Leitsatz (amtlich)
Die Feststellung, ob und in welcher Höhe eine Personengesellschaft als Arbeitgeberin ihren Arbeitnehmern vermögenswirksame Leistungen gewährt hat, ist notwendig im einheitlichen Gewinnfeststellungsverfahren zu treffen. Ist die Feststellung unterblieben, so kann sie in einem Ergänzungsbescheid nachgeholt werden (§ 216 Abs. 2 AO; § 179 Abs. 3 AO 1977).
Normenkette
AO § 216 Abs. 2; 2. VermBG § 14
Tatbestand
Streitig ist, ob in einem bestandskräftigen Gewinnfeststellungsbescheid für 1968 notwendige Feststellungen über die von der Klägerin erbrachten vermögenswirksamen Leistungen i. S. von § 14 des Zweiten Vermögensbildungsgesetzes (2. VermBG) vom 1. Juli 1965 (BGBl I 1965, 585, BStBl I 1965, 346) unterblieben sind und diese Feststellungen gemäß § 216 Abs. 2 der Reichsabgabenordnung (AO) in einem Ergänzungsbescheid nachgeholt werden können.
Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin) ist eine Gesellschaft des bürgerlichen Rechts (GdbR), zu der sich die Eheleute X zum gemeinsamen Betrieb einer Zahnarztpraxis zusammengeschlossen haben. Am Gewinn und Verlust sind beide Gesellschafter je zur Hälfte beteiligt.
In ihrer Erklärung zur einheitlichen und gesonderten Feststellung des Gewinns für das Kalenderjahr 1968 (Erklärungsvordruck ESt 1 B) erklärte die Klägerin im Abschn. "D. Steuervergünstigungen" unter Nr. 3, sie habe als Arbeitgeberin im Kalenderjahr 1968 vermögenswirksame Leistungen nach dem Zweiten Vermögensbildungsgesetz in Höhe von 736 DM gewährt; die Leistungen seien allen Arbeitnehmern angeboten worden. Die weiteren einschlägigen Fragen des Erklärungsvordrucks, so die Frage nach der Zahl der beschäftigten Arbeitnehmer und die Frage nach der Aufteilung des Ermäßigungsbetrags auf die Gesellschafter (Rubrik 20 der Anlage ESt 1, 2, 3 B zur Feststellungserklärung) ließ die Klägerin unbeantwortet.
Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt - FA -) erließ am 11. Juni 1970 einen einheitlichen Gewinnfeststellungsbescheid 1968. Ausdrückliche Erklärungen über die Gewährung von vermögenswirksamen Leistungen enthielt der Bescheid nicht; insbesondere waren in den Erläuterungen, in welchen Punkten die Feststellung von der Erklärung abweicht, die vermögenswirksamen Leistungen nicht erwähnt.
Die Klägerin legte gegen diesen Bescheid innerhalb der Einspruchsfrist keinen Rechtsbehelf ein. Die Eheleute X erhoben jedoch gegen ihren Einkommensteuerbescheid 1968 Einspruch, weil darin keine Steuerermäßigung wegen der von ihnen als Gesellschafter der Klägerin erbrachten vermögenswirksamen Leistungen berücksichtigt sei. Nachdem das FA in diesem Einspruchsverfahren die Auffassung vertreten hatte, die Steuerermäßigung für die vermögenswirksamen Leistungen müsse im Gewinnfeststellungsbescheid festgestellt werden, dieser sei jedoch für 1968 bereits bestandskräftig, beantragte die Klägerin, den Gewinnfeststellungsbescheid 1968 wegen offenbarer Unrichtigkeit gemäß § 92 Abs. 2 AO in der Weise zu berichtigen, daß die Steuerermäßigung für die vermögenswirksamen Leistungen festgestellt werde.
Das FA lehnte diesen Antrag ab (Bescheid vom 4. Dezember 1970).
Hiergegen erhob die Klägerin nach erfolglosem Einspruch Klage. Das Finanzgericht (FG) entschied, daß das FA verpflichtet sei, im Wege der Ergänzungsfeststellung darüber zu entscheiden, in welcher Höhe die Klägerin vermögenswirksame Leistungen nach dem Zweiten Vermögensbildungsgesetz erbracht habe und wie sich diese Beträge auf die Gesellschafter verteilten. Das FG war der Auffassung, es könne dahingestellt bleiben, ob der Gewinnfeststellungsbescheid 1968 wegen Vorliegens einer offenbaren Unrichtigkeit nach § 92 Abs. 2 AO berichtigt werden könne. Die Klägerin habe jedenfalls Anspruch auf eine Feststellung der vermögenswirksamen Leistungen im Wege einer Ergänzungsfeststellung nach § 216 Abs. 2 AO.
Mit der Revision, die das FG zuließ, beantragt das FA, das angefochtene Urteil aufzuheben und die Klage abzuweisen. Das FA rügt eine Verletzung des § 216 AO.
Die Klägerin beantragt sinngemäß, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist nicht begründet.
