Entscheidungsstichwort (Thema)
Erwerb und Bebauung eines Grundstücks - wirtschaftlich-gemeinschaftlich durch Partner einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft (ErbSt); Übergehen eines Beweisantrages unter Wahrunterstellung
Leitsatz (NV)
1. Im Falle der Erbeinsetzung eines Partners einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft (Erbe) durch den anderen (Erblasser) kann erbschaftsteuerrechtlich zu prüfen sein, ob hierfür nicht nur eine moralische, sondern eine rechtliche Verpflichtung aus - möglicherweise durch schlüssiges Handeln zustandegekommener - Innengesellschaft maßgebend war, wenn vom Erben geltend gemacht wird, der Erwerb eines Grundstücks und dessen Bebauung, wobei nur der Erblasser als Grundstückseigentümer und Bauherr aufgetreten ist, seien eine gemeinschaftliche Angelegenheit gewesen.
2. Zur Wahrunterstellung beim Übergehen eines Beweisantrages (Zeugenvernehmung).
Normenkette
BGB § 705 ff.; FGO §§ 76, 96
Verfahrensgang
Tatbestand
Der ursprüngliche Kl. (B) war Vorerbe der 1978 verstorbenen Witwe X (Erblasserin), mit der er nach seiner Behauptung lange Jahre in eheähnlicher Gemeinschaft gelebt hatte. Nacherben waren ihre Brüder Y und Z. Die Nacherbfolge trat mit dem Tode des ursprünglichen Kl. im September 1983 ein. Der Kl. wurde von der nunmehrigen Klin. beerbt, die er inzwischen geheiratet hatte. Der Vorerbfolge lag folgendes Testament der Erblasserin vom Juli 1976 zugrunde:
,,Mein letzter Wille!
Aus Anlaß meines langjährigen Zusammenlebens in zufriedener und glücklicher Wohngemeinschaft mit Herrn B habe ich eine Dankespflicht zu erfüllen. Die große Hilfe in guten und schlechten Jahren - besonders bei der Hilfe meines Wohnhauses in A - werde ich nie vergessen. So habe ich mich entschlossen - für den Fall meines früheren Ablebens -, Herrn B bis zu seinem Tode alle Rechte und Pflichten zu übertragen. Die beiden Sparkassenbücher, die gemeinsames Spargut enthalten, gehen in den Besitz des Herrn B, wohnhaft in . . ., über. Zu den Rechten und Pflichten gehört auch das Grundstück, Wohnhaus mit allem Inventar."
Der Einheitswert für das im Testament erwähnte Grundstück, das der Erblasserin allein gehörte, betrug . . . DM.
Durch vorläufigen Steuerbescheid vom 17. Oktober 1980 setzte das beklagte FA gegen den ursprünglichen Kl. eine ErbSt in Höhe von . . . DM fest. Das genannte Grundstück setzte es dabei mit 140 v.H. des Einheitswertes an.
Mit seinem Einspruch machte der ursprüngliche Kl. u.a. geltend, zwischen ihm und der Erblasserin habe bezüglich des Hauses eine Innengesellschaft bestanden, so daß er an dem Haus schon zu Lebzeiten der Erblasserin zur Hälfte beteiligt gewesen sei. In diesem Punkte hatte der Einspruch keinen Erfolg. Aus anderen Gründen führte die Einspruchsentscheidung jedoch zu einer Herabsetzung der ErbSt auf . . . DM. Zugleich wurde der Steuerbescheid für endgültig erklärt.
Mit seiner Klage hat der ursprüngliche Kl. weiterhin geltend gemacht, daß das Haus nur zur Hälfte als Erwerb von Todes wegen anzusetzen sei. Darüber hinaus machte er weitere Erbfallkosten geltend, die zu einer weiteren Ermäßigung der ErbSt auf . . . DM führten. Der Änderungsbescheid vom 11. August 1982 wurde Gegenstand des Klageverfahrens.
Im einzelnen hat der ursprüngliche Kl. noch vorgetragen: Er habe mit der Erblasserin früher in H gelebt. Der gemeinsame Haushalt sei in erster Linie von ihm finanziert worden. Anfang der sechziger Jahre hätten sie dann beschlossen, ein Haus in A zu erwerben und für den gemeinsamen Lebensabend herzurichten. Die Kosten seien überwiegend von ihm getragen worden. Da die Erblasserin jedoch einen Bausparvertrag und eine Kriegerwitwenrente eingebracht habe und man davon ausgegangen sei, daß diese Gelder nur zur Verfügung gestellt würden, wenn die Erblasserin allein als Grundstückseigentümerin und als Bauherrin auftrete, habe sie das Haus nach außen hin zu Alleineigentum erworben. Gleichwohl habe eine Innengesellschaft vorgelegen. Die Erblasserin habe mehrfach Dritten gegenüber erklärt, die Errichtung und Finanzierung des Hauses sei eine gemeinsame Sache (Zeugnis von Frau L und Frau M).
