Leitsatz (amtlich)
1. Die Grundsätze, nach denen in Ausnahmefällen nach dem BFH-Urteil vom 26. November 1971 III R 87/70 (BFHE 104, 367, BStBl II 1972, 310) durch die Zahlung eines Entgelts für den anteiligen Geschäftswert beim Erwerb eines Mitunternehmeranteils der Gesamtgeschäftswert des Unternehmens als konkretisiert angesehen werden kann, gelten auch für Fälle, in denen bei der Gründung einer Personengesellschaft ein Gesellschafter das Betriebsvermögen einer Einzelfirma zu Buchwerten einbringt und ein anderer Gesellschafter für den in diesem Betriebsvermögen steckenden anteiligen Geschäftswert ein Entgelt zahlt.
2. Zur Frage, wann ein Ausnahmefall im Sinne des BFH-Urteils III R 87/70 vorliegt.
Normenkette
BewG 1965 § 95
Tatbestand
Die Klägerin und Revisionsklägerin zu 1. (Klägerin) ist eine GmbH & Co. KG, an der als persönlich haftende Gesellschafterin die Beigeladene zu 1., eine GmbH, und als Kommanditisten der Kläger und Revisionskläger zu 2. (Kläger) und der Beigeladene zu 2. beteiligt sind. Sie stellt ... - Erzeugnisse her und vertreibt sie. Nach den Feststellungen des FG war der Anstoß zur Gründung der Klägerin von einer GmbH ausgegangen, die vom Vater des Beigeladenen zu 2. mitbegründet war. Diese GmbH wollte die Einzelfirma des Klägers, die in Norddeutschland die Produkte dieser GmbH durch Handelsvertreter vertrieb, stärker an sich binden. Der Kläger willigte schließlich ein, den Beigeladenen zu 2. als Teilhaber in eine neu zu gründende GmbH & Co. KG aufzunehmen. Der Kläger und der Beigeladene zu 2. gründeten daraufhin die Klägerin, die die Firma des Klägers nicht fortführte. Als Geschäftsführer der Klägerin wurde die Beigeladene zu 1. eingesetzt, deren Geschäftsführer wiederum der Kläger war. Er war damit zugleich auch der tatsächliche Geschäftsführer der Klägerin. Die Gesellschafter haben feste Kapitalanteile, und zwar die Beigeladene zu 1.20 000 DM, der Kläger 90 000 DM und der Beigeladene zu 2.60 000 DM. Die GmbH ist vom Gewinn und Verlust ausgeschlossen. Der Kläger brachte das bewegliche Betriebsvermögen seiner Einzelfirma mit den Buchwerten zum 23. Dezember 1967 in die Klägerin ein und leistete damit zugleich die vereinbarte Einlage von 90 000 DM. Der Beigeladene zu 2. legte bar 60 000 DM ein und die Beigeladene zu 1.20 000 DM. Vor Abschluß des Gesellschaftsvertrags hatten der Kläger und der Beigeladene zu 2. am 30. Oktober 1967 eine schriftliche Vereinbarung getroffen, nach der sich der Beigeladene zu 2. verpflichtete, zum Ausgleich der stillen Reserven in der vom Kläger einzubringenden Einzelfirma an den Kläger den Betrag von 200 000 DM zu zahlen.
Der Beklagte und Revisionsbeklagte (FA) setzte im Anschluß an eine bei der Klägerin durchgeführte Betriebsprüfung bei der Einheitswertfeststellung des Betriebsvermögens der Klägerin durch einen auf § 222 AO gestützten Bescheid vom 29. Mai 1970 gegenüber der Berechnung der Betriebsprüfung einen um 300 000 DM erhöhten Firmenwert an, der bei der Aufteilung des Einheitswerts auf die Gesellschafter allein auf den Kläger entfiel. Dieser Ansatz wurde damit begründet, daß "bei dem entgeltlichen Erwerb eines Anteils an einer Unternehmergemeinschaft nicht nur der anteilige Geschäftswert bei der Einheitsbewertung des Betriebsvermögens, sondern der daraus zu berechnende gesamte Geschäftswert anzusetzen" sei.
