Leitsatz (amtlich)
Hat der Erstattungsberechtigte, dem Ausfuhrerstattungsbescheide erteilt worden sind, seine Zahlungsansprüche an einen Dritten abgetreten und weigert sich die für die Auszahlung zuständige Erstattungsbehörde, den Erstattungsbetrag an den Zessionar zu zahlen, weil sie diesem gegenüber mit gegen den Erstattungsberechtigten gerichteten öffentlich-rechtlichen Rückforderungsansprüchen aufgerechnet hat so ist für die Zahlungsklage des Zessionars der Finanzrechtsweg gegeben.
Normenkette
Gesetz zur Durchführung der gemeinsamen Marktorganisationen (MOG) vom 31. August 1972 (BGBl I 1972, 1617) § 29 Abs. 1; FGO § 33 Abs. 1 Nr. 4
Tatbestand
I.
Die Firma X befaßt sich u. a. mit dem Export von Milcherzeugnissen für die im Rahmen des EWG-Marktordnungsrechts Ausfuhrerstattungen gewährt werden. Ihre Ausfuhrgeschäfte werden von der Klägerin und Revisionsbeklagten (Klägerin) kreditiert. Zur Sicherung aller gegenwärtigen und künftigen Ansprüche die der Klägerin aus dieser bankmäßigen Geschäftsbeziehung zustehen, hat die Firma X der Klägerin ihre gegenwärtigen und künftigen Forderungen, die ihr gegen Kunden, Geschäftspartner und Behörden zustehen abgetreten. Die Klägerin zeigte dies mit Schreiben vom 3. März 1971 und nochmals vom 11. Februar 1972 dem Beklagten und Revisionskläger (Hauptzollamt – HZA –) an.
Auf Grund von Erstattungsanträgen, die die Firma X in der Zeit vom 24 März 1970 bis zum 30. Mai 1972 stellte, erteilte ihr das HZA in der Zeit vom 15. Januar bis 16. Juni 1972 381 Erstattungsbescheide bzw. Erstattungsänderungsbescheide über die Gewährung von Ausfuhrerstattungen und Ausgleichsbeträgen in Hohe von insgesamt 3 258 424,80 DM.
Am 8 Februar 1972 erließ das HZA, gestützt auf Ermittlungen des Zollfahndungsamtes, gegen die Firma X einen Rückforderungsbescheid über 3 476 268 DM. In der Zeit vom 18. Februar bis 16. Juni 1972 rechnete das HZA der Klägerin gegenüber gemäß § 406 BGB mit dieser Rückforderung gegen die oben bezeichneten Forderungen der Firma X auf Zahlung von Ausfuhrerstattung und Ausgleichsbeträgen auf.
Am 1. November 1972 erhob die Klägerin Klage mit dem Antrag, das HZA zu verurteilen, an sie 3 258 424,80 DM nebst Zinsen nach § 111 FGO seit Rechtshängigkeit zu zahlen, hilfsweise, den Rechtsstreit nach § 34 Abs. 3 FGO an das für zuständig erachtete Gericht zu verweisen.
Das Finanzgericht (FG) Hamburg hat mit dem angefochtenen Urteil vom 26. Februar 1974 IV 81/72 H (Entscheidungen der Finanzgerichte 1974 S. 431 – EFG 1974, 431 –) entschieden, daß der Rechtsweg unzulässig sei, und die Sache an das Landgericht verwiesen.
