Leitsatz (amtlich)
Barzuwendungen eines Arbeitgebers zum 60. Geburtstag sind keine steuerfreien Gelegenheitsgeschenke; das gleiche gilt jedenfalls für Barzuwendungen von 350 DM zum 65. Geburtstag an Arbeitnehmer, die an diesem Tag aus dem Betrieb ausscheiden.
Normenkette
EStG § 19 Abs. 1; LStDV § 2 Abs. 1, § 5
Tatbestand
Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin), eine KG, beschäftigte in den Streitjahren 1968 bis 1970 etwa 2 400 Arbeitnehmer. Im Rahmen einer Betriebsprüfung stellte der Beklagte und Revisionskläger (FA) u. a. fest, daß sieben Arbeitnehmer mit herausgehobener Stellung in den Streitjahren aus Anlaß des 60. oder 65. Geburtstages Geldgeschenke in Höhe zwischen 250 und 500 DM erhalten hatten, die nicht dem Lohnsteuerabzug unterworfen worden waren. Das FA behandelte die Barleistungen in einer Gesamthöhe von 2 450 DM daraufhin als steuerpflichtigen Arbeitslohn. Es ermittelte die darauf entfallende Lohn- und Kirchenlohnsteuer mit 784 DM und 54,88 DM, wobei es - insoweit mit der Klägerin übereinstimmend - einen Steuersatz von 32 % zugrunde legte. Den Gesamtbetrag von 838,88 DM forderte das FA mit Haftungsbescheid von der Klägerin nach.
Die gegen den Haftungsbescheid erhobene Sprungklage hatte Erfolg. Das FG führte im wesentlichen folgendes aus:
Auch freiwillige Zuwendungen des Arbeitgebers an seine Arbeitnehmer gehörten grundsätzlich zum Arbeitslohn. Eine Ausnahme gelte hinsichtlich der sog. Gelegenheitsgeschenke. Solche Geschenke seien freiwillige Zuwendungen, die dem Arbeitnehmer bei besonderen, in seiner Person liegenden einmaligen oder seltenen Anlässen gemacht würden, die nach Art und Höhe nicht ungewöhnlich und übermäßig seien, so daß nicht der Geldwert des Geschenkes und der Gedanke einer Entlohnung für geleistete Dienste, sondern der einer Aufmerksamkeit und Ehrung im Vordergrund stehe. Früher seien Gelegenheitsgeschenke vorwiegend in Form von Sachgeschenken gewährt worden. Es verstärke sich jedoch auch für die Gelegenheitsgeschenke die Tendenz zu Geldgeschenken, weil der Arbeitgeber bei Geldgeschenken die Zuwendungen besser nach ihrem Anlaß und nach der Stellung des Arbeitnehmers im Betrieb und seinen Verdiensten um den Betrieb abstufen könne und auch nicht befürchten müsse, dem Arbeitnehmer etwas zuzuwenden, an dem dieser nicht oder nicht sehr interessiert sei. Regelmäßig sei auch den Arbeitnehmern ein Geldgeschenk lieber als ein Sachgeschenk. Diesen Erwägungen habe die höchstrichterliche Rechtsprechung Rechnung getragen und steuerfreie Gelegenheitsgeschenke auch in Form von Geldgeschenken anerkannt.
Im Streitfall seien die Geschenke zum 60. bzw. 65. Geburtstag der Arbeitnehmer gezahlt worden. Die bedachten Arbeitnehmer seien seit vielen Jahren in herausgehobenen Vertrauensstellungen im Unternehmen der Klägerin tätig gewesen. Dies sei Grund genug zu einer Ehrung gewesen. Die Frage, bis zu welchem Wert ein Geschenk noch als Gelegenheitsgeschenk angesehen werden könne, könne kaum einheitlich für alle Fälle beantwortet werden. Eine kleinliche Beurteilung sei insoweit nicht angebracht. Unter Beachtung der bisherigen Rechtsprechung und der vorstehend wiedergegebenen Erwägungen sei es angemessen, in den Fällen der hier vorliegenden Zuwendungen Gelegenheitsgeschenke anzunehmen. Zwar sei bei Barzuwendungen von mehreren 100 DM besonders zu prüfen, ob noch ein Gelegenheitsgeschenk vorliege. Denn Arbeitslohn werde im allgemeinen in Form von Geld gewährt, so daß bei Geldgeschenken der Gedanke einer "Entlohnung" näher als bei Sachgeschenken liege. Deshalb sei für Gelegenheitsgeschenke in Form von Geldgeschenken im Interesse der Gleichbehandlung aller Steuerpflichtigen eine obere Grenze zu ziehen, die für die Streitjahre etwa bei 500 DM liege. Im Streitfall sei dieser Betrag nicht überschritten worden.
