Entscheidungsstichwort (Thema)
Bauten auf fremden Grund und Boden
Leitsatz (NV)
Bei Bauten auf fremden Grund und Boden ist der Besteller des Bauwerks der Leistungsempfänger, der die Verfügungsmacht mit der Übergabe des fertiggestellten Bauwerks erlangt. Der Besteller kann aber die Verfügungsmacht an dem auf fremden Boden errichteten Bauwerk weiter übertragen. Ob das der Fall ist, ist anhand einer Würdigung der Gesamtumstände des Einzelfalls zu beurteilen.
Normenkette
UStG 1980 § 1 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a
Verfahrensgang
Tatbestand
Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin), eine GmbH, mietete (seit dem 1. November 1987) von der Ehefrau VT (VT) des Hauptgesellschafters ein bebautes Geschäftsgrundstück. Als Mietzins war ein Preis von 12 DM/qm pro Monat vereinbart worden. Das Gebäude wurde 1989 -- mit Zustimmung der Eigentümerin -- ausgebaut. Die Baugenehmigung war der Klägerin erteilt worden. Die von der Klägerin getragenen Kosten für die Errichtung des Anbaus betrugen 349 758,76 DM; die Nutzfläche des Anbaus betrug 114,98 qm. Unter dem 10. Januar 1989 war ein Vorvertrag vereinbart worden, in dem es u. a. heißt: "Die Vermieterin wird das Hausgrundstück ... an die Mieterin vermieten. Der Beginn des Mietvertrags ... wird zwischen den Beteiligten noch festgelegt. Unter diesen Voraussetzungen erteilt die Vermieterin ... die Zustimmung zum Umbau." In einer Zusatzvereinbarung zum Mietvertrag vom 31. Oktober 1987 heißt es unter dem Datum vom 31. März 1989: "Wegen der durchzuführenden Baumaßnahmen an dem Mietgegenstand läßt sich die Höhe der Miete derzeit noch nicht endgültig festlegen. Die Miete wird vorläufig um 1000 DM erhöht ... Die Nachzahlungen können für die vorläufige Miete auch bis spätestens zum 31. Dezember 1989 erfolgen." Durch Zusatzvereinbarung vom 2. Januar 1990 wurde der vorläufig festgesetzte Mietzins für zehn Jahre auf monatlich 2680 DM festgesetzt. Vereinbarungen hinsichtlich einer späteren Entschädigung wurden nicht getroffen.
Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt -- FA --) beurteilte den Vorgang als Eigenverbrauch. Die Klägerin als Bestellerin der Baumaßnahme habe der Grundstückseigentümerin VT Verfügungsmacht verschafft; die Eigentümerin als Vermieterin habe mit der Klägerin als Mieterin auch für die hinzugekommenen Gebäudeteile eine Miete vereinbart. Das Gebäude könne nicht als "Gebäude auf fremden Grund und Boden" der Klägerin als wirtschaftlicher Eigentümerin zugerechnet werden, da die Eigentümerin nicht in ihrer Verfügungsmacht beschränkt sei.
Das Finanzgericht (FG) wies die Klage ab. Die Errichtung des Anbaus habe zu steuerpflichtigem Eigenverbrauch i. S. des §1 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a des Umsatzsteuergesetzes (UStG 1980) geführt. Die Klägerin habe das bestellte Werk praktisch eine juristische Sekunde nach Erhalt wieder an die Grundstückseigentümerin verloren. VT sei gemäß §§946, 94 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) Eigentümerin des Anbaus geworden, da der Anbau nicht nur vorübergehend mit dem Grund und Boden verbunden worden sei. Die Voraussetzungen des §39 Abs. 2 Nr. 1 der Abgabenordnung (AO 1977) lägen nicht vor, da die Klägerin nicht imstande sei, die Grundstückseigentümerin für die gewöhnliche Nutzungsdauer des Anbaus von der Einwirkung wirtschaftlich auszuschließen. Die Klägerin selbst bestreite ausdrücklich, daß ihr der Anbau überhaupt vermietet worden sei.
Mit der Revision rügt die Klägerin Verletzung formellen und materiellen Rechts.
1. Die von der Klägerin vorgetragene mündliche Vereinbarung über eine Entschädigungspflicht bei Beendigung der betrieblichen Nutzung habe das FG nicht berücksichtigt.
2. Selbst wenn von zivilrechtlichem Eigentum der VT auszugehen wäre, rechtfertige dies nicht die Annahme einer Entnahme i. S. des §1 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a UStG 1980. Der Anbau sei in seiner Substanz und in seinem wirtschaftlichen Wert für die Dauer der betrieblichen Nutzung nicht aus der betrieblichen Sphäre entnommen worden. Jedenfalls solange die Nutzung fortbestehe, komme eine Entnahme nicht in Betracht. Der Große Senat des Bundesfinanzhofs (BFH) habe in seinem Beschluß vom 30. Januar 1995 GrS 4/92 (BFHE 176, 267, BStBl II 1995, 281) klargestellt, daß ein Steuerpflichtiger Herstellungskosten für ein im Miteigentum stehendes Wirtschaftsgut als eigenen Aufwand abziehen könne, sofern er die Herstellungskosten getragen habe und das Wirtschaftsgut ohne Entgelt für seine betrieblichen Zwecke nutze.