Hiergegen richtet sich die Revision des HZA, mit der Verletzung des § 29 Abs. 1 des Gesetzes zur Durchführung der gemeinsamen Marktorganisationen – MOG – (BGBl I 1972, 1617, BZBl 1972, 1048) gerügt wird. Das HZA führt aus, das FG sei zutreffend von der Rechtsnatur des Klagebegehrens ausgegangen. Die Klägerin beanspruche die Zahlung eines bestimmten Geldbetrages. Es komme also auf die Rechtsnatur dieses Zahlungsanspruches an. Dessen Rechtsnatur bestimme sich nach den Normen, in denen er wurzele; das seien die Vorschriften des Erstattungsrechts. Nicht nur der Erstattungsanspruch, sondern auch der sich aus ihm ergebende Zahlungsanspruch stelle eine öffentlich-rechtliche Beziehung dar, an der die Abtretung nichts ändern könne. Das ergebe sich auch aus dem Urteil des Reichsgerichts (RG) vom 28. April 1936 111 180/35 (Juristische Wochenschrift 1936 S. 2712 – JW 1936, 2712 –). An dieser Rechtsnatur des Klageanspruchs könne auch die erklärte Aufrechnung nichts ändern. Die Aufrechnung sei Vorfrage, die inzidenter zu entscheiden sei.
Die Unterscheidung des FG zwischen Erstattungsanspruch und Zahlungsanspruch möge möglich sein. Mit dieser Unterscheidung sei jedoch der Bereich des öffentlichen Rechts noch nicht verlassen. Der nicht abgetretene Zahlungsanspruch behalte die öffentlich-rechtliche Natur des Erstattungsanspruches. Das FG folgere die Zivilrechtsnatur des abgetretenen Zahlungsanspruchs aus der Zivilrechtsnatur der Abtretung. Die Abtretbarkeit öffentlich-rechtlicher Forderungen bestimme sich aber nach öffentlichem Recht, hier nach EWG-Recht und hilfsweise nach nationalem Verwaltungsrecht. Daran ändere die mehr oder weniger beschränkte Anwendung bürgerlich-rechtlicher Vorschriften nichts. Jedenfalls folge aber aus der zivilrechtlichen Natur der Abtretung noch nicht zwingend die zivilrechtliche Natur des abgetretenen Rechts.
Das HZA beantragt, die Vorentscheidung aufzuheben, den Finanzrechtsweg für gegeben zu erklären und den Rechtsstreit zur Entscheidung in der Sache an das FG Hamburg zurückzuverweisen.
Die Klägerin hat keinen ausdrücklichen Antrag gestellt; sinngemäß begehrt sie die Zurückweisung der Revision. Sie führt aus, das Schwergewicht des Rechtsstreits liege in der Frage, ob das HZA zulässigerweise nach § 406 BGB aufgerechnet habe. Hätte sie, die Klägerin, sich gegen die Aufrechnung mit einer bloßen Feststellungsklage zur Wehr setzen können, so hätte der Rechtsstreit nach dem Urteil des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 20. Februar 1968 VII 327/64 (BFHE 91, 518, BStBl II 1968, 384) vor die Zivilgerichte gehört. Unter diesen Umständen wäre es kaum verständlich, daß der Finanzrechtsweg hier deswegen eröffnet werden solle, weil ein Feststellungsinteresse daran scheitere, daß sie, die Klägerin, gleich auf Leistung klagen könne.
Das FG bestimme die Rechtsnatur des Klagebegehrens danach, wem gegenüber das HZA angesichts der Abtretung zur Ausübung von Hoheitsbefugnissen berechtigt sei. Hoheitliche Befugnisse hätten dem HZA nur gegenüber der Firma X zugestanden. Die Abtretung verschaffe dem HZA keine Hoheitsbefugnisse ihr, der Klägerin, gegenüber. Daher komme es auch nicht darauf an, daß der Zahlungsanspruch seinen Rechtsgrund in denselben öffentlich-rechtlichen Vorschriften linde, die dem Erstattungsanspruch zugrunde lägen.
Öffentlich-rechtlich sei nach der Subjektionstheorie ein Verhältnis, in dem der einzelne Beteiligte kraft seiner Unterwerfung unter die Gewalt des Staates zu dieser öffentlichen Gewalt stehe. Folglich bestehe zwischen ihr und dem HZA kein öffentlich-rechtliches Verhältnis. Die Beziehungen zwischen beiden seien gleichgeordnet. Auch ein Gleichordnungsverhältnis sei zwar öffentlich-rechtlicher Natur, wenn die das Rechtsverhältnis beherrschenden Rechtsnormen überwiegend den Interessen der Gesamtheit dienten. Das sei aber hier nicht der Fall. Wenn der Erstattungsbetrag an Dritte ausgezahlt werde, die unmittelbar mit der subventionierten Ausfuhr nichts zu tun hätten, diene die Auszahlung in erster Linie der Befriedigung eines privatwirtschaftlichen Interesses des Dritten und nur noch mittelbar der Erfüllung des mit der Erstattungsgewährung verbundenen öffentlichen Subventionszweckes.
Der Streitgegenstand des vorliegenden Prozesses sei keine unmittelbare Rechtsfolge des öffentlichen Rechts, sondern allenfalls eine mittelbare. Das ergebe sich auch daraus, daß durch den Erstattungsbescheid der Zahlungsanspruch ausschließlich dem erstattungsberechtigten Ausführer zugeordnet werde. Die Auszahlung selbst hingegen sei kein Akt der hoheitlichen Tätigkeit, sondern ein rein fiskalischer Akt. Fiskalische Verwaltung bedeute jedoch nach deutscher Rechtsvorstellung, daß sich der Träger öffentlicher Verwaltung privatrechtlicher Formen bediene. Die Auszahlung des Erstattungsbetrages sei nicht mehr ein Vorgang des öffentlichen Rechts, sondern ein Vorgang, der in den Fiskalbereich des Staates falle, so daß sämtliche Rechtsgeschäfte, die sich ausschließlich auf die Auszahlung der Ausfuhrerstattung bezögen, dem privaten Recht angehörten. Der Zahlungsanspruch werde im vorliegenden Fall nicht erst durch die Abtretung privatisiert, sondern bereits dadurch, daß das HZA der Firma X die Erstattungsbescheide erteilt und damit auch den Zahlungsanspruch kraft öffentlichen Rechts der Firma X zugewendet habe. Von öffentlichem Belang sei die Abtretung nur dann, wenn sie die gesamte – insbesondere die öffentlich-rechtliche – Rechtsposition des erstattungsberechtigten Ausführers umfasse. Eine solche – nach dem Sinn des Erstattungsrechts nicht zulässige – Abtretung hätte dann allerdings zur Folge gehabt, daß die Abtretung bereits im Erstattungsantragsverfahren hätte berücksichtigt werden müssen mit der Maßgabe, daß die Erstattungsbescheide nicht etwa der Firma X hätten erteilt werden dürfen, sondern allenfalls ihr, der Klägerin.
Entscheidungsgründe
II.
Die Revision führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zu Zurückverweisung der Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das FG.
Das FG hat zu Unrecht den Finanzrechtsweg für unzulässig erklärt. Nach § 29 Abs. 1 Satz 1 MOG in Verbindung mit § 33 Abs. 1 Nr. 4 FGO – das Marktordnungsgesetz ist vor Erhebung der Klage in Kraft getreten – ist der Finanzrechtsweg gegeben in „öffentlich-rechtlichen Streitigkeiten über die Festsetzung von Ausfuhrerstattungen”. Um eine solche Streitigkeit handelt es sich im vorliegenden Fall. Zwar sind nicht nur Erstattungen im engeren Sinn streitbefangen, sondern auch die sogenannten Ausgleichsbeträge. Diese stellen jedoch ebenso wie die Erstattungen Ausfuhrsubventionen dar, verfolgen also den gleichen Zweck. Deswegen ist es gerechtfertigt, sie den Ausfuhrerstattungen im Sinne des § 29 Abs. 1 Satz 1 MOG gleichzustellen. Auch der Umstand, daß der Streit im vorliegenden Fall nicht um die eigentliche „Festsetzung” der genannten Ausfuhrsubventionen geht – über die Festsetzungsbescheide selbst besteht kein Streit –, hindert die Anwendung des § 29 Abs. 1 Satz 1 MOG nicht. Diese Bestimmung ist vielmehr dahin zu verstehen, daß der Finanzrechtsweg für alle Streitigkeiten eröffnet werden soll, die mit der Festsetzung der Ausfuhrerstattungen – und der ihnen hier gleichstehenden Ausgleichsbeträge – zusammenhängen, also auch für die sich aus den Festsetzungen ergebenden Zahlungsansprüche, sofern diese Streitigkeiten öffentlich-rechtlicher Natur sind.
