Entscheidungsstichwort (Thema)
Bewertung Bewertung, Vermögen-, Erbschaft-, Schenkungsteuer
Leitsatz (amtlich)
Bei Nachfeststellungen der Einheitswerte für Gewerbeberechtigungen sind die Wertverhältnisse vom Nachfeststellungszeitpunkte zugrunde zu legen; § 3 a BewDV findet bei der Bewertung von Gewerbeberechtigungen keine Anwendung.
Normenkette
BewG §§ 1, 23, 58, 100; BewDV § 3a
Tatbestand
Streitig ist, ob bei der Nachfeststellung für eine Gewerbeberechtigung die Wertverhältnisse vom Nachfeststellungszeitpunkte oder vom 1. Januar 1935 zugrunde zu legen sind.
Ein Gesellschafter der Bfin. hatte durch einheitlichen Vertrag vom 14. Juni 1955 zum Zwecke der Kiesausbeute mehrere Parzellen von verschiedenen Eigentümern unter Eintragung einer beschränkten persönlichen Dienstbarkeit gegen Zahlung eines laufenden Förderzinses je cbm oder t gepachtet und das Ausbeuterecht in das Betriebsvermögen der Bfin. alsbald eingebracht. Daneben nahm auch noch ein eigenes Grundstück an dem Ausbeutevorhaben teil. Der Pachtvertrag läuft auf unbestimmte Zeit und findet bei Erschöpfung des Vorkommens sein Ende. Der Pächter unterliegt bei der Ausbeute keinen Beschränkungen und kann das Ausbeuterecht auf einen Dritten übertragen. Das Finanzamt stellte durch vorläufigen Bescheid den Einheitswert der Gewerbeberechtigung auf den 1. Januar 1956 auf 600.000 DM fest und rechnete ihn der Bfin. zu. Auf den Einspruch wegen der Höhe des Einheitswertes wurde der Bescheid nach § 94 AO zurückgenommen. Danach erging ein neuer Bescheid, der den Einheitswert des Kiesausbeuterechts unter Zugrundelegung der Richtlinien der Oberfinanzdirektion Köln über die Bewertung von Sand- und Kiesvorkommen vom 28. Juli 1937 auf 170.000 DM feststellte, und zwar auf den 1. Januar 1957. Das Finanzamt ging bei Berechnung des Richtsatzes von dem an sich betragsmäßig nichtstreitigen Durchschnittspreise für Kies im Jahre 1957 von 6 DM je cbm aus. Die Bfin. griff mit der Sprungberufung diesen Richtsatz an. Sie beantragte für die Bewertung der Gewerbeberechtigung die Anwendung des § 3 a der Durchführungsverordnung zum Bewertungsgesetz (BewDV), da es sich um "Grundbesitz" handle. Es seien daher die Wertverhältnisse vom 1. Januar 1935 als dem letzten Hauptfeststellungszeitpunkte zugrunde zu legen.
Die Berufung blieb ohne Erfolg. Das Finanzgericht führte aus, eine Gewerbeberechtigung falle nicht unter den Begriff des Grundbesitzes und sei daher nach den Wertverhältnissen des Nachfeststellungszeitpunktes zu bewerten.
Mit der Rb. begehrt die Bfin. erneut für die Gewerbeberechtigung unter Bezugnahme auf § 11 des Bewertungsgesetzes (BewG) die unmittelbare oder mittelbare Anwendung des § 3 a BewDV.
Entscheidungsgründe
Die Rb. ist unbegründet.
Das Ausbeuterecht von Kies ist eine Gewerbeberechtigung im Sinne des § 58 BewG. Ihr bewertungsfähiger
Inhalt ist nicht das Grundstück als solches oder das Mineralvorkommen als Bestandteil des Grund und Bodens, sondern das Recht auf Ausbeute des Kieses, für dessen Bewertung das Kiesvorkommen nur ein Berechnungsfaktor ist (vgl. Urteil des Bundesfinanzhofs III 242/59 S vom 22. Juli 1960, BStBl 1960 III S. 420, Slg. Bd. 71 S. 454).
In der Regel ist eine Gewerbeberechtigung dem Eigentümer und nicht dem Pächter zuzurechnen, es sei denn, daß letzterer wirtschaftlicher Eigentümer ist, weil ihm durch langfristigen und bedingungsfreien Vertrag unter Ausschaltung der Verfügung des Verpächters die Befugnis zur vollen Ausbeute des vorhandenen abbaufähigen Minerals übertragen ist (vgl. Urteil des Bundesfinanzhofs III 242/59 S. a. a. O.). Letzteres ist hier der Fall. Es ist daher zutreffend, daß die Gewerbeberechtigung der Bfin. als der ausbeutenden Firma voll zugerechnet wird.
