Entscheidungsstichwort (Thema)
Treu und Glauben
Leitsatz (NV)
1. Die Rügen der nichtausreichenden Sachverhaltsaufklärung (§ 76 FGO) und des Verstoßes gegen den Grundsatz des rechtlichen Gehörs (§ 96 Abs. 2 FGO) erfordern eine substantiierte Darlegung des nach Gewährung rechtlichen Gehörs bzw. weiteren Aufklärungsmaßnahmen möglichen Vortrags.
2. Die Rüge allgemeiner Prinzipien, wie z. B. der Grundsätze von Treu und Glauben, erfordert auch die Angabe, in welcher konkreten Ausprägung der Grundsatz verletzt sein soll (§ 120 Abs. 2 Satz 2 FGO).
3. Der Grundsatz von Treu und Glauben wie auch das Prinzip des Vertrauensschutzes wenden sich ausschließlich an die Partner eines konkreten steuerrechtlichen Rechtsverhältnisses. Ein vertrauensbildendes Verhalten zwischen dem Vater und Finanzamt entfaltet somit auch nach Übergabe des Betriebs keine Wirkung zwischen Sohn und Finanzamt.
4. Ein als bindende Zusage in Betracht kommendes Verhalten der Finanzbehörden muß deren Bindungswillen für die Zukunft zum Ausdruck bringen (vgl. Urteil v. 4. 8. 1961 VI 269/605, BFHE 73, 813 BStBl III 1961, 562). Hierfür genügt nicht die Beurteilung eines Steuerfalls im Rahmen einer Veranlagung.
5. Ein außerhalb einer Zusage bindender Vertrauenstatbestand erfordert, daß der Steuerpflichtige auf eine bestimmte künftige Behandlung vertrauen durfte (vgl. Urteil vom 19. November 1985 VIII R 25/85, BFHE 146, 115, BStBl II 1985, 520 unter 4c).
Normenkette
NATOTrStatZAbk Art. 67 Abs. 3; FGO § 120 Abs. 2 S. 2
Tatbestand
Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) stellte während der Streitjahre in Foyers ausländischer Streitkräfte in der Bundesrepublik Deutschland Unterhaltungsautomaten auf. Der Aufstellung lagen Verträge zugrunde, die der Kläger jeweils mit den für die Leitung der örtlichen Foyers zuständigen Truppenoffizieren abschloß und die unterschiedliche Bezeichnungen hatten (z. B. ,,Automatenaufstellvertrag", ,,Mietvertrag").
Die Verträge hatten unabhängig von ihrer Bezeichnung zum Inhalt, daß der Kläger seine Automaten aufstellen durfte und daß das Foyer entweder einen festen Betrag oder einen bestimmten Vomhundertsatz (30 bis 35 v. H.) des Einspielergebnisses erhielt sowie daß Wartungen und Reparaturen vom Kläger kostenlos ausgeführt wurden. Außerdem war in einigen Verträgen vereinbart, daß der Kläger die Geräte jederzeit auswechseln durfte und daß nur fahrlässige Beschädigungen vom Foyer ersetzt werden mußten.
Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA - ) verweigerte die vom Kläger in Anspruch genommene Steuerfreiheit gemäß Art. 67 Abs. 3 des Zusatzabkommens zu dem Abkommen zwischen den Parteien des Nordatlantikvertrages über die Rechtsstellung ihrer Truppen hinsichtlich der in der Bundesrepublik Deutschland stationierten ausländischen Truppen (NATOTrStatZAbk).
Einspruch und Klage blieben erfolglos.
Das Finanzgericht (FG) führte zur Begründung seiner Klagabweisung im wesentlichen an, die umstrittenen Umsätze seien nicht von einer amtl. Beschaffungsstelle in Auftrag gegeben worden. Das eine amtl. Beschaffungsstelle darstellende Foyer N. sei nicht Vertragspartner des Klägers geworden und sei auch nicht Leistungsempfänger. Außerdem verstoße die Besteuerung nicht gegen Treu und Glauben. Der Kläger habe insbesondere nicht vorgetragen, daß und welche Dispositionen er im Vertrauen auf das bisherige Verhalten des FA getroffen habe.
Entscheidungsgründe
Die Revision des Kl. ist vom BFH als unbegründet zurückgewiesen worden.