Das FG ist zu Recht davon ausgegangen, daß für die Frage des Rechtswegs ausschließlich die Rechtsnatur des Klagebegehrens maßgebend ist, wie sie sich aus dem dem Klageantrag zugrunde liegenden Sachverhalt ergibt (vgl. v. Wallis-List in Hübschmann-Hepp-Spitaler, Reichsabgabenordnung/Finanzgerichtsordnung, Kommentar, 6. Aufl., § 33 FGO, Anm. 8 Abs. 2; Urteil des Bundesgerichtshofs – BGH – vom 13. Februar 1968 VI ZR 19/66, BGHZ 49, 282, 285, und die dort zitierte Rechtsprechung; Urteil des Bundesverwaltungsgerichts – BVerwG – vom 25. März 1971 II C 11.66, BVerwGE 38, 1, 4). Das Klagebegehren geht im vorliegenden Fall dahin, das HZA zur Zahlung eines Betrages in Höhe von 3 258 424,80 DM zu verurteilen. Allein dieser Zahlungsanspruch ist Gegenstand des Klagebegehrens. Dagegen spricht nicht der Umstand, daß bei der Entscheidung über die Gültigkeit dieses Anspruches auch zu entscheiden ist, ob der Anspruch durch die vom HZA erklärte Aufrechnung erloschen ist. Denn nicht diese – inzidenter zu entscheidende – Frage der Rechtswirksamkeit der Aufrechnung hat die Klägerin zum Gegenstand ihres Klagebegehrens gemacht.
Der Streit darüber, ob das HZA zur Erfüllung des geltend gemachten Anspruches verpflichtet ist, ist eine öffentlich-rechtliche Streitigkeit. Der Anspruch hat für die Ausfuhrerstattungen seine Rechtsgrundlage im EWG-Ausfuhrerstattungsrecht, insbesondere in Art. 17 der Verordnung (EWG) Nr. 804/68 – VO (EWG) 804/68 – des Rates vom 27. Juni 1968 über die gemeinsame Marktorganisation für Milch und Milcherzeugnisse (Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften 1968 Nr. L 148/13 – ABlEG 1968 Nr. L 148/13 –), und für die Ausgleichsbeträge in Art. 1 Abs. 1 Buchst. b VO (EWG) 974/71 des Rates über bestimmte konjunkturpolitische Maßnahmen, die in der Landwirtschaft im Anschluß an die vorübergehende Erweiterung der Bandbreiten der Währungen einiger Mitgliedstaaten zu treffen sind (ABlEG 1971 Nr. L 106/1) in Verbindung mit Abschn. IX der Bekanntmachung über die Gewährung von Ausgleichsbeträgen bei der Ausfuhr von landwirtschaftlichen Erzeugnissen nach Mitgliedstaaten vom 18 Mai 1971 (Bundesanzeiger – BAnz – Nr. 93 vom 19. Mai 1971, BZBl 1971 492). Diese Bestimmungen sind eindeutig öffentliches Recht. Das Rechtsverhältnis, aus dem der streitige Anspruch hergeleitet wird, ist also öffentlich-rechtlicher Natur.
