Entscheidungsstichwort (Thema)
Umsatzsteuer
Leitsatz (amtlich)
Die Abgabe von Urlaubsmarken der Bauwirtschaft durch Banken ist nicht umsatzsteuerpflichtig.
Normenkette
UStG § 1 Ziff. 1, § 4 Ziff. 8
Tatbestand
Die Bfin. - eine Bank - hat im Jahre 1957 von der Städtischen Sparkasse X. Urlaubsmarken der Bauwirtschaft gegen Bezahlung ihres Wertes zugunsten des bei der Sparkasse geführten Urlaubsgeldkontos der "Gemeinnützigen Urlaubskasse für die Bauwirtschaft" auf Vorrat (im Rahmen übersehbarer Anforderungen) bezogen und an Kunden aus den Kreisen der Bauwirtschaft im Nennwert von ... DM gegen entsprechende Einzahlungen abgegeben. Streitig ist, ob diese Vorgänge, soweit sie sich zwischen der Bfin. und ihren Kunden abspielten, steuerbare und steuerpflichtige entgeltliche Lieferungen inländischer nichtamtlicher Wertzeichen darstellten - wie die Vorinstanzen annehmen - oder ob es sich um steuerfreie Umsätze von Geldforderungen bzw. um nichtsteuerbare Geldbewegungen in Gestalt von durchlaufenden Posten handelte - wie die Bfin. annimmt -.
Durch die Urlaubsmarkenregelung in der Bauwirtschaft soll der Urlaub der ihren Arbeitsplatz oft wechselnden Arbeitnehmer des Baugewerbes und verwandter Gewerbe finanziell sichergestellt werden. Zu diesem Zwecke wurde von den Tarifpartnern als gemeinsame Einrichtung die "Gemeinnützige Urlaubskasse für die Bauwirtschaft" mit Sitz in Frankfurt/Main (im folgenden: Urlaubskasse) gegründet, die sich auf Grund eines Abkommens mit dem Deutschen Sparkassen- und Giroverband in Bonn zur Durchführung des Urlaubsmarkenverfahrens der örtlichen öffentlichen Sparkassen und Girozentralen bedient. Das Verfahren spielt sich so ab, daß der Arbeitgeber das Urlaubsgeld in Erfüllung eines Teiles seiner Lohnzahlungspflicht in Höhe eines bestimmten Hundertsatzes des Bruttolohnes des Arbeitnehmers binnen fünf Tagen nach jeder Lohnabrechnung gegen Aushändigung von Urlaubsmarken in gleichem Wert auf das Konto der Urlaubskasse bei einer öffentlichen Sparkasse einzahlt. Die Urlaubsmarken (in Werten von 10 DM, 5 DM, 2 DM, 1 DM, 0,50 DM, 0,20 DM und 0,10 DM) werden vom Arbeitgeber unverzüglich in die bei ihm für jeden Arbeitnehmer geführte Urlaubskarte eingeklebt und unter Angabe der Lohnzahlungsperiode entwertet. Bei einem Wechsel des Arbeitsplatzes wird die Urlaubskarte, die Bestandteil der Arbeitspapiere und Eigentum des Arbeitnehmers ist, an den neuen Arbeitgeber ausgehändigt und von diesem weitergeführt. Nach einer bestimmten Anzahl von Beitragswochen kann die Urlaubskarte nach Anbringung eines Freigabevermerks durch den Arbeitgeber bei der Sparkasse eingelöst werden. Diese zahlt das Urlaubsgeld entsprechend dem Werte der Urlaubsmarken aus, und zwar in der Regel an den Arbeitgeber, und belastet das Girokonto der Urlaubskasse mit dem Auszahlungsbetrag. Der Arbeitnehmer erhält das Urlaubsgeld nach Abzug der Lohnsteuer und der Sozialversicherungsbeiträge vom Arbeitgeber vor Antritt des Urlaubs. Die Urlaubskasse ist Gläubigerin der auf ihren Konten bei den Sparkassen bestehenden Guthaben; der Anspruch der Arbeitnehmer aus den mit Urlaubsmarken versehenen Urlaubskarten richtet sich gegen die Arbeitgeber. Diese wiederum haben als Treuhänder der Arbeitnehmer einen Auszahlungsanspruch gegen die Urlaubskasse.
Die Bfin. gehört nicht zu den Instituten, deren sich die Urlaubskasse zur Durchführung des Urlaubsmarkenverfahrens bedient. In das Abkommen zwischen der Urlaubskasse und dem Sparkassen- und Giroverband ist sie nicht einbezogen. Der Vorrat der Bfin. an Urlaubsmarken betrug wertmäßig am 31. Dezember 1956 ... DM und am 31. Dezember 1957 ... DM; er war bilanzmäßig unter dem Kassenbestand erfaßt.
Das Finanzamt zog die Bfin. u. a. mit dem von ihren Kunden erhaltenen Gesamtgegenwerte für die Urlaubsmarken von ... DM für 1957 zur Umsatzsteuer heran. Der hiergegen eingelegte Einspruch blieb erfolglos; desgleichen die Berufung. In der Vorentscheidung wird ausgeführt, die Urlaubsmarken hätten - entgegen der in dem Abkommen zwischen der Urlaubskasse und dem Sparkassenverband geäußerten Ansicht - nicht bloß den Charakter von Beweisurkunden über den Empfang des auf den Marken angegebenen Geldbetrages, also nicht bloß den Charakter von Quittungen; sie seien, weil ihr Besitz zur Ausübung des sich aus ihnen ergebenden Rechts notwendig sei, unter die sogenannten "kleinen oder unvollkommenen Inhaberpapiere" im Sinne des § 807 BGB einzureihen. Da die übertragung der sich aus den Marken ergebenden bedingten Forderungsrechte durch übergabe der Marken nach den Vorschriften für bewegliche Sachen erfolge, seien in der Abgabe der Urlaubsmarken an die Kunden Lieferungen der Bfin. zu erblicken. Die Urlaubsmarken seien ihrem Wesen nach nichtamtliche Wertzeichen, die nicht unter § 4 Ziff. 8 UStG fielen. Die für die gezahlten Beträge seien auch keine durchlaufenden Posten im Sinne des § 5 Abs. 3 UStG, weil sie von der Bfin. nicht im Namen und für Rechnung eines anderen, sondern im eigenen Namen und für eigene Rechnung vereinnahmt und verausgabt würden.
