Entscheidungsstichwort (Thema)
Keine Minderung einer vGA durch verdeckte Einlage; vGA bei Verzicht der Kapitalgesellschaft auf Nutzung der vom Gesellschafter überlassenen Erwerbschance zu dessen Gunsten
Leitsatz (amtlich)
1. Der Wert einer verdeckten Einlage ist nicht geeignet, die Höhe einer verdeckten Gewinnausschüttung zu mindern.
2. Überläßt der Gesellschafter einer Kapitalgesellschaft dieser eine "Erwerbschance" und verzichtet die Kapitalgesellschaft später auf die Nutzung der Erwerbschance wiederum zugunsten des Gesellschafters, so ist eine verdeckte Gewinnausschüttung in Höhe der Differenz zwischen den nicht erzielten Einnahmen und den ggf. angefallenen Aufwendungen anzunehmen.
Orientierungssatz
1. Die steuerrechtliche Berücksichtigung eines Treuhandverhältnisses zwischen einer Kapitalgesellschaft und ihrem beherrschenden (mittelbar beteiligten) Gesellschafter setzt bei Meidung einer verdeckten Gewinnausschüttung eine von vornherein klare abgeschlossene Vereinbarung voraus (vgl. BFH-Rechtsprechung).
2. Die Grundsätze über "das Geschäft, den es angeht", finden auf beurkundungspflichtige und unternehmensbezogene Geschäfte keine Anwendung (vgl. BGH-Urteil vom 12.12.1983 II ZR 238/82).
Normenkette
KStG 1968 § 6 Abs. 1; EStG § 4 Abs. 1 S. 1; AO § 164 Abs. 1; BGB § 164 Abs. 1
Verfahrensgang
FG Berlin (Entscheidung vom 22.05.1989; Aktenzeichen VIII 35/87) |
Tatbestand
I. Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin) ist eine GmbH. Ihre Gesellschafter sind die E-GmbH mit einem Geschäftsanteil von 60 v.H. und die C-AG mit einem solchen von 40 v.H. des Stammkapitals. Geschäftsführer der Klägerin war in den Jahren 1964 bis 1966 P, der an der E-GmbH zu 99 v.H. und an der C-AG zu 40 v.H. beteiligt war.
Die im März 1964 gegründete Klägerin unterbreitete am 14.September 1964 der D-GmbH das notariell beurkundete Angebot, das Grundstück in B X-Straße 1 mit einer Gesamtfläche von 1843 qm zu einem Preis von 133 167 DM (*= 72,50 DM/qm) zu kaufen. Dieser Preis lag unter dem Verkehrswert, weil die Klägerin in dem Angebot die zusätzliche Verpflichtung übernahm, auf dem Grundstück X-Straße 1 ein Parkhaus mit Tankstelle zu errichten und die Tankstelle langfristig an die D-GmbH zu verpachten. Die D-GmbH nahm dieses Angebot am 28.Oktober 1964 an. Das Grundstück wurde jedoch nie gegenüber der Klägerin aufgelassen.
In der Folgezeit zerschlugen sich die Pläne der Klägerin, auf dem Grundstück X-Straße 1 ein Parkhaus zu errichten. Allerdings errichtete eine der Klägerin nahestehende KG an anderer Stelle ein Parkhaus mit Tankstelle. Sie verpachtete die Tankstelle im Jahre 1966 langfristig an die D-GmbH. Anschließend übertrug die Klägerin durch notariellen Vertrag vom 20.Oktober 1966 ihre Rechte aus dem Grundstückskaufvertrag vom 14.September/28.Oktober 1964 auf P. P stellte die Klägerin von ihrer Zahlungsverpflichtung gegenüber der D-GmbH frei. Die D-GmbH stimmte der Übertragung zu und ließ das Grundstück unmittelbar gegenüber P auf.
Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt ―FA―) sah in der unentgeltlichen Übertragung der Ansprüche aus dem Kaufvertrag vom 14.September/28.Oktober 1964 eine verdeckte Gewinnausschüttung der Klägerin an P i.S. des § 6 Abs.1 Satz 2 des Körperschaftsteuergesetzes (KStG) 1965, weil der Wert des Grundstücks im Oktober 1966 mit 600 DM/qm anzusetzen sei. Er ermittelte den Wert der verdeckten Gewinnausschüttung mit 970 000 DM und erließ am 29.Mai 1974 entsprechend geänderte, endgültige Körperschaftsteuer- und Gewerbesteuermeßbescheide 1966. Gegen die Bescheide legte die Klägerin Einsprüche ein, über die zunächst nicht entschieden wurde.
