Entscheidungsstichwort (Thema)
Doppelte Haushaltsführung und Eheschließung
Leitsatz (NV)
Der Bundesfinanzhof bleibt bei seiner Auffassung, daß eine doppelte Haushaltsführung privat veranlaßt ist, wenn nur ein Ehegatte berufstätig ist und dessen doppelte Haushaltsführung dadurch entstanden ist, daß die Eheleute vor ihrer Heirat an verschiedenen Orten gewohnt haben, ihre Wohnung nach der Eheschließung beibehalten und die außerhalb des Arbeitsorts liegende Wohnung des nichtberufstätigen Ehegatten zur gemeinsamen Familienwohnung bestimmt haben.
Normenkette
EStG § 9 Abs. 1 Nr. 5
Verfahrensgang
Tatbestand
Der Kläger ist Türke; er wohnt und arbeitet seit 1970 in der Bundesrepublik Deutschland (Bundesrepublik). Im März 1971 heiratete er während eines Heimataufenthalts eine Landsmännin. Diese ist nicht berufstätig und wohnt seit der Eheschließung im gemeinsamen Hausstand in der Türkei, während der Kläger nach wie vor in einem möblierten Zimmer an seinem Arbeitsort wohnt.
In seinen Anträgen auf Lohnsteuer-Jahresausgleich für die Jahre ab 1971 machte der Kläger jeweils Mehraufwendungen wegen doppelter Haushaltsführung geltend, die vom Finanzamt (FA) bis 1977 anerkannt wurden. Bei der Durchführung des Lohnsteuer-Jahresausgleichs für das Streitjahr 1978 lehnte das FA die geltend gemachten Mehraufwendungen ab, weil die doppelte Haushaltsführung nicht beruflich veranlaßt sei. Der Einspruch blieb erfolglos.
Das Finanzgericht (FG) gab der Klage statt. Es führte im wesentlichen aus: Die doppelte Haushaltsführung sei im Streitfall beruflich veranlaßt, weil der Kläger in Verbindung mit der Eheschließung an einem anderen Ort als demjenigen, den er zusammen mit seiner Ehefrau als gemeinsamen Familienwohnsitz bestimmt habe, seinem Beruf weiterhin nachgehe und weil er deshalb aus beruflichen Gründen zur - weiteren - Anmietung eines möblierten Zimmers am bisherigen Beschäftigungsort veranlaßt gewesen sei.
Entscheidungsgründe
Die Revision des FA ist begründet.
Die notwendigen Mehraufwendungen, die einem Arbeitnehmer wegen einer doppelten Haushaltsführung entstehen, werden gemäß § 9 Abs. 1 Nr. 5 EStG nur dann als Werbungskosten berücksichtigt, wenn die doppelte Haushaltsführung aus beruflichem Anlaß begründet worden ist. Das ist im Streitfall nicht gegeben, so daß es keiner Entscheidung bedarf, ob die doppelte Haushaltsführung nach Ablauf mehrerer Jahre noch beruflich veranlaßt sein konnte.
Nach ständiger Rechtsprechung des BFH (vgl. zuletzt Urteil vom 20. Dezember 1982 VI R 64/81, BFHE 137, 463, BStBl II 1983, 306 unter 1., m.w.N.) ist eine doppelte Haushaltsführung privat veranlaßt, wenn nur ein Ehegatte berufstätig ist und wenn dessen doppelte Haushaltsführung dadurch entstanden ist, daß die Eheleute vor ihrer Heirat an verschiedenen Orten gewohnt, ihre Wohnungen nach der Eheschließung beibehalten und die außerhalb des Arbeitsorts liegende Wohnung des nichtberufstätigen Ehegatten zur gemeinsamen Familienwohnung bestimmt haben. Die doppelte Haushaltsführung beruht in einem solchen Fall letztlich auf der Eheschließung und damit auf einem Vorgang, der dem privaten Bereich des Steuerpflichtigen zuzurechnen ist. An dieser Rechtsprechung hält der Senat trotz der Einwände des FG im Streitfall und weiterer FG fest (ebenso wie hier Söhn, Finanz-Rundschau - FR - 1984, 25, 29; Entscheidung des Hessischen FG vom 4. April 1984 VI 212/82, Entscheidungen der Finanzgerichte - EFG - 1984, 546).
Dementsprechend ist die doppelte Haushaltsführung im Streitfall als privat veranlaßt anzusehen. Im Zeitpunkt der Eheschließung war nur der Kläger, nicht aber auch seine Ehefrau, beruflich tätig. Die Eheleute wohnten vorher an verschiedenen Orten. Sie behielten nach der Eheschließung ihre Wohnungen bei und bestimmten nach den Feststellungen des FG die in der Türkei gelegene Wohnung, in der die Ehefrau des Klägers lebt, zur gemeinsamen Familienwohnung. Berufliche Gründe in der Person des Klägers sind für die Bestimmung der Familienwohnung nicht erkennbar.