Das FA rügt mit der Revision die Verletzung von § 19 EStG, § 2 LStDV. Es geht davon aus, daß als Gelegenheitsgeschenke in der Regel nur Sachgeschenke, nicht aber auch Geldgeschenke anerkannt werden könnten. Geldgeschenke könnten nur dann als Gelegenheitsgeschenke steuerfrei bleiben, wenn eine Sachzuwendung nicht angezeigt sei und der Geldbetrag die Grenze des Angemessenen nicht überschreite. Angemessen sei bei Gelegenheitsgeschenken in bar allenfalls ein Betrag von 100 DM. Da dieser Betrag im Streitfall überschritten sei, komme eine Lohnsteuerfreiheit nicht in Betracht. Im übrigen werde der Zweck eines Geschenkes, die Ehrung des Arbeitnehmers, nicht dadurch vereitelt, daß der geschenkte Betrag unter Einbehaltung von Abzugssteuern ausgezahlt werde.
Das FA beantragt, die Vorentscheidung aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Der BdF ist dem Verfahren gemäß § 122 Abs. 2 FGO von Amts wegen beigetreten. Er hat sich im wesentlichen wie folgt geäußert:
Es sei anerkannt, daß als sog. Gelegenheitsgeschenke nicht zum Arbeitslohn gehörten die freiwilligen Zuwendungen, die dem Arbeitnehmer bei besonderen, in seiner Person liegenden einmaligen oder seltenen Anlässen gemacht würden, die nach Art und Höhe nicht ungewöhnlich und übermäßig seien, und bei denen der Gedanke der Aufmerksamkeit und Ehrung des Arbeitnehmers und nicht so sehr der Gedanke der Entlohnung im Vordergrund stehe. Ob diese Voraussetzungen im Einzelfall erfüllt seien, müsse auf der Grundlage des Begriffs "Arbeitslohn" entschieden werden. Von einem Gelegenheitsgeschenk könne nur die Rede sein, wenn der Gedanke der Entlohnung völlig in den Hintergrund trete und gegenüber dem Gedanken der Aufmerksamkeit und Ehrung als nebensächlich erscheine.
Ein Geldgeschenk im Wert von 250 bis 500 DM, das in derselben Form wie der Barlohn gezahlt werde und über das der Arbeitnehmer wie über einen Barlohn in beliebiger Weise verfügen könne, rücke in die Nähe des Arbeitslohns. Der Gedanke der Entlohnung und der ursächliche Zusammenhang zwischen Zahlung und geleisteter Arbeit träten hier, ähnlich wie bei der Zahlung eines Weihnachtsgeldes oder Urlaubsgeldes, in den Vordergrund.
Entscheidungsgründe
Die Revision des FA ist begründet; sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Abweisung der Klage.
Nach § 19 Abs. 1 Nr. 1 EStG gehören zu den Einkünften aus nichtselbständiger Tätigkeit Gehälter, Löhne, Gratifikationen, Tantiemen und andere Bezüge und Vorteile, die für eine Beschäftigung im öffentlichen oder privaten Dienst gewährt werden. Gemäß § 2 Abs. 1 LStDV, der § 19 EStG gesetzeskonform auslegt und gegen dessen Rechtsgültigkeit keine Bedenken bestehen (Urteil des BFH vom 16. Mai 1975 VI R 165/72, BFHE 115, 569, BStBl II 1975, 642), sind Arbeitslohn alle Einnahmen, die dem Arbeitnehmer aus dem Dienstverhältnis oder einem früheren Dienstverhältnis zufließen (Satz 1 der Bestimmung). Dabei sind Einnahmen alle Güter, die in Geld oder Geldeswert bestehen (§ 2 Abs. 1 Satz 2 LStDV). Es ist gleichgültig, ob es sich um einmalige oder laufende Einnahmen handelt, ob ein Rechtsanspruch auf sie besteht und unter welcher Bezeichnung oder Form sie gewährt werden (§ 2 Abs. 1 Satz 3 LStDV). Auch als Geschenke bezeichnete Zuwendungen gehören demnach, wovon auch die Freistellungsregelung des § 5 LStDV ausgeht, zum steuerpflichtigen Arbeitslohn, wenn sie in bezug auf das Arbeitsverhältnis gegeben wurden. Die im Streitfall aus Anlaß des Geburtstages von Arbeitnehmern gezahlten Beträge sind als Arbeitslohn im vorstehenden Sinn anzusehen.
