Entscheidungsstichwort (Thema)
Zuordnung eines Kindes bei eheähnlicher Lebensgemeinschaft seiner Eltern
Leitsatz (NV)
Bescheinigt die zuständige Behörde, daß ein nichteheliches Kind im Haushalt des Vaters wohnt, so wird das Kind dem Vater auch dann zugeordnet, wenn es im gemeinsamen Haushalt seiner Eltern lebt und auf der Personenregisterkarte der Mutter eingetragen ist.
Normenkette
EStG § 32 Abs. 4 S. 3
Verfahrensgang
Tatbestand
Der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger) lebt mit seinem im November 1980 geborenen nichtehelichen Sohn F und der Mutter des Kindes in derselben Wohnung. Um F einkommensteuerrechtlich zugerechnet zu bekommen, legte der Kläger eine Erklärung des Landkreises - Jugendamt - vor, in der bescheinigt wird, daß F im Haushalt des Klägers wohnt. Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt - FA -) versagte im Bescheid über den Lohnsteuer-Jahresausgleich 1980 die Zuordnung, da die Bescheinigung nicht von der zuständigen Behörde erteilt worden sei. Im Einspruchsverfahren reichte der Kläger nunmehr eine Bescheinigung der Gemeinde ein, derzufolge ausweislich der Meldekartei das Kind F beim Kläger im Haushalt gemeldet sei. Das FA wies den Einspruch mit der Begründung zurück, das Kind sei auf der Personenregisterkartei der Mutter eingetragen. Sei ein Kind im gemeinsamen Haushalt der Eltern gemeldet, könne es dem Vater nur zugerechnet werden, wenn es auf der Personenregisterkarte des Vaters eingetragen sei. Im Klageverfahren wurde eine weitere Bescheinigung der Gemeinde vorgelegt, nach der das Kind beim Kläger im Haushalt wohnhaft sei.
Das Finanzgericht (FG) gab der Klage statt, da der Kläger durch eine das FA bindende Bescheinigung der zuständigen Behörde nachgewiesen habe, daß das Kind zu seinem Haushalt gehört habe. Der Wortlaut der Bescheinigung, das Kind wohne im Haushalt des Klägers, genüge den Anforderungen des § 32 Abs. 4 letzter Satz des Einkommensteuergesetzes (EStG). Daß das Kind auch auf der Personenregisterkarte des Vaters eingetragen sei, werde vom Gesetz nicht verlangt. Eine derartige Eintragung möge ein Indiz dafür sein, daß das Kind zum Haushalt des Vaters gehöre. Erforderlich für die Zuordnung des Kindes beim Vater sei sie aber nicht.
Mit der Revision rügt das FA Verletzung materiellen Rechts.
Es führt aus, die vom Bundesfinanzhof (BFH) im Urteil vom 14. August 1981 VI R 33/78 (BFHE 134, 277, BStBl II 1982, 111) zur Auslegung des § 32 Abs. 4 Satz 2 EStG entwickelten Grundsätze hätten auch für Satz 3 dieser Vorschrift zu gelten, daß nämlich nicht auf die tatsächliche Haushaltszugehörigkeit, sondern auf die Anmeldung abzustellen sei. Von dieser Rechtsauffassung gehe auch der im Einvernehmen mit dem Niedersächsischen Minister der Finanzen ergangene Runderlaß des Niedersächsischen Ministers des Inneren vom 16. Januar 1980 - 21.2 - 12223/7 (Niedersächsisches Ministerialblatt - NdsMBl - 1980, 237) aus. Danach bleibe in Niedersachsen die amtliche Bescheinigung i. S. des § 32 Abs. 4 Satz 3, 2. Halbsatz EStG grundsätzlich auf die Feststellung beschränkt, daß das Kind auf der Personenregisterkarte des Vaters eingetragen sei. Unverheiratete Kinder, die bei ihrem Vater oder ihrer Mutter wohnten, würden nämlich entweder auf der Personenregisterkarte des Vaters oder der Mutter eingetragen (Nr. 57 der Verwaltungsvorschriften zum Meldegesetz vom 20. Juni 1961, NdsMBl 1961, 636). Damit nicht vereinbar sei es, das Kind dem Vater zuzuordnen, obwohl es auf der Personenregisterkarte der Mutter eingetragen sei.
Das FA beantragt, das angefochtene Urteil aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt, die Revision abzuweisen.
Er ist der Ansicht, das vom FA bezeichnete Urteil in BFHE 134, 277, BStBl II 1982, 111 sei nicht einschlägig, da es einen anderen Sachverhalt betroffen habe, nämlich daß die Eltern in verschiedenen Wohnungen lebten. Während in einem solchen Fall die Anmeldung entscheide, komme es bei gemeinsamer Wohnung auf die Haushaltszugehörigkeit an.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist nicht begründet.
