Leitsatz (amtlich)
1. Gehört zum Vermögen einer Gesellschaft ein Gebäude auf fremdem Boden und werden alle Anteile der Gesellschaft in einer Hand vereinigt, so beginnt die Verjährung der Grunderwerbsteuer mit Ablauf des Jahres, in dem der Anspruch entstanden ist (§ 145 Abs. 1 AO).
2. § 145 Abs. 3 Ziff. 3 AO setzt voraus, daß der Erwerber nach dem Grundbuchrecht in das Grundbuch eingetragen werden kann. Das ist bei Gebäuden auf fremdem Boden nicht der Fall.
Normenkette
GrEStG § 1 Abs. 3 Ziff. 1, § 2 Abs. 2 Ziff. 3, § 18 Nr. 2a; AO § 145 Abs. 1, 3 Nr. 3
Tatbestand
Streitig ist der Beginn der Verjährung der Grunderwerbsteuer beim Erwerb eines Gebäudes auf fremdem Boden infolge der Vereinigung aller Anteile einer GmbH in der Hand des Erwerbers.
Der Bf., der damals rund 77 v. H. der Anteile einer Gesellschaft mbH besaß, erwarb im Januar und Februar 1949 die restlichen Anteile. Zum Vermögen der Gesellschaft gehörte eine auf fremdem Grund und Boden stehende Lagerhalle. Ihr Einheitswert betrug zum 1. Januar 1949 70 700 DM. Dieser Vorgang wurde dem Finanzamt bei einer im Dezember 1955 durchgeführten Betriebsprüfung bekannt. Da es den Steueranspruch für verjährt hielt, sah es von der Erhebung der Grunderwerbsteuer ab. Die Aufsichtsbehörde teilte die Rechtsansicht des Finanzamts nicht. Unter Hinweis auf das Urteil des Senats II 128/57 U vom 16. April 1958 (BStBl 1958 III S. 280, 282, Slg. Bd. 67 S. 19) wies sie das Finanzamt an, die Steuer nachzufordern. Durch Steuerbescheid vom 1. Oktober 1959 setzte das Finanzamt die Steuer auf 4949 DM fest.
Einspruch und Berufung blieben erfolglos.
Entscheidungsgründe
Die Rb. führt zur Aufhebung der Vorentscheidungen.
Während nach § 145 Abs. 1 AO die Verjährung mit Ablauf des Jahres beginnt, in dem der Anspruch entstanden ist, bestimmt § 145 Abs. 3 Ziff. 3 AO abweichend hiervon, daß bei der Grunderwerbsteuer dieser Zeitpunkt auf den Ablauf des Jahres verlegt wird, in dem der Erwerber des Grundstücks als Eigentümer in das Grundbuch eingetragen worden ist. Das Finanzgericht vertritt unter Hinweis auf das Urteil des Senats II 128/57 U (a. a. O., S. 282 unter Nr. 3) die Ansicht, daß bei Anteilsvereinigungen der Beginn der Verjährung gemäß § 145 Abs. 3 Ziff. 3 AO hinausgeschoben wird. Der Auffassung des Finanzgerichts kann in dieser Allgemeinheit nicht gefolgt werden. In dem mehrfach erwähnten Urteil II 128/57 U hatte der Senat über einen Sachverhalt zu befinden, in dem der Anteilsvereinigung eine Eintragung in das Grundbuch folgen konnte. Im Streitfall ist Gegenstand des steuerlichen Erwerbs (nur) ein Gebäude. Während Gebäude auf fremdem Boden nach § 2 Abs. 2 Ziff. 3 GrEStG den Grundstücken im Sinne des Gesetzes gleichgestellt werden, sind sie nach bürgerlichem Recht wesentliche Bestandteile oder Scheinbestandteile eines Grundstücks (§§ 94, 95 BGB). Sie können daher nicht in das Grundbuch eingetragen werden (vgl. Meikel-Imhof-Riedel, Grundbuchrecht, Bd. I, § 3, Anm. 8 a; Henke-Mönch-Horber, Grundbuchordnung, 6. Aufl., 1959, § 3, Anm. 2 A a). Der Beginn der Verjährung wäre demnach, wie der