Entscheidungsstichwort (Thema)
Bewertung Bewertung, Vermögen-, Erbschaft-, Schenkungsteuer
Leitsatz (amtlich)
Zur Frage der Bewertung von Grundstücken mit zerstörten Gebäuden in Berlin (West) unter besonderer Berücksichtigung der änderung der Verkehrslage des Grundstückes.
Normenkette
BewG § 52 Abs. 2, §§ 53, 72/3, §§ 74, 77; BewDV § 3a; BewG § 27
Tatbestand
Bei der Einheitsbewertung 1935 ist das streitige, damals bebaut gewesene Grundstück gemäß § 52 Abs. 2 BewG mit dem Mindestwerte - Wert des Grund und Bodens - bewertet worden. Als Quadratmeterpreis wurden 50 v. H. des Bodenwertes aus den Vorkriegswerten 1913, und zwar 140 RM, angesetzt. Bei der Fortschreibung des Einheitswertes auf den 1. Januar 1940 wurden als Bodenwert 40 v. H. des Bodenwertes aus den Vorkriegswerten 1913, das sind 112 RM je qm, zugrunde gelegt. Das Gebäude wurde im Kriege zerstört. Deshalb wurde auf den 1. April 1949 ein Sonderwert festgestellt.
Infolge Abgabe eines bisher zur wirtschaftlichen Einheit des Grundstückes gehörigen Trennstückes im Jahre 1956 wurde der Einheitswert auf den 1. Januar 1957 erneut fortgeschrieben. Hierbei wurde der Grund und Boden ebenfalls mit 112 DM je qm bewertet. Die bisherige Grundstücksart: bebautes Grundstück, Altbau, wurde beibehalten.
Der Einspruch wurde als unbegründet zurückgewiesen. Der heute erzielbare Verkehrswert für den Grund und Boden, der von dem Grundstückseigentümer mit etwa 50 DM je qm beziffert werde, sei nach § 3a BewDV steuerlich ohne Bedeutung. Auf die Berufung hat das Verwaltungsgericht den Bescheid über die Wertfortschreibung des Einheitswertes auf den 1. Januar 1957 und die Einspruchsentscheidung aufgehoben und den Einheitswert auf diesen Stichtag unter Zugrundelegung eines Quadratmeterpreises von 69 DM entsprechend ermäßigt; im übrigen wurde die Berufung zurückgewiesen. Der vom Finanzamt angesetzte Quadratmeterpreis von 112 DM sei nicht gerechtfertigt. Es berufe sich zu Unrecht darauf, daß das Grundstück bei der Hauptfeststelllung 1935 und bei der Wertfortschreibung 1940 mit dem Mindestwerte nach § 52 Abs. 2 BewG unter Ansatz dieses Quadratmeterpreises bewertet worden sei. Diese Bewertung beruhe auf der Verfügung des Landesfinanzamts Berlin vom 24. Juni 1935 (S 3231 - I 15.35), nach der die Bodenwerte in der Innenstadt bei etwa 30 v. H. bis 50 v. H. der Friedensbodenwerte lägen. Es müsse bezweifelt werden, ob der auf diese Weise ermittelte Wert dem gemeinen Werte des Grund und Bodens entspreche. Würde im übrigen der hiernach auf 112 DM angesetzte Bodenwert je qm für das Streitgrundstück richtig sein, so würde dies bedeuten, daß der Gebäudewert mit 0 DM anzusetzen wäre. Die Vorschrift des § 52 Abs. 2 BewG über die Mindestbewertung sei auf solche Fälle zu beschränken, bei denen die bauliche Ausnutzung eines Grundstückes so von der üblichen oder üblicherweise möglichen abweiche, daß der unter normalen Verhältnissen zu erzielende Bodenpreis höher sei als er durch die Ausnutzung des Gebäudes zum Ausdruck komme. Bei den vollbebauten Grundstücken der Innenstadt von Berlin entspreche deren Ausnutzung den üblichen Verwertungsmöglichkeiten, so daß eine Bewertung des Grund und Bodens allein nicht gerechtfertigt sei. Daraus müsse aber nicht folgen, daß die Mindestbewertung auf der Grundlage der Bodenpreise nach der Verfügung des Landesfinanzamts Berlin zu unrichtigen Werten führe; denn im Ergebnisse handle es sich nicht um die Ermittlung des reinen Bodenwertes, sondern um die Feststellung des Wertes für das gesamte Grundstück. Die nach der Verfügung des Landesfinanzamts Berlin ermittelten Werte enthielten im praktischen Ergebnis gleichzeitig einen Zuschlag nach § 37 BewDV. Somit sei tatsächlich nicht der reine Wert des Grund und Bodens, sondern der Wert des gesamten Grundstückes, also einschließlich des Gebäudes erfaßt. Für die Feststellung des Bodenwertes vom 1. Januar 1935 stehe nach dem eingeholten Gutachten ein geeigneter Vergleichskauf aus dem Jahre 1936 mit einem Quadratmeterpreis von 81 RM zur Verfügung. Wegen der als besser zu beurteilenden Lage des Vergleichsgrundstückes sei für das Streitgrundstück nach der Wertbasis 1935 ein Quadratmeterpreis von 76,72 RM angemessen. Von diesem Werte sei wegen der ungünstigen Verkehrslage (nachhaltige Zerstörungen in der Umgebung des Grundstückes, Wegfall des Anhalter Bahnhofs, Nähe der Sektorengrenze), die zu den tatsächlichen Verhältnissen rechne, ein Abschlag von 10 v. H. zu machen. Somit sei ein Quadratmeterpreis von abgerundet 69 DM anzusetzen. Die Begrenzung der baulichen Ausnutzbarkeit des Grundstückes infolge baurechtlicher Vorschriften sei durch werterhöhende Faktoren (Planung eines Geschäftsviertels) als ausgeglichen anzusehen.