Bei den Zuwendungen an die Arbeitnehmer der Klägerin aus Anlaß von Geburtstagen der Arbeitnehmer handelt es sich insbesondere nicht um steuerfreie Gelegenheitsgeschenke.
a) Als Gelegenheitsgeschenke werden Zuwendungen verstanden, bei denen der Gedanke im Vordergrund steht, dem Arbeitnehmer eine persönliche Aufmerksamkeit zu erweisen oder ihn zu ehren, und bei denen deshalb die arbeitsrechtlichen Beziehungen zwischen dem Arbeitgeber und dem Arbeitnehmer in den Hintergrund treten. Es kommt auch wesentlich darauf an, daß die Zuwendungen aus einem besonderen persönlichen Anlaß gegeben worden sind (vgl. BFH-Urteile vom 22. März 1967 VI R 256/66, BFHE 88, 329, BStBl III 1967, 375; vom 2. Oktober 1968 VI R 79/68, BFHE 94, 226, BStBl II 1969, 116). Der jährliche Geburtstag der Arbeitnehmer ist kein solcher Anlaß (BFH-Urteil VI R 256/66). Denn es soll sich bei dem besonderen persönlichen Anlaß, der ein Gelegenheitsgeschenk rechtfertigt, regelmäßig um einen einmaligen (BFH-Urteile VI R 79/68 und vom 9. März 1962 VI 109/61, StRK, Einkommensteuergesetz, § 19 Abs. 1 Nr. 1, Rechtsspruch 246) oder selten wiederkehrenden (vgl. BFH-Urteil vom 4. Mai 1962 VI 154/60 U, BFHE 75, 34, BStBl III 1962, 281) Anlaß handeln, was der Senat u. a. für die Versetzung in den Ruhestand (Urteil VI R 79/68) bejaht hat. Wenn der Senat auch in den Urteilen VI R 79/68 und VI R 256/66 für die Abgrenzung steuerfreier Gelegenheitsgeschenke vom steuerpflichtigen Arbeitslohn eine allzu enge Auslegung nicht für angebracht hielt, so darf doch nicht verkannt werden, daß bereits im EStG und in der LStDV bestimmte Gelegenheitsgeschenke ausdrücklich steuerfrei gestellt sind (z. B. § 5 LStDV = Jubiläumsgeschenke; § 3 Nr. 15 EStG = § 6 Nr. 10 LStDV = Heirats- und Geburtsbeihilfen). Es erscheint deshalb nur in Ausnahmefällen vertretbar, darüber hinaus von besonderen persönlichen und seltenen Anlässen auszugehen, die die steuerfreie Hingabe eines Geschenkes vom Arbeitgeber an den Arbeitnehmer rechtfertigen.
Der Senat sieht den 60. Geburtstag eines Arbeitnehmers nicht als einen solchen besonderen persönlichen und einmaligen Feiertag an, der ein steuerfreies Gelegenheitsgeschenk des Arbeitgebers veranlassen könnte. Diese Auffassung wird durch das Verhalten der Klägerin im Ergebnis bestätigt. Denn sie hat die Geldzuwendung zum 60. Geburtstag nicht allen ihren Arbeitnehmern, die das 60. Lebensjahr vollendeten, gewährt, vielmehr nur jenen, die eine besondere Vertrauensstellung innehatten. Die Zuwendungen rücken damit wieder in die Nähe von Entlohnungen für besondere Leistungen und sind daher schon aus diesem Grunde keine steuerfreien Gelegenheitsgeschenke.
Demgegenüber ist der 65. Geburtstag eines Arbeitnehmers, wenn dieser - wie hier - zugleich aus dem Betrieb ausscheidet, in Übereinstimmung mit der bisherigen Rechtsprechung (BFH-Urteil VI R 79/68) grundsätzlich ein solcher ein steuerfreies Gelegenheitsgeschenk rechtfertigender Anlaß. Ob dies auch für den Streitfall, in dem offenbar auch nur wenige Arbeitnehmer der Klägerin bei ihrem Ausscheiden Barzuwendungen erhielten, uneingeschränkt zu gelten hat, bedarf keiner Entscheidung. Denn die hier den Arbeitnehmern gewährten Geldbeträge sind schon aus anderen Gründen als steuerpflichtiger Arbeitslohn zu behandeln.
b) Wie das FG zutreffend ausgeführt hat, können sich gerade bei Barzuwendungen Zweifel ergeben, ob die persönliche Ehrung oder mehr der Gedanke der Entlohnung im Vordergrund steht. Denn sie unterscheiden sich jedenfalls in der Form nicht von den üblichen Arbeitsentgelten. Allenfalls wenn es sich um eine maßvolle Barzuwendung handelt, kann deshalb ein Gelegenheitsgeschenk angenommen werden. Diese Voraussetzung sieht der Senat hier jedoch nicht mehr als erfüllt an.
