Leitsatz (amtlich)
Wird eine GmbH & Co. KG in der Weise auf ihre persönlich haftende GmbH "umgewandelt", daß die Kommanditisten ihre Kommanditanteile in die GmbH gegen Gewährung von Gesellschaftsrechten einbringen und die KG erlischt, so ist der Erwerb der Gesellschaftsrechte an der GmbH nicht gemäß § 7 Abs. 3 Nr. 1 KVStG 1972 steuerfrei, sondern lediglich nach § 9 Abs. 2 Nr. 3 KVStG 1972 steuerbegünstigt.
Normenkette
KVStG 1972 § 7 Abs. 3 Nr. 1, § 9 Abs. 2 Nr. 3; EWGRL 335/69 Art. 4 Abs. 3 Buchst. a, Art. 7 Abs. 1 Buchst. b---
Verfahrensgang
Tatbestand
I. Die Klägerin war persönlich haftende Gesellschafterin einer GmbH & Co. KG (KG). 1977 beschloß der alleinige Gesellschafter der Klägerin, der - neben zwei weiteren Personen - auch Kommanditist der KG war, das Stammkapital der Klägerin zu erhöhen. Zur Übernahme der neuen Stammanteile wurden der damalige Alleingesellschafter der Klägerin sowie die beiden weiteren Kommanditisten der KG zugelassen. Die Einlagen wurden vereinbarungsgemäß dadurch geleistet, daß die übernahmeberechtigten Personen ihre Kommanditanteile in die Klägerin einbrachten. Die Erhöhung des Stammkapitals der Klägerin und das Erlöschen der KG wurden 1977 in das Handelsregister eingetragen.
Das beklagte Finanzamt (FA) setzte wegen der Erhöhung des Stammkapitals gegen die Klägerin gemäß § 2 Abs. 1 Nr. 1, § 8 Nr. 1 Buchst. a des Kapitalverkehrsteuergesetzes 1972 (KVStG 1972) Gesellschaftsteuer fest.
Der Einspruch der Klägerin hatte keinen Erfolg.
Auf die Klage hob das Finanzgericht (FG) den Steuerbescheid und die Einspruchsentscheidung auf. Der Erwerb der Anteile an der Klägerin im Zuge der Kapitalerhöhung sei steuerfrei gemäß § 7 Abs. 3 Nr. 1 KVStG 1972.
Mit seiner Revision beantragt das FA, das FG-Urteil aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
II. Die Revision ist teilweise begründet.
1. Der Erwerb der Gesellschaftsrechte an der Klägerin durch die übernahmeberechtigten Personen als erste Erwerber unterliegt der Gesellschaftsteuer (§ 2 Abs. 1 Nr. 1 KVStG 1972).
2. Steuerbefreiung nach § 7 Abs. 3 Nr. 1 KVStG 1972 kann die Klägerin nicht in Anspruch nehmen.
Durch die Übertragung der Kommanditanteile auf die Klägerin wuchs dieser das Vermögen der KG an, weil alle Gesellschafter der KG bis auf einen ausgeschieden waren und die Gesellschaft damit erlosch (§ 142 Abs. 3 des Handelsgesetzbuches - HGB - i. V. m. § 738 des Bürgerlichen Gesetzbuches - BGB -).
Dieser Vorgang ist keine Umwandlung i. S. des § 7 Abs. 3 Nr. 1 Satz 1 KVStG 1972. Die Vorschrift setzt Art. 4 Abs. 3 Buchst. a der Richtlinie des Rates der Europäischen Gemeinschaften vom 17. Juli 1969 betreffend die indirekten Steuern auf die Ansammlung von Kapital (Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften - ABlEG - vom 3. Oktober 1969 L 249/25) - EG-Richtlinie - in nationales Recht um; sie ist richtlinienkonform auszulegen (Urteil des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 12. November 1980 II R 1/76, BFHE 132, 319, BStBl II 1981, 279). Art. 4 Abs. 3 der EG-Richtlinie regelt Ausnahmen von Abs. 1 Buchst. a dieses Artikels, also von der Besteuerung der Gründung. Eine Umwandlung i. S. des Art. 4 Abs. 3 der EG-Richtlinie und somit auch i. S. des § 7 Abs. 3 Nr. 1 Satz 1 KVStG 1972 kann daher nur dann vorliegen, wenn eine Gesellschaft gegründet wird. Im vorliegenden Fall ist jedoch keine Kapitalgesellschaft gegründet worden. Vielmehr ist das Vermögen der KG einer bereits bestehenden Kapitalgesellschaft, der Klägerin, angewachsen. Damit scheidet für den vorliegenden Fall die Anwendung der beiden genannten Vorschriften aus.