Mit der Rb. beantragt der Vorsteher des Finanzamts, unter Aufhebung der angefochtenen Entscheidung die Berufung zurückzuweisen, hilfsweise den Einheitswert mit der Maßgabe fortzuschreiben, wegen änderung der Verkehrsverhältnisse von dem zuletzt auf den 1. Januar 1940 mit 112 RM je qm ermittelten Bodenwert auszugehen. Die Ausführungen des Verwaltungsgerichts über die Auslegung des § 52 Abs. 2 BewG stünden im Gegensatz zur bisherigen Rechtsauffassung. Die Wertfindung für den Grund und Boden beziehe sich sowohl bei bebauten wie bei unbebauten Grundstücken auf das Grundstück in seinem unbebauten Zustande. Deshalb werde die Ableitung des Bodenwertes aus den Friedensbodenwerten auch bei zerstörten Grundstücken für anwendbar gehalten. Dem stehe nicht entgegen, daß bei Vorliegen vergleichbarer Grundstückskäufe der gemeine Wert des Grund und Bodens hiernach beurteilt werde. Bei dem vom Verwaltungsgericht herangezogenen Vergleichsgrundstücke handele es sich jedoch nicht um ein Grundstück gleicher Art und Lage; der erzielte Kaufpreis sei unter ungewöhnlichen Verhältnissen zustande gekommen. Auch wenn man eine änderung der Verkehrslage als gegeben ansehe, müsse die Wertminderung von dem bei der Wertfortschreibung auf den 1. Januar 1940 ermittelten Bodenwerte von 112 RM je qm vorgenommen werden.
Der Bundesminister der Finanzen hat gemäß § 287 Ziff. 2 AO seinen Beitritt zum Verfahren erklärt. Er führte im wesentlichen aus:
"Ich halte - in übereinstimmung mit der Rechtsbeschwerde - das bei der Fortschreibung des Einheitswerts für das Grundstück auf den 1. Januar 1957 angewendete Bewertungsverfahren für zutreffend, soweit es die Ausgangsgrundlage für die Wertermittlung - d. h. den Bodenwert vor der Berücksichtigung der auf den zweiten Weltkrieg zurückzuführenden Veränderungen der tatsächlichen Verhältnisse des Grundstücks - betrifft.
Die vom Verwaltungsgericht angestellten überlegungen, daß es sich bei den bebauten Grundstücken nicht um Anwendungsfälle von § 52 BewG und daher nicht um einen nur den Bodenwert berücksichtigenden Wert handelt, sind jedoch fehlerhaft (Hinweis auf die Urteile des Bundesfinanzhofs III 146/52 U vom 14. November 1952 - BStBl 1953 III S. 5, Slg. Bd. 57 S. 10; III 193/56 vom 7. Dezember 1956 - amtlich nicht veröffentlicht -).
Ferner darf das bei der Einheitsbewertung 1935 allgemein geübte Verfahren der Bodenwertermittlung jetzt weder für alle noch für bestimmte Arten von Fällen verlassen werden. Eine allgemeine Preisgabe verbietet sich schon deshalb, weil sie sich nur auf Fortschreibungen und Nachfeststellungen beziehen könnte und damit die Gleichmäßigkeit der Bodenbewertung in Berlin zerstören würde. Eine Preisgabe nur für bestimmte Arten von Fällen, auf die das angefochtene Urteil hinausläuft, wäre jedoch willkürlich.
Außerdem dürfte, falls man sich hierüber selbst hinwegsetzen wollte, niemand in der Lage sein, für die Ermittlung eines die Wertverhältnisse von 1935 berücksichtigenden Werts noch nach 25 Jahren eine richtigere Methode zu finden, als sie der damