Entscheidungsstichwort (Thema)
Grundlagenbescheid - Folgebescheid; Zulässigkeit der Klage gegen den Folgebescheid
Leitsatz (NV)
Es ist höchstrichterlich geklärt, dass die Klage gegen einen Einkommensteuerbescheid (Folgebescheid) auch dann zulässig ist, wenn mit der Klagebegründung nur Einwendungen gegen einen dem Folgebescheid zu Grunde liegenden Feststellungsbescheid geltend gemacht werden.
Normenkette
AO § 351 Abs. 2; FGO §§ 42, 115 Abs. 2 Nr. 1
Verfahrensgang
Tatbestand
Rz. 1
I. Die Beteiligten streiten über die Steuerpflicht von Zinsen aus Kapitallebensversicherungen. Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) ist als Glaser- und Malermeister gewerblich tätig. Bei der X-AG hatte er am 1. Oktober 1981 bzw. am 1. März 1984 zwei Lebensversicherungen über 147.136 DM bzw. über 130.921 DM abgeschlossen. Mit Abtretungsurkunden vom 28. Januar 2000 trat er beide Versicherungen an die Kreissparkasse Z (KSK) zur Sicherung aller bestehenden und künftigen, auch bedingten oder befristeten Forderungen ab und unterzeichnete am selben Tage auf Vordrucken der KSK Abtretungsanzeigen an die X-AG. Die Abtretungen wurden gegenüber der X-AG nicht angezeigt; Anzeigen nach § 29 Abs. 1 der Einkommensteuer-Durchführungsverordnung (EStDV) erfolgten ebenfalls nicht.
Rz. 2
Am 20. Juni 2000 trat der Kläger beide Lebensversicherungen erneut an die KSK ab, welche die Abtretungen dem Versicherungsunternehmen jeweils mit Schreiben vom 20. Juni 2000 anzeigte. Anzeigen nach § 29 Abs. 1 EStDV an den Beklagten und Revisionsbeklagten (Finanzamt --FA--) erfolgten am 27. Juni 2000. Beide Lebensversicherungen kündigte der Kläger am 22. Januar 2003. Die Versicherungsguthaben wurden im Februar 2003 auf Veranlassung der KSK auf das betriebliche Kreditkonto des Klägers überwiesen. Die Kapitalerträge für die gesamte Laufzeit beider Versicherungen betrugen ausweislich einer Mitteilung der X-AG insgesamt 96.010,93 €; für den Zeitraum Juni 2000 bis Februar 2003 betrugen die Kapitalerträge insgesamt 43.202,06 €.
Rz. 3
Nach einer im Frühjahr 2005 beim Kläger durchgeführten Außenprüfung kam das FA zu der Auffassung, die Lebensversicherungen des Klägers hätten im Zeitraum 28. Januar 2000 bis 28. Februar 2003 (dem Auszahlungszeitpunkt auf das betriebliche Kontokorrentkonto des Klägers) als Sicherheit für betriebliche Darlehen gedient. Da der Zeitraum der Sicherheitengewährung mehr als drei Jahre betragen habe, sei eine schädliche Verwendung der Lebensversicherungsverträge i.S. von § 10 Abs. 2 Satz 2 Buchst. c des Einkommensteuergesetzes (EStG) gegeben. Die während der Laufzeit der Versicherungen erzielten Kapitalerträge seien insgesamt steuerpflichtig.
Rz. 4
Demgemäß erließ das FA am 18. Juli 2005 zwei Bescheide über die gesonderte Feststellung der Steuerpflicht von Zinsen aus Kapitallebensversicherungen, in denen es die außerrechnungsmäßigen und rechnungsmäßigen Zinsen aus den in den Beiträgen zu den Lebensversicherungen enthaltenen Sparanteilen insgesamt als einkommensteuerpflichtig behandelte. Im Anschluss daran änderte das FA am 22. Juli 2005 den Einkommensteuerbescheid des Klägers für 2003 nach § 164 Abs. 2 der Abgabenordnung (AO) und hob den Vorbehalt der Nachprüfung auf.
Rz. 5
Die dagegen nach erfolglosem Einspruchsverfahren erhobene Klage wies das Finanzgericht (FG) mit seinem in Entscheidungen der Finanzgerichte 2010, 643 veröffentlichten Urteil vom 8. Dezember 2009 1 K 3655/06 E als unbegründet zurück.
Rz. 6
Mit der Revision rügt der Kläger die Verletzung von § 10 Abs. 2 Satz 2 und § 20 Abs. 1 Nr. 6 EStG.
Entscheidungsgründe
Rz. 7
II. Die Revision des Klägers ist unbegründet und daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--).
Rz. 8
1. Rechtsfehlerfrei hat das FG den angefochtenen Einkommensteuerbescheid 2003 als rechtmäßig erachtet. Die außerrechnungsmäßigen und rechnungsmäßigen Zinsen aus den Sparanteilen, die in den Beiträgen zu den Versicherungen des Klägers auf den Erlebens- oder Todesfall enthalten sind, sind nach § 20 Abs. 1 Nr. 6 Satz 1 EStG steuerpflichtig.
Rz. 9
Zur Begründung und zur Vermeidung von Wiederholungen nimmt der Senat in vollem Umfang Bezug auf seine Entscheidung vom 12. Oktober 2011 im Parallelverfahren des Klägers VIII R 6/10.
Rz. 10
2. Das FG war weder aufgrund der gemäß § 182 Abs. 1 AO bestehenden Bindungswirkung der Bescheide über die gesonderte Feststellung der Steuerpflicht von Zinsen aus Kapitallebensversicherungen vom 18. Juli 2005 noch mit Blick auf die eingeschränkte Anfechtungsmöglichkeit von Folgebescheiden gemäß § 351 Abs. 2 AO verpflichtet, die Klage nicht als unbegründet, sondern als unzulässig abzuweisen. Die Klage gegen einen Einkommensteuerbescheid (Folgebescheid) ist auch dann zulässig, wenn mit der Klagebegründung nur Einwendungen gegen einen dem Folgebescheid zu Grunde liegenden Feststellungsbescheid geltend gemacht werden (vgl. Urteile des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 2. September 1987 I R 162/84, BFHE 151, 104, BStBl II 1988, 142; vom 24. April 1979 VIII R 57/76, BFHE 128, 136, BStBl II 1979, 678; vom 9. November 2005 I R 10/05, BFH/NV 2006, 750; vom 1. Juli 2010 IV R 100/06, BFH/NV 2010, 2056, jeweils m.w.N.; zur Richtigkeit des Tenors der angefochtenen Entscheidung gemäß § 126 Abs. 4 FGO; vgl. im Übrigen BFH-Urteile vom 31. Mai 2005 VII R 49/04, BFH/NV 2005, 2067, und in BFH/NV 2006, 750, jeweils m.w.N.).
Fundstellen
Haufe-Index 2923091 |
BFH/NV 2012, 776 |