Leitsatz (amtlich)
Sog. Tapiokachip-Pellets, die erheblich mehr als 5 % maniokfremde Anteile enthalten, gehören auch dann zur Tarifnr. 23.07 GZT, wenn der Anteil der fütterungsphysiologisch wertvollen maniokfremden Mischungskomponenten 5 % nicht erreicht.
Normenkette
GZT Tarifnr 07.06; GZT Tarifnr 23.07 Tarifst B-1-c-1
Tatbestand
I. Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin) ließ am 29.November, 4.Dezember und 6.Dezember 1979 in einem ihr bewilligten Sammelzollanmeldungsverfahren als Maniokchip-Pellets bzw. Tapiokachip-Pellets bezeichnete Waren zum freien Verkehr abfertigen. Die Zollstellen wiesen die Waren zunächst antragsgemäß der Tarifnr. 07.06 ("Wurzeln oder Knollen von Manihot ..., auch getrocknet oder in Stücken ...") des Gemeinsamen Zolltarifs (GZT) zu und erhoben Einfuhrumsatzsteuer. Nachdem die Zolltechnische Prüfungs- und Lehranstalt Proben untersucht hatte, ordnete der Beklagte und Revisionskläger (das Hauptzollamt --HZA--) die Waren in die Tarifst. 23.07 B I c 1 GZT ein ("... andere Zubereitungen der bei der Fütterung verwendeten Art ..."); es setzte mit Änderungsbescheiden vom 14.Februar (zwei) und 17.März 1980 die Einfuhrumsatzsteuer entsprechend herab und erhob zugleich erstmals Währungsausgleichsbeträge (WAB). Die Einsprüche der Klägerin blieben ohne Erfolg.
Das Finanzgericht (FG) hob die beiden Änderungsbescheide vom 14.Februar 1980 (Einfuhren vom 29.November und 6.Dezember 1979) in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 11.Dezember 1980 auf und wies die Klage im übrigen ab. Zur Begründung führte es aus:
Die von den Änderungsbescheiden vom 14.Februar 1980 betroffenen Waren gehörten zur Tarifst. 07.06 A GZT, während die Waren zum Änderungsbescheid vom 17.März 1980 in die Tarifst. 23.07 B I c 1 GZT einzuordnen seien. "Andere Zubereitungen der bei der Fütterung verwendeten Art" im Sinne der Tarifnr. 23.07 GZT bestünden aus einer Mischung mehrerer Nährstoffe. Die Zusammensetzung der Nährstoffe müsse geeignet sein, als Allein- oder als Ergänzungsfutter bzw. zum Herstellen dieser Futter verwendet zu werden (Erläuterungen zum Zolltarif --ErlZT-- zur Tarifnr. 23.07 Teil I Rdnrn. 1 bis 4). Daraus folge, daß nicht jede Vermischung von Tapioka mit maniokfremden Stoffen eine Zuordnung zur Tarifnr. 23.07 GZT rechtfertige. Um eine Futterzubereitung im Sinne dieser Tarifnummer handle es sich erst, wenn aufgrund der Beimengungen eine fütterungsphysiologisch zweckmäßige Mischung entstanden sei (ErlZT zur Tarifnr. 23.07 Teil I Rdnrn.11 ff.). Bei die Ware zum Verfüttern nicht geeigneter machenden Verunreinigungen verbleibe es, soweit das Tapioka charakterbestimmender Stoff sei, nach den Allgemeinen Tarifierungs-Vorschriften (ATV) 3 b bei der Zuordnung zur Tarifnr. 07.06 GZT.
Das mit Erlaß des Bundesministers der Finanzen (BMF) bekanntgegebene Zollavis, wonach Maniok- bzw. Tapioka-Pellets im Sinne der Tarifnr. 07.06 GZT insgesamt höchstens 5 % an Reisspelzen (gemahlen), Silberhäutchen (gemahlen), gemahlene Maisspindeln, Erdnußhülsen und ähnliche Erzeugnisse enthalten dürften, andernfalls die Tarifnr. 23.07 GZT eingreife, ändere an der eindeutigen Tariflage nichts. Unter Berücksichtigung der Gewinnungs-, Lager- und Transportverhältnisse bei Tapioka könne regelmäßig keine ganz reine Ware eingeführt werden. Unter den maniokfremden Verunreinigungen würden sich im allgemeinen auch solche Stoffe nicht ganz vermeiden lassen, die an sich wegen ihrer fütterungsphysiologischen Wertigkeit eine Zuordnung zur Tarifnr. 23.07 GZT begründen könnten. Im Interesse einer möglichst gleichmäßigen Anwendung des GZT erscheine es angebracht, bei diesen Stoffen eine Toleranzgrenze von insgesamt maximal 5 % anzuerkennen. Berücksichtigt werden könnten nur die tatsächlich fütterungsphysiologisch wertvollen Stoffe. Andere Beimengungen rechtfertigten keinen Tarifwechsel.
Die von den Änderungsbescheiden vom 14.Februar 1980 erfaßten Waren seien der Tarifnr. 07.06 GZT zuzuordnen. Die im Sachverständigengutachten der Universität Hamburg vom 1.Dezember 1982 bei den entsprechenden Proben Nrn.1 und 2 festgestellten Beimengungen an Reisspelzen-, Maisspindel- und Erdnußhülsenfragmenten in einem Gewichtsanteil von 10,2 % (Probe 1) bzw. 8,4 % (Probe 2) zuzüglich jeweils (geschätzt) 2 bis 3 % seien nach dem Sachverständigengutachten der Universität Hohenheim vom 19.Januar 1987 fütterungsphysiologisch weitgehend ohne Wert. Diesen gutachtlichen Darlegungen sei zu folgen. Lediglich die Maisspindelfragmente seien prinzipiell geeignet, eine Umtarifierung zur Tarifnr. 23.07 GZT zu rechtfertigen. Ihr Anteil liege aber deutlich unter 5 % und damit innerhalb der tarifunschädlichen Toleranzgrenze. Demgegenüber sei die vom Änderungsbescheid vom 17.März 1980 erfaßte Ware der Tarifst. 23.07 B I c 1 GZT zuzuordnen. Sie bestehe aus einer Mischung mehrerer Nährstoffe, bei der die fütterungsphysiologisch sinnvollen Beimengungen maniokfremder Stoffe mehr als 5 % ausmachten.
Entscheidungsgründe
II. Die Revision des HZA hat Erfolg. Die Vorentscheidung war, soweit sie der Klage stattgegeben hat, aufzuheben und die Klage auch insoweit abzuweisen. Das HZA hat die WAB zu Recht erhoben, da die eingeführten Waren in die Tarifst. 23.07 B I c 1 GZT einzuordnen sind.
Maßgebend für die Tarifierung einer Ware sind der Wortlaut der Tarifnummern und die Vorschriften zu den Abschnitten und Kapiteln (ATV 1 Satz 2). Die übrigen Bestimmungen der ATV gelten nur subsidiär (ATV 1 Satz 3). Sie sind im vorliegenden Fall --entgegen der Auffassung der Vorinstanz-- nicht anwendbar, da die richtige Tarifierung bereits durch den Wortlaut der Tarifnummern bestimmt ist.
Die eingeführten Waren werden von der Tarifnr. 07.06 GZT nicht erfaßt. Nach deren Wortlaut ist nicht zweifelhaft, daß von ihr nur Wurzeln und Knollen der besonders genannten Waren (gleich in welcher Form, d.h. auch als Pellets, ErlZT zur Tarifnr. 07.06 Teil I Rdnr.2) erfaßt werden. Der Senat braucht nicht zu entscheiden, ob --abweichend vom Wortlaut der Tarifnr. 07.06 GZT-- zu ihr ausnahmsweise auch Waren gehören, die nicht allein aus den genannten Wurzeln oder Knollen bestehen. Nach den zuletzt zitierten Erläuterungen soll z.B. das Zufügen eines Bindemittels mit einem Anteil von im allgemeinen weniger als 3 Gewichtshundertteilen bei der Herstellung der Pellets unschädlich sein. Auch kann daran gedacht werden, handelsübliche Verunreinigungen aus anderen Stoffen unbeachtet zu lassen (vgl. zu den parallelen Problemen der Abgrenzung zwischen den Tarifnrn. 04.02 und 21.07 GZT Urteil des Senats vom 3.Dezember 1985 VII R 124 - 125/82, BFHE 145, 465, 472 ff.). Jedenfalls kann aber eine Ware von der hier gegebenen Beschaffenheit nicht mehr als von der Tarifnr. 07.06 GZT erfaßt angesehen werden. Denn ihr Anteil an Fremdstoffen ist, wie sich aus den Feststellungen des FG ergibt, so erheblich (10,2 bzw. 8,4 %), daß die nach der Tarifnr. 07.06 GZT erforderliche Reinheit auch dann nicht als gegeben erachtet werden kann, wenn man an ihr Vorliegen, entgegen dem Wortlaut der Vorschrift, keine besonders hohen Anforderungen stellt.
Der Tarifnr. 07.06 GZT ist entgegen der Auffassung des FG nicht zu entnehmen, daß bei der Entscheidung der Frage, ob reine Wurzeln oder Knollen im Sinne der Vorschrift vorliegen, alle Fremdstoffe, die ernährungsphysiologisch ohne Wert sind, unberücksichtigt zu bleiben haben. Da, wie ausgeführt, unter die Tarifnr. 07.06 GZT nur Waren fallen, die allein die genannten Wurzeln und Knollen enthalten, können fremde Beimengungen, wenn überhaupt, nur in engen Grenzen außer Betracht bleiben. Der Regelung der Tarifnr. 07.06 GZT kann daher auch nicht mittelbar entnommen werden, daß als eines der Kriterien für die Annahme, eine bestimmte Beimengung sei unschädlich, deren ernährungsphysiologische Wertigkeit sei. Etwas anderes ergibt sich aus den ErlZT zur Tarifnr. 23.07 GZT schon deswegen nicht, weil diese nicht die Auslegung der Tarifnr. 07.06 GZT zum Ziele haben.
Für die eingeführten Waren kommt also die Tarifnr. 07.06 GZT nicht in Betracht. Dagegen werden die Waren von der Tarifnr. 23.07 GZT unmittelbar erfaßt. Die Waren sind Zubereitungen, und sie sind solche "der bei der Fütterung verwendeten Art".
Unter einer Zubereitung ist nach dem Urteil des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften (EuGH) vom 23.März 1972 Rs. 36/71 (EuGHE 1972, 187, 198) die Verarbeitung eines Erzeugnisses oder seine Vermischung mit anderen Erzeugnissen zu verstehen. Dabei kommt es, wie der EuGH im zitierten Urteil klarstellte, nicht darauf an, ob die Zubereitung willentlich oder nicht willentlich entstanden ist. Nicht die Art und Weise, wie die Ware entstanden ist, ist maßgebend, sondern die objektiven Merkmale der Ware. Da die eingeführte Ware nach den Feststellungen des FG eine Mischung zwischen Waren der Tarifnr. 07.06 GZT und anderen Waren (Reisspelzen-, Maisspindel- und Erdnußhülsenfragmente) ist, ist sie eine Zubereitung im Sinne der Tarifnr. 23.07 GZT in deren Auslegung durch den EuGH (vgl. auch Senats-Urteil in BFHE 145, 465, 471 ff., mit Hinweisen auf die Rechtsprechung des Senats).
Diese Zubereitung fällt dann unter die Tarifnr. 23.07 GZT, wenn sie, wie der EuGH im zitierten Urteil entschieden hat, für Futterzwecke bestimmt ist. Diese Zweckbestimmung als Futtermittel ist ein objektives Merkmal, das gegeben ist, wenn, wie der EuGH entschieden hat, festgestellt werden kann, daß die Zubereitung ausschließlich zur Verwendung als Futter geeignet ist. Dabei kommt es auf die gesamte Ware, nicht etwa auf jede einzelne Mischungskomponente an. Daß die eingeführte Warenmischung ein Futtermittel in diesem Sinne ist, ergibt sich aus den Feststellungen des FG und ist zwischen den Beteiligten offenbar auch nicht streitig.
