Entscheidungsstichwort (Thema)

Einkommensteuer, Lohnsteuer, Kirchensteuer

 

Leitsatz (amtlich)

War ein Ehemann im Veranlagungszeitraum mit zwei Ehefrauen nacheinander mindestens je vier Monate verheiratet, so ist er mit derjenigen Ehefrau zusammen zu veranlagen, mit der er am Schluß des Veranlagungszeitraumes verheiratet ist.

 

Normenkette

EStG § 26 Abs. 1

 

Tatbestand

Der Steuerpflichtige, ein selbständiger Handelsvertreter, ist am 15. Juni 1951 von seiner Ehefrau geschieden worden. Bis zu diesem Zeitpunkt lebten die beiden Eheleute in häuslicher Gemeinschaft. Am 4. August 1951 heiratete der Steuerpflichtige erneut. Die geschiedene Ehefrau hatte im Jahre 1951 gewerbliche Einkünfte in Höhe von 868 DM, die zweite Ehefrau solche in Höhe von 8.014 DM.

Das Finanzamt veranlagte den Steuerpflichtigen gemäß § 26 des Einkommensteuergesetzes (EStG) mit seiner jetzigen Ehefrau zur Einkommensteuer und zum Währungsnotopfer. Der Steuerpflichtige ist der Auffassung, daß er mit seiner geschiedenen Ehefrau zusammen veranlagt werden müsse, weil er mit ihr im Jahre 1951 länger verheiratet gewesen sei als mit seiner jetzigen Ehefrau. Der Einspruch blieb ohne Erfolg.

Das Finanzgericht gab der Berufung des Steuerpflichtigen statt. Es hat zunächst die Frage geprüft, ob ein Steuerpflichtiger mit zwei Ehefrauen gemeinsam zur Einkommensteuer veranlagt werden kann, wenn bei beiden die gesetzlichen Voraussetzungen des § 26 EStG mindestens vier Monate bestanden haben. Die Folge wäre, daß dann nicht nur der Steuerpflichtige mit den beiden Ehefrauen, sondern auch diese gemeinsam zur Einkommensteuer veranlagt würden, ohne daß die Ehefrauen miteinander in irgendeiner unmittelbaren familiären Beziehung stehen. Dieses Ergebnis entspricht nach der Auffassung des Finanzgerichts nicht dem Sinn und Zweck der Gesetzesvorschrift.

Es sei auch nicht zulässig - so führt das Finanzgericht aus - den Steuerpflichtigen mit einem Teil seines Einkommens gemeinsam mit der ersten Ehefrau und mit dem anderen Teil gemeinsam mit seiner zweiten Ehefrau zu veranlagen. Ein solches Verfahren sei deshalb nicht möglich, weil das Einkommen in jedem Veranlagungszeitraum einkommensteuerrechtlich nur als Einheit behandelt und nicht unterteilt werden könne. Eine Teilung des Veranlagungszeitraums sei im Gesetz nicht vorgesehen.

Das Finanzgericht hat sich auch mit der von Oermann in der Deutschen Steuerzeitung 1942 S. 350 ohne Angabe der Gründe vertretenen Ansicht auseinandergesetzt, nach der der Steuerpflichtige mit seiner zweiten Ehefrau zusammen zu veranlagen sei. Es hat diese Auffassung abgelehnt. Sie wäre nach seiner Meinung nur dann richtig, wenn das Ende des Jahres ein für die gemeinsame Veranlagung der Ehegatten maßgeblicher Stichtag wäre. Einen solchen Stichtag stelle jedoch das Ende des Jahres, also der 31. Dezember, weder bei der Ehegattenbesteuerung noch sonst im Einkommensteuerrecht dar. Der gesamte Veranlagungszeitraum sei als Einheit zu betrachten, in der jedem Zeitpunkt die gleiche Bedeutung zukomme.

Auch die Tatsache, daß die zweite Ehefrau im Jahre 1951 höhere Einkünfte gehabt habe als die geschiedene Ehefrau, könne auf die Entscheidung keinen Einfluß haben.

Das Finanzgericht ist zu der überzeugung gelangt, daß es dem Willen des Gesetzgebers am ehesten entspreche, wenn der Steuerpflichtige mit seiner geschiedenen Ehefrau zusammen veranlagt wird, weil er mit ihr im Jahre 1951 am längsten in häuslicher Gemeinschaft gelebt habe. Hierfür spreche, daß der Gesetzgeber die Haushaltsbesteuerung deswegen angeordnet habe, weil der wirtschaftliche Zusammenhang der Ehegatten eine Trennung ihrer Einkommen bei der Besteuerung unangemessen erscheinen lasse. Die wirtschaftliche Verbindung der Ehegatten sei so eng, daß ihr Vermögen und ihre Einkünfte nach allgemeiner Ansicht als Einheit betrachtet werden könnten. Sei aber die wirtschaftliche Einheit, die häusliche Gemeinschaft, das Ausschlaggebende, dann könne die Frage, mit welcher von zwei Ehefrauen der Steuerpflichtige zu veranlagen sei, nur dahin beantwortet werden, daß er mit derjenigen Ehefrau zusammen zu veranlagen sei, mit der er am längsten in häuslicher Gemeinschaft zusammengelebt habe. Dadurch werde der Voraussetzung für eine Haushaltsbesteuerung am stärksten Genüge getan.

