Entscheidungsstichwort (Thema)
Einkommensteuer, Lohnsteuer, Kirchensteuer
Leitsatz (amtlich)
Zuschüsse, die ein Elektrizitätsversorgungsunternehmen aus Anlaß der Stromumstellung seinen Abnehmern zur Umstellung oder beim Umtausch elektrischer Geräte gewährt, können laufende Betriebsausgaben sein.
Normenkette
EStG § 4/4, § 6/1/2
Tatbestand
Die Beschwerdegegnerin (Bgin.) ist ein Elektrizitätsversorgungsunternehmen, das seinen Abnehmern aus Anlaß der betriebswirtschaftlich notwendig gewordenen Stromumstellung in den Jahren 1949 bis 1952 Zuschüsse zur Umstellung von Motoren und Geräten und beim Umtausch von Lampen, Glühbirnen und ähnlichen Gegenständen gewährte. Streitig ist, ob diese Zuschüsse in den Jahren der Zahlung als laufende Betriebsausgaben behandelt werden dürfen.
Das Finanzamt vertritt die Auffassung, daß die Zuschüsse zu dem durch die Stromumstellung veranlaßten Herstellungsaufwand gehörten und auf dem Anlagekonto des Leitungsnetzes aktiviert werden müßten. Die Bgin. dagegen sieht in den Zuschüssen laufende Betriebsaufwendungen, die durch eine sich auf viele Jahre erstreckende Umstellung notwendig geworden seien. Mit diesen Zuschüssen, die in den Jahren 1949 bis 1952 im Durchschnitt nicht mehr als 0,25 v. H. des Jahresumsatzes und je Abnehmer nur etwa 8,27 DM betragen hätten, habe sie einmal in ihrem Ausgang ungewisse Rechtsstreitigkeiten vermeiden und außerdem für eine günstige Stimmung ihrer Abnehmer und eine Vermehrung des künftigen Umsatzes (Werbemaßnahmen) sorgen wollen. Zwischen den Kosten des Leitungsnetzes und den Zuschüssen bestünde kein ursächlicher Zusammenhang, weil in vielen Fällen trotz Stromumstellung keine Veränderungen oder Erneuerungen am Leitungsnetz erforderlich seien.
Das Finanzgericht schloß sich der Auffassung der Bgin. an. Es verneinte zwar nicht den ursächlichen Zusammenhang zwischen den durch die Umstellung bedingten und tatsächlich vorgenommenen baulichen Veränderungen am Leitungsnetz und den Zuschüssen, legte jedoch entscheidenden Wert darauf, daß sich die Notwendigkeit der Zuschüsse aus den zwischen der Bgin. und ihren Abnehmern bestehenden Vertragsverhältnissen ergebe und deshalb nur im Rahmen dieser Verträge Bedeutung habe. Sowohl unter dem Gesichtspunkt des vergleichsweise geleisteten Schadenersatzes aus den bezeichneten Verträgen als auch unter dem Gesichtspunkt einer Werbemaßnahme komme eine Aktivierung der Zuschüsse nicht in Frage.
Entscheidungsgründe
Die Rechtsbeschwerde (Rb.) des Vorstehers des Finanzamts ist nicht begründet.
Die Auffassung des Finanzgerichts, daß die Zuschüsse schon deshalb nicht zu den Herstellungskosten des Leitungsnetzes gehören könnten, weil sie in den Lieferungsverträgen der Bgin. mit ihren Abnehmern ihre Grundlage fänden, ist in dieser allgemeinen Fassung nicht bedenkenfrei. Der Begriff der Anschaffungs- und Herstellungskosten im Sinne des § 6 des Einkommensteuergesetzes (EStG) ist nicht eng aufzufassen. Zu ihnen gehören alle Aufwendungen, die in einem sachlichen Zusammenhang mit der Anschaffung oder Herstellung stehen (Urteil des Bundesfinanzhofs I 82/56 U vom 14. August 1956, Slg. Bd. 63 S. 322, Bundessteuerblatt - BStBl - 1956 III S. 321). Ob es sich dabei um Aufwendungen, die bei betriebswirtschaftlicher und technischer Betrachtung dem Herstellungsvorgang unmittelbar zugerechnet werden können, oder um solche Aufwendungen handelt, die in schon bestehenden Verträgen ihre Grundlage finden, macht dann keinen Unterschied, wenn ein ausreichender sachlicher Zusammenhang zwischen den Aufwendungen und der Anschaffung und der Herstellung besteht. Diese Voraussetzungen liegen aber nicht vor.