Die eingeführte Ware ist eine Zubereitung in diesem Sinn, auch wenn die Zumischungen zu Waren der Tarifnr. 07.06 GZT mengenmäßig gering sind. Liegt eine Mischung mehrerer Erzeugnisse vor, so ist diese als eine Zubereitung ohne Rücksicht auf die Mengenverhältnisse der einzelnen Anteile anzusehen (BFHE 145, 465, 471 ff.). Es genügt also schon die Beimischung des vom FG als fütterungsphysiologisch wertvoll betrachteten Anteils an Maisspindelfragmenten, damit die eingeführte Ware unter die Tarifnr. 23.07 GZT fällt. Die Frage, ob die ernährungsphysiologische Wertigkeit der Zumischungen bei der Tarifierung eine Rolle spielen können, stellt sich hier also nicht.
Der Senat teilt überdies die Auffassung des FG nicht. Die Tarifnr. 23.07 GZT läßt nicht zu, solche Beimengungen außer Betracht zu lassen, die ernährungsphysiologisch ohne Wert sind. Dafür gibt der Wortlaut der Tarifnummer keine Anhaltspunkte.
Die ErlZT stützen die Auffassung der Vorinstanz nicht. Das FG beruft sich in erster Linie auf die ErlZT zur Tarifnr. 23.07 Teil I Rdnrn.1 und 2. Dort heißt es aber nur, daß unter diese Tarifnummer Zubereitungen zum Füttern aus einer Mischung mehrerer Nährstoffe fallen, die unter anderem dazu bestimmt sind, dem Tier täglich ein mengenmäßig abgestimmtes und ausgewogenes Futter zu verabreichen. Diesen Erläuterungen ist nicht zu entnehmen, daß nur solche ausgewogenen Futtermittel allein aus Nährstoffen zur Tarifnr. 23.07 GZT gehören, also als Beimischungen nur "Nährstoffe" in Betracht kommen, und zwar auch nur solche, die zu einer ernährungsphysiologisch zweckmäßigen Mischung führten. So gehören zum Beispiel auch Zubereitungen aus mehreren Mineralstoffen oder Zubereitungen aus einem wirksamen Stoff und einem Trägerstoff zur Tarifnr. 23.07 GZT (ErlZT zur Tarifnr. 23.07 Teil I Rdnrn. 28, 29). Die Erläuterungen zu dieser Tarifnummer lassen nicht darauf schließen, es bedürfe einer besonderen Prüfung der Frage, ob die Zusammensetzung der Mischung optimal oder jedenfalls als Futter besonders gut geeignet ist. Dafür spricht auch der Umstand, daß nicht nur unmittelbar verfütterbare Zubereitungen unter die Tarifnr. 23.07 GZT fallen, sondern auch Zubereitungen zum Herstellen solcher Futter. Erforderlich ist also, wie ausgeführt, nur die spezifische Bestimmung der Ware zur Tierfütterung (vgl. auch EuGH-Urteil vom 14.Dezember 1972 Rs. 38/72, EuGHE 1972, 1329, 1338). Es ist nicht zweifelhaft, daß die eingeführten Waren diese Voraussetzung erfüllen.
Zu Unrecht bezieht sich das FG für seine andere Auffassung auf ATV 3 b. Diese Bestimmung findet nur Anwendung, wenn zwei oder mehrere Tarifnummern in Betracht kommen, d.h. die Waren von diesen erfaßt werden. Diese Voraussetzung ist hier nicht gegeben. Die eingeführten Waren werden von der Tarifnr. 23.07 GZT unmittelbar erfaßt. Welche Mischungsanteile für die Zubereitung charakterbestimmend sind, ist daher ohne Bedeutung.
Fundstellen
Haufe-Index 61934 |
BFHE 150, 230 |
BFHE 1987, 230 |
HFR 1987, 578-578 (ST) |