als betriebliche oder als private Versorgungsrente einzuordnen sind.
Nach dem zwischen dem Stpfl. und seinen Eltern geschlossenen Vertrag vom 30. April 1960 wurde das bis zum 28. Februar 1960 bestehende Gesellschaftsverhältnis zwischen dem Stpfl. und seinem Vater aufgelöst und das Unternehmen in eine Einzelfirma umgewandelt. Der Stpfl. führt in seiner Eröffnungsbilanz die Wertansätze in der Schlußbilanz der Gesellschaft fort. "Für das Ausscheiden" zahlt der Stpfl. seinem Vater nach dem Vertrag vom 1. März 1960 ab "eine monatliche betriebliche Versorgungsrente von DM 850,-". Die Zahlungsverpflichtung erlischt mit dem Tode des letztversterbenden Elternteils. Nach § 6 des Vertrags soll "bei evtl. eintretender schlechter Geschäftslage" über die Festsetzung der Versorgungsrente neu verhandelt werden.
Der Revisionsbeklagte (das FA) sah in dem Vertrag die Vereinbarung einer privaten Versorgungsrente und setzte dem Gewinn des Stpfl. aus Gewerbebetrieb für die Zeit vom 1. März bis 31. Dezember 1960 die streitigen 8.500 DM hinzu. Einspruch und Berufung blieben ohne Erfolg. Das FG begründet seine Entscheidung wie folgt:
Der Stpfl. habe nach seinem Vertrag von seinem Vater dessen Kapitalkonto mit einem Buchwert von 33.818 DM im Wege der vorweggenommenen Erbfolge schenkungsweise übertragen erhalten. Für die nach seiner Ansicht sachlich und wirtschaftlich von diesem Vorgang getrennt zu sehende überlassung der Hälfte der im Betrieb liegenden stillen Reserven (= 1/2 von 291.771 DM) sowie in Anbetracht der Verdienste seines Vaters um den Aufbau und die weitere Förderung des Unternehmens zahle er ihm ein streng nach kaufmännischen Grundsätzen bemessenes Entgelt in Form einer betrieblichen Versorgungsrente von 850 DM monatlich. Dafür stehe ihm sein Vater weiterhin mit Rat und Tat zur Seite und trete auch nach außen hin noch als Repräsentant des Unternehmens auf. Eine private Versorgungsrente würde etwa in Höhe des Betrages von 300 DM monatlich vereinbart worden sein. Schließlich sei der Vertrag im Entwurf anläßlich der im Januar 1960 durchgeführten Betriebsprüfung mit dem Prüfer besprochen worden, der die volle Abzugsfähigkeit der Ratenzahlungen bejaht habe. Daraufhin sei der Vertrag in der nun vorliegenden Form abgeschlossen worden. Eine private Belastung in Höhe von rund 10.000 DM im Jahr könne der Betrieb nicht tragen.
Nach Anhörung der Beteiligten in mündlicher Verhandlung und Vernehmung des Betriebsprüfers als Zeugen sei die streitige Rente als private Versorgungsrente einzuordnen und nur in Höhe ihres Ertragsanteils als Sonderausgabe vom Gesamtbetrag der Einkünfte abziehbar.
Wie der Vertrag vom 30. April 1960 erkennen lasse, hätten die Vertragschließenden entgegen dem Sachvortrag des Stpfl. nicht Leistung und Gegenleistung gegeneinander abgewogen. Der Stpfl. habe nach eigener Einlassung, ohne Berücksichtigung eines nicht unerheblichen Firmenwerts, Werte im Betrage von rund 170.000 DM erhalten. Seine Gegenleistung an die Eltern betrage demgegenüber, gemäß § 16 BewG a. F. unter Zugrundelegung des Alters der Mutter (als des jüngeren der beiden Elternteile) mit dem Sechsfachen des Wertes der einjährigen Leistung (= 6 x 10.200 DM) kapitalisiert, nur 61.200 DM. Daneben habe er nach Maßgabe der Geschäftslage und des Gewinns an seine Schwestern insgesamt 5.500 DM zu zahlen. Der danach verbleibende Unterschiedsbetrag von mehr als 110.000 DM erkläre sich allein aus familiären Erwägungen, wie sie das Alter des Vaters mit damals 75 Jahren und des Sohnes mit damals 43 Jahren nahelegten.
Demgegenüber könne auch in Ansehung der Vereinbarung in § 6 des Vertrages nicht die Vereinbarung einer dauernden Last angenommen werden (Urteile des BFH VI 115/61 U vom 10. Oktober 1963, BFH 77, 738, BStBl III 1963, 592, und VI 53/61 U vom 11. Oktober 1963, BFH 77, 745, BStBl III 1963, 594). Die Leistung des Stpfl. sei als eine regelmäßig wiederkehrende, gleichmäßige Leistung mit einem festen Betrag von monatlich 850 DM eindeutig und hinreichend genug bestimmt, um sie als eine Rentenverpflichtung einordnen zu können, im Gegensatz zu einer Schwankungen unterworfenen, vom Ergebnis des jeweiligen Geschäftserfolges abhängigen Leistung.