Der ursprüngliche Kl. hat beantragt, das Haus nur zur Hälfte (mit 70 v.H. seines Einheitswerts) anzusetzen.
Das FA hat Klageabweisung beantragt. Die bloße finanzielle Beteiligung am Erwerb und Bau des Hauses reiche nicht aus, eine Beteiligung des ursprünglichen Kl. an einer Innengesellschaft zu begründen.
Das FG hat die Klage abgewiesen.
Bezüglich des Hauses habe kein Gesellschaftsverhältnis zwischen dem ursprünglichen Kl. und der Erblasserin bestanden. Dies gelte auch, wenn zugunsten des ursprünglichen Kl. unterstellt werde, er habe sich maßgeblich am Hausbau beteiligt und die Erblasserin habe sich gegenüber dem Architekten L und Frau M dahin geäußert, daß die Rechte und Finanzierung des Hauses eine gemeinsame Sache sei. Daraus folge nicht, daß sich die Erblasserin mit dem ursprünglichen Kl. dahingehend geeinigt habe, er solle schuldrechtlich zur Hälfte am Haus beteiligt sein. Dem ständen das Testament vom Juli 1976 und auch das vorangegangene Testament vom Dezember 1972 entgegen.
Die nunmehrige Klin. hat (nach Zulassung durch den Senat) Revision eingelegt und den Klageantrag des ursprünglichen Kl. weiterverfolgt. Sie rügt im wesentlichen, daß das FG dem Klagvortrag, es liege eine Innengesellschaft vor, nicht gefolgt sei, ohne zuvor die angebotenen Beweise zu erheben, und daß das FG sich entschieden auf die späteren Äußerungen der Erblasserin in ihren Testamenten gestützt habe.
Entscheidungsgründe
Die Revision führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das FG wegen Verletzung des § 96 FGO.
Zwischen der Erblasserin und dem ursprünglichen Kl. konnte eine Innengesellschaft nicht nur durch ausdrückliche Willenserklärungen (wovon anscheinend das FG ausgeht), sondern auch durch schlüssige Handlungen entstehen. Denn auch auf diese Weise können die Partner einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft ihre Absicht bekunden, mit dem Erwerb eines Vermögensgegenstandes einen - wenn auch nur wirtschaftlich - gemeinschaftlichen Wert zu schaffen, der von ihnen für die Dauer der Partnerschaft benutzt werden und ihnen nach ihrer Vorstellung gemeinsam gehören soll (vgl. BGH-Urteil vom 24. März 1980 II ZR 191/79, BGHZ 77, 55, 57). In dieser Richtung hat der ursprüngliche Kl. Tatsachen vorgetragen und unter Beweis gestellt. Er hat nicht nur behauptet, daß er die Kosten für den Bau des Hauses überwiegend getragen habe, sondern er hat auch Zeugen benannt, die Äußerungen der Erblasserin bestätigen sollen, wonach die Errichtung und Finanzierung des Hauses eine gemeinschaftliche Sache gewesen sei.
Das FG hat diese Zeugenaussagen zugunsten der Klin. als wahr unterstellt. Es hat diese Wahrunterstellung aber entweder nicht seiner Entscheidung zugrunde gelegt oder ohne Einvernahme der Zeugen eine (vorweggenommene) Beweiswürdigung dahin vorgenommen, daß es den Testamenten der Erblasserin die höhere Glaubwürdigkeit einräume. Denn andernfalls hätte das FG einer sechs bis zehn Jahre später abgegebenen einseitigen Erklärung der Erblasserin in Form der Testamente nicht den Vorzug vor den als wahr unterstellten Zeugenaussagen über Erklärungen der Erblasserin in Gegenwart des ursprünglichen Kl. während der Zeit der Erbauung des Hauses einräumen können. Es hätte vielmehr Überlegungen anstellen müssen, ob die Erbeinsetzung des ursprünglichen Kl. auf einer moralischen Verpflichtung oder auf einer rechtlichen Verpflichtung aus der Innengesellschaft beruhte. Die Vorentscheidung muß wegen dieses Fehlers aufgehoben werden.
Die nicht spruchreife Sache geht an das FG zurück. Der Senat weist darauf hin, daß der behauptete Anspruch des ursprünglichen Kl. gegen die Erblasserin, sollte er bestanden haben, mit seinem Tod wieder aufgelebt ist (vgl. § 2143 BGB). Möglicherweise lassen sich daraus weitere Indizien gewinnen, wie sich die nunmehrige Klin. und die Nacherben im Hinblick auf den behaupteten Anspruch inzwischen verhalten haben, ggf. wie die Zivilgerichte diese Fragen entschieden haben.
Fundstellen
Haufe-Index 414343 |
BFH/NV 1987, 302 |