Leitsatz (amtlich)
1. Die Gesellschaftsteuerpflicht einer freiwilligen Leistung nach § 2 Nr. 3 Buchst. b KVStG 1934 wird nicht dadurch ausgeschlossen, daß der Gesellschafter mit der Gesellschaft einen Ergebnisübernahmevertrag abgeschlossen hat.
2. Zur Schätzung des Wertes eines Teilbetriebes.
Normenkette
KVStG 1934 § 2 Nr. 3 Buchst. b, § 8 Nr. 2; BewG a.F. § 10
Tatbestand
Im Jahre 1953 bestand zwischen der X-GmbH (in folgendem Gesellschaft genannt) und ihrer damaligen Alleingesellschafterin ein Ergebnisübernahmevertrag (EÜV).
Bis März 1953 hatte sich die Gesellschaft unter einer anderen Firma mit Herstellung und Vertrieb von Schuhputzmitteln befaßt. Dann erhielt sie durch Gesellschafterbeschluß die vorbezeichnete Firma und änderte den Gegenstand ihres Unternehmens. Zu ihren Aufgaben gehörten jetzt die Herstellung und der Vertrieb von kosmetischen Artikeln, Wasch- und Putzmitteln, insbesondere von X-Erzeugnissen.
Im Zusammenhang mit der Änderung ihres Gesellschaftszweckes übernahm die Gesellschaft von ihrer Gesellschafterin deren gesamte Vertriebsabteilung, nämlich das betreffende Anlagevermögen und die Vertriebsorganisation einschließlich der Rechtsbeziehungen zu den Kunden, Reisenden, Verkaufsleitern und weiteren Arbeitnehmern. Sie zahlte 715 208 DM für das Anlagevermögen.
Nach Auffassung des Beklagten (FA) waren die immateriellen Wirtschaftsgüter, welche der übertragenen Vertriebsabteilung anhafteten, unentgeltlich auf die Gesellschaft übergegangen. Der Beklagte setzte mit Bescheid vom 19. März 1959 gemäß § 2 Nr. 3 Buchst. b KVStG 1934 Gesellschaftsteuer fest. Den Wert der Leistung (§ 8 Nr. 2 KVStG 1934) berechnete er nach den Grundsätzen der Verwaltungsanordnung zur Bewertung nichtnotierter Aktien und Anteile vom 14. Februar 1955 (Richtlinien zur Bewertung nichtnotierter Aktien und Anteile an Kapitalgesellschaften) - AntBewR 1953 - (BStBl I 1955, 97).
Der Einspruch der Gesellschaft hatte keinen Erfolg. Auf ihre Berufung setzte das FG die Steuer auf 202 800 DM herab. Es kürzte bei der Berechnung des Wertes der Leistung die zugrundegelegten Gewinne der Gesellschaft um die Ertragsteuern, welche die Klägerin ohne Abschluß des EÜV voraussichtlich hätte zahlen müssen. Dadurch verringerte sich der Wert der Leistung.
Entscheidungsgründe
Aus den Gründen:
Die Rechtsbeschwerde - jetzt Revision - der Klägerin ist begründet. Sie führt zur Zurückverweisung der Sache an das FG (§ 126 Abs. 3 Nr. 2 FGO).
1. Die Steuer ist dem Grunde nach gemäß § 2 Nr. 3 Buchst. b KVStG 1934 gerechtfertigt.
a) Die Gesellschafterin hat der Gesellschaft die für den Vertrieb der Erzeugnisse notwendigen, - zu einem Teilbetrieb zusammengefaßten - Gegenstände überlassen. Die Klägerin wendet ein, hier seien überhaupt keine Gegenstände überlassen worden, weil die der Vertriebsabteilung anhaftenden sogenannten immateriellen Wirtschaftsgüter nicht selbständig übertragen werden könnten. In dem angefochtenen Bescheid wird der Steueranspruch jedoch damit begründet, daß die Gesellschafterin ihre Vertriebsabteilung auf die Gesellschaft übertragen habe und die der Abteilung anhaftenden immateriellen Wirtschaftsgüter dabei unentgeltlich übergegangen seien. Auf diesen Steuerbescheid nimmt das FG-Urteil Bezug. Übereinstimmend mit dem vom FG festgestellten Sachverhalt hat demnach der Beklagte - trotz falscher Wortwahl - nicht die angebliche Überlassung von Wirtschaftsgütern besteuert, die nicht selbständig übertragbar sind; der Steuerbescheid erfaßt vielmehr die Übertragung des gesamten Teilbetriebes mit seinen Sachen und Rechten.