Bf. mit Recht vorträgt, auf unabsehbare Zeit hinausgeschoben. Aus § 145 Abs. 3 Ziff. 3 AO folgt, daß der Gesetzgeber nur an Fälle gedacht hat, in denen der Erwerber des Grundstücks in das Grundbuch eingetragen werden kann. Auch die Begründung des GrEStG 1940 (RStBl 1940 I S. 412) läßt dies erkennen. Nach den Ausführungen im Abs. 2 der Begründung zu § 18 GrEStG hatte der Gesetzgeber mit Rücksicht auf den Umstand, daß eine Reihe von steuerpflichtigen Tatbeständen der Eintragung des Erwerbs des Grundstücks vorausgingen, zwei Möglichkeiten, Steuerausfällen bei derartigen, dem Finanzamt oft vor der Grundbucheintragung nicht bekanntwerdenden Steuertatbeständen zu begegnen. Er mußte entweder hilfsweise den Eigentumsübergang für steuerpflichtig erklären oder den Beginn der Verjährung mit der Grundbucheintragung verbinden; denn eine Grundbucheintragung und damit ein Eigentumsübergang ist wegen der Bestimmungen der § 189 d AO und 9 GrEStDV nicht ohne Kenntnis des Finanzamts von dem Erwerb möglich. Bei nichteintragungsfähigen Erwerben könnte die Vorschrift des § 145 Abs. 3 Ziff. 3 AO diese Aufgabe nicht erfüllen. Eine darüber hinausgehende allgemeine Hinausschiebung des Beginns der Verjährung bei der Grunderwerbsteuer enthält diese Vorschrift nicht. Die Gesetzesbegründung hebt daher zu Recht hervor, daß keine Änderung der AO erforderlich gewesen sei, weil Gebäude auf fremdem Boden den Grundstücken gleichgestellt worden seien. Diese Bemerkung steht zwar im Zusammenhang mit der Begründung zu § 18 Ziff. 4 a und b des Gesetzes. Sie ist aber so allgemein gehalten und folgt der Begründung der Änderung der Verjährungsbestimmungen so unmittelbar, daß an der Absicht des Gesetzgebers Zweifel nicht möglich sind. Da diese Absicht im Gesetz selbst ihren Niederschlag gefunden hat, gilt für den Beginn der Verjährung für Grunderwerbsteuervorgänge, denen eine Eintragung im Grundbuch nach dem Grundbuchrecht nicht folgen kann, die allgemeine Regel des § 145 Abs. 1 AO. Schon im Urteil II 152/50 S vom 3. April 1951 (BStBl 1951 III S. 100, Slg. Bd. 55 S. 261) ist der Senat von dem Grundsatz ausgegangen, daß § 145 Abs. 1 AO dann anzuwenden ist, wenn die von der allgemeinen Regel des Abs. 1 abweichende Vorschrift des § 145 Abs. 3 Ziff. 3 AO nicht Platz greift. Es wäre überdies ein sinnwidriges Ergebnis -- das der Gesetzgeber nicht gewollt haben kann --, würde man in Fällen, in denen eine Eintragung im Grundbuch nicht erfolgen kann, den Beginn der Verjährung auf den Zeitpunkt dieser nicht möglichen Eintragung abstellen.
Da im Streitfall der Steueranspruch gemäß § 3 des Steueranpassungsgesetzes in Verbindung mit § 1 Abs. 3 Ziff. 1 GrEStG am 23. Februar 1949 entstanden ist, endete die Verjährungsfrist am 31. Dezember 1954. Die Betriebsprüfung im Dezember 1955 war somit nicht geeignet, die Verjährung zu unterbrechen.
Hiernach war im Streitfall für eine Steuerforderung gegenüber dem Bf. kein Raum, so daß aus diesem Grunde die Vorentscheidungen und die Steuerfestsetzung aufzuheben waren.
Fundstellen
Haufe-Index 410325 |
BStBl III 1962, 87 |
BFHE 1962, 230 |