Das FG ist der Auffassung, daß eine öffentlich-rechtliche Streitigkeit nur dann vorliege, wenn die Steuerbehörde dem Zessionar gegenüber hoheitliche Befugnisse wahrnehme. Dieser Auffassung kann jedoch nicht gefolgt werden. Zwar ist obrigkeitliches Handeln der Behörde stets ein Indiz dafür, daß es auf Grund öffentlichen Rechts geschieht. Der Umkehrschluß, daß fehlendes obrigkeitliches Handeln der Behörde ein Handeln nach bürgerlichen Rechtsgrundsätzen ist, ist aber nicht zulässig; denn auch die Gleichordnung der Partner ist dem öffentlichen Recht nicht fremd. Für die Entscheidung der Frage, ob ein Rechtsverhältnis öffentlich-rechtlicher oder privat-rechtlicher Natur ist, ist der Umstand, ob die Behörde im Rahmen dieses Verhältnisses hoheitlich auftritt, nur dann von Belang, wenn die anzuwendenden Rechtsnormen nicht schon ihrer Natur nach eindeutig der einen oder der anderen Rechtsmaterie zugeordnet werden können. Im vorliegenden Fall gehört das dem Klagebegehren zugrunde liegende Rechtsverhältnis, wie oben ausgeführt, eindeutig zum öffentlichen Recht Die in diesen Normen wurzelnde Streitigkeit ist sonnt auch dann öffentlich-rechtlicher Natur, wenn beide Parteien des Verhältnisses einander gleichgeordnet gegenüberstehen.
Das FG beruft sich auf das Urteil des erkennenden Senats vom 20 Februar 1968 VII 327/64 (BFHE 91, 518, BStBl II 1968, 384), das für die Frage der Zulässigkeit des Finanzrechtswegs ebenfalls darauf abgestellt habe, ob die Steuerbehörde dem Zessionar gegenüber als Hoheitsträger aufgetreten sei. Der Senat hat zwar in der Begründung dieses Urteils zum Ausdruck gebracht, daß eine Aufrechnung des FA mit Steuerforderungen gegenüber dem Steuerschuldner eine öffentlich-rechtliche Maßnahme sei und das FA dabei dem Steuerschuldner gegenüber in Ausübung öffentlicher Gewalt auftrete. Daraus kann aber nicht der Schluß gezogen werden, der Senat sei der Auffassung gewesen, daß stets dann keine öffentlich-rechtliche Streitigkeit vorliege, wenn das FA nicht in Ausübung öffentlicher Gewalt handle. Aus den Gründen des genannten Urteils ergibt sich vielmehr, daß der Senat in seiner damaligen Entscheidung in Übereinstimmung mit der hier vertretenen Auffassung den Finanzrechtsweg in Fällen für gegeben hielt in denen eine öffentlich-rechtliche Forderung abgetreten worden ist und das FA gegen sie gegenüber dem Zessionar mit öffentlich-rechtlichen Forderungen aufrechnet.
Entgegen der Auffassung des FG ist der öffentlich-rechtliche Anspruch auf Zahlung der fraglichen Erstattungen nicht dadurch zu einem privatrechtlichen geworden, daß die Erstattungsberechtigte den Anspruch auf Zahlung der Erstattungs- und Ausgleichsbeträge an die Klägerin abgetreten hat (vgl. auch Roggentin, Zur Rückforderung der EWG-Ausfuhrerstattungen bei Zession, Recht der internationalen Wirtschaft/Außenwirtschaftsdienst des Betriebs-Beraters 1975 S. 33 – RIW/AWD 1975, 33 –). Die Abtretung hat lediglich die Wirkung, daß die abgetretene Forderung vom alten Gläubiger auf den neuen übergeht. Die Forderung bleibt trotz des Übergangs dieselbe, die Abtretung ändert also nichts an ihrer Rechtsnatur (vgl. Enneccerus-Lehmann, Schuldrecht, 15. Aufl., S. 309; Palandt, Bürgerliches Gesetzbuch, 29. Aufl., Überblick vor § 398 Anm. 1). Schon die Begriffe „Abtretung” und „Übertragung” einer Forderung (vgl. § 398 BGB) lassen das erkennen. Aus ihnen ergibt sich, daß durch die Abtretung nicht eine neue Forderung entsteht, d. h. keine „Novation” eintritt, sondern eine bestehende Forderung ohne Veränderung ihrer Rechtsnatur auf einen neuen Gläubiger übertragen wird. Ist dem aber so, so ist die Forderung nach wie vor eine Forderung, die im öffentlichen Recht wurzelt (vgl. Urteile des RG vom 3. Januar 1934 V 168/33, RGZ 143, 91, 94, und vom 28. April 1936 III 180/35, JW 1936, 2712; ähnlich auch das Urteil des Bundessozialgerichts – BSG – vom 17. Dezember 1965 8 RV 749/64, BSGE 24, 190, 192, für den Fall des Rechtsübergangs eines Erstattungsanspruchs des Versorgungsrechts aus Anlaß eines Erbfalls).