Am 4.Juni und am 1.Juli 1980 erließ das FA einen geänderten Körperschaftsteuerbescheid 1966 und einen geänderten Gewerbesteuermeßbescheid 1966, die die Klägerin wiederum mit Einsprüchen anfocht.
Das FA gab durch Einspruchsentscheidungen vom 15.Dezember 1986 den Einsprüchen insoweit statt, als es die verdeckte Gewinnausschüttung nur noch mit 552 000 DM ermittelte. Dabei berücksichtigte es wertmindernd, daß die KG eine Verpflichtung der Klägerin gegenüber der D-GmbH erfüllt hatte. Die weitergehenden Einsprüche wies es als unbegründet zurück.
Das Finanzgericht (FG) gab mit seinem in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 1990, 264 veröffentlichten Urteil der Klage insoweit statt, als es die verdeckte Gewinnausschüttung nur mit 368 600 DM bewertete, weil sie um eine von P in das Vermögen der Klägerin eingelegte Erwerbschance zu mindern sei. Die weitergehende Klage wies das FG ab.
Mit seiner vom FG zugelassenen Revision rügt das FA die Verletzung der §§ 4 Abs.1 und 5 des Einkommensteuergesetzes (EStG) i.V.m. § 6 Abs.1 KStG in den für 1964 jeweils geltenden Fassungen.
Es beantragt, die Vorentscheidung aufzuheben und die Klage insgesamt abzuweisen.
Die Klägerin beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
II. Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Abweisung der Klage insgesamt (§ 126 Abs.3 Nr.1 der Finanzgerichtsordnung ―FGO―).
1. a) Eine verdeckte Gewinnausschüttung i.S. des § 6 Abs.1 Satz 2 KStG 1965 ist bei einer Kapitalgesellschaft eine Vermögensminderung (verhinderte Vermögensmehrung), die durch das Gesellschaftsverhältnis veranlaßt ist, sich auf die Höhe des Einkommens auswirkt und in keinem Zusammenhang mit einer Ausschüttung steht (vgl. Urteil des Bundesfinanzhofs ―BFH― 22.Februar 1989 I R 9/85, BFHE 156, 428, BStBl II 1989, 631). Bei einem beherrschenden Gesellschafter kann die Vermögensminderung auch in einem Entgelt bestehen, das die Gesellschaft an den Gesellschafter zahlt bzw. zu zahlen hat, obwohl es hierfür an einer klaren und von vornherein abgeschlossenen Vereinbarung fehlt (vgl. BFH-Urteil vom 24.Januar 1990 I R 157/86, BFHE 160, 225, BStBl II 1990, 645).
b) Zu diesen Voraussetzungen hat das FG in tatsächlicher Hinsicht und den erkennenden Senat bindend (§ 118 Abs.2 FGO) festgestellt, daß die Klägerin auf Grund des notariellen Kaufvertrages vom 14.September/28.Oktober 1964 einen zivilrechtlichen Anspruch auf Übereignung des Grundstücks in der X-Straße 1 gegen die D-GmbH hatte. Als Gegenleistung sollte die Klägerin 72,50 DM/qm an die D-GmbH zahlen, auf dem genannten Grundstück ein Parkhaus mit Tankstelle errichten und die Tankstelle langfristig an die D-GmbH verpachten. Im Vertrag vom 20.Oktober 1966 trat die Klägerin ihren Anspruch auf Übereignung des genannten Grundstücks nur gegen Freistellung von der Zahlungsverbindlichkeit an P ab, obwohl der Grundstückswert zum 31.Dezember 1966 auf 500 DM/qm gestiegen und die Verpflichtung gegenüber der D-GmbH auf Errichtung und Verpachtung einer Parkhaustankstelle aus anderen Gründen weggefallen war. Ein ordentlicher und gewissenhafter Geschäftsleiter würde den Übereignungsanspruch nur gegen Zahlung seines angemessenen Wertes abgetreten haben. Deshalb ist davon auszugehen, daß die Veranlassung für die Abtretung in der Stellung des P als mittelbarer Gesellschafter zu suchen ist. Entsprechend ist die durch den Vertrag vom 20.Oktober 1966 verhinderte Vermögensmehrung der Klägerin durch die Gesellschafterposition der E-GmbH und der C-AG veranlaßt. Dem Wert nach ist die verdeckte Gewinnausschüttung mit der Differenz zwischen dem am 20.Oktober 1966 für das Grundstück erzielbaren Verkaufspreis und der Zahlungsverpflichtung lt. Vertrag vom 14.September/28.Oktober 1964 anzusetzen. Die Differenz betrug ―wie im einzelnen noch auszuführen sein wird― mindestens 552 000 DM.