Eine abweichende Beurteilung sei auch nicht deshalb gerechtfertigt, weil die Vertragschließenden den zufällig anwesenden Betriebsprüfer um seine Rechtsansicht gefragt hätten. Dieser habe nach seiner Aussage mit seiner äußerung weder für das FA sprechen können noch wollen, was den Vertragschließenden, insbesondere ihrem steuerlichen Berater, auch bekannt gewesen sei.
Hiergegen richtet sich die als Revision zu behandelnde Rb. des Stpfl., zu deren Begründung er folgendes vortragen läßt:
Entgegen der Auffassung des FG, das den Vertrag vom 30. April 1960 als einen einheitlichen Vorgang sehe, seien tatsächlich und rechtlich einmal die schenkungsweise überlassung des Kapitalkontos durch den Vater und zum anderen die überlassung der stillen Reserven gegen Vereinbarung einer Rente voneinander zu trennen. Der Vater des Stpfl. habe auf jeden Fall eine Aufteilung des Unternehmens nach seinem Tode verhindern wollen und deshalb den Stpfl. verpflichtet, seine Geschwister, die nicht an den stillen Reserven des Betriebes beteiligt worden seien, aus seinem Kapitalkonto abzufinden. Was die Höhe der vereinbarten Rente betreffe, so entspreche sie genau den auf den Stpfl. übertragenen Werten. Die stillen Reserven seien mit 291.771 DM viel zu hoch angesetzt worden und höchstens mit 115.221 DM zu bewerten.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist nicht begründet.
Das FG hat zu Recht ausgeführt, daß die für die überlassung eines Betriebes vereinbarte (betriebliche) Veräußerungsrente in der Regel durch ein Abwägen von Leistung und Gegenleistung ermittelt, d. h. begrifflich vom Kaufpreisgedanken her bestimmt wird. Die zwischen einander Fremden vereinbarte Rente entspricht mit ihrem Kapitalwert in etwa wie ein Kaufpreis dem Wert des überlassenen Betriebes. Eine solche betriebliche Veräußerungsrente ist auch bei Betriebsüberlassung sowie bei Anteilsüberlassungen zwischen nahen Angehörigen (wie im Streitfall) denkbar. Es wird jedoch tatsächlich die Ausnahme sein, daß auch zwischen ihnen Leistung und Gegenleistung nach den gleichen, im Wirtschaftsleben üblichen Grundsätzen gegeneinander abgewogen werden und dies im Vertrag klar zum Ausdruck kommt. Ist es dagegen - wie in der Regel bei vorweggenommener Erbfolge - so, daß die Rente nicht nach dem Wert des übernommenen Betriebes, sondern nach den Bedürfnissen des überlassers und nach der Leistungsfähigkeit des übernehmers bemessen wird, so liegt eine private, d. h. nicht in erster Linie vom Wert des Betriebes her bestimmte (außerbetriebliche) Versorgungsrente vor. überwiegt dagegen trotz der überlassung des Betriebes oder eines Gesellschaftsanteils ganz offenbar der Unterhaltscharakter der Rentenverpflichtung, so kann, wenn der Rentenverpflichtete dem Rentenberechtigten gegenüber nach bürgerlichem Recht unterhaltspflichtig ist, die den Abzug auch des Ertragsanteils der Rente versagende Vorschrift des § 12 Ziff. 2 EStG nicht außer acht gelassen werden. Der Senat nimmt zur Vermeidung von Wiederholungen auf die Ausführungen des IV. Senats des BFH im Urteil IV 8/62 U vom 23. Januar 1964 (BFH 79, 516, BStBl III 1964, 422) Bezug.
Die Feststellung des FG, daß im Streitfall die Rente nicht nach dem Wert des vom Stpfl. übernommenen Gesellschaftsanteils bemessen wurde, läßt weder einen Rechtsirrtum noch einen Verstoß gegen den Inhalt der Akten erkennen. Der Vertrag vom 30. April 1960 ergibt nichts für die vom Stpfl. behauptete Zweiteilung des einheitlichen Vorgangs der Auflösung des bis zum 28. Februar 1960 zwischen Vater und Sohn bestehenden Gesellschaftsverhältnisses. über das für den Vater des Stpfl. zum 28. Februar 1960 auszuweisende Kapitalkonto ist in dem Vertrag nur insoweit verfügt worden, als aus ihm 5.500 DM "nach Geschäftslage und entsprechender Gewinnerzielung" durch den Stpfl. an seine Schwester zu zahlen waren. Den Buchwert seines Kapitalkontos zum 28. Februar 1960 mit 33.818 DM und seinen Anteil an den stillen Reserven mit 1/2 des vom steuerlichen Berater des Stpfl. errechneten Betrages von 291.771 DM hat der Vater dem Stpfl. nach dessen eigener Aussage vor dem FG überlassen. Und was die Bewertung der stillen Reserven betrifft, die jetzt auf höchstens 115.221 DM angegeben werden, so hat der Stpfl. im Termin vor dem FG selbst erklärt, daß er den Betrieb "heute" (im Dezember 1963) "für den Betrag der übernommenen stillen Reserven und des Kapitals nicht verkaufen würde". Danach bleibt, wie das FG zutreffend dargelegt hat, zwischen Leistung und Gegenleistung ein Differenzbetrag von mehr als 110.000 DM, der nur unter dem Gesichtspunkt familiärer Erwägungen zu erklären ist.
