Leitsatz (amtlich)
1. Die unterschiedliche umsatzsteuerliche Belastung der Lieferungen gebrauchter Gegenstände in Frankreich und im Saarland im Jahre 1954 und im 1. Halbjahr 1955 gebietet keinen Erlaß der durch Gebrauchtwarenumsätze entstandenen Umsatzsteuer wegen Verletzung des Gleichheitssatzes.
2. Ein Stpfl., bei dem eine Betriebsprüfung vorgenommen worden ist, kann unter Berufung auf den Gleichheitssatz den Erlaß von Steuernachforderungen nicht mit der Begründung verlangen, daß bei seinen Wettbewerbern keine Betriebsprüfungen vorgenommen worden seien.
Normenkette
AO § 131 Abs. 1 S. 1; UStG-Saar § 4 Nr. 25
Tatbestand
Zu entscheiden ist, ob das FA einen Antrag auf Erlaß der Umsatzsteuer (§ 131 AO) ablehnen durfte.
Der Revisionskläger (Stpfl.) betrieb bis zum 31. Juli 1961 einen Handel mit gebrauchten Kraftfahrzeugen; seitdem ist er als Sachverständiger für Kraftfahrzeugwesen tätig. Eine im Jahr 1959 für die Jahre 1954 und 1955 vorgenommene Betriebsprüfung führte zu einer Steuernachforderung. Die nach dem Vorschlag des Betriebsprüfers vorgenommenen Berichtigungsveranlagungen wurden nach Rücknahme des Einspruchs des Stpfl. rechtskräftig.
Zugleich mit der Rücknahme des Einspruchs stellte der Stpfl. einen Antrag auf Erlaß der nachgeforderten Umsatzsteuern aus Billigkeitsgründen. Das FA lehnte den Antrag ab. Beschwerde und Berufung blieben ohne Erfolg. Mit der Rb. rügt der Stpfl. unrichtige Anwendung des geltenden Rechts und wesentliche Verfahrensmängel.
Entscheidungsgründe
Aus den Gründen:
Die Rb. war nach Inkrafttreten der FGO (1. Januar 1966) als Revision zu behandeln. Sie ist unbegründet.
Bei den einen Billigkeitserlaß ablehnenden Verfügungen und den sie bestätigenden Beschwerdeentscheidungen der Finanzverwaltungsbehörden handelt es sich um Ermessensentscheidungen. Die Steuergerichte können nur prüfen, ob die der Ermessensausübung gesetzten Grenzen eingehalten worden sind, oder die Behörde von dem Ermessen in einer dem Zweck der übertragenen Ermächtigung entsprechenden Weise Gebrauch gemacht hat (§ 102 FGO; Urteil des BFH VII 22/62 S vom 19. Januar 1965, BFH 81, 572, BStBl III 1965, 206 mit Angaben früherer Rechtsprechung). Die vom Stpfl. vorgetragenen Gründe reichen nicht aus, um einen der in § 102 FGO genannten Ermessensfehler festzustellen.
Voraussetzung für den Erlaß einer Steuer und damit zugleich gesetzliche Ermessensgrenze ist, daß die Einziehung der Steuer nach Lage des einzelnen Falles unbillig wäre. Ohne den Begriff der sachlichen oder persönlichen Unbilligkeit zu verkennen, oder die jeder Ermessensausübung gesetzten inneren Schranken zu mißachten, haben die Verwaltungsbehörden und das FG den vom Stpfl. erstrebten Erlaß von Umsatzsteuer für die Lieferung gebrauchter Kraftfahrzeuge abgelehnt.
