Entscheidungsstichwort (Thema)
Einkommensteuer/Lohnsteuer/Kirchensteuer Verfahrensrecht/Abgabenordnung
Leitsatz (amtlich)
Die besondere Feststellung des nachzuversteuernden Betrags nach § 10 a Abs. 1 letzter Satz EStG ist ein Feststellungsbescheid.
Sind in dem besonders festgestellten Betrag nicht entnommene Gewinne aus mehreren Jahren enthalten, so ist bei Mehrentnahmen zunächst der früher nicht entnommene Betrag nachzuversteuern, der am weitesten zurückliegt.
Normenkette
EStG § 10a; AO §§ 213, 229, 231
Tatbestand
Der Bf. hatte bei der Einkommensteuerveranlagung 1956 die Vergünstigung für nicht entnommenen Gewinn (ß 10 a EStG) in Anspruch genommen. Bei der Einkommensteuerveranlagung 1957 ist ein Teilbetrag nachversteuert worden; zur weiteren Nachversteuerung sind noch 851 DM verblieben. Dieser Betrag hat sich auf Grund der Einkommensteuerveranlagung 1958, bei der der Bf. wiederum die Vergünstigung für nicht entnommenen Gewinn in Anspruch genommen hat, auf 5.246 DM erhöht.
Bei der Einkommensteuerveranlagung 1959 nahm das Finanzamt wegen Mehrentnahmen von 4.291 DM eine entsprechende Nachversteuerung vor, so daß noch (5.246 DM ./. 4.291 DM =) 955 DM zur Nachversteuerung blieben. In einer Erläuterung wies das Finanzamt darauf hin, daß es zunächst den aus dem Jahre 1956 zur Nachversteuerung verbliebenen Rest von 851 DM nachversteuert habe, der für die Nachversteuerung ab dem Jahre 1960 verbleibende Betrag also aus der Minderentnahme des Jahres 1958 herrühre.
Nach der Ansicht des Bf. hätte der zur weiteren Nachversteuerung verbleibende Betrag auf nur 104 DM festgestellt werden dürfen. Er führt aus, das Finanzamt habe bei der Nachversteuerung nicht zunächst auf den aus dem Jahre 1956 herrührenden Betrag von 851 DM zurückgreifen dürfen. Zur Nachversteuerung hätte vielmehr zunächst der aus dem Jahre 1958 stammende Betrag von 4.395 DM herangezogen werden müssen. Bei dieser Berechnung wäre der Betrag von 851 DM nicht mehr nachzuversteuern, weil die für die Nachversteuerung vorgesehene Frist von drei Jahren mit dem Jahr 1959 abgelaufen sei.
Der Einspruch des Bf. hatte keinen Erfolg. Das Finanzamt hielt den Einspruch, wenngleich der Bf. nur die "besondere Feststellung" des nachzuversteuernden Betrags angreife, für zulässig. Es sah den Einspruch aber nicht als begründet an, weil die Nachversteuerung in der Reihenfolge der Jahre durchgeführt werden müsse.