1. Die Revision ist zulässig.
Insbesondere genügt die Begründung der Revision den Anforderungen des § 120 Abs. 2 Satz 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO), wonach bei der Rüge der Verletzung allgemeiner Prinzipien (z. B. der Grundsätze von Treu und Glauben) auch die Angabe erforderlich ist, in welcher konkreten Ausprägung der Grundsatz verletzt worden sein soll (vgl. Beschluß des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 23. März 1976 VII R 64/73, BFHE 118, 424, BStBl II 1976, 456). Diese Anforderungen sind vom Kläger dadurch erfüllt worden, daß er in der Revisionsbegründung ausdrücklich von der Verkennung der Tragweite des Grundsatzes von Treu und Glauben in der besonderen Ausprägung des Vertrauensgrundsatzes gesprochen und das Urteil des FG Düsseldorf vom 17. März 1972 IX 80/71 G (Entscheidungen der Finanzgerichte - EFG - 1972, 378) angeführt hat, in dem es u. a. um die Bindung eines FA nach Treu und Glauben an eine Sachbehandlung auf Grund vorausgegangener Betriebsprüfung ging.
Den erwähnten Anforderungen genügen dagegen nicht die verfahrensrechtlichen Rügen des Klägers, das FG habe den Sachverhalt nicht ausreichend aufgeklärt (§ 76 FGO) und habe gegen den Grundsatz des rechtlichen Gehörs (§ 96 Abs. 2 FGO) verstoßen, indem es nicht darauf hingewiesen habe, daß es seine Entscheidung wesentlich darauf stützen werde, er, der Kläger, habe keine Dispositionen getroffen. Diese Verfahrensrügen sind nicht schlüssig erhoben. Der Kläger hat in der Revisionsbegründung selbst nicht substantiiert dargelegt, was er bei weiterer Gewährung des rechtlichen Gehörs bzw. bei weiteren Aufklärungsmaßnahmen des FG vorgetragen hätte. Ein solcher Vortrag liegt auch nicht bei Berücksichtigung des Hinweises in der Revisionsbegründungsschrift auf die Ausführungen auf Seite 7 des Schriftsatzes vom . . . aus dem finanzgerichtlichen Verfahren vor. Denn dort hat der Kläger lediglich dargelegt, er würde bei rechtzeitiger Kenntnis von der strengeren Auffassung des FA haben versuchen können, die Leistungsverhältnisse den schärferen Anforderungen anzupassen, soweit dies in seiner Macht stehe und die Praxis der Vertragspartner dies zulasse. Auch hierin ist nicht eine Angabe solcher Tatsachen zu sehen, von denen sich annehmen ließe, daß das angefochtene Urt. auf ihrer Nichtberücksichtigung beruhen könne (vgl. Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 2. Aufl., § 120 Anm. 38).
2. Die Revision ist unbegründet.
Mit der Revision macht der Kläger nicht länger geltend, daß ihm die Steuervergünstigung nach Art. 67 Abs. 3 NATOTrStatZAbk zustände; das FG hat es auch mit zutreffender Begründung abgelehnt, die Steuervergünstigung zu gewähren. Der Kläger beruft sich vielmehr nur noch darauf, daß das FA und diesem folgend das FG gegen die Grundsätze von Treu und Glauben verstoßen hätten. Dies trifft jedoch nicht zu. Das FG ist zu Recht davon ausgegangen, daß ein Verstoß gegen diese Grundsätze nicht vorliegt. Weder das Verhalten des FA gegenüber dem Vater des Klägers noch das gegenüber dem Kläger selbst führen dazu, daß der Kläger auf eine Gewährung der Steuervergünstigung nach Art. 67 Abs. 3 NATOTrStatZAbk für die Streitjahre hat vertrauen dürfen.
Die Finanzbehörde kann ausnahmsweise nach Treu und Glauben verpflichtet sein, von den gesetzlichen Bestimmungen abweichende Besteuerungsgrundlagen zu berücksichtigen. Dies ist der Fall, wenn der Steuerpflichtige einen Vertrauensschutz für die steuerrechtliche Beurteilung des von ihm verwirklichten Sachverhalts aufgrund eines bestimmten behördlichen Verhaltens beanspruchen kann (vgl. Urteil des Senats vom 11. Dezember 1986 V R 167/81, BFHE 148, 551, BStBl II 1987, 313, unter 3., m. w. N.).
a) Soweit der Kläger geltend macht, das FA habe die streitigen Umsätze beim Vater des Klägers ausdrücklich steuerfrei belassen, liegt eine Bindung des FA dem Kläger gegenüber durch vertrauensbildendes Verhalten nicht vor.
Der Grundsatz von Treu und Glauben wie auch das Prinzip des Vertrauensschutzes wenden sich ausschließlich an die Partner eines konkreten steuerrechtlichen Rechtsverhältnisses (vgl. hierzu Tipke / Kruse, Abgabenordnung - Finanzgerichtsordnung, 12. Aufl., § 4 AO Tz. 49, 55 u. 56).