2. Der Wert der verdeckten Gewinnausschüttung i.S. des § 6 Abs.1 Satz 2 KStG 1965 ist nicht um den Wert der angeblich von P in das Vermögen der Klägerin eingelegten Erwerbschance zu mindern. Selbst wenn man der Erwerbschance die Eigenschaft eines einlagefähigen Wirtschaftsgutes beimessen würde, so würde sich das Vermögen der Klägerin im Jahre 1964 um den Wert der Erwerbschance erhöht haben. Die Werterhöhung hätte sich damals erfolgsneutral vollzogen (§ 6 Abs.1 Satz 1 KStG 1961, § 4 Abs.1 Satz 1 EStG). Durch den Vertrag vom 20.Oktober 1966 wäre die Werterhöhung jedoch wieder entfallen. Der Untergang des (hier unterstellten) Wirtschaftsgutes "Erwerbschance" würde sich auf das Betriebsvermögen der Klägerin zum 31.Dezember 1966 erfolgswirksam ausgewirkt haben. Dies folgt aus der Überlegung, daß ein eingelegtes Wirtschaftsgut für die Zeit nach der Einlage nach den allgemeinen Vorschriften zu behandeln ist (vgl. Döllerer, Verdeckte Gewinnausschüttungen und verdeckte Einlagen bei Kapitalgesellschaften, 2.Aufl., Heidelberg 1990, S.209). Geht deshalb das eingelegte Wirtschaftsgut unter oder ist es mit seinem niedrigeren Wert auszuweisen, so tritt in Höhe der Wertminderung betrieblicher Aufwand ein. Beruht allerdings der Untergang des Wirtschaftsgutes auf Gründen, die ausschließlich durch die Gesellschafterstellung eines Gesellschafters veranlaßt sind, so ist die eingetretene Wertminderung kein abziehbarer Aufwand, sondern verdeckte Gewinnausschüttung (vgl. BFH-Urteil vom 14.März 1990 I R 6/89, BFHE 160, 459, BStBl II 1990, 795). Dies ist der Grund dafür, weshalb nach der Rechtsprechung des erkennenden Senats die Rückgewähr einer Einlage grundsätzlich zu einer verdeckten Gewinnausschüttung führt (vgl. BFH-Urteile vom 17.Oktober 1984 I R 22/79, BFHE 142, 276, BStBl II 1985, 69; vom 30.Mai 1990 I R 41/87, BFHE 161, 87, unter II. 3. b). Soweit für bestimmte Formen von Kapitalrückzahlungen Ausnahmen von dem Grundsatz zugelassen wurden, sind die Voraussetzungen dafür im Streitfall nicht erfüllt. Im Streitfall ging der Klägerin die Chance, das Grundstück in der X-Straße 1 preisgünstig zu erwerben, aus Gründen verloren, deren Veranlassung ausschließlich in der mittelbaren Gesellschafterposition des P zu suchen ist. Sollte deshalb die Erwerbschance ein Wirtschaftsgut gewesen sein, so wäre sein Wegfall und die dadurch eingetretene Vermögensminderung ausschließlich durch das Gesellschaftsverhältnis veranlaßt. Der Untergang der Erwerbschance wäre damit Teil der in Höhe von mindestens 552 000 DM festgestellten verdeckten Gewinnausschüttung i.S. des § 6 Abs.1 Satz 2 KStG 1965.