Im Urteil VI R 79/68 hat der Senat Barzuwendungen von 100 DM aus Anlaß des Ausscheidens von Arbeitnehmern aus dem Betrieb als Gelegenheitsgeschenke angesehen; ebenso aus Anlaß der Silberhochzeit gewährte Barbeträge von bis zu 200 DM (Urteil vom 11. Mai 1966 VI 304/65, BFHE 86, 355, BStBl III 1966, 546). Wenn auch die Zuwendungen in diesen Fällen einige Jahre vor den im Streitfall gemachten Zuwendungen (in den Jahren 1968 bis 1970) erfolgten und in der Zwischenzeit der Geldwert gesunken ist, so können doch auch für die Streitjahre Geldzuwendungen von 350 bis 500 DM bei dem gegebenen Anlaß nicht als Geldgeschenke steuerfrei bleiben, weil sie sich nicht mehr in dem aufgezeigten Rahmen bewegen (ebenso Oeftering/Görbing, Das gesamte Lohnsteuerrecht, 5. Aufl., § 19 Anm. 222; Hartz/Meeßen/Wolf, ABC-Führer Lohnsteuer, Anm. 1 zu "Gelegenheitsgeschenke").
Nach Auffassung des Senats steht bei Barzuwendungen in Höhe von 350 bis 500 DM für die Jahre 1968 bis 1970 zum 65. Geburtstag, wenn der Arbeitnehmer zugleich aus dem Betrieb ausscheidet, auch bei verdienten und langjährigen Betriebsangehörigen der Gedanke der Entlohnung für erbrachte Dienste im Vordergrund; der Gedanke der Ehrung tritt bei Barzuwendungen in dieser Höhe demgegenüber zurück. Der Senat könnte deshalb dem Urteil des Niedersächsischen FG vom 15. Februar 1967 IV L 166/66 (EFG 1967, 340), auf das in der Vorentscheidung hingewiesen ist und in dem eine Barzuwendung von 500 DM an ausscheidende Arbeitnehmer als ein steuerfreies. Gelegenheitsgeschenk angesehen wurde, ebensowenig wie der Vorentscheidung beipflichten.
Unter diesen Umständen braucht der Senat im vorliegenden Falle nicht die Frage zu prüfen, ob er künftig überhaupt an der Rechtsprechung über die Steuerfreiheit von Barzuwendungen bei den oben aufgezeigten besonderen persönlichen Anlässen festhalten wird.
c) Soweit die Klägerin geltend macht, schon die Geringfügigkeit des streitigen Betrages im Verhältnis zu den von ihr gezahlten Lohnsteuern rechtfertige die Annahme von Gelegenheitsgeschenken, kann sie damit keinen Erfolg haben. Weder die Größe des Unternehmens noch die Höhe des Steuerbetrags ist für die Beurteilung maßgebend, ob im Einzelfall ein Gelegenheitsgeschenk vorliegt. Entscheidend ist allein, ob bei dem gegebenen Anlaß sowie bei der Höhe des gewährten Betrages ein steuerfreies Gelegenheitsgeschenk angenommen werden kann. Darüber hinaus kann es entgegen der Ansicht des FG für die Annahme eines ehrenden Geschenkes auch keine entscheidende Rolle spielen, ob der bedachte Arbeitnehmer einen besonders hohen oder niedrigen Jahresarbeitslohn bezieht. Schließlich ist auch die Erwägung der Klägerin, Arbeitnehmer empfänden ein von ihnen zu versteuerndes Geschenk nicht als ehrend, nicht entscheidungserheblich. Es bliebe der Klägerin unbenommen, die auf diese Zuwendungen entfallende Steuer zu übernehmen, so daß die Arbeitnehmer ihrerseits insoweit keine Lohnsteuer mehr zu entrichten hätten.
Fundstellen
Haufe-Index 72184 |
BStBl II 1977, 181 |
BFHE 1977, 494 |