Entscheidungsstichwort (Thema)
Unterhaltszahlungen an den Partner einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft; Anrechnung eigener Einkünfte oder Bezüge des Unterhaltsempfängers
Leitsatz (NV)
1. Unterhaltszahlungen an den Partner einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft können aus sittlichen Gründen zwangsläufig i. S. des § 33 Abs. 2 EStG erwachsen, wenn die Unterhaltsbedürftigkeit des Partners gemeinschaftsbedingt ist, z. B. auf der Betreuung eines gemeinsamen Kindes beruht. Dies gilt auch dann, wenn die Partner der nichtehelichen Lebensgemeinschaft in einer größeren Wohngemeinschaft leben.
2. Gemäß § 33 a Abs. 1 Satz 3 EStG in der bis 1985 geltenden Fassung sind eigene Einkünfte oder Bezüge der unterstützten Person den Unterhaltszahlungen auch dann gegenzurechnen, wenn sie außerhalb des Unterstützungszeitraums zugeflossen sind.
Normenkette
EStG § 33a Abs. 1, 4 i. d. bis 1985 geltenden Fassung
Tatbestand
Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) lebt mit Frau C und einem 1982 geborenen gemeinsamen Kind in einer Wohngemeinschaft mit anderen Erwachsenen zusammen. Bei der Einkommensteuerveranlagung für das Streitjahr 1983 beantragte er, Unterhaltszahlungen an Frau C in der Zeit vom 1. Januar bis 30. August 1983 in Höhe von 4 000 DM gemäß § 33 a des Einkommensteuergesetzes 1981 (EStG) als außergewöhnliche Belastung zu berücksichtigen. Nach seinen Angaben in der Einkommensteuererklärung hat Frau C 1983 einen Brutto-Arbeitslohn von 8086 DM bezogen. Der Kläger machte geltend, zur Unterhaltsleistung moralisch verpflichtet gewesen zu sein. Frau C sei nicht in der Lage gewesen, sich überproportional an der Hausarbeit zu beteiligen, da sie sich auf die Diplom-Hauptprüfung im Fach . . . habe vorbereiten müssen. Im übrigen habe zwischen ihm und Frau C auch keine typische nichteheliche Lebensgemeinschaft bestanden. Vielmehr hätten sie in einer Wohngemeinschaft gelebt, die darauf gegründet sei, daß jedes Mitglied anteilig anfallende Arbeiten übernehme; die Wohngemeinschaft schließe eine Ausgleichung von Unterhaltsleistungen ideell aus.
Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) lehnte den begehrten Abzug ab. Auch die Klage blieb erfolglos. Das Finanzgericht (FG) führte zur Begründung seiner Entscheidung im wesentlichen aus: Es könne offenbleiben, ob die eigenen Einkünfte, die Frau C nach Wegfall ihrer Bedürftigkeit noch im Veranlagungszeitraum 1983 bezogen habe, gemäß § 33 a Abs. 1 Satz 3 EStG auf die vom Kläger erbrachten Unterhaltsleistungen anzurechnen seien. Der begehrte Abzug scheitere im Streitfall bereits daran, daß der Kläger durch die von ihm erbrachten Unterhaltsleistungen nicht i. S. v. § 33 a Abs. 1 Satz 1 EStG ,,belastet" sei. Denn den Unterhaltsleistungen des Klägers hätten Gegenleistungen der Unterhaltenen gegenübergestanden. Es sei davon auszugehen, daß die gegenseitigen Leistungen sich - jedenfalls auf längere Sicht - ausglichen. Unerheblich sei deshalb, in welchem Umfang sich Frau C an den in der Wohngemeinschaft angefallenen Hausarbeiten während ihrer Diplom-Prüfung in der Zeit von Januar bis März 1983 habe beteiligen können.
Mit seiner Revision rügt der Kläger die Verletzung des § 33 a Abs. 1 EStG . . .
Entscheidungsgründe
Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das FG.
Das FG ist bei seiner Entscheidung noch von der früheren Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs - BFH - (Urteil vom 18. Juli 1980 VI R 193/78, BFHE 131, 348, BStBl II 1980, 693) ausgegangen, nach der Aufwendungen eines Steuerpflichtigen für den Unterhalt des mit ihm in einer eheähnlichen, auf Dauer angelegten Lebensgemeinschaft lebenden Partners nicht nach § 33 a Abs. 1 EStG abziehbar waren. Diese Rechtsprechung war insbesondere unter Bezugnahme auf das BFH-Urteil vom 22. Juni 1979 VI R 85/76 (BFHE 128, 236, BStBl II 1979, 660) damit begründet worden, daß es - ähnlich wie bei in intakter Ehe lebenden Ehegatten - auch bei Partnern einer eheähnlichen Gemeinschaft an einer ,,Belastung" durch die gegenseitigen Unterhaltsleistungen fehle, da dem finanziellen Beitrag des einen Partners im Rahmen der Lebens- und Wirtschaftsgemeinschaft ein entsprechender Beitrag des anderen, keine Einkünfte erzielenden und nicht berufstätigen Partners im Bereich der Haushaltsführung gegenüberstehe.
