Entscheidungsstichwort (Thema)

Wertfortschreibung wegen des Wegfalls der Grundsteuervergünstigung

 

Leitsatz (NV)

1. Der Wegfall der Grundsteuervergünstigung bewirkt eine Änderung der tatsächlichen Verhältnisse, die nach Maßgabe des § 22 Abs. 1 Nr. 1 BewG dem Grunde nach zu einer Wertfortschreibung führt.

2. Ausgangspunkt für die Wertfindung muß die Schätzung der üblichen Miete in Anlehnung an die Jahresrohmiete sein, die für Räume gleicher oder ähnlicher Art, Lage oder Ausstattung am 1. Januar 1964 regelmäßig gezahlt wurde.

 

Normenkette

BewG §§ 22, 27, 30, 79

 

Verfahrensgang

FG Rheinland-Pfalz

 

Tatbestand

Die Kläger, Eheleute, sind Eigentümer eines im Jahre 1965 mit einem bezugsfertigen Einfamilienhaus bebauten Grundstücks, das sie allein bewohnen. Im Wege der Nachfeststellung auf den 1. Januar 1974 wurde der Einheitswert unter Berücksichtigung der Grundsteuervergünstigung auf 48 500 DM festgestellt. Der Einspruch gegen diese Feststellung wurde zurückgenommen unter gleichzeitiger Stellung des Antrags, dem künftigen Fortfall der Grundsteuervergünstigung durch Herabsetzung des Einheitswerts Rechnung zu tragen. Der Grundsteuermeßbetrag war um 1. Januar 1974 auf 4 DM festgesetzt worden. Nach Auslaufen der Grundsteuervergünstigung wurde er im Wege der Neuveranlagung auf den 1. Januar 1976 auf 126,10 DM erhöht.

Den Antrag der Kläger, den Einheitswert auf den 1. Januar 1976 herabzusetzen, lehnte das Finanzamt (FA) mit Bescheid vom 14. Februar 1984 ab, weil die Wertgrenzen des § 22 Abs. 1 des Bewertungsgesetzes (BewG) nicht erreicht würden. Die entsprechend dem Mietspiegel angesetzte Miete für grundsteuerbegünstigte Einfamilienhäuser zum 1. Januar 1964 sei wegen der Mehrbelastung an Grundsteuer nach Wegfall der Begünstigung um pauschal 2 v. H. zu erhöhen. Der Einspruch blieb erfolglos.

Mit der Klage begehrten die Kläger außer der Aufhebung des Ablehnungsbescheids vom 14. Februar 1984 und der Einspruchsentscheidung auch die Aufhebung des Einheitswertbescheids auf den 1. Januar 1974 sowie den Ausspruch der Verpflichtung des FA zur Neufestsetzung des Einheitswerts; das Finanzgericht (FG) hat die Klage abgewiesen. Hinsichtlich der Einheitswertfeststellung auf den 1. Januar 1974 mangele es an der Prozeßvoraussetzung der ganz oder teilweise erfolglosen Durchführung eines außergerichtlichen Vorverfahrens. Im übrigen bestünden keine Bedenken dagegen, wenn das FA den infolge Wegfalls der Grundsteuervergünstigung entfallenden Zuschlag in Höhe von 12 v. H. durch einen Mietzuschlag in Höhe von 2 v. H. ersetze.

Mit der Revision verfolgen die Kläger ihr Klagebegehren weiter.

 

Entscheidungsgründe

Soweit sich die Revision der Kläger gegen die Abweisung der Klage bezüglich der Einheitswertfeststellung auf den 1. Januar 1974 richtet, ist sie unbegründet. Die im übrigen begründete Revision führt in diesem Umfang zur Aufhebung des angefochtenen Urteils sowie zur Zurückverweisung der Sache an das FG zu anderweitiger Verhandlung und Entscheidung.

1. Die Einheitswertfeststellung auf den 1. Januar 1974 ist - entgegen der Auffassung der Kläger - durch Zurücknahme des ursprünglich gegen den Feststellungsbescheid eingelegten Einspruchs unanfechtbar geworden und damit einer gerichtlichen Überprüfung entzogen.

2. Nach § 22 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 4 BewG findet beim Grundbesitz wegen Änderung der tatsächlichen Verhältnisse eine Wertfortschreibung statt, wenn der nach § 30 BewG abgerundete Wert, der sich auf den Beginn eines Kalenderjahres ergibt, vom Einheitswert des letzten Feststellungszeitpunkts in einem in § 22 Abs. 1 Nr. 1 BewG näher beschriebenen Ausmaß nach unten abweicht. Einer Fortschreibung sind nach § 27 BewG die Wertverhältnisse im Hauptfeststellungszeitpunkt (1. Januar 1964) zugrunde zu legen (vgl. auch § 79 Abs. 5 BewG).

a) Der Wegfall der Grundsteuervergünstigung bewirkt eine Änderung der tatsächlichen Verhältnisse, die - bei Erreichen der Wertgrenzen des § 22 Abs. 1 Nr. 1 BewG - dem Grunde nach zu einer Wertfortschreibung führt. Das hat der Senat bereits in seinem Urteil vom 15. Oktober 1986 II R 230/81 (BFHE 148, 174, BStBl II 1987, 201) ausgeführt, auf das er zur Vermeidung von Wiederholungen Bezug nimmt.

b) In derselben Entscheidung hat der Senat bereits ausgeführt, daß er die auch dem angefochtenen Urteil zugrunde liegende Auffassung nicht teilt, die nach Wegfall der Grundsteuervergünstigung anzusetzende Jahresrohmiete sei allgemein um die Grundsteuerbelastung zu erhöhen, und zwar stets durch einen Pauschalzuschlag. Ausgangspunkt für die Wertfindung muß vielmehr die Schätzung der üblichen Miete in Anlehnung an die Jahresrohmiete sein, die für Räume gleicher oder ähnlicher Art, Lage oder Ausstattung am 1. Januar 1964 regelmäßig gezahlt wurde (§ 79 Abs. 2 Satz 2 BewG). Dabei kann nicht ohne weiteres von der im vorhergehenden Feststellungsbescheid zugrunde gelegten Miete für grundsteuerbegünstigten Wohnraum ausgegangen werden, weil sich diese Miete auf einen tatsächlich nicht mehr bestehenden Zustand des Grundstücks bezieht. Vorrangig ist vielmehr von der üblichen Marktmiete im Hauptfeststellungszeitpunkt für nicht grundsteuerbegünstigte Wohnungen auszugehen.

c) Die Sache ist nicht spruchreif. Das FG wird Feststellungen dazu zu treffen haben, ob die der Wertfeststellung auf den 1. Januar 1974 zugrunde liegende Jahresrohmiete eine übliche Miete nur für grundsteuerbegünstigte Wohnungen war oder ob es sich um eine allgemein übliche (auch) für nicht grundsteuerbegünstigte Wohnungen gezahlte Marktmiete handelte. Im letzteren Fall wäre eine Erhöhung der Miete wegen Wegfalls der Grundsteuerbegünstigung nicht denkbar. Im erstgenannten Fall bedarf es der Mietschätzung nach den Wertverhältnissen zum 1. Januar 1964. Wegen der Einzelheiten nimmt der Senat auf sein bereits zitiertes Urteil in BFHE 148, 174, BStBl II 1987, 201 unter 3. b) Bezug.

 

Fundstellen

Haufe-Index 415728

BFH/NV 1989, 215

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