1. Liegen bei einem unbeschränkt einkommensteuerpflichtigen Elternpaar eines Kindes die Voraussetzungen des § 26 Abs. 1 Satz 1 EStG nicht vor und ist das Kind in der gemeinsamen Wohnung der Eltern mit Hauptwohnung gemeldet, so wird das Kind dem Vater zugeordnet, wenn dieser durch eine Bescheinigung der zuständigen Behörde nachweist, daß es zu seinem Haushalt gehört hat (§ 32 Abs. 4 Satz 3, zweite Alternative EStG). Weitere Erfordernisse als die Bescheinigung der Haushaltszugehörigkeit, insbesondere solche melderechtlicher Art, stellt das Gesetz nicht auf.
a) Zweck der Zuordnungsgesamtregelung des § 32 Abs. 4 Satz 2 und 3 EStG ist es, die Mehrfachzuordnung eines Kindes jedenfalls hinsichtlich derjenigen Personen auszuschließen, die zu diesem Kind in einem gleichartigen Kindschaftsverhältnis stehen. Dieses Ziel wird vorrangig (§ 32 Abs. 4 Satz 2 EStG) durch eine rein melderechtliche Lösung erreicht, nämlich dadurch, daß bei getrennten Wohnungen der Eltern das Kind unabhängig von der tatsächlichen Wohnungsnahme demjenigen Elternteil zugeordnet wird, in dessen Wohnung es erstmals im Kalenderjahr mit Hauptwohnung gemeldet war (BFH-Urteile vom 4. Juni 1982 VI R 29/79, BFHE 136, 230, BStBl II 1982, 733; vom 17. September 1982 VI R 86/79, BFHE 136, 481, BStBl II 1983, 9, und vom 27. Juli 1984 VI R 124/80, BFHE 142, 119, BStBl II 1985, 8). Durch die rein melderechtliche Konfliktlösung wird eine Entscheidung zugunsten eines Elternteils dann nicht getroffen, wenn das Kind zu beiden Eltern in melderechtlich gleich enger bzw. weiter Beziehung steht, weil es nicht in einer Wohnung eines Elternteils oder weil es in einer gemeinsamen Wohnung der Eltern mit Hauptwohnung gemeldet war (Stolterfoht in Frotscher, Einkommensteuergesetz, § 32 Anm. 33). Diese Fälle regelt Satz 3 des § 32 Abs. 4 EStG in der Weise, daß er das Kind alternativ dem Vater zuordnet, wenn dieser eine Bescheinigung über die Zugehörigkeit des Kindes zu seinem Haushalt erbringt (zweite Alternative), oder der Mutter, wenn eine derartige Bescheinigung nicht beigebracht wird (erste Alternative). Tatbestandsvoraussetzung für die Zuordnung des Kindes ist demnach neben der melderechtlichen Tatsache, daß das Kind in keiner oder einer gemeinsamen Wohnung der Eltern mit Hauptwohnung gemeldet war, die Vorlage bzw. Nichtvorlage einer Bescheinigung über die Haushaltszugehörigkeit beim Vater.
Die Haushaltszugehörigkeit setzt ein Zweifaches voraus, nämlich erstens, daß der Vater einen Haushalt besitzt, d. h., daß er allein oder mit anderen eine Wohnung innehat, in der hauswirtschaftliches Leben herrscht, an dem er sich persönlich und regelmäßig auch finanziell beteiligt, und zweitens, daß das Kind zu diesem Haushalt gehört. Letzteres ist insbesondere dann der Fall, wenn das Kind in diesem Haushalt dauernd lebt.
Anders als die rein melderechtliche Anknüpfung des § 32 Abs. 4 Satz 2 EStG sagt die Haushaltszugehörigkeit des Satzes 3 dieser Vorschrift etwas über tatsächliche Wohnverhältnisse aus. Melderechtliche Umstände wie Anmeldung mit Haupt- oder Nebenwohnung, Eintragung auf einer Melderegisterkarte usw. mögen, wie das FG zutreffend dargelegt hat, ein Indiz für die Haushaltszugehörigkeit sein. Nach § 32 Abs. 4 Satz 3 EStG maßgebend sind jedoch insoweit nicht melderechtliche Tatsachen, sondern die Vorlage bzw. Nichtvorlage der Bescheinigung, daß das Kind zum Haushalt des Vaters gehört hat.
b) Der Vater hat den in § 32 Abs. 4 Satz 3, zweite Alternative EStG geforderten Nachweis schon dann erbracht, wenn die zuständige Behörde bescheinigt, daß das Kind zu seinem Haushalt gehört. Wie der Senat im zur Veröffentlichung bestimmten Urteil vom heutigen Tage VI R 203/84 näher dargelegt hat, ist darüber hinaus weder eine amtliche Erklärung darüber erforderlich, daß der Haushalt, zu dem das Kind gehört, ein ausschließlicher Haushalt des Vaters und nicht gleichzeitig ein solcher weiterer Personen, etwa der Mutter, sei, noch darüber, daß das Kind - wie in Abschn. 60 Abs. 2 Nr. 3 Satz 2 der Lohnsteuer-Richtlinien, Abschn. 181 Abs. 2 Nr. 3 der Einkommensteuer-Richtlinien gefordert - ,,unter der Leitung des Vaters" dessen Wohnung teile. Zur Vermeidung von Wiederholungen wird im einzelnen auf die Ausführungen im Urteil VI R 203/84 verwiesen, von dem ein Abdruck beigefügt wird.
2. Im Streitfall war das Kind F dem Kläger zuzuordnen, weil er durch eine Bescheinigung der zuständigen Behörde nachgewiesen hat, daß dieses Kind zu seinem Haushalt gehört. Die vorgelegte Bescheinigung, derzufolge das Kind beim Kläger ,,im Haushalt wohnhaft" sei, ist dahingehend zu verstehen, daß das Kind zu seinem Haushalt gehört. Wie zwischen den Beteiligten unstreitig ist, führt der Kläger mit der Mutter des Kindes F einen gemeinsamen Haushalt, in dem auch dieses Kind lebt. Dieser Haushalt ist auch ein Haushalt des Klägers, woraus sich ergibt, daß die erteilte Bescheinigung sachlich zutrifft.
Fundstellen
Haufe-Index 414314 |
BFH/NV 1986, 396 |