Entscheidungsstichwort (Thema)
Ausgliederung eines Tätigkeitsbereichs aus dem Unternehmen einer Personengesellschaft
Leitsatz (NV)
- Die Grundsätze des BFH zur Unterhaltung mehrerer Betriebe durch eine natürliche Person (vgl. BFH-Urteil vom 9. August 1989 X R 130/87, BFHE 158, 80, BStBl II 1989, 901) können nicht uneingeschränkt auf die Fälle übertragen werden, in denen aus dem von einer Personengesellschaft geführten Unternehmen ein Tätigkeitsbereich auf eine neu zu gründende Personengesellschaft zur Vermeidung der sog. Abfärbewirkung des § 15 Abs. 3 Nr. 1 EStG übertragen werden soll.
- Ob gesonderte Personengesellschaften anzunehmen sind, richtet sich entscheidend danach, ob (a) der Rechtsfolgewille der Gesellschafter auf die Begründung von zwei Gesellschaftsverhältnissen mit unterschiedlichen Zwecken gerichtet war, ob (b) diese Personengesellschaften unterschiedliches Gesellschaftsvermögen gebildet und voneinander abgrenzbare Tätigkeiten entfaltet haben und (c) ob auch nach außen eine Aufteilung der Tätigkeitsbereiche auf zwei Personengesellschaften erkennbar geworden ist.
Normenkette
EStG § 15 Abs. 3 Nr. 1
Tatbestand
I. Die Kläger und Revisionskläger (Kläger) A und B gründeten am 15. Oktober 1983 die A und B Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR 1). Gegenstand des Unternehmens war eine Sauna und ein Massagebetrieb.
Am 1. August 1985 gründeten die Kläger A und B zusammen mit dem Kläger und Revisionskläger (Kläger) C, dem Vater des A, die A/B/C-Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR 2). C, der mit 10 % am Gewinn beteiligt sein sollte, ist als unselbständiger Baufacharbeiter von montags bis freitags auf auswärtigen Baustellen tätig. Am selben Tag veräußerte die GbR 1 den Saunabetrieb an die GbR 2.
Massagepraxis und Sauna wurden vor und nach der Veräußerung auf dem Grundstück D in E betrieben. Das Geschäftslokal hat einen Eingang und einen Empfangsraum, von wo aus man rechts durch eine Tür in den Bereich der Massageräume und geradeaus durch eine Tür in den Bereich der Saunaräume gelangt.
Im Streitjahr lagen für beide Betriebe getrennte Buchführungen vor. Die Einkünfte aus dem Saunabetrieb wurden als gewerbliche Einkünfte, die aus der Massagepraxis als solche aus freiberuflicher Tätigkeit erklärt.
Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt ―FA―) veranlagte zunächst erklärungsgemäß, hob aber im Anschluss an eine Außenprüfung u.a. den Feststellungsbescheid 1986 für den Saunabetrieb auf und erließ einen geänderten gesonderten und einheitlichen Feststellungsbescheid für Sauna- und Massagebetrieb.
Einspruch und Klage der Kläger A, B und C als Gesellschafter der GbR 2 gegen den Aufhebungsbescheid vom 3. August 1989 betreffend den Feststellungsbescheid für das Jahr 1986 blieben erfolglos.
Das Finanzgericht (FG) ging von einem einheitlichen Unternehmen eines Sauna- und Massagebetriebs aus. Dafür spreche, dass beide Tätigkeiten im gleichen Geschäftslokal in räumlicher Nähe zueinander ausgeübt und sich einander ergänzen und unterstützen würden. Zudem habe die Beweisaufnahme ergeben, dass die Kasseneinnahmen nicht immer eindeutig dem einen oder dem anderen Betrieb zugerechnet werden könnten. Zwar spreche die Buchführung grundsätzlich für getrennte Betriebe. Das falle hier aber nicht entscheidend ins Gewicht, weil tatsächlich eine wirtschaftliche und organisatorische Verflechtung bestehe. Etwas anderes folge auch nicht zwingend aus der Aufnahme des C in die GbR. C sei nach eigener Aussage in dem Saunabetrieb nicht saunaspezifisch tätig geworden, sondern habe Reparaturen durchgeführt, die Blumen besorgt und Inspektionen für die Saunaeinrichtungen durchgeführt. Hier folge das Gericht der Wertung des FA, dass ein Vertrag unter nahen Angehörigen geschlossen worden sei, der zwischen fremden Dritten nicht geschlossen worden wäre. Die rechtliche Gestaltung sei gegenüber den tatsächlichen wirtschaftlichen Vorgängen unangemessen i.S. des § 42 der Abgabenordnung (AO 1977).