b) Der Kaufpreis, welchen die Gesellschaft gezahlt hat, deckte nicht den Wert des Teilbetriebes. Dieser ist ihr daher zu einer den Wert nicht erreichenden Gegenleistung überlassen worden. Die Gesellschafterin hat diesen Vorteil ihrer Gesellschaft freiwillig zukommen lassen, denn sie war weder gesetzlich noch nach dem Gesellschaftsvertrag dazu verpflichtet.
Die Klägerin ist hierin anderer Auffassung. Sie weist darauf hin, daß nach dem Gesellschafterbeschluß vom März 1953 der Gegenstand des Unternehmens der Gesellschaft geändert wurde; diese sollte nunmehr die Erzeugnisse ihrer Gesellschafterin vertreiben. Daraus habe sich für die Gesellschafterin gleichzeitig die Verpflichtung ergeben, der Gesellschaft das für den Vertrieb notwendige Vermögen zu überlassen. Diese Verpflichtung sei daher gesellschaftsrechtlicher Art. Das gleiche folge aus dem Text des EÜV.
Dieser Einwand der Klägerin ist nicht berechtigt. Der vom FG festgestellte Sachverhalt läßt nicht erkennen, daß die Gesellschafterin in dem Beschluß vom März 1953 oder in sonstiger Weise die gesellschaftsrechtliche Verpflichtung übernommen hatte, der Gesellschaft die für den Vertrieb notwendigen Gegenstände zu überlassen. Ein "Gesellschafterbeschluß" allein hätte eine solche Verpflichtung auch gar nicht schaffen können. Der gesellschaftsrechtliche Charakter einer solchen Verpflichtung folgt nicht schon aus der Änderung des Gesellschaftszweckes. Nach § 3 Abs. 2 GmbHG müssen andere Verpflichtungen als diejenigen zur Leistung der Kapitaleinlage ebenfalls in den Gesellschaftsvertrag aufgenommen werden. Eine derartige Ergänzung des Gesellschaftsvertrages ist weder vom FG festgestellt noch von der Klägerin behauptet worden. Ob es im Bereich der Gesellschaftsteuer schon genügt, daß sich eine Verpflichtung aus dem EÜV ergibt, kann hier dahingestellt bleiben. Dem vom FG festgestellten Sachverhalt ist jedenfalls eine solche Klausel des EÜV nicht zu entnehmen.
c) Die vorgenannte Leistung war geeignet, den Wert der Gesellschaftsrechte an der Gesellschaft zu erhöhen. Ein derartiger Preisvorteil hat als geldwerte Leistung grundsätzlich diese Eignung. Allerdings setzt die Vorschrift des § 2 Nr. 3 Buchst. b KVStG 1934 voraus, daß diese Eignung nicht durch konkrete Umstände, welche der Leistung selbst anhaften oder mit dem obligatorischen Kausalverhältnis zusammenhängen, ausgeschlossen wird. Entgegen der Ansicht der Klägerin kommt aber dem abgeschlossenen EÜV insoweit diese Bedeutung nicht zu.
(Die folgenden, hier nicht abgedruckten Ausführungen gleichen denen unter Nr. 1 c, aa) - cc) des Urteils II 37/63 vom 12. April 1972 (BStBl II 1972, 714).