Die Sprungklage, mit der der Kläger eine Herabsetzung des angefochtenen Einheitswerts der Klägerin und seines Anteils an diesem Einheitswert um diese 300 000 DM beantragte, hatte nur zum Teil Erfolg. Das FG wies, nachdem es durch Beschluß vom 20. Februar 1973 die Beigeladenen zu 1. und 2. zum Verfahren nach § 60 Abs. 3 FGO beigeladen hatte, zwar den Antrag der Klägerin ab, gab aber einem Hilfsantrag statt, daß bei der Berechung des Firmenwerts ein abgezinster Betrag zugrunde zu legen sei. Es war der Auffassung, daß im Streitfall ein Ausnahmefall vorliege, in dem nach der Rechtsprechung des BFH durch die Zahlung eines Entgelts für den anteiligen Geschäftswert beim Erwerb eines Mitunternehmeranteils ein Gesamtgeschäftswert des Unternehmens konkretisiert worden sei.
Die Kläger beantragen mit der Revision, unter Aufhebung des FG-Urteils den Einheitswert des Betriebsvermögens der Klägerin auf den 1. Januar 1968 und den anteiligen Einheitswert des Klägers um je 300 000 DM zu ermäßigen. Es wird Verletzung des bestehenden Rechts gerügt. Die Revision wird im wesentlichen damit begründet, das FG sei von der Rechtsprechung des BFH abgewichen und habe zu Unrecht einen Ausnahmefall angenommen, der nach dieser Rechtsprechung den Ansatz eines Gesamtgeschäftswerts rechtfertigen könnte.
Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Revision führt zur Aufhebung der Vorentscheidung.
1. Der Senat hat in dem Urteil vom 26. November 1971 III R 87/70 (BFHE 104, 367, BStBl II 1972, 310) entschieden, daß es zwar grundsätzlich möglich sei, durch die Zahlung eines Entgelts für den anteiligen Geschäftswert beim Erwerb eines Mitunternehmeranteils den Gesamtgeschäftswert des Unternehmens als konkretisiert anzusehen, daß das aber nur in Ausnahmefällen zutreffe, und zwar nur dann, wenn ein Teil des beim Erwerb des Mitunternehmeranteils gezahlten Entgelts eindeutig und klar für den anteiligen Geschäftswert geleistet worden sei. Das sei z. B. der Fall, wenn der über den buchmäßigen Stand des Kapitalkontos und die anteilige stille Reserve hinausgehende Aufpreis für den Mitunternehmeranteil nur auf den anteiligen Geschäftswert entfallen könne. Das Urteil behandelt einen Fall, in dem aus einer KG der Komplementär ausgeschieden ist und seinen Anteil an einen neu als Komplementär eintretenden Dritten zu einem über dem Buchwert liegenden Preis veräußert hat. Auch die beiden anderen Urteile, die der Senat am 26. November 1971 erlassen hat, nämlich die Urteile III R 110/70 (BFHE 104, 370, BStBl II 1972, 311) und III R 74/71 (BFHE 104, 371, BStBl II 1972, 312) behandeln Fälle, in denen aus einer bereits bestehenden KG bzw. GmbH & Co. KG Gesellschafter ausgeschieden sind und ihren Anteil an einen bereits vorhandenen oder neu eintretenden Gesellschafter zu Preisen veräußert haben, die über dem Buchwert lagen. Der vorliegende Fall unterscheidet sich zwar von diesen Fällen dadurch, daß hier die GmbH & Co. erst neu gegründet worden ist und einer der Gründer dem Mitgründer, der sein Einzelunternehmen (ohne die Grundstücke) mit den Buchwerten in die neu gegründete Gesellschaft eingebracht hat, einen Betrag gezahlt hat, der über diesen Buchwerten lag. Der Senat ist jedoch der Auffassung, daß auch in einem solchen Fall die Grundsätze, die der Senat in dem Urteil III R 87/70 entwickelt hat und in den Urteilen III R 110/70 und III R 74/71 angewendet hat, übernommen werden können. Denn es kann keinen Unterschied machen, ob für den anteiligen Geschäftswert beim Erwerb eines Mitunternehmeranteils an einer Personengesellschaft schon bei der Gründung dieser Gesellschaft oder erst bei einem späteren Gesellschafterwechsel etwas gezahlt wird. Es kommt also, wie auch das FG und die Beteiligten erkannt haben, entscheidend darauf an, ob ein Ausnahmefall im Sinne dieser drei Urteile vorliegt, der es rechtfertigen könnte, einen Gesamtgeschäftswert des Unternehmens im Betriebsvermögen anzusetzen. Der Senat ist entgegen des FG und des FA der Auffassung, daß ein solcher Ausnahmefall hier nicht vorliegt.