Im übrigen kann der Argumentation der Vorentscheidung, wegen der privatrechtlichen Natur der Abtretung werde ein öffentlich-rechtlicher Anspruch durch die Abtretung zu einem privatrechtlichen, auch deswegen nicht gefolgt werden, weil sich die Abtretung im vorliegenden Fall nach öffentlichem Recht richtet. Die Bestimmungen des Bürgerlichen Gesetzbuches über die Abtretung (§§ 398 ff.) beziehen sich – ausgenommen § 411 – unmittelbar nur auf privatrechtliche Forderungen (Urteil des erkennenden Senats vom 6. Februar 1973 VII R 62/70, BFHE 108, 564, BStBl II 1973, 513; Urteil des BVerwG vom 6. Dezember 1967 III C 173/65, BVerwGE 28, 254, 258; Palandt, a.a.O., Überblick vor § 398 Anm. 2). Ob und in welcher Weise die Abtretung einer Forderung des öffentlichen Rechts – etwa in entsprechender Anwendung der §§ 398 ff. BGB – möglich ist, hängt von der Art des Rechts und des Rechtsgebietes ab, dem dieses Recht zugehört (vgl. Urteil VII R 62/70). Entscheidend sind also hier die einschlägigen EWG-Bestimmungen. Diese sagen nichts über die Möglichkeit einer Abtretung. Eine nationale Regelung, welche die Abtretung zuläßt, kann somit nicht als unvereinbar mit der gemeinschaftsrechtlichen Regelung angesehen werden (vgl. Urteil des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften – EGH – vom 21. Februar 1974 Rs. 162/73, EGHE 1974, 201, 215). Es sind also die insoweit ergänzend geltenden Vorschriften des nationalen Rechts über die Abtretung öffentlich-rechtlicher Forderungen anzuwenden. Es fehlt zwar an einer ausdrücklichen Regelung dieser Frage. Nach allgemeinen verwaltungsrechtlichen Grundsätzen – auf die zurückzugreifen zulässig ist (vgl. Urteil des erkennenden Senats vom 13. Juli 1971 VII R 101/68, BFHE 103, 377, 380) – können jedoch vermögensrechtliche Ansprüche öffentlichen Rechts abgetreten werden (vgl. Forsthoff, Verwaltungsrecht I, 10. Aufl., § 10 Nr. 4 S. 192). Auch dieser Rechtsgrundsatz ist Teil des öffentlichen Rechts. Die Zulässigkeit und die Formerfordernisse der Abtretung eines öffentlich-rechtlichen Anspruchs regeln sich also nach öffentlichem Recht.