Der vom FG festgestellte Sachverhalt läßt nicht erkennen, ob der vor den Streitjahren liegende Übergang des Betriebes vom Vater des Klägers auf den Kläger im Wege der Einzelrechtsnachfolge oder der Gesamtrechtsnachfolge stattgefunden hat. Dies kann jedoch dahingestellt bleiben, weil sowohl im Falle der Einzelrechtsnachfolge als auch in dem der Gesamtrechtsnachfolge für die Zeit vor und nach dem Betriebsübergang unterschiedliche Steuerrechtsverhältnisse zwischen dem FA einerseits und dem Vater des Klägers bzw. dem Kläger andererseits bestanden haben bzw. bestehen. Im vorliegenden Fall geht es nicht um das umsatzsteuerrechtliche Steuerschuldverhältnis zwischen dem Vater des Klägers und dem FA aus der Zeit vor dem Betriebsübergang. Gestritten wird vielmehr wegen des Steueranspruchs aus dem nach dem Betriebsübergang zwischen dem Kläger und dem FA begründeten Steuerschuldverhältnis, wobei der Steueranspruch auf einer Tatbestandsverwirklichung durch den Kläger selbst beruht (vgl. § 38 der Abgabenordnung - AO 1977 -). Deshalb braucht hier nicht darauf eingegangen zu werden, ob der Kläger im Falle der Gesamtrechtsnachfolge, soweit es um den Eintritt in die Steuerschuldnerschaft nach dem Vater ginge, sich darauf berufen könnte, daß das FA dem Vater gegenüber einen Vertrauenstatbestand begründet habe.
b) Der Kläger hat weiter vorgebracht, das FA sei ihm gegenüber auch dadurch gebunden, daß es nach dem Betriebsübergang die Besteuerung auf der Grundlage derjenigen Beurteilung vorgenommen habe, die in der beim Vater durchgeführten Betriebsprüfung zum Ausdruck gekommen sei, und damit seine, des Klägers, vom Vater übernommene Vertrags- und Abrechnungspraxis anerkannt habe.
Hieraus kann der Kläger keinen zu berücksichtigenden Vertrauensschutz für sich herleiten, weder nach den Grundsätzen zur Zusage noch aus dem Prinzip von Treu und Glauben selbst.
Eine das FA bindende Zusage liegt nicht vor. Wie der BFH im Urteil vom 19. Nov. 1985 VIII R 25/85 (BFHE 146, 115, BStBl II 1986, 520, unter 4 a und b) näher ausgeführt hat, wurde im Geltungsbereich der Reichsabgabenordnung (RAO) unter Zusage eine verpflichtende Erklärung des FA des Inhalts verstanden, einen bestimmten Steuerfall bei einer zukünftigen Veranlagung in einem bestimmten Sinne zu behandeln. Die Voraussetzungen, unter denen eine Zusage für das FA bindend ist, sind im einzelnen in dem Urteil v. 4. August 1961 VI 269/60 S (BFHE 73, 813, BStBl III 1961, 562) dargelegt. Danach ist insbesondere erforderlich, daß in dem als Zusageerklärung in Betracht kommenden Verhalten der Finanzbehörde zum Ausdruck kommt, diese soll künftig an ihre Erklärung gebunden sein. Hierfür fehlt im vorliegenden Fall jeglicher Anhaltspunkt. Die Beurteilung eines Steuerfalles im Rahmen einer Veranlagung in einem bestimmten Sinne läßt sich grundsätzlich nicht dahin verstehen, daß das FA diese Beurteilung auch für künftige Veranlagungszeiträume zugrunde legen werde. Sollte der Kläger das Verhalten anders aufgefaßt haben, so wäre ein entsprechendes Vertrauen des Klägers jedenfalls nicht nach den die Zusage betreffenden Grundsätzen schützenswert.
Es fehlt ferner an den Voraussetzungen dafür, daß ein Vertrauenstatbestand gesetzt worden ist, der eine Finanzbehörde auch außerhalb einer Zusage in dem Sinne bindet, daß sie zu einer bestimmten, vom materiellen Steuergesetz abweichenden Behandlung eines Steuerfalles verpflichtet ist (vgl. Urteil in BFHE 146, 115, BStBl II 1986, 520, unter 4c). Auch hierfür kommt es darauf an, ob derjenige, der sich auf die Bindung beruft, auf die künftige Behandlung in dem erörterten Sinne hat vertrauen dürfen. Dies ist im vorliegenden Zusammenhang ebenso zu verneinen wie bei der Zusage. Hier muß es daher bei der ständigen Rechtsprechung sein Bewenden haben, daß ein FA an eine unrichtige Sachbehandlung in den Vorjahren nicht gebunden ist (vgl. BFH-Urteil vom 3. Juni 1987 X R 23/80, BFH / NV 1987, 758, unter 2 b, m. w. N.).
Fundstellen