Zu Recht ist das FG davon ausgegangen, daß der Antrag der Klägerin, der seinem Wortlaut nach auf eine Verpflichtung des FA zur Berichtigung des Gewinnfeststellungsbescheids 1968 auf der Rechtsgrundlage des § 92 Abs. 2 AO gerichtet war, unter Berücksichtigung der Interessen der Klägerin dahin zu verstehen war, daß das FA verpflichtet werden solle, einen Ergänzungsbescheid nach § 216 Abs. 2 AO zu erlassen. Zutreffend hat das FG auch bejaht, daß die Voraussetzungen des § 216 Abs. 2 AO für einen Ergänzungsbescheid erfüllt sind.
Nach § 216 Abs. 2 AO (s. jetzt § 179 Abs. 3 der Abgabenordnung - AO 1977 -) ist eine Feststellung, die notwendig in einem Feststellungsbescheid zu treffen ist ("solche Feststellung" bzw. "notwendige Feststellung") und deren Feststellung unterblieben ist, in einem Ergänzungsbescheid nachzuholen. Zu Recht geht die Vorentscheidung davon aus, daß die Vorschrift nicht die Bestandskraft eines ergangenen Feststellungsbescheids durchbricht, sondern nur gestattet, einen lückenhaften Feststellungsbescheid zu vervollständigen (z. B. Kühn/Kutter, Abgabenordnung, 12. Aufl., § 179 Anm. 6).
1. Der Vorentscheidung ist darin beizupflichten, daß die Feststellung, ob und in welcher Höhe eine Personengesellschaft als Arbeitgeberin ihren Arbeitnehmern vermögenswirksame Leistungen i. S. des § 14 des 2. VermBG gewährt hat und wie die sich hieraus ergebende Steuerermäßigung auf die einzelnen Gesellschafter aufzuteilen ist, notwendig im einheitlichen Gewinnfeststellungsverfahren zu treffen ist.
Nach § 14 Abs. 1 Satz 3 des 2. VermBG ermäßigt sich für vermögenswirksame Leistungen, die eine OHG, eine KG oder eine andere Gesellschaft, bei der die Gesellschafter als Unternehmer (Mitunternehmer) anzusehen sind, ihren Arbeitnehmern gewährt, die Einkommensteuer oder Körperschaftsteuer für alle Gesellschafter zusammen um höchstens 800 DM. "Die Aufteilung der Steuerermäßigung auf die einzelnen Gesellschafter richtet sich nach dem Verhältnis ihrer Gewinnanteile in dem Wirtschaftsjahr, das im Veranlagungszeitraum endet" (§ 14 Abs. 1 Satz 4 des 2. VermBG). Die danach erforderliche Aufteilung auf die Gesellschafter setzt voraus, daß einheitlich mit Verbindlichkeit für alle Gesellschafter festgestellt wird, wie hoch die gesamte Steuerermäßigung, d. h. der von der Tarifsteuer abzuziehende Steuerbetrag insgesamt, ist. Es kann insoweit für die Steuerermäßigung nach § 14 Abs. 1 des 2. VermBG nichts anderes gelten als für die Investitionsprämie nach § 32 des Kohlegesetzes - KohleG - (dazu Urteil des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 21. August 1974 I R 251/73, BFHE 114 140, BStBl II 1975, 219).
Wenn § 216 Abs. 2 AO (§ 179 Abs. 3 AO 1977) voraussetzt, daß die nachzuholende Feststellung notwendig in einem Feststellungsbescheid zu treffen ist, so besagt dies nur, daß darüber im Feststellungsverfahren und nicht erst bei der Einkommensteuerveranlagung der Gesellschafter zu befinden ist, nicht hingegen, daß die Feststellung für einen Feststellungsbescheid begriffsnotwendig ist, also jedem Feststellungsbescheid wesenseigen ist, wie etwa die Feststellung eines Gewinnes oder Verlustes in bestimmter Höhe. Dabei kann auf sich beruhen, ob, wie die Revision meint, § 216 Abs. 2 AO sich nur auf solche Feststellungen bezieht, ohne die der übrige Inhalt des Feststellungsbescheids nicht einwandfrei vollziehba ist. Auch wenn man hiervon ausgeht, steht dies eine Anwendung der Vorschrift im Streitfall nicht entgegen. Denn wenn, wie die Revision meint, z. B. ein Gewinnfeststellungsbescheid, der keine Feststellung enthält, daá der Gewinn aufgrund ordnungsmäßiger Buchführung ermittelt ist, insofern nicht vollziehbar und deshalb gemäß § 216 Abs. 2 AO ergänzungsfähig ist, als einem Gesellschafter, der z. B. die Steuerbegünstigung des § 10a des Einkommensteuergesetzes (EStG) beantragt, bei der Einkommensteuerveranlagung diese Vergünstigung nicht gewährt werden kann, so gilt für einen Gewinnfeststellungsbescheid, der keine Feststellung enthält, daß die Gesellschaft vermögenswirksame Leistungen erbracht hat, nichts anderes: Den Gesellschaftern kann bei der Einkommensteuerveranlagung kein Abschlag von der sich nach dem Tarif ergebenden Steuer zugebilligt werden.