Die Stromumstellung war ein betriebstechnischer Vorgang, der im Interesse der Sicherung des künftigen Absatzes und der rationellen und ertragreichen Gestaltung des Stromabsatzes notwendig wurde. Die Durchführung dieser Maßnahme erforderte verschiedenartige technische und sonstige Aufwendungen, die teils Anschaffungskosten neuer Wirtschaftsgüter (z. B. bei den Transformatoren), teil Herstellungsaufwand bei vorhandenen Wirtschaftsgütern (z. B. bei änderungen am Leitungsnetz) und teils Ausgaben mit Rücksicht auf die bestehenden Abnehmerverträge ( z. B. die Zuschüsse ) sein können. Die letzten Aufwendungen wären zwar nicht entstanden, wenn z. B. die Transformatoren nicht ausgewechselt oder das Leitungsnetz nicht den betriebstechnischen Notwendigkeiten entsprechend geändert worden wäre. Sie haben ihre Grundlage aber nicht in diesen änderungen, sondern in der Stromumstellung und können deshalb den Herstellungskosten der Leitungsnetze ebensowenig wie etwa den durch die Auswechslung der Transformatoren entstandenen Anschaffungs- oder Herstellungskosten zugerechnet werden. Das zeigt sich, wenn durch die Umstellung beim Leitungsnetz keine Aufwendungen entstehen, was technisch denkbar ist. Die Zuschüsse sind also eine ursächliche Folge der Umstellung, nicht aber der ebenso auf der Umstellung beruhenden Veränderung am Leitungsnetz oder der notwendigen Anschaffung von Transformatoren. Eine Aktivierung auf dem Leitungsnetz kommt demnach nicht in Betracht. Die Umstellungskosten sind, soweit es sich um Zuschüsse handelt, ihrer Natur nach wegen der engen Verbindung zu den laufenden Abnehmerverträgen Vertriebskosten und keine Anschaffungs- oder Herstellungskosten. Damit ist aber die Frage nicht entschieden, ob durch die Aufwendungen ein Wirtschaftsgut im Sinne des § 6 EStG geschaffen worden ist, das mit seinen Anschaffungs- oder Herstellungskosten aktiviert werden muß.
Es entspricht der feststehenden aus den Grundsätzen des Einkommensteuerrechts und der dynamischen Bilanzbetrachtung hergeleiteten Rechtsprechung, daß Aufwendungen grundsätzlich den Jahren zugerechnet werden, zu denen sie wirtschaftlich gehören und auf deren Ertrag sie sich auswirken. Macht der Kaufmann einmalige, eindeutig und klar abgrenzbare Aufwendungen, die sich erkennbar aus den laufenden Aufwendungen hervorheben und erst auf den Ertrag der Folgezeit auswirken, so schafft er damit in der Regel ein steuerlich selbständig bewertbares Wirtschaftsgut, das in einem aktiven Rechnungsabgrenzungsposten in Erscheinung treten muß (z. B. Urteil des Bundesfinanzhofs IV 510/53 U vom 25. August 1955, Slg. Bd. 61 S.284, BStBl 1955 III S.307). Das durch solche Aufwendungen geschaffene Wirtschaftsgut muß aber abgrenzbar und faßbar sein, was sich u. a. darin zeigt, daß es auch von einem gedachten Erwerber des ganzen Betriebes bei der Bemessung des Kaufpreises als solches berücksichtigt werden würde (vgl. Urteil des Bundesfinanzhofs IV 255/53 U vom 28. Januar 1954, Slg. Bd. 58 S. 516, BStBl 1954 III S. 109). Bestehen in dieser Hinsicht Zweifel und lassen sich die Auswirkungen einer Aufwendung auf den künftigen Ertrag nicht bestimmen, so führt das die Grundsätze ordnungsmäßiger Buchführung beherrschende Verbot, die Vermögensverhältnisse günstiger darzustellen, als sie tatsächlich sind, auch steuerlich zu dem Ergebnis, daß hinsichtlich der Aktivierung eine besondere Vorsicht geboten ist und dem Kaufmann ein Spielraum bei der bilanzmäßigen Behandlung solcher Aufwendungen eingeräumt werden muß. Die sich aus der dynamischen Bilanzbetrachtung unter den oben bezeichneten Voraussetzungen ergebenden Grundsätze der Aktivierung von Aufwendungen dürfen steuerlich unter dem Gesichtspunkt der richtigen Periodenabgrenzung nicht überspannt werden (Urteil des Bundesfinanzhofs I 82/56 U vom 14. August 1956, Slg. Bd. 63 S. 322, BStBl 1956 III S. 321). Das gilt insbesondere dann, wenn es sich um Aufwendungen handelt, deren Einmaligkeit zweifelhaft ist, die jedenfalls in einem sich über mehrere Jahre erstreckenden Zeitraum alljährlich entstanden sind und die mit laufenden den Vertrieb betreffenden Verträgen in enger Verbindung stehen.