3. Bei dieser Sachlage ist es entscheidungsunerheblich, ob P als nur mittelbarer Gesellschafter der Klägerin in deren Vermögen ein Wirtschaftsgut "Erwerbschance" einlegte. Es ist auch unerheblich, ob die Erwerbschance der Klägerin ein immaterielles Wirtschaftsgut war, das unter den Aktiva ausgewiesen werden durfte.
4. Die Verwirklichung einer verdeckten Gewinnausschüttung ist im Streitfall auch nicht aus anderen Gründen zu verneinen. Das von der Klägerin behauptete Treuhandverhältnis kann steuerrechtlich schon aus Gründen des § 164 Abs.1 der Reichsabgabenordnung (AO) nicht berücksichtigt werden. Es kommt hinzu, daß die E-GmbH beherrschende Gesellschafterin der Klägerin war (60 v.H. der Geschäftsanteile). P war eine der E-GmbH nahestehende Person (Beteiligung von 99 v.H.). Deshalb setzt die steuerrechtliche Berücksichtigung des behaupteten Treuhandverhältnisses eine zwischen der Klägerin und P von vornherein und klar abgeschlossene Vereinbarung voraus (vgl. BFH-Urteile vom 1.Oktober 1986 I R 54/83, BFHE 149, 33, BStBl II 1987, 459; vom 29.April 1987 I R 192/82, BFHE 150, 412, BStBl II 1987, 797; vom 2.März 1988 I R 103/86, BFHE 153, 313, BStBl II 1988, 786). Daran fehlt es im Streitfall. Die Grundsätze über "das Geschäft, den es angeht," finden auf beurkundungspflichtige und unternehmensbezogene Geschäfte keine Anwendung (Urteil des Bundesgerichtshofs vom 12.Dezember 1983 II ZR 238/82, Neue Juristische Wochenschrift 1984, 1347).
5. Als Wert der verdeckten Gewinnausschüttung ist der Saldo zwischen dem Wert des Grundstücks X-Straße 1, den ein ordentlicher und gewissenhafter Geschäftsleiter der Klägerin am 20.Oktober 1966 gefordert hätte, und dem Wert der Zahlungsverpflichtung aus dem Vertrag vom 14.September/28.Oktober 1964 anzusetzen. Nach den tatsächlichen Feststellungen des FG, an die der erkennende Senat gebunden ist (§ 118 Abs.2 FGO), lag der Grundstückskaufpreis am 31.Dezember 1966 bei 500 DM/qm. Die Zahlungsverpflichtung lt. Vertrag vom 14.September/28.Oktober 1964 betrug dagegen 72,50 DM/qm. Mithin beträgt der Wert der verdeckten Gewinnausschüttung 427,50 DM/qm oder 787 882,50 DM. Da das FA in der Einspruchsentscheidung nur 552 000 DM ansetzte, bedarf die Frage keiner weiteren Prüfung, welche Preissteigerung in der Zeit zwischen dem 20.Oktober und dem 31.Dezember 1966 eingetreten ist. Die bestehende Differenz von mehr als 235 000 DM liegt so hoch, daß sie die angefochtenen Steuerbescheide auch bei Ansatz eines niedrigeren Grundstückswertes zum 20.Oktober 1966 noch rechtmäßig sein läßt.
6. Das FG ist von einer anderen Rechtsauffassung ausgegangen. Die Vorentscheidung kann deshalb keinen Bestand haben. Die Sache ist entscheidungsreif. Es steht fest, daß eine verdeckte Gewinnausschüttung mindestens in Höhe von 552 000 DM anzusetzen ist. Dann aber sind die angefochtenen Steuerbescheide nicht zu Lasten der Klägerin rechtswidrig. Entsprechend war die Vorentscheidung aufzuheben. Die Klage war insgesamt abzuweisen.
Fundstellen
Haufe-Index 62984 |
BFH/NV 1991, 45 |
BStBl II 1991, 593 |
BFHE 163, 546 |
BFHE 1991, 546 |
BB 1991, 1031 |
BB 1991, 1031-1032 (LT) |
DB 1991, 1255-1256 (LT) |
DStR 1991, 710 (KT) |
HFR 1991, 490 (LT) |
StE 1991, 191 (K) |