2. Der Rechtsauffassung, die der Steuerberechnung des FG zugrunde liegt, vermag der Senat nicht zu folgen.
a) Die Gesellschaft hat von ihrer Gesellschafterin einen Teilbetrieb übernommen. Der Wert der freiwilligen Leistung der Gesellschafterin nach § 8 Nr. 2 KVStG 1934 kann nur in der Weise zutreffend ermittelt werden, daß man den Wert des Teilbetriebes mit dem gezahlten Entgelt vergleicht. Bei dieser Bewertung des Betriebes ist der Geschäftswert kein selbständiger Posten (§ 2 Abs. 1 Satz 2 BewG). Er ist nur der Mehrwert, welchen der Betrieb in seiner Gesamtheit über die Summe seiner Wirtschaftsgüter (abzüglich Schulden) hinaus hat (vgl. das BFH-Urteil II 95-96/64 vom 16. Juni 1970 BFH 99, 413, BStBl II 1970, 690). Das bedeutet zum einen, daß alle gegenüber diesem Wert abgrenzbaren Wirtschaftsgüter bei der Bewertung auch als solche erfaßt werden müssen. Zum anderen folgt daraus, daß diese Wertdifferenz nur unter Berücksichtigung der besonderen Verhältnisse des Betriebes ermittelt werden kann. Es ist daher zu prüfen, ob und inwieweit ein Kaufinteressent für den Betrieb einen Preis zahlen würde, der über den Wert der Sachen und Rechte, die zu dem Betrieb gehören, hinausgeht. Zwar geben hier die mit dem Betrieb voraussichtlich zu erzielenden laufenden Gewinne einen Anhaltspunkt. Den hieraus errechneten Gesamtkaufpreis wird ein Käufer aber in der Regel nur dann hinnehmen, wenn er noch in einem vertretbaren Verhältnis zu dem Wert der Sachen und Rechte des Betriebes steht. Über diese Grenze wird er nur dann hinausgehen, wenn besondere Umstände dies rechtfertigen, z. B. wenn er mit verhältnismäßig risikolosen und von seiner eigenen Tätigkeit unabhängigen hohen laufenden Gewinnen rechnen kann.
b) Das FG hat diese vorgenannten Grundsätze nicht angewandt. Sie führen allerdings nicht dazu, daß - entsprechend der Ansicht der Klägerin - hier ein Geschäftswert der Vertriebsabteilung außer Betracht bleiben müsse.
Die Klägerin meint, daß für einen Außenstehenden mit der Vertriebsabteilung keine besonderen Gewinnchancen verbunden gewesen seien. Nach ihrer Auffassung hätte die Gesellschafterin es sich nicht leisten können, sich durch den Verkauf ihrer Vertriebsabteilung den unmittelbaren Zugang zum Markt zu verschließen und dadurch von einem fremden Großhändler abhängig zu werden. Sie (die Gesellschafterin) hätte daher bei Verkauf dieses Teilbetriebes notwendigerweise eine neue eigene Vertriebsabteilung aufbauen müssen; dieser Umstand würde die verkaufte Abteilung für einen Dritten von Anfang an entwertet haben. Überdies dürfe der Geschäftswert auch schon deshalb nicht berücksichtigt werden, weil er nicht konkretisiert worden und daher nach der Rechtsprechung des BFH nicht bewertungsfähig sei (Urteile III R 9/71 vom 6. August 1971, BFH 102, 573, BStBl II 1971, 677 und III R 50/70 mit gleichem Datum, BFH 104, 139, BStBl II 1972, 163). Auch habe der BFH in einer Entscheidung die Ansicht vertreten, daß ein EÜV Auswirkungen auf den gemeinen Wert der Anteile einer Kapitalgesellschaft habe. Ein solcher Vertrag rechtfertige einen Abschlag vom Vermögenswert der Anteile (Urteil I 262/63 vom 18. Oktober 1967, BFH 90, 370, BStBl II 1968, 105).