 

Entscheidungsgründe

Die Rechtsbeschwerde (Rb.) des Finanzamts verlangt die Wiederherstellung der Einspruchsentscheidung. Sie ist begründet.

Nach § 26 Abs. 1 EStG werden Ehegatten zusammen veranlagt, solange sie unbeschränkt steuerpflichtig sind und nicht dauernd getrennt leben. Diese Voraussetzungen müssen nach der gleichen Vorschrift im Veranlagungszeitraum mindestens vier Monate bestanden haben.

Bei wörtlicher Auslegung dieser Vorschrift wäre der Steuerpflichtige sowohl mit seiner geschiedenen Ehefrau wie mit seiner zweiten Ehefrau zusammen zu veranlagen. Es müßten also die Einkünfte von drei Personen zusammengerechnet werden. Daß dieses Ergebnis nicht dem Sinn und Zweck der Haushaltsbesteuerung der Ehegatten entspricht, hat das Finanzgericht mit überzeugender Begründung ausgeführt. Der erkennende Senat tritt ihm insoweit bei.

Es bleibt nunmehr die Frage zu prüfen, ob der Steuerpflichtige entweder mit seiner geschiedenen Ehefrau oder mit seiner jetzigen Ehefrau zusammen zu veranlagen ist. Aus dem Wortlaut des Gesetzes heraus läßt sich die Frage nicht beantworten. Die Vorentscheidung will darauf abstellen, mit welcher Ehegattin der Steuerpflichtige länger verheiratet war. Dieser Auffassung vermag der Senat nicht zuzustimmen. Einmal hängt die Zeitdauer häufig von Zufällen ab, und zum anderen sind nach dem Gesetz die Voraussetzungen der Zusammenveranlagung bereits erfüllt, wenn die Eheleute mindestens vier Monate verheiratet waren. Man kann auch nicht, wie der Steuerpflichtige im Rechtsbeschwerdeverfahren vorträgt, ihm ein Wahlrecht geben, mit welcher Ehefrau er zusammen veranlagt werden soll. Ob oder in welcher Person ein Steueranspruch entsteht, kann nicht in das Belieben eines Steuerpflichtigen gestellt werden.

Nach Abwägung aller Umstände kommt der Senat zu dem Ergebnis, daß der Steuerpflichtige mit der Ehefrau zusammen zu veranlagen ist, mit der er am Schlusse des Veranlagungszeitraumes verheiratet ist. In sachlicher Beziehung wird die Notwendigkeit der Haushaltsbesteuerung der Ehegatten damit begründet, daß das Leben in der Haushaltsgemeinschaft die Leistungsfähigkeit der dieser Gemeinschaft angehörenden Personen steigert. Die steuerliche Leistungsfähigkeit des Ehemannes wird wesentlich durch die Mittel beeinflußt, die seiner Ehefrau zustehen. Wird der Ehemann mit der Frau zusammen veranlagt, mit der er am Schlusse des Veranlagungszeitraumes verheiratet ist, so stehen ihm zur Begleichung der Steuerlast auch die Mittel der Frau zur Verfügung, deren Einkünfte in die Veranlagung einbezogen sind und die Höhe der Steuerfestsetzung beeinflußt haben. Es kommt noch folgende Erwägung hinzu: Würde auch die geschiedene Ehefrau eine neue Ehe eingehen und diese Ehe im gleichen Veranlagungszeitraum länger als vier Monate bestehen, so wäre es unmöglich, eine Haushaltsbesteuerung dieser beiden Ehegatten durchzuführen, wenn man die geschiedene Ehefrau noch mit ihrem früheren Ehegatten zusammen veranlagen würde. Es kommt weiter hinzu, daß es der Ehemann nicht leicht haben würde, sich von seiner geschiedenen Frau die Unterlagen für eine gemeinsame Veranlagung zu beschaffen. Schließlich ist noch hervorzuheben, daß bei der veranlagten Einkommensteuer der steuerrechtliche Schwerpunkt allgemein am Schluß des Jahres liegt (ß 3 Abs. 5 Ziff. 1 c des Steueranpassungsgesetzes). Vergleiche Oermann a. a. O., Großkommentar zur Einkommensteuer von Hartmann-Böttcher, Anm. 6 e zu § 26 EStG sowie Herrmann-Heuer, Kommentar zur Einkommensteuer, 7. Aufl., Anm. 4 zu § 26 EStG.

Hiernach war die Vorentscheidung aufzuheben und die Berufung des Steuerpflichtigen gegen die Einspruchsentscheidung des Finanzamts als unbegründet zurückzuweisen.

 

Fundstellen

Haufe-Index 408449

BStBl III 1956, 163

BFHE 1956, 438

BFHE 62, 438

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