Der Rechtsprechung des VI. Senats in BFHE 128, 236, BStBl II 1979, 660, daß es bei zwangsläufigen Unterhaltsleistungen an den in intakter Ehe lebenden, nicht unbeschränkt steuerpflichtigen Ehegatten im Hinblick auf das Bestehen der ehelichen Lebens- und Wirtschaftsgemeinschaft allgemeintypisierend an einer Belastung fehle, ist der Große Senat des BFH im Beschluß vom 28. November 1988 GrS 1/87 (BFHE 154, 556, BStBl II 1989, 164) nicht gefolgt. Der erkennende Senat ist deshalb in seinem Urteil vom 27. Oktober 1989 III R 205/82 (BFHE 158, 431, BStBl II 1990, 294) davon ausgegangen, daß es bei Unterhaltszahlungen eines Steuerpflichtigen an seinen mit ihm in einer eheähnlichen Lebensgemeinschaft lebenden Partner nicht an einer ,,Belastung" i. S. des § 33 a EStG fehle, sondern im einzelnen geprüft werden müsse, ob die Zahlungen an den Partner aus rechtlichen, tatsächlichen oder sittlichen Gründen zwangsläufig entstanden seien.
Wie der Senat in diesem Urteil im einzelnen ausgeführt hat, entstehen derartige Unterhaltsleistungen regelmäßig nicht aus rechtlichen Gründen zwangsläufig, weil Partner einer eheähnlichen Lebensgemeinschaft gegeneinander keinen gesetzlichen Anspruch auf Unterhalt haben. Zwangsläufigkeit aus tatsächlichen oder sittlichen Gründen kommt in diesen Fällen regelmäßig auch nicht in Betracht. Der Senat hat im Urteil in BFHE 158, 431, BStBl II 1990, 294 in Übereinstimmung mit der ständigen Rechtsprechung des BFH hervorgehoben, daß eine sittliche Pflicht i. S. des § 33 Abs. 2 Satz 1 EStG nur dann zu bejahen ist, wenn diese so unabwendbar auftritt, daß sie ähnlich einer Rechtspflicht von außen her auf den Steuerpflichtigen derart einwirkt, daß ihre Erfüllung als eine selbstverständliche Handlung erwartet und die Mißachtung dieser Erwartung als moralisch anstößig angesehen wird. Der Senat hat daraus gefolgert, daß sich eine sittliche Verpflichtung zur Unterhaltsleistung an den Partner einer eheähnlichen Lebensgemeinschaft nur annehmen läßt, wenn zu dem Tatbestand des Zusammenlebens und des gemeinsamen Wirtschaftens hinzukommt, daß die Bedürftigkeit des Partners gemeinschaftsbedingt ist und besondere Umstände hinzutreten, die die Unterhaltsgewährung an den Partner bei Würdigung der gesamten Umstände als unausweichlich erscheinen lassen. Die letztere Voraussetzung könne z. B. erfüllt sein, wenn bei einer (auf längere Zeit eingegangenen) eheähnlichen Lebensgemeinschaft die Bedürftigkeit des einen Partners durch Pflegedienste für den anderen Partner oder durch die Betreuung gemeinsamer Kinder veranlaßt sei.
Nach den vorstehenden Grundsätzen, an denen der Senat festhält, kann die Anerkennung der streitigen Zahlungen als außergewöhnliche Belastung hier in Betracht kommen; denn der Kläger und seine Lebensgefährtin haben ein gemeinsames Kind, das im Streitjahr mit ihnen zusammenlebte. Dabei geht der Senat davon aus, daß grundsätzlich auch dann, wenn Partner einer eheähnlichen Lebensgemeinschaft in einer größeren Wohngemeinschaft leben, Beistandspflichten der oben bezeichneten Art bestehen und wahrgenommen werden können.
Die Vorentscheidung, die der Rechtsauffassung des erkennenden Senats nicht entspricht, ist aufzuheben. Die Sache ist nicht spruchreif, so daß sie nach § 126 Abs. 3 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) an das FG zurückzuverweisen ist. Dieses wird Feststellungen zum Grund und zur Höhe der behaupteten Zahlungen zu treffen haben. Dabei wird es auch zu berücksichtigen haben, daß gemäß § 33 a Abs. 1 Satz 3 EStG eigene Einkünfte und Bezüge von Frau C gegenzurechnen sind.
Mangels einer dem § 33 a Abs. 4 Satz 2 EStG in der seit 1986 geltenden Fassung entsprechenden Vorschrift gilt für das Streitjahr 1983 insoweit noch das Jahresprinzip. Denn die in den Urteilen vom 23. September 1980 VI R 53/79 (BFHE 131, 486, BStBl II 1981, 92) und vom 7. März 1986 III R 177/80 (BFHE 146, 386, BStBl II 1986, 554) für den Ausbildungsfreibetrag i. S. des § 33 a Abs. 2 aufgestellten Grundsätze gelten auch für Unterhaltsaufwendungen i. S. des § 33 a Abs. 1 EStG.
Fundstellen
Haufe-Index 417901 |
BFH/NV 1991, 814 |