2. Der Senat hat, wie bereits unter 1. dargelegt, einen Ausnahmefall, der den Ansatz eines Gesamtgeschäftswerts des Unternehmens rechtfertigen würde, nur dann angenommen, wenn der für den anteiligen Geschäftswert gezahlte Entgeltsteil eindeutig und klar bestimmbar ist. Er hat in dem Urteil III R 87/70 einen Ausnahmefall verneint, weil die Höhe des Kaufpreises für den Mitunternehmeranteil durch die Abfindung eines lästigen Gesellschafters mitbestimmt war. In dem Urteil III R 110/70 hat er einen Ausnahmefall verneint, weil der Gesellschafter, der den Mitunternehmeranteil erworben hatte, damit über 75 v. H. aller Anteile in Händen hatte. Schließlich hat er in dem Urteil III R 74/71 einen Ausnahmefall verneint, weil der vom Erwerber übernommene Anteil 60 v. H. aller Anteile betrug und dem Erwerber eine starke Stellung in der Gesellschaft gewährte. Gemeinsam ist diesen Fällen, daß es nicht auszuschließen war, daß die Höhe des Kaufpreises für den Mitunternehmeranteil von Erwägungen mitbestimmt sein konnte, die nicht allein auf das Vorhandensein stiller Reserven und eines Geschäftswerts zurückzuführen waren. Im vorliegenden Fall ist, wie sich aus den für den Senat bindenden tatsächlichen Feststellungen des FG ergibt, die Neugründung der Klägerin auf das Drängen des Vaters des Beigeladenen zu 2. zustande gekommen, der damit den Kläger und die von ihm aufgezogene Vertriebsorganisation "an sich binden" wollte. Gerade die Tatsache, daß ihm dies nicht in vollem Umfang gelungen ist, sondern er nur erreichen konnte, daß in die neu gegründete Firma sein Sohn, der Beigeladene zu 2., als Kommanditist mit 40 v. H. Beteiligung eintreten konnte, während der Kläger als Kommanditist und alleiniger Geschäftsführer der GmbH, die als Komplementärin die Geschäfte der Klägerin führt, einen sehr starken Einfluß in dieser Gesellschaft erhielt, zeigt deutlich die starke Stellung, die der Kläger bei den Verhandlungen über die Neugründung der Klägerin hatte. Das FG hat verkannt, daß diese starke Stellung des Klägers trotz des Wortlauts der Vereinbarung vom 30. Oktober 1967, in der vom Ausgleich stiller Reserven einschließlich eines Firmenwerts gesprochen wird, es nicht mit Sicherheit ausschließt, daß noch andere Erwägungen zu der Festlegung des Betrages von 200 000 DM geführt haben. Denn dagegen spricht entgegen der Auffassung des FG auch nicht zwingend die Aktennotiz des Wirtschaftsprüfers X, in der dargelegt wird, wie es zu dem vereinbarten Betrag von 200 000 DM gekommen ist und in der von einem "Organisationswert" von 593 000 DM ausgegangen wird. Dabei kann die Frage offenbleiben, ob diese Aktennotiz, wie die Kläger behaupten, erst zeitlich nach der Vereinbarung vom 30. Oktober 1967 angefertigt worden ist und nur der Rechtfertigung des Betrags von 200 000 DM dienen sollte. Es braucht auch nicht entschieden zu werden, ob der in der Aktennotiz zugrunde gelegte "Organisationswert" dem Firmenwert im Sinne der Rechtsprechung überhaupt gleichgesetzt werden kann. Denn auch wenn man diese Fragen bejaht, kann dieser Wert hier nicht der Konkretisierung eines Geschäftswerts zugrunde gelegt werden, weil er auf einer zu ungenauen Schätzungsmethode beruht (vgl. das Urteil des Senats vom 6. August 1971 III R 9/71, BFHE 102, 573, BStBl II 1971, 677, das auch im Urteil III R 87/70 zitiert ist). Das FG hat nach alledem bei der Würdigung der von ihm festgestellten Tatsachen den Begriff eines Ausnahmefalls im Sinne der Rechtsprechung des Senats verkannt. Die Vorentscheidung war aus diesem Grunde aufzuheben.
3. Die Sache ist spruchreif. Da aus den dargelegten Gründen der Ansatz eines Gesamtgeschäftswerts im Betriebsvermögen der Klägerin nicht gerechtfertigt ist, war den Anträgen der Kläger stattzugeben und der angefochtene Einheitswertbescheid entsprechend zu ändern.
Fundstellen
Haufe-Index 70989 |
BStBl II 1974, 629 |
BFHE 1974, 528 |