Das Finanzgericht, dessen Urteil in "Entscheidungen der Finanzgerichte" 1964 S. 64 veröffentlicht ist, verwarf die Berufung als unzulässig mit der Maßgabe, daß auch der Einspruch unzulässig sei. Nach der Auffassung des Finanzgerichts ist der Bf. in dem von ihm angegriffenen Punkte durch den Einspruchsbescheid und durch den zugrunde liegenden Einkommensteuerbescheid nicht beschwert; denn der vom Finanzamt festgesetzte Steuerbetrag mindere sich für das Streitjahr 1959 auch dann nicht, wenn der Bf. im Streitpunkt recht bekäme. Nur wenn der Steuerpflichtige die festgesetzte Steuer oder die Steuerpflicht angreife, sei ein Steuerbescheid anfechtbar (ß 232 Abs. 1 AO). Bei Feststellungsbescheiden gelte zwar etwas anderes; ein derartiger Bescheid liege hier aber nicht vor. Aus der Feststellung des nachzuversteuernden Betrags ergebe sich keine Bindung für die Zukunft. In der vom Bf. angeführten Entscheidung des Senats VI 76-77/58 U vom 24. Oktober 1958 (BStBl 1959 III S. 46, Slg. Bd. 68 S. 119) lasse es der Bundesfinanzhof zwar ausdrücklich offen, ob die vorgeschriebene besondere Feststellung des nachzuversteuernden Betrags nur einen nachrichtlichen Vermerk oder einen Feststellungsbescheid darstelle. In den ähnlichen Fällen der Feststellung eines vortragsfähigen Verlustes (ß 10 d EStG) bekenne sich der Bundesfinanzhof aber uneingeschränkt zu der Ansicht, daß die Feststellung in einem Steuerbescheid nicht selbständig angefochten werden könne, sondern erst zusammen mit dem Steuerbescheid des Jahres, für das der vorgetragene Verlust verrechnet werden solle (Urteile des Bundesfinanzhofs I 100/56 vom 19. Juni 1956 in "Deutsche Steuer-Rundschau" 1956 S. 442, und VI 67/60 U vom 17. März 1961, BStBl 1961 III S. 427, Slg. Bd. 73 S. 441). Ebenso könne auch das Finanzamt die Höhe des nachzuversteuernden nicht entnommenen Gewinns erst bei der Veranlagung endgültig feststellen und berücksichtigen, in der eine Nachversteuerung vorzunehmen sei. Erst dann könne darum auch wegen der Auswirkung auf die Höhe der Steuer die Höhe des nachzuversteuernden Betrags angefochten werden. Dieses Ergebnis sei auch sinnvoll, weil es den Beteiligten ein sich später unter Umständen als überflüssig erweisendes Rechtsmittelverfahren erspare; denn ein Steuerpflichtiger könne in den Folgejahren Mehrentnahmen vermeiden und dadurch einer Nachversteuerung durch Fristablauf entgehen.
Mit seiner Rb. rügt der Bf. Verletzung der Verfahrensvorschriften und unrichtige Anwendung des bestehenden Rechts. Er hält die "besondere Feststellung" für selbständig angreifbar. Sie stehe neben der Feststellung der Besteuerungsgrundlagen und sei für die Frage, was in den späteren Jahren bei entsprechenden Mehrentnahmen nachzuversteuern sei, für das Finanzamt bindend. Sachlich macht der Bf. geltend, die besondere Feststellung sei zu hoch; wie sich aus dem Urteil des Bundesfinanzhofs IV 578/54 U vom 6. Oktober 1955 (BStBl 1955 III S. 351, Slg. Bd. 61 S. 393) ergebe, sei bei der Nachversteuerung die dem Steuerpflichtigen günstigere Reihenfolge zu wählen. Hiervon gehe auch die Oberfinanzdirektion Hamburg in ihrer Verfügung S 2120 c - 5 - St 21 vom 7. Juli 1959 ("Betrieb" 1959 S. 845) aus. Danach sei also der noch nachzuversteuernde Betrag lediglich auf 104 DM festzustellen.
Entscheidungsgründe
Die Rb. ist im Ergebnis nicht begründet.
Entgegen der Auffassung des Finanzgerichts ist dem Bf. und dem Finanzamt darin zuzustimmen, daß aus § 213 AO nichts gegen die Zulässigkeit des streitigen Rechtsmittels entnommen werden kann. Die "besondere Feststellung" des nachzuversteuernden Betrages hat mit den Besteuerungsgrundlagen des Einkommensteuerbescheids, mit dem sie verbunden ist, nichts zu tun. Nur die Besteuerungsgrundlagen als solche sind, wie § 213 AO sagt, ein unselbständiger Teil des Steuerbescheids und als solche nicht angreifbar. Eine Ausnahme gilt zwar, wie das Finanzgericht zutreffend ausführt, wenn die Besteuerungsgrundlagen besonders festgestellt worden sind, z. B. gemäß § 215 AO. Ein solcher Fall liegt hier aber nicht vor; denn im Streitfall sind die Besteuerungsgrundlagen weder besonders festgestellt noch angegriffen worden.