Die Nachfeststellung der Gewerbeberechtigung erfolgte zunächst auf den 1. Januar 1956, dann in dem hier angegriffenen neuen Feststellungsbescheide auf den 1. Januar 1957, obwohl in dem Einspruchsverfahren, das zur Aufhebung des ersten vorläufigen Einheitswertbescheides führte, nicht der Stichtag, sondern nur der Betrag des Einheitswertes, der Gewerbeberechtigung beanstandet worden war. Das Finanzamt wird die Frage der Zurechnung auf den 1. Januar 1956, die nicht Gegenstand des vorliegenden Rechtsstreites ist, noch zu prüfen haben. Die hier streitige Nachfeststellung beruht auf § 23 Abs. 1 Ziff. 1 BewG; nach § 23 Abs. 2 BewG werden der Nachfeststellung die Verhältnisse des Nachfeststellungszeitpunktes zugrunde gelegt. Diese Bestimmung bezieht sich bei einer Gewerbeberechtigung auch auf die Wertverhältnisse; denn die Ausnahmebestimmung des § 3 a BewDV, die Wertverhältnisse vom 1. Januar 1935 bei einer Nachfeststellung zugrunde zu legen, bezieht sich nur auf die Einheitswerte für den "Grundbesitz". Das Mineralgewinnungsrecht fällt nicht unter die Begriffe Grundbesitz, Grundstück oder Grundvermögen. Beim Mineralgewinnungsrechte ist nicht der Grund und Boden oder das Mineral als Bestandteil des Grundstückes, sondern das Recht auf Ausbeute zu bewerten, und zwar mit dem gemeinen Werte (§ 58 Abs. 4 BewG). Dieser ist sinngemäß nach der Begriffsbestimmung des § 10 BewG auf den Stichtag abzustellen (vgl. hierzu Urteil des Bundesfinanzhofs III 78/55 U vom 17. August 1956, BStBl 1956 III S. 297, insbesondere S. 298, rechte Spalte, erster Absatz, Slg. Bd. 63 S. 256). Aus § 51 Abs. 4 und § 58 Abs. 2 BewG ergibt sich, daß Gewerbeberechtigungen nicht zum Grundvermögen gehören und nicht als Betriebsgrundstücke gelten. Eine andere Form der Zugehörigkeit zum "Grundbesitz" kommt nach den Bestimmungen des Zweiten Teiles des BewG überhaupt nicht in Betracht. Eine Eintragung der Berechtigung im Grundbuche ändert an dieser Rechtslage nichts (§ 58 Abs. 2 BewG). Die Gewerbeberechtigung gehört zum Betriebsvermögen, für dessen Bewertung der Nachfeststellungszeitpunkt maßgebend ist. Aus § 11 BewG läßt sich die Anwendung des § 3 a BewDV für Gewerbeberechtigungen nicht herleiten. Der Erste Teil des BewG, zu dessen allgemeinen Bewertungsvorschriften § 11 gehört, findet nur insoweit Anwendung, als die besonderen Vorschriften des Zweiten Teiles nicht entgegenstehen (§ 1 BewG). § 11 BewG dient der allgemeinen Abgrenzung des Grundbesitzes bei seiner Bewertung von anderen Wirtschaftsgütern. Er hat keine große Bedeutung, da der Zweite Teil des BewG für den Begriff, die Einteilung und die Abgrenzung des Grundbesitzes besondere Bestimmungen enthält. Da danach eine Gewerbeberechtigung im Inlande weder dem Grundvermögen noch den Betriebsgrundstücken zuzurechnen ist, erübrigt sich ein weiteres Eingehen auf den nicht anwendbaren § 11 BewG, gleichgültig, welche Auslegung der dort verwendete Begriff "Grundbesitz" erfährt.
Die Zugrundelegung der Wertverhältnisse vom 1. Januar 1935 läßt sich auch nicht aus den bereits oben genannten Richtlinien der Oberfinandirektion Köln vom 28. Juli 1937 (Schlenkhoff, Handbuch der Einheitsbewertung und Vermögensteuer, Bd. II S. 161), die von den Durchschnittspreisen 1934 (Abs. V, 2) ausgehen, herleiten. Die Richtlinien sind keine Rechtsverordnung, sondern eine Verwaltungsanordnung. Sie haben zwar eine gewisse tatsächliche Bedeutung (vgl. Urteil des Reichsfinanzhofs III 97/37 vom 19. Januar 1939, RStBl 1939 S. 684), sind aber durch die Steuergerichte nur insoweit anzuwenden, als sie sich im Rahmen des Gesetzes halten. Hier würde die Zugrundelegung der Wertverhältnisse vom 1. Januar 1935 für eine Gewerbeberechtigung gegen die gesetzliche Regelung verstoßen, Betriebsvermögen, abgesehen von den Betriebsgrundstücken, nach den Verhältnissen des Nachfeststellungszeitpunktes zu bewerten. Das Finanzamt war daher zur Aufrechterhaltung der Gesetzmäßigkeit berechtigt, eine entsprechende Korrektur der Richtlinien vorzunehmen, ohne gegen den Grundsatz der Gleichmäßigkeit der Besteuerung zu verstoßen, selbst wenn in anderen Fällen unrichtig verfahren sein sollte. Der Gleichheitsgrundsatz kann nicht dazu führen, einen Fehler dauernd beizubehalten.
Fundstellen
Haufe-Index 409936 |
BStBl III 1961, 122 |
BFHE 1961, 323 |
BFHE 72, 323 |