Keiner dieser Einwände ist berechtigt.
aa) Der Wert der Vertriebsabteilung ist nach § 10 BewG zu ermitteln. Maßgebend ist der Preis, welcher bei einer Veräußerung dieser Abteilung zu erzielen wäre. Dabei sind zwar alle Umstände zu berücksichtigen, die den Preis beeinflussen. Dieser Grundsatz gilt aber nur insoweit, als diese Umstände im gewöhnlichen Geschäftsverkehr auftreten (§ 10 Abs. 2 BewG). Wenn die Klägerin meint, die Gesellschafterin hätte nach dem Verkauf der Vertriebsabteilung sofort eine neue derartige Abteilung aufbauen können oder müssen, so weicht sie von den Regeln des gewöhnlichen Geschäftsverkehrs ab. Ein Produzent pflegt seine Vertriebsabteilung nicht mit der erklärten Absicht oder dem Vorbehalt zu veräußern, sofort wieder eine gleichartige Abteilung aufzubauen und so den abgegebenen Verkaufsbetrieb zu entwerten. Ein solcher Verkauf würde im gewöhnlichen Geschäftsverkehr nicht zustande kommen. Der gewöhnliche Verlauf der Dinge würde vielmehr der sein, daß der Veräußerer sich einer Konkurrenz zu der übergebenen Vertriebsabteilung enthält. Das schließt nicht aus, daß die Vertragspartner den Absatz der Produkte des Veräußerers vertraglich regeln und dieser auf diese Weise ebenso wie die Gesellschafterin auch weiterhin den Vertrieb beeinflußt.
bb) Die Frage, ob der Geschäftswert des Teilbetriebes "konkretisiert" worden ist, braucht nicht untersucht zu werden. Der Senat hat bereits in seinem Urteil II 95-96/64 vom 16. Juni 1970 (BFH 99, 413, 418, BStBl II 1970, 690, 692) darauf hingewiesen, daß die Vorschriften des besonderen Teils des Bewertungsgesetzes für die Kapitalverkehrsteuern nicht gelten und es daher nicht darauf ankommt, ob im Rahmen des § 66 Abs. 4 BewG ein Geschäftswert angesetzt werden kann. Die von der Klägerin zitierten Urteile des III. Senats des BFH (III R 9/71 vom 6. August 1971, BFH 102, 573, BStBl II 1971, 677 und III R 50/70 mit gleichem Datum BFH 104, 139, BStBl II 1972, 163) stehen schon deshalb nicht im Widerspruch zu der Auffassung des erkennenden Senats, weil sie sich nur mit der Rechtsfrage befassen, inwieweit ein Geschäftswert bei der Feststellung des Einheitswertes des Betriebsvermögens zu berücksichtigen ist. Somit liegen die Voraussetzungen für eine Entscheidung des Großen Senats des BFH nach § 11 Abs. 3 FGO entgegen der Auffassung der Klägerin nicht vor.
cc) Die AntBewR 1953 waren für die Vorinstanz nur ein Hilfsmittel zur Ermittlung des Wertes der Leistung, denn hier ist der Wert eines Betriebes und nicht der von Gesellschaftsanteilen maßgebend. Dadurch wird der Hinweis der Klägerin, daß ein EÜV den Wert von Gesellschaftsanteilen mindere, gegenstandslos.
c) Mangels ausreichender tatsächlicher Feststellungen ist die Sache jedoch nicht entscheidungsreif. Sie muß daher an das FG zurückverwiesen werden (§ 126 Abs. 3 Nr. 2 FGO).
Für die erneute Entscheidung wird bedeutsam sein, welchen Wert die zu dem Teilbetrieb gehörenden Sachen und Rechte hatten, ob das gezahlte Entgelt diesem Wert entsprach oder darüber hinaus auch schon einen Geschäftswert ganz oder teilweise deckte und welchen Preis ein Käufer für den gesamten Teilbetrieb unter Abwägung aller Umstände gezahlt hätte. Den sich hieraus ergebenden Wert der Leistung hat das FG in freier tatrichterlicher Würdigung festzustellen.
Fundstellen
Haufe-Index 413205 |
BStBl II 1972, 717 |
BFHE 1972, 130 |