Die "besondere Feststellung", die der Bf. angreift, tritt im Gegensatz zu der Ermittlung der Besteuerungsgrundlagen, zu denen auch der vom Finanzgericht erwähnte vortragsfähige Verlust rechnen würde, selbständig neben die Steuerfestsetzung. Ein Steuerbescheid, mit dem das Finanzamt einen nachzuversteuernden Betrag besonders festgestellt hat, enthält zweierlei: Einmal die Steuerfestsetzung, also den eigentlichen Steuerbescheid, und zum anderen die "besondere Feststellung".
In dem vom Finanzgericht angeführten Urteil VI 76-77/58 U a. a. O. hat der Senat es dahingestellt gelassen, ob die "bei" der Veranlagung vorgeschriebene "besondere Feststellung" lediglich einen nachrichtlichen Vermerk oder einen besonderen bindenden Feststellungsbescheid darstellt. Im Streitfall muß diese Frage nunmehr entschieden werden, weil wie das Finanzgericht mit Recht ausführt, eine Beschwer nicht vorliegt, wenn die besondere Feststellung nur einen nachrichtlichen Vermerk enthält und für die Zukunft keine Bindungswirkung hat.
Im Gegensatz zum Finanzgericht ist aber der Senat der Auffassung, daß die besondere Feststellung mehr als einen nachrichtlichen Vermerk darstellt und das Finanzamt und den Steuerpflichtigen für die Zukunft bindet. Schon der Wortlaut des § 10 a EStG läßt an eine Bindung denken; denn in § 10 a Abs. 1 letzter Satz EStG ist ausdrücklich vorgeschrieben, daß der als steuerbegünstigt in Anspruch genommene Teil der Summe der Gewinne "bei der Veranlagung besonders festzustellen" ist. Für die Nachversteuerung wird dann in § 10 a Abs. 2 Satz 1 EStG gesagt, daß der übersteigende Betrag (die Mehrentnahme) "bis zur Höhe des besonders festgestellten Betrags" dem Einkommen hinzuzurechnen ist. Hält man beide Vorschriften zusammen, so erhebt sich in der Tat die Frage, warum der Gesetzgeber die "besondere Feststellung" angeordnet haben sollte, wenn sie nur ein "Hinweis" (eine nachrichtliche Bemerkung) für den Steuerpflichtigen wäre. Sinnvoll wird die Anordnung erst, wenn man eine Bindungswirkung annimmt. In diesem Fall wird durch die besondere Feststellung vermieden, daß bei späteren Veranlagungen nochmals die Höhe des nachzuversteuernden Betrages geprüft werden muß. Die besondere Feststellung ist eben leichter in einem Zuge bei der Veranlagung zu treffen, bei der die Vergünstigung des § 10 a EStG in Anspruch genommen wird. Der Gesetzgeber hat sich bei seiner Regelung offenbar von dieser Zweckmäßigkeit leiten lassen.
Der Senat ist danach also der Auffassung, daß nach dem Wortlaut des Gesetzes und dem Sinnzusammenhang die "besondere Feststellung" eine zu dem Steuerbescheid hinzutretende selbständige Verfügung ist, die für die spätere Nachversteuerung insofern bindend ist, als sie die Höhe des nachzuversteuernden Betrages festlegt. Für den Fall der Nachversteuerung stellt sie mithin eine Besteuerungsgrundlage gesondert fest. Deshalb ist es gerechtfertigt, sie als einen selbständig anfechtbaren Feststellungsbescheid (vgl. auch § 220 Ziff. 2 AO) anzusehen. Entgegen der Auffassung des Finanzgerichts war also der von dem Bf. eingelegte Einspruch zulässig.