Dagegen wenden sich die Kläger mit der Revision, zu deren Begründung sie im Wesentlichen vortragen: Das dem Streitfall zugrunde liegende Ausgliederungsmodell habe der Bundesfinanzhof (BFH) selbst aufgezeigt; die Verwaltung habe es anerkannt. Auch in der Literatur sei es niemals als missbräuchlich i.S. des § 42 AO 1977 angesehen worden. Das FG habe seine Entscheidung nur darauf abgestellt, ob eine wirtschaftliche Verflechtung der Tätigkeiten wie bei Einzelunternehmern vorliege. Es habe aber versäumt zu prüfen, ob die Betätigungen des Saunabetriebs zum einen und des Massagebetriebs zum anderen von einer oder von zwei getrennten Personengesellschaften ausgeübt worden seien. Selbst wenn man davon ausgehe, dass beide Tätigkeiten nur von einer Gesellschaft durchgeführt worden seien, sei der Revision stattzugeben. Denn der Anteil der gewerblichen Tätigkeit im Saunabereich sei so gering, dass er eine Umqualifizierung der Einkünfte aus der freiberuflichen Tätigkeit nicht bewirken dürfe (Hinweis auf das BFH-Urteil vom 11. August 1999 XI R 12/98, BFHE 189, 419, BStBl II 2000, 229). Der Umsatzanteil betrage nur 12,16 %; während die Massagepraxis einen Gewinn von 93 560 DM erzielt habe, sei in der Sauna ein Verlust von 14 474 DM entstanden.
Die Kläger beantragen, das Urteil des FG, sowie die Einspruchsentscheidung des FA und den Aufhebungsbescheid vom 3. August 1989 aufzuheben.
Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
Das FG habe sämtliche Umstände des Streitfalls aufgeklärt und die Feststellungen zu Recht dahin gehend gewertet, dass nur ein Gewerbebetrieb vorgelegen habe und damit die Gründung einer zweiten Gesellschaft auszuschließen sei. Im Unterschied zur Entscheidung in BFHE 189, 419, BStBl II 2000, 229 handele es sich im Streitfall bei dem Betrieb der Sauna nicht um eine gewerbliche Tätigkeit von ganz untergeordneter Bedeutung. Die Tätigkeit der GbR sei deshalb insgesamt als gewerbliche Tätigkeit anzusehen.
Entscheidungsgründe
II. Die Revision ist begründet; sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das FG (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung ―FGO―). Die Feststellungen des FG tragen nicht seine Entscheidung, dass im Streitfall nur ein die Sauna und den Massagebetrieb umfassender Gewerbebetrieb der Gesellschafter A und B bestanden hat.
1. Das FG hat die rechtliche Prüfung, ob die Massagepraxis und die Sauna als einheitliches Unternehmen geführt worden ist, nach den Grundsätzen vorgenommen, die der BFH zur Unterhaltung mehrerer gewerblicher Betriebe durch eine natürliche Person aufgestellt hat. In diesem Zusammenhang hat der BFH im Urteil vom 9. August 1989 X R 130/87 (BFHE 158, 80, BStBl II 1989, 901) ausgeführt, dass nicht jede Verselbständigung gewerblicher Betätigungen eines Einzelunternehmers einen selbständigen Gewerbebetrieb begründe; vielmehr erfordere die Annahme eines selbständigen Gewerbebetriebs eine vollkommene Eigenständigkeit, eine Verbindung dürfe im Wesentlichen nur in der Person des Steuerpflichtigen bestehen; für einen einheitlichen Gewerbebetrieb sprächen gleichartige oder sich ergänzende gewerbliche Betätigungen, die in räumlicher Nähe zueinander ausgeübt würden.