Unzutreffend sei, daß die Klägerin auch den Anbau angemietet habe. Die Zusatzvereinbarung vom 31. Oktober 1987 betreffe allein die mit der Errichtung des Anbaus verbundene zusätzliche Nutzung des Grund und Bodens für betriebliche Zwecke.
Die Klägerin beantragt, die Vorentscheidungen aufzuheben.
Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Das angefochtene Urteil sei nicht zu beanstanden. VT sei rechtliche Eigentümerin des Anbaus geworden. Die Voraussetzungen des §39 Abs. 2 AO 1977 lägen nicht vor. Das FG sei zutreffend zu der Auffassung gelangt, daß die Klägerin nicht imstande sei, die Grundstückseigentümerin für die gewöhnliche Nutzungsdauer des Anbaus von der Einwirkung wirtschaftlich auszuschließen. Aus dem Umstand, daß der zivilrechtliche Eigentümer das Bauwerk -- nicht nur Grund und Boden -- im eigenen Namen, sei es an einen Dritten oder aber an den Besteller, vermiete, müsse geschlossen werden, daß zuvor die Verfügungsmacht auf ihn übergegangen sei. An der bereits in der Einspruchsentscheidung vertretenen Auffassung, daß Gegenstand der Zusatzvereinbarung zum Mietvertrag nicht nur der Grund und Boden, sondern auch der Anbau gewesen sei, werde -- unabhängig von den Wertungen des FG -- auch im Revisionsverfahren festgehalten; Mietgegenstand sei auch der Anbau gewesen. Das FG habe insoweit keine eindeutigen Feststellungen getroffen. Die vom FG unterlassene Auslegung dürfe das Revisionsgericht selbst vornehmen.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist begründet; sie führt gemäß §126 Abs. 3 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das FG. Das FG ist zu Unrecht davon ausgegangen, daß die Klägerin den Anbau gemäß §1 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a UStG 1980 entnommen hat, weil VT gemäß §§946, 94 BGB Eigentümerin des Anbaus geworden sei.
1. Bei Bauten auf fremden Grund und Boden ist der Besteller des Bauwerks der Leistungsempfänger, da er die Verfügungsmacht mit der Übergabe des fertiggestellten Bauwerks erlangt (zu den Voraussetzungen vgl. im einzelnen BFH-Urteile vom 26. Februar 1976 V R 132/73, BFHE 118, 104, BStBl II 1976, 309; vom 11. Dezember 1986 V R 57/76, BFHE 148, 361, BStBl II 1987, 233, vom 11. Juni 1997 XI R 77/96, BStBl II 1997, 774). Allerdings kann der Besteller die Verfügungsmacht an dem auf fremden Boden errichteten Bauwerk weiter übertragen (BFH-Urteil vom 6. Dezember 1979 V R 87/72, BFHE 129, 425, BStBl II 1980, 279). Ob das der Fall ist, ist anhand einer Würdigung der Gesamtumstände des Einzelfalls zu beurteilen (BFH-Urteil vom 24. November 1992 V R 80/87, BFH/NV 1993, 634).
2. Im Streitfall ist der Anbau noch der Klägerin als Leistungsempfängerin zuzurechnen, sofern sie die Verfügungsmacht an dem Anbau nicht auf die Eigentümerin VT übertragen hat. Ein eindeutiges Indiz für die Übertragung der Verfügungsmacht wäre darin zu sehen, daß die Eigentümerin VT den Anbau an die Klägerin vermieten würde. Ob das der Fall ist, läßt sich den Feststellungen des FG nicht mit ausreichender Sicherheit entnehmen. Nach diesen Feststellungen ist nicht eindeutig, ob die Mietvertragsänderungen sich überhaupt auf den Anbau bezogen haben und ob -- wenn das der Fall sein sollte -- Gegenstand der Änderungen nur der Grund und Boden, auf dem die Klägerin den Anbau errichtet hatte, oder auch der Anbau selbst war. Das FG hat auf S. 16/17 seines Urteils selbst entsprechende Zweifel geäußert. Dem Senat ist es daher nicht möglich, die unterlassene Vertragsauslegung selbst vorzunehmen (dazu vgl. Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 4. Aufl., 1997, §118 Rz. 17).
3. Sollte Eigenverbrauch gegeben sein, wird für die Frage der Steuerbefreiung auf das Urteil in BFH/NV 1993, 634 hingewiesen.
Fundstellen
Haufe-Index 66926 |
BFH/NV 1998, 749 |
DStRE 1998, 286 |
DStRE 1998, 639 |
HFR 1998, 572 |