2. Der Vorentscheidung ist ferner darin zuzustimmen daß im Streitfall der bestandskräftige Gewinnfeststellungsbescheid 1968 weder eine (positive) Feststellung bestimmter vermögenswirksamer Leistungen und eine sich hieraus errechnenden Steuerermäßigung noch eine Ablehnung einer solchen Feststellung enthält und demnach eine notwendig im Gewinnfeststellungsverfahren zu treffende Feststellung "unterblieben" ist.
Die Vorentscheidung hat insoweit ausgeführt, eine ablehnende Feststellung wäre nur dann getroffen worden, wenn in der Rubrik "vermögenswirksame Leistungen des Feststellungsbescheids ein Betrag mit null DM festgestellt worden wäre. Dem ist mit der Maßgabe beizupflichten, daß eine ablehnende Feststellung ferner getroffen worden ist, wenn für den Steuerpflichtigen auf Grund besonderer Umstände (z. B. einer vorangegangenen Auseinandersetzung mit dem FA) nicht zweifelhaft sein kann, daß das FA eine Ablehnung der Feststellung erklären wollte, insbesondere wenn im Rahmen der Erläuterungen, in welchen Punkten der Feststellungsbescheid von der Erklärung abweicht, die vermögenswirksamen Leistungen erwähnt sind.
Wenn die Revision einwendet, in der Nichtausfüllung der entsprechenden Zeile im Feststellungsbescheid 1968 sei ebenso eine Ablehnung der Feststellung zu sehen, als wenn das FA die Zeile mit null DM markiert hätte so kann dem der Senat nicht folgen. Zu Unrecht meint die Revision, die Sache liege nicht anders, als wenn in einem Steuerbescheid ein von den Einkünften oder dem Einkommen oder der Tabellensteuer abzugsfähiger Betrag einfach weggelassen werde. Während nämlich in diesen Fällen sich das Weglassen des als abzugsfähig geltend gemachten Betrags unmittelbar auf den zu versteuernden Einkommensbetrag und damit auf die Höhe der festzusetzenden Steuer auswirkt und sich in dieser durch höhere Steuerfestsetzung niederschlägt, fehlt es hieran im Streitfall, weil einerseits nur ein bestimmter Gewinn oder Verlust, also eine Besteuerungsgrundlage, andererseits aber ein bestimmter negativer Steuerbetrag, d. h. ein von der Steuerschuld abzuziehender Betrag, festzustellen und auf die Gesellschafter aufzuteilen ist. Zwischen diesen beiden Positionen besteht auch kein gegenseitiges Abhängigkeitsverhältnis in dem Sinne, daß der Ansatz des einen Betrags notwendigerweise den Ansatz des anderen Betrags ausschließt, so wie ein solches Abhängigkeitsverhältnis etwa zwischen dem laufenden Gewinn und dem Veräußerungsgewinn besteht mit der Folge, daß der Ansatz des gesamten Gewinns einer Personengesellschaft beim laufenden Gewinn notwendig die Ablehnung der Feststellung eines Teils dieses Gewinns als Veräußerungsgewinn umfaßt (dazu BFH-Urteil vom 26. November 1975 I R 44/74, BFHE 117, 539, BStBl II 1976, 304). Die vorstehend entwickelte Auffassung führt zu der auch von der Revision für erforderlich gehaltenen verfahrensrechtlichen Gleichbehandlung vermögenswirksamer Leistungen nach § 14 des 2. VermBG und der Investitionsprämie nach § 32 KohleG. Denn für diese geht das BFH-Urteil I R 251/73 offensichtlich davon aus, daß ein Gewinnfeststellungsbescheid keine Ablehnung einer Investitionsprämie enthält, wenn er sich nicht mit dieser in irgendeiner Form auseinandersetzt. Das BFH-Urteil vom 22. September 1977 IV R 120/73 (BFHE 123, 467, BGBl II 1978, 152) betrifft einen anderen, mit dem Streitfall nicht vergleichbaren Sachverhalt.
Schließlich kann auch der Gesichtspunkt, Einzelunternehmer und Gesellschafter einer Personengesellschaft müßten verfahrensrechtlich gleichbehandelt werden, nicht zu dem von der Revision erstrebten Ergebnis führen. Es ist eine unvermeidliche, vom Gesetz im Interesse der Praktikabilität in Kauf genommene Folge der selbständigen Feststellung von Besteuerungsgrundlagen, daß diese im Vergleich zur Berücksichtigung der Besteuerungsgrundlagen als unselbständiger Bestandteil der Steuerfestsetzung sowohl Vorteile wie Nachteile für die Steuerpflichtigen mit sich bringen kann.
Fundstellen
BStBl II 1978, 479 |
BFHE 1979, 29 |