Von diesen Grundsätzen ausgehend tritt der Senat der Auffassung des Finanzgerichts im Ergebnis bei, daß eine Pflicht zur Aktivierung der Zuschüsse auch steuerlich nicht besteht. Es ist nicht möglich, daß die Bgin. die Zuschüsse, soweit sie den Charakter von Werbungsaufwendungen haben, auch mit der Absicht gegeben hat, den Umsatz und die Erträge der folgenden Jahre zu erhöhen. Das ist bis zu einem gewissen Umfang bei jedem Reklame- und Werbungsaufwand der Fall. Daraus kann im vorliegenden Fall aber die Aktivierungspflicht nicht hergeleitet werden, weil die tatsächliche Auswirkung der Zuschüsse auf die zukünftige Entwicklung des Unternehmens zu unbestimmbar ist, um sie von laufenden, regelmäßig wiederkehrenden Aufwendungen aus den Lieferungsverträgen abgrenzen zu können, und weil es zweifelhaft erscheint, ob ein Erwerber des ganzen Betriebs die vor dem Kaufabschluß geleisteten Zuschüsse bei der Bemessung des Kaufpreises berücksichtigen würde. Es besteht die Möglichkeit, daß sich durch die Umstellung und durch die damit verbundene technische Verbesserung und Erhöhung der Leistungsfähigkeit des Betriebs Umsätze und Erträge in den folgenden Jahren in etwa gleicher Weise entwickelt hätten, wenn von der Bgin. keine Zuschüsse gegeben worden wären. Ein Erwerber des ganzen Betriebes wäre nur dann bereit, einen Mehrpreis zu zahlen, wenn besonders günstige Ertragsaussichten bestünden. Das würde sich in der Bezahlung eines Geschäftswerts, nicht aber in der Bezahlung der aktivierten Zuschüsse auswirken. Weder die Feststellungen der Vorbehörden noch der Akteninhalt bieten einen Anhalt für die Annahme, daß durch die im Verhältnis zum Umsatz geringfügigen Zuschüsse ein solcher die Teilwerte übersteigender Mehrwert des Unternehmens geschaffen worden ist, wobei es dahingestellt bleiben kann, inwieweit er dann hätte aktiviert werden müssen.
Es darf außerdem nicht unberücksichtigt bleiben, daß die Zuschüsse, wie das Finanzgericht ohne Verstoß gegen den Akteninhalt festgestellt hat, auch den Charakter von Schadenersatzleistungen hatten, die sich aus der Erfüllung der laufenden Lieferungsverträge mit den Abnehmern hätte ergeben können. Die Rechtslage, die jetzt wohl durch das Urteil des Bundesgerichtshofs V III Z R 217/56 vom 30. April 1957 (Neue Juristische Wochenschrift 1957 S. 1106) weitgehend geklärt ist, war in den zur Entscheidung stehenden Veranlagungszeiträumen noch unklar, so daß es verständlich erscheint, daß die Bgin. die Zuschüsse auch zur Vermeidung etwaiger Rechtsstreitigkeiten geleistet hat. Da nicht ersichtlich ist, inwiefern durch solche Aufwendungen im Rahmen der laufenden Lieferungsverträge ein selbständig bewertbares Wirtschaftsgut geschaffen sein sollte, kommt auch unter diesem Gesichtspunkt eine Aktivierung dieser Zuschüsse nicht in Betracht.
Fundstellen
Haufe-Index 408840 |
BStBl III 1957, 350 |
BFHE 1958, 307 |
BFHE 65, 307 |
BB 1957, 919 |