Das FG beruft sich in diesem Zusammenhang zu Unrecht auf die Entscheidung des Senats vom 13. Juli 1976 VI R 172/74 (BFHE 119, 281, BStBl II 1976, 654). In jenem Urteilsfall hatte der Senat zwar die Entstehung einer doppelten Haushaltsführung anläßlich der Eheschließung als beruflich veranlaßt beurteilt. Der Fall unterschied sich aber insoweit wesentlich von dem hier vorliegenden, als dort beide Eheleute vor der Eheschließung an verschiedenen Orten beruflich tätig waren und hieran auch nach der Heirat festhielten. Bestimmen die Eheleute in einem solchen Fall eine der beiden Wohnungen zur gemeinsamen Familienwohnung, so ist die Entstehung der doppelten Haushaltsführung bei verfassungsgemäßer Auslegung des § 9 Abs. 1 Nr. 5 EStG als beruflich veranlaßt zu würdigen. Wie der Senat in der zuletzt bezeichneten Entscheidung ausgeführt hat, würde sonst den Arbeitnehmern, die mit der Begründung der Ehe den doppelten Haushalt einrichten müssen, die Möglichkeit des Werbungskostenabzugs nach § 9 Abs. 1 Nr. 5 EStG versagt bleiben; sie würden im Verhältnis zu den bei Einrichtung des doppelten Haushalts bereits Verheirateten ungerechtfertigt benachteiligt.
Die Erwägungen in der Entscheidung in BFHE 119, 281, BStBl II 1976, 654 sind auf den Streitfall auch nicht entsprechend anwendbar. Ohne Zweifel war der doppelte Haushalt der Eheleute durch die Eheschließung begründet worden; anders als in dem zuletzt bezeichneten BFH-Urteil waren die Eheleute indessen nicht aus beruflichen Gründen - wenn auch in der Person des anderen Ehegatten - genötigt, einen doppelten Haushalt zu führen (vgl. auch die Ausführungen im BFH-Urteil vom 16. April 1980 VI R 7/77, BFHE 130, 388, BStBl II 1980, 512 unter 2. c).
Nach der Auffassung des FG im Streitfall, die sich, worauf das FG ausdrücklich hinweist, mit derjenigen einiger anderer FG deckt, soll eine beruflich veranlaßte doppelte Haushaltsführung immer schon dann anzunehmen sein, wenn der Steuerpflichtige am Beschäftigungsort oder in dessen unmittelbarer Umgebung einen und an einem anderen Ort einen weiteren Hausstand unterhält. Der Senat hat sich mit dieser Ansicht im Urteil vom 2. Dezember 1981 VI R 167/79 (BFHE 135, 37, BStBl II 1982, 297) ausführlich - auch unter verfassungsrechtlichen Gesichtspunkten - auseinandergesetzt. Um Wiederholungen zu vermeiden, verweist er auf die Ausführungen in dieser Entscheidung, die erst nach Ergehen des FG-Urteils im Streitfall veröffentlicht worden ist.
Der Senat hat nicht verkannt, daß der Fall, in dem ein Arbeitnehmer erst kurz nach Aufnahme einer auswärtigen Tätigkeit heiratet, sich von demjenigen, in welchem er kurz vor der auswärtigen Arbeitsaufnahme die Ehe schließt, nur geringfügig unterscheidet. Indessen sind beide Fälle nicht miteinander vergleichbar, weil sie tatsächlich unterschiedlich sind. Es geht nicht an, einen Sachverhalt nur deshalb einem anderen steuerlich entsprechend zu beurteilen, weil er diesem ähnelt. Im übrigen weist der Senat darauf hin, daß auch besoldungsrechtlich ein Unterschied besteht, ob ein Angehöriger des öffentlichen Dienstes vor der Aufnahme seiner auswärtigen Tätigkeit verheiratet war oder erst danach geheiratet hat. Im ersten Fall steht ihm dem Grunde nach eine Trennungsentschädigung zu, im zweiten dagegen nicht.
Da das FG von anderen rechtlichen Erwägungen ausgegangen ist, war die Vorentscheidung aufzuheben. Die Auffassung des FA in der Einspruchsentscheidung ist zutreffend. Deshalb ist die hiergegen gerichtete Klage abzuweisen.
Fundstellen
Haufe-Index 414009 |
BFH/NV 1985, 32 |