Mit der Rb. rügt die Bfin. einen wesentlichen Verfahrensmangel. Das Finanzgericht habe seiner Entscheidung einen falschen Sachverhalt zugrunde gelegt. Sie, die Bfin., habe nicht Urlaubsmarken der Bauwirtschaft wie bewegliche Sachen erworben und weiterveräußert, sondern einerseits Einzahlungen auf ein Urlaubsgeldkonto der Urlaubskasse geleistet und dafür Urlaubsmarken als Quittungen erhalten, andererseits Einzahlungen ihrer Kunden entgegengenommen und dafür an diese, ebenfalls als Quittungen, Urlaubsmarken ausgehändigt. Das Finanzgericht habe ihre Beweisanträge (Anhörung der Urlaubskasse und des Sparkassenverbandes), die zur Feststellung des richtigen Sachverhalts gedient hätten, abgelehnt, weil es den Streitgegenstand offensichtlich nicht zutreffend erkannt habe. Die Sache sei noch nicht entscheidungsreif; der Sachverhalt bedürfe vielmehr noch der Aufklärung. Es werde daher Aufhebung der Vorentscheidungen und Zurückverweisung der Sache an das Finanzamt beantragt.
Entscheidungsgründe
Die Rb. führt zur Aufhebung der Vorentscheidung.
Die Bfin. irrt, wenn sie annimmt, der Fall sei in tatsächlicher Hinsicht noch nicht genügend aufgeklärt. Die Vorinstanzen haben vielmehr den Sachverhalt eingehend ermittelt und in ihren Entscheidungen ausführlich dargestellt. Die Bfin. hat nicht dargetan, und es ist auch aus den Akten nicht ersichtlich, in welchen Punkten der Sachverhalt noch ergänzt werden müßte. Die Frage, ob in dem Tätigwerden der Bfin. Käufe und Verkäufe von Wertzeichen oder bloße Einzahlungen auf ein Urlaubsgeldkonto der Urlaubskasse und Inempfangnahme der Gegenwerte von den Bankkunden gegen Empfang bzw. Aushändigung von Urlaubsmarken in entsprechender Höhe zu erblicken sind, ist eine reine Rechtsfrage, die durch eine Vernehmung von Zeugen nicht geklärt werden konnte, über die vielmehr das Finanzgericht in eigener Zuständigkeit zu befinden hatte. Es ist daher nicht zu beanstanden, daß das Finanzgericht die Beweisanträge der Bfin. abgelehnt hat.
Zur Rechtslage hat die Bfin. in der Rechtsbeschwerdebegründung neue Gesichtspunkte nicht vorgetragen. Der Senat hat jedoch die Rechtslage von Amts wegen geprüft und ist dabei zu den folgenden Ergebnissen gelangt: Es kann dahingestellt bleiben, welche Rechtsnatur den Urlaubsmarken zukommt, insbesondere ob sie bloße Beweis- und Legitimationszeichen oder sogenannte "kleine oder unvollkommene Inhaberpapiere" sind. Selbst wenn man sie mit den Vorinstanzen als unvollkommene Inhaberpapiere (Inhaberverpflichtungszeichen, Wertzeichen) ansehen würde, käme die Anwendung der Befreiungsvorschrift des § 4 Ziff. 8 UStG in Betracht. Es liegt zwar weder ein Umsatz von Wertpapieren (vgl. hierzu das Urteil des Senats V 317/57 U vom 10. Dezember 1959, BStBl 1960 III S. 77, Slg. Bd. 70 S. 209) noch ein Umsatz inländischer amtlicher Wertzeichen vor. Die Abgabe der Urlaubsmarken beinhaltet aber gleichzeitig die Abtretung von Geldforderungen im Sinne des § 4 Ziff. 8 UStG. Zwar begründen die Urlaubsmarken allein noch keinen Anspruch gegen die Urlaubskasse auf Auszahlung des Urlaubsgeldes; dieser Anspruch entsteht vielmehr erst, nachdem der Arbeitgeber die Urlaubsmarken in die Urlaubskarte eingeklebt, sie unter Angabe der Lohnzahlungsperiode entwertet, eine bestimmte Anzahl von Beitragswochen abgewartet und schließlich den Freigabevermerk auf der Urlaubskarte angebracht hat. Der Senat ist jedoch der Auffassung, daß es dem Sinn und Zweck des § 4 Ziff. 8 UStG entspricht, auch den Umsatz aufschiebend bedingter Geldforderungen von der Umsatzsteuer zu befreien.
Unter Aufhebung der Vorentscheidungen und unter änderung des Umsatzsteuerbescheides vom 25. Februar 1959 war daher die Umsatzsteuer für 1957 auf ... DM herabzusetzen.
Fundstellen
Haufe-Index 411065 |
BStBl III 1964, 109 |
BFHE 1964, 277 |
BFHE 78, 277 |