Der Senat braucht nicht gemäß Art. 177 Abs. 1 Buchst. b und Abs. 3 des Vertrages zur Gründung der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft (EWGV) den Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften (EuGH) anzurufen. Der Wortlaut des Art. 4 Abs. 3 der EG-Richtlinie ist eindeutig. Für Auslegungszweifel ist daher kein Raum (vgl. EuGH-Urteil vom 6. Oktober 1982 Rs. 283/81, Neue Juristische Wochenschrift 1983, 1257). Zwar ist in der Literatur über die Auslegung des Begriffs der Umwandlung i. S. des § 7 Abs. 3 Nr. 1 KVStG 1972 Streit entstanden. Die verschiedenen Ansichten sind aber nur in der Auslegung des nationalen Rechts begründet. Daß Art. 4 Abs. 3 Buchst. a der EG-Richtlinie sich entgegen seinem Wortlaut nicht nur auf die Gründung, sondern auch auf die Kapitalerhöhung beziehe, wird nicht behauptet (vgl. dazu Seithel in GmbH-Rundschau - GmbHR - 1978, 65; Glade in GmbHR 1978, 209, und Der Betrieb - DB - 1980, 469; Bellstedt in GmbHR 1979, 159; Kruse in GmbHR 1979, 280; Martin in Deutsche Verkehrsteuer-Rundschau 1979, 117, und Rux in GmbHR 1981, 250).
3. Der Steuersatz ermäßigt sich gemäß § 9 Abs. 2 Nr. 3 KVStG 1972 auf 50 v. H. des Regelsteuersatzes nach § 9 Abs. 1 Nr. 2 KVStG 1972.
Als Gegenleistung für den Erwerb der Gesellschaftsrechte an der Klägerin anläßlich der Kapitalerhöhung wurde das gesamte Vermögen der KG auf die Klägerin übertragen. Nachdem die Kommanditisten ihre Kommanditanteile in die Klägerin eingebracht hatten, blieb diese als einzige Gesellschafterin der KG übrig, so daß deren Vermögen im Wege der Gesamtrechtsnachfolge auf die Klägerin überging (§ 142 Abs. 3 HGB i. V. m. § 738 BGB). Auch diese Anwachsung ist ein "Übertragen" i. S. des § 9 Abs. 2 Nr. 3 KVStG 1972. Dieser Begriff ist bürgerlich-rechtlich nicht auf die Einzelübertragung beschränkt, wie z. B. § 339 Abs. 1 Nr. 1 des Aktiengesetzes 1965 zeigt. Für das Kapitalverkehrsteuerrecht gilt nichts anderes. Der Senat hat bereits durch Urteil vom 13. Februar 1980 II R 21/78 (BFHE 130, 191, BStBl II 1980, 376) entschieden, das "Einbringen" von Wertpapieren i. S. des § 18 Abs. 2 Nr. 1 KVStG 1959 könne auch durch Gesamtrechtsnachfolge geschehen. Er sieht keinen Anlaß, bei der Auslegung des § 9 Abs. 2 Nr. 3 KVStG 1972 eine andere Auffassung zu vertreten. Auch Art. 7 Abs. 1 Buchst. b der EG-Richtlinie, auf welchem § 9 Abs. 2 Nr. 3 KVStG 1972 beruht, gibt hierzu keinen Anlaß. Der dort verwendete Begriff "Einbringen" kann nicht nach nationalem Recht definiert werden (vgl. EuGH-Urteil vom 15. Juli 1982 Rs. 270/81, Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung 1982, 491). Er umfaßt daher auch Fälle der vorliegenden Art, in welchen es das nationale bürgerliche Recht ermöglicht, das "Einbringen" durch Anwachsung nach § 142 Abs. 3 HGB i. V. m. § 738 BGB statt durch Einzelübertragung der Vermögensgegenstände zu vollziehen.
Soweit die Klägerin selbst an der KG beteiligt gewesen ist, war eine Ausgabe neuer Gesellschaftsanteile weder möglich noch denkbar. Daraus kann aber nicht geschlossen werden, daß § 9 Abs. 2 Nr. 3 KVStG 1972 unanwendbar sei. Anderenfalls würde die Vorschrift immer nur dann eingreifen, wenn die übernehmende Gesellschaft an der übertragenden Gesellschaft nicht beteiligt war. Damit wäre die Steuerermäßigung z. B. bei Verschmelzungen nur noch sehr eingeschränkt anwendbar, ein Ergebnis, das mit dem erkennbaren Zweck der Vorschrift nicht vereinbar wäre. Die Steuerermäßigung berücksichtigt gerade, daß das übertragene Vermögen in gewissem Umfang bereits der Gesellschaftsteuer unterlegen hat. Dies gilt erst recht, wenn die übernehmende Gesellschaft an der übertragenden Gesellschaft beteiligt ist.
Irgendwelche Zweifel an dieser Auslegung des Art. 7 Abs. 1 Buchst. b der EG-Richtlinie sind nicht ersichtlich. Deshalb kommt auch insoweit eine Vorlage an den EuGH gemäß Art. 177 Abs. 1 Buchst. b und Abs. 3 EWGV nicht in Betracht.
Fundstellen
Haufe-Index 74937 |
BStBl II 1984, 326 |
BFHE 1984, 321 |