1. Die Ablehnung war nicht sachlich deshalb unbillig, weil der Stpfl. als saarländischer Gebrauchtwagenhändler gegenüber seinen französischen Wettbewerbern benachteiligt war, die für ihre Umsätze seit dem Jahre 1954 Umsatzsteuerfreiheit in Anspruch nehmen konnten. Diesen Wettbewerbsnachteil hat nicht der saarländische, sondern der französische Gesetzgeber verursacht. Der Nachteil traf alle saarländischen Gebrauchtwagenhändler gleich, der saarländische Gesetzgeber hat ihn mit Einführung einer Umsatzsteuerbefreiung für die Umsätze mit gebrauchten Gegenständen durch § 4 Nr. 25 des Umsatzsteuergesetzes-Saar (UStG-Saar) vom 13. Juli 1955 mit Wirkung vom 1. Juli 1955 beseitigt. Der Stpfl. mag die Hoffnung gehabt haben, die Umsatzsteuerbefreiung werde zu einem früheren Zeitpunkt als zum 1. Juli 1955 im Saarland eingeführt werden. Diese Hoffnung mag auch berechtigte Gründe gehabt haben, da der Stpfl. zutreffend vorträgt, daß der Wirtschaftsvertrag zwischen Frankreich und dem Saarland vom 20. Mai 1953 (Amtsblatt Saar 1953 S. 274 ff.) eine Verpflichtung für den saarländischen Gesetzgeber begründete, die steuerliche Belastung den französischen Verhältnissen anzupassen. Dennoch begingen die Finanzverwaltungsbehörden mit der Ablehnung des Erlaßantrags keinen Ermessensfehler, weil Wirtschaftsverträge zwischen verschiedenen Staaten noch kein unmittelbar geltendes Steuerrecht in den einzelnen Staaten schaffen und die Finanzverwaltungsbehörden jedes Staates im Interesse der Gleichbehandlung aller Staatsbürger verpflichtet sind, das geltende Steuerrecht anzuwenden. Nach saarländischem Steuerrecht blieben auch nach Abschluß des französisch-saarländischen Wirtschaftsvertrages die Lieferungen von Gebrauchtwagen bis zur Einführung des § 4 Nr. 25 UStG-Saar am 1. Juli 1955 umsatzsteuerpflichtig.
2. Einen Steuererlaß gebieten im vorliegenden Fall auch nicht die Grundsätze von Treu und Glauben. Selbst wenn der Betriebsprüfer dem Stpfl. die Rücknahme seines Einspruchs nahegelegt haben sollte, war es weder sachlich noch persönlich unbillig, einen Steuererlaß nach § 131 AO abzulehnen. Unrichtige Auskünfte über die Erfolgsaussichten eines Rechtsmittels oder unzulässige Versprechungen für den Fall der Rechtsmittelrücknahme können es allenfalls rechtfertigen, die Wirksamkeit der Rücknahme des Einspruchs in Frage zu stellen. Sie begründen keine Pflicht für die Finanzverwaltungsbehörden, einen Billigkeitserlaß auszusprechen. Deshalb kann auch die Verfahrensrüge des Stpfl. keinen Erfolg haben, das FG hätte die zur Rechtsmittelrücknahme führenden einzelnen Umstände durch Vernehmung des Betriebsprüfers aufklären müssen.
3. Keinen Erfolg haben kann der Stpfl. mit seinem Vortrag, die Finanzverwaltungsbehörden hätten bei anderen Kraftfahrzeughändlern im Saarland erst die Veranlagungszeiträume ab 1956 geprüft und deshalb bei diesen Steuerpflichtigen keine Umsatzsteuern für die Jahre 1954 und 1955 nachgefordert.
Mit diesen Ausführungen will der Stpfl. offenbar eine Verletzung des Gleichheitssatzes rügen. Sie sind jedoch zu allgemein gehalten, als daß daraus eine Verletzung der Schranken der Ermessensausübung entnommen werden könnte....
Im übrigen läge auch kein Ermessensverstoß vor, wenn die Finanzverwaltung bei den Wettbewerbern des Stpfl. keine Betriebsprüfungen vorgenommen hätte. Der Stpfl. ist aufgrund der Betriebsprüfung zu den gesetzlich geschuldeten Steuern veranlagt worden. Wer nach dem Gesetz behandelt worden ist, kann unter Berufung auf die Pflicht der Verwaltungsbehörden zur Gleichbehandlung aller Staatsbürger nicht verlangen, daß das Gesetz auch bei ihm nicht angewandt werde. Er hat nur die Möglichkeit, mit den jedem Staatsbürger zur Verfügung stehenden zahlreichen Mitteln (z. B. Dienstaufsichtsbeschwerde, Einschaltung von Berufsverbänden) auf einen gleichmäßigen Gesetzesvollzug hinzuwirken, also daß bei seinen Wettbewerbern Betriebsprüfungen durchgeführt und ihnen keine ungerechtfertigten Steuervorteile belassen werden.
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Fundstellen
BStBl II 1968, 19 |
BFHE 1968, 99 |