Die Vorentscheidung, die von anderen Rechtsgrundsätzen ausgeht, war deshalb aufzuheben. Da die Sache spruchreif ist, kann der Senat gemäß § 296 Abs. 3 AO selbst dahin entscheiden, daß die Berufung gegen die Einspruchsentscheidung des Finanzamts als unbegründet zurückgewiesen wird. Die Entscheidung des Bundesfinanzhofs, auf die der Bf. sich beruft, betrifft die vor dem Jahre 1952 liegende Nachversteuerung nach § 31 Abs. 5 EStDV 1950, der ab 1952 nicht mehr gilt. Ein Steuerpflichtiger, der für ein Jahr die Begünstigung des nicht entnommenen Gewinns gemäß § 10 a EStG neuer Fassung in Anspruch nimmt, hat über die unmittelbar gewährte Steuerermäßigung (Einkommensminderung) hinaus die Aussicht, daß die Pflicht zur Nachversteuerung des nicht entnommenen Gewinns nach Ablauf von drei Jahren entfällt. Es besteht kein Grund, diese Begünstigung noch weiter dadurch auszudehnen, daß beim Zusammentreffen mehrerer nachzuversteuernder Beträge immer zuerst der letzte Betrag mit den Mehrentnahmen verrechnet wird. Wer die Vergünstigung des § 10 a EStG neuer Fassung in Anspruch nimmt, tut dies unter der Bedingung, daß er innerhalb der folgenden drei Jahre keine Mehrentnahmen macht. Hält er diese Bedingung nicht ein, so geht er durch die Nachversteuerung der früher gewährten Vergünstigung ganz oder zum Teil verlustig. Für die Mehrentnahmen ist es gleichgültig, aus welchen Mitteln sie stammen. Entscheidend ist allein, ob der Gewinn eines Jahres durch Mehrentnahmen überschritten wird. Ein Steuerpflichtiger, der für das Jahr 1956 die Vergünstigung des § 10 a EStG in Anspruch genommen hat, darf also, wenn er die Nachversteuerung vermeiden will, bis zum Ablauf des Jahres 1959 keine Mehrentnahmen machen. Würde er im Jahre 1959 Mehrentnahmen machen, so löste er dadurch die Nachversteuerung aus. Die vom Bf. vertretene Auffassung würde dazu führen, einen Steuerpflichtigen besserzustellen, der nicht nur für das Jahr 1956, sondern auch für das Jahr 1958 die Vergünstigung des § 10 a EStG in Anspruch genommen hat. Macht dieser Steuerpflichtige im Jahre 1959 Mehrentnahmen, so löst er dadurch die Bedingung für die Nachversteuerung 1956 aus. Es wäre nicht gerechtfertigt, diesen Steuerpflichtigen aus der Nachversteuerung für 1956 ganz oder teilweise zu entlassen, weil man die Mehrentnahmen 1959 mit dem nicht entnommen Gewinn für 1958 verrechnen kann.
Es ist dem Bf. zuzugeben, daß die Verfügung der Oberfinanzdirektion Hamburg für seine Auffassung spricht. Die dieser Verfügung zugrunde liegende Rechtsauffassung findet aber im Gesetz keine Stütze und überträgt zu Unrecht den in § 31 Abs. 5 EStDV 1950 zum Ausdruck gekommenen Rechtsgedanken auf § 10 a EStG 1959, obwohl die Gesetzeslage hier anders ist (so mit Recht auch Littmann, Das Einkommensteuer-Recht, 7. Aufl., Anm. 58 a zu § 10 a EStG; Blümich-Falk, Kommentar zum Einkommensteuergesetz, 9. Aufl., Anm. 8 g zu § 10 a EStG).
Fundstellen
Haufe-Index 411439 |
BStBl III 1965, 237 |
BFHE 1965, 662 |
BFHE 81, 662 |