Das FG unterscheidet zwischen der das Bestehen des Erstattungsanspruchs betreffenden Rechtsfolge als Teil des öffentlichen Rechts und der die Zahlungsberechtigung betreffenden Rechtsfolge als Teil des Zivilrechts. Ob diese Unterscheidung überhaupt möglich ist, kann dahingestellt bleiben. Für die hier zu entscheidende Frage, ob es sich um eine öffentlich-rechtliche Streitigkeit handelt, können der Anspruch auf Gewährung der Ausfuhrerstattung und der Ausgleichsbeträge sowie der daraus resultierende Zahlungsanspruch jedenfalls nur einheitlich betrachtet werden (vgl. auch das zitierte Urteil des RG III 180/35). Die Auszahlung der durch Bescheide festgesetzten Beträge dient der Erfüllung der sich aus den oben genannten einschlägigen Vorschriften des öffentlichen Rechts ergebenden Verpflichtung, Erstattungen unter bestimmten Bedingungen zu gewähren. Es gibt keinen Grund, weswegen sich durch den Umstand, daß die Erstattungsberechtigte einen unbestrittenen Anspruch auf Gewährung von Ausfuhrerstattungen und Ausgleichsbeträgen abtrat, dessen Rechtsgrundlage ändern und ein gewissermaßen abstrakter Zahlungsanspruch des Neugläubigers gegen das HZA entstehen sollte.
Zu Unrecht hält die Vorinstanz die von den gleichen Rechtsgrundsätzen ausgehende zitierte Entscheidung des RG III 180/35 im vorliegenden Fall nicht für anwendbar. Es ist zwar richtig, daß sich das RG mit der Abtretung eines Erstattungsanspruchs im Sinne der §§ 150 ff. AO zu befassen hatte und Ausfuhrerstattungen nach der Rechtsprechung des erkennenden Senats (vgl. Urteil vom 8. Mai 1970 VII R 52/67, BFHE 99, 281) nicht zu diesen Ansprüchen zählen, da sie keine Rückgewähr erhobener Abgaben, sondern eine Art Subvention für die Ausfuhr von Waren darstellen. In beiden Fällen der Erstattung handelt es sich jedoch um Ansprüche an die öffentliche Hand auf Zahlung von Geldbeträgen auf Grund öffentlich-rechtlicher Vorschriften, deren Geltendmachung einen entsprechenden Bescheid der zuständigen Behörde voraussetzt. Die Gleichbehandlung beider Arten von Ansprüchen für die hier zu entscheidende Frage ist daher gerechtfertigt.
Nicht gefolgt werden kann der Auffassung der Klägerin, der öffentlich-rechtliche Charakter des Zahlungsanspruchs ende mit der Erteilung des Erstattungsbescheides und der damit erfolgten „Zuwendung” des Zahlungsanspruchs an den Erstattungsberechtigten. Die Klägerin begründet diese Auffassung damit, sämtliche öffentlichen Belange seien mit der Erteilung der Erstattungsbescheide bereits gewahrt. Die Klägerin übersieht dabei, daß die Erstattung erst „gewährt” ist – und zu dieser Gewährung ist nach den zugrunde liegenden Vorschriften die Verwaltung verpflichtet –, wenn sie bezahlt worden ist. Auch und gerade die Befriedigung des Zahlungsanspruchs ist also eine öffentliche Aufgabe. Überdies aber ist die Argumentation der Klägerin schon im Ansatz unrichtig, da es allein auf die Natur der Rechtsmaterie ankommt, die dem streitigen Rechtsverhältnis zugrunde liegt. Es ist daher nicht zulässig, im Rahmen dieses einheitlich zu betrachtenden Rechtsverhältnisses einzelne Teilaspekte auszuklammern und getrennt daraufhin zu untersuchen, ob hier das öffentliche Interesse zurücktritt. Aus diesem Grund vermag der erkennende Senat auch der Auffassung der Klägerin nicht zu folgen, daß die Auszahlung der Erstattungsbeträge ein fiskalischer Akt der Verwaltung sei und daher nicht mehr dem öffentlichen Recht zugeordnet werden könne.
Da das FG zu Unrecht den Finanzrechtsweg für unzulässig erklärt hat, war die Vorentscheidung aufzuheben und die Sache zurückzuverweisen.
Fundstellen
Haufe-Index 514764 |
BFHE 1976, 23 |