Diese Grundsätze können aber nicht uneingeschränkt auf die Fälle übertragen werden, in denen es ―wie im Streitfall― um die Frage geht, ob und unter welchen Voraussetzungen aus dem von einer Personengesellschaft geführten Unternehmen, das sowohl einen freiberuflichen als auch einen davon trennbaren gewerblichen Tätigkeitsbereich umfasst, ein Tätigkeitsbereich auf eine zweite neu zu gründende Personengesellschaft übertragen werden kann, um zu verhindern, dass infolge der sog. Abfärbewirkung des § 15 Abs. 3 Nr. 1 EStG die Einkünfte aus beiden Tätigkeitsbereichen als gewerbliche zu versteuern sind. Für diese Fälle hat der BFH die "Ausgliederung" einer Unternehmenstätigkeit grundsätzlich zugelassen, um eine gleichheitswidrige Benachteiligung von Gesellschaftern einer Personengesellschaft gegenüber Einzelunternehmern ―die eine steuerrechtlich getrennt zu beurteilende sog. gemischte Tätigkeit ausüben können― zu vermeiden (vgl. BFH-Urteile vom 10. November 1983 IV R 86/80, BFHE 140, 44, BStBl II 1984, 152, und vom 10. August 1994 I R 133/93, BFHE 175, 357, BStBl II 1995, 171).
Das FG hätte deshalb anhand der Rechtsprechung des BFH zum sog. Ausgliederungsmodell prüfen müssen, ob im Streitfall der Saunabetrieb auf die von den Klägern neu gegründete GbR 2 übertragen und demnach allein die Massagepraxis von der "alten" GbR 1 zwischen den Klägern A und B weiter betrieben worden ist. Dabei ist zu beachten, dass nach der Aufgabe der Rechtsfigur der Unternehmenseinheit zwei Personengesellschaften, deren Gesellschafter identisch oder teilweise identisch sind, nicht mehr zu einem einheitlichen Steuersubjekt zusammengefasst werden können (vgl. BFH-Urteile vom 21. Februar 1980 I R 95/76, BFHE 130, 403, BStBl II 1980, 465, und vom 31. Juli 1991 VIII R 23/89, BFHE 165, 398, BStBl II 1992, 375).
Der Senat kann die rechtliche Prüfung nicht selbst vornehmen, da die vom FG getroffenen tatsächlichen Feststellungen dazu nicht ausreichen.
2. Ob gesonderte Personengesellschaften anzunehmen sind, richtet sich entscheidend danach, ob (a) der Rechtsfolgewille der Gesellschafter auf die Begründung von zwei Gesellschaftsverhältnissen mit unterschiedlichen Zwecken gerichtet war, ob (b) diese Personengesellschaften unterschiedliches Gesellschaftsvermögen gebildet und voneinander abgrenzbare Tätigkeiten entfaltet haben und (c) ob auch nach außen eine Aufteilung der Tätigkeitsbereiche auf zwei Personengesellschaften erkennbar geworden ist (vgl. BFH-Urteile vom 15. Dezember 1992 VIII R 52/91, BFH/NV 1993, 684, unter 2. c; vom 19. Februar 1998 IV R 11/97, BFHE 186, 37, BStBl II 1998, 603).
a) Im vorliegenden Fall ist unstreitig, dass die Gesellschafter der 1983 gegründeten GbR 1, die Kläger A und B, die zunächst die Massagepraxis und den Saunabetrieb in einem beide Betriebszweige umfassenden Gesellschaftsverhältnis geführt haben, eine Ausgliederung des Saunabetriebs aus dem Gesamtunternehmen auf eine zweite um den Gesellschafter C erweiterte neue GbR 2 vornehmen wollten. Damit wollten sie erkennbar erreichen, dass die ihrer Art nach freiberuflichen Einkünfte aus der Massagepraxis nicht weiterhin als gewerbliche Einkünfte umqualifiziert werden. Tatsächlich haben die Kläger auch mit Gesellschaftsvertrag vom 1. August 1985 eine GbR (die GbR 2) gegründet, deren Geschäftsgegenstand u.a. der Betrieb einer Sauna sein sollte.