Aber auch wenn man dem Stpfl. darin folgen könnte, der kapitalisierten Rente und der Geschwisterabfindung im Gesamtbetrage von rund 67.000 DM nur die Hälfte der stillen Reserven mit rund 146.000 DM gegenüberzustellen, würde der Differenzbetrag von rund 79.000 DM keine andere Erklärung zulassen als diejenige, die das FG für die rund 113.000 DM gefunden hat.
Soweit schließlich der Stpfl. in der steuerlichen Behandlung von Renten, die anläßlich der übertragung gewerblicher Betriebe vereinbart werden, und von Altenteilsleistungen, die aus Anlaß der übertragung landwirtschaftlicher Betriebe vereinbart werden, einen Verstoß gegen den Grundsatz der Gleichmäßigkeit der Besteuerung erblicken zu müssen glaubt, kann ihm der Senat nicht folgen. Beide Fälle der übernahme werden nach den gleichen Grundsätzen beurteilt, nachdem der BFH im Urteil IV 67/61 S vom 16. September 1965 (BFH 83, 568, BStBl III 1965, 706) klargestellt hat, daß auch der übernehmer eines landwirtschaftlichen Betriebes Altenteilsleistungen und ihnen wirtschaftlich gleichstehende Versorgungsleistungen nicht als Betriebsausgaben, sondern nur als Sonderausgaben abziehen kann. Dabei wird in beiden Fällen der übernahme zwischen regelmäßig wiederkehrenden, fest begrenzten und gleichmäßigen Leistungen (Renten) und nicht gleichmäßigen, als angemessener, standesgemäßer oder ähnlicher abgegrenzter Unterhalt bezeichneten Leistungen (dauernde Lasten) unterschieden.
§ 6 des Vertrags läßt nach Ansicht des Senats den Charakter der Rente als einer Leibrente unberührt. Auch für das Leibrentenrecht gilt § 242 BGB (Wegfall der Geschäftsgrundlage); der Ausschluß jeder Abänderbarkeit der Basis des Rentenstammrechts im Interesse des Rentenverpflichteten kann nicht verlangt werden (so auch Littmann, Das Einkommensteuer-Recht, 8. Aufl. Anm. 21 zu § 10 EStG). Veränderungen der Wirtschaftslage, wie sie § 323 ZPO in der Regel genügen läßt (eine Erhöhung der Lebenserhaltungskosten um 10 v. H. ist als wesentlich anzusehen: vgl. Urteil des Landgerichts Schweinfurt 2 S 23/62 vom 24. Mai 1962, Neue Juristische Wochenschrift 1962, 1518), und ein Wandel der Rechtsanschauung reichen dagegen nicht ohne weiteres aus (Palandt, BGB, Anm. 1 zu § 759). Dazu kommt, daß § 323 ZPO seinem Wortlaut nach ein rechtskräftiges Urteil voraussetzt und darüber hinaus nur noch auf Schiedssprüche, Prozeßvergleiche und vollstreckbare Urkunden (siehe BFH-Urteil VI 286/64 U vom 16. Juli 1965, BFH 83, 225, BStBl III 1965, 582), nicht aber auf privatschriftliche Verträge Anwendung findet (Rosenberg, Lehrbuch des deutschen Zivilprozeßrechts, 9. Aufl., § 153 Anm. I 3, S. 765). Ob die Vorschrift des § 323 ZPO auch auf Leibrenten anwendbar ist, ist umstritten, wird indes im Rahmen des § 242 BGB bejaht (Baumbach-Lauterbach, ZPO, 29. Auflage, Anm. 3 A zu § 323).
Der Senat sieht die Klausel in § 6 des Vertrages als die Begründung einer Abänderbarkeit der Rentenvereinbarung zugunsten des Stpfl. für den Fall eines Wegfalls der Geschäftsgrundlage an. Sie begründet keine Verknüpfung der Basis des Rentenstammrechts (und der aus ihm fließenden wiederkehrenden Beträge) mit dem jeweiligen Geschäftsergebnis, wie sie in den Fällen der BFH- Urteile VI 115/61 U vom 10. Oktober 1963 (BFH 77, 738, BStBl III 1963, 592), VI 53/61 U vom 11. Oktober 1963 (BFH 77, 745, BStBl III 1963, 594), I 379/61 U vom 27. Mai 1964 (BFH 80, 1, BStBl III 1964, 475) und VI 365/65 vom 2. Dezember 1966 (BFH 87, 563, BStBl III 1967, 243) gegeben war. Die Entscheidung weicht mithin von der vorliegenden Rechtsprechung nicht ab, wie der VI. Senat auf Anfrage bestätigt hat.
Fundstellen
Haufe-Index 412554 |
BStBl III 1967, 668 |
BFHE 1967, 412 |
BFHE 89, 412 |