Im Zusammenhang mit der Frage, ob der Saunabetrieb wirksam auf die GbR 2 übertragen und von dieser fortgeführt worden ist, kommt es zwar nicht darauf an, ob C Gesellschafter der neuen Gesellschaft geworden ist oder nicht; denn nach den o.g. Rechtsprechungsgrundsätzen zum sog. Ausgliederungsmodell können die beiden unterschiedlichen Betriebszweige auch von zwei personenidentischen Gesellschaften geführt werden. Da C jedoch Kläger im vorliegenden Verfahren ist, wird das FG seine Beteiligung an der GbR 2 festzustellen haben. Dabei wird es sich ―entgegen der in seiner ersten Entscheidung geäußerten Auffassung― schon deshalb nicht auf die Rechtsprechungsgrundsätze zu Verträgen unter nahen Angehörigen berufen können, weil C im Verhältnis zu B kein Angehöriger ist. Im Übrigen weist der Senat darauf hin, dass der BFH in seinen Urteilen zum sog. Ausgliederungsmodell durch den Hinweis auf diese spezielle Gestaltungsmöglichkeit zum Ausdruck gebracht hat, dass darin ein Missbrauch von rechtlichen Gestaltungsmöglichkeiten i.S. des § 42 AO 1977 gerade nicht gesehen werden kann.
b) Für die Bildung unterschiedlichen Gesellschaftsvermögens spricht zunächst der Kaufvertrag, nachdem die dem Betrieb der Sauna dienenden Vermögensgegenstände an die drei Gesellschafter der GbR 2 veräußert und übertragen werden sollten. Indiz für die Bildung unterschiedlicher Gesellschaftsvermögen sowie für eine tatsächliche Trennung der verschiedenen Tätigkeitsbereiche ist die vom FG festgestellte Tatsache, dass für die Massagepraxis und für den Saunabetrieb getrennte Buchführungen und Ergebnisermittlungen erstellt worden sind (vgl. BFH-Urteil in BFH/NV 1993, 684). Darüber hinaus geht aus der von den Klägern vorgelegten Grundrisszeichnung, auf die das FG Bezug genommen hat, hervor, dass die Bereiche, die dem Sauna- bzw. dem Massagebetrieb dienten, räumlich voneinander getrennt waren; sie verfügten jeweils über einen eigenen Zugang, ausgehend von einem gemeinsamen Empfangs- und Warteraum.
c) Zu der weiteren Voraussetzung, ob auch nach außen eine Aufteilung der beiden Tätigkeitsbereiche auf zwei Gesellschaften erkennbar geworden ist, hat das FG keinerlei Feststellungen getroffen; diese wird es nachholen müssen.
In diesem Zusammenhang weist der Senat darauf hin, dass das Auftreten beider Gesellschaften unter getrennten Bezeichnungen im Geschäftsverkehr lediglich ein Indiz nicht aber eine Bedingung im Sinne einer conditio sine qua non dafür ist, dass eine zweite Gesellschaft gegründet worden ist; zwingend ist lediglich, dass die Existenz einer zweiten Gesellschaft überhaupt in irgendeiner Weise nach außen erkennbar geworden ist (vgl. BFH-Beschluss vom 22. Januar 1998 IV B 153/96, BFH/NV 1998, 847), z.B. durch unterschiedliche Rechnungs- oder Quittungsvordrucke.
Fundstellen
Haufe-Index 844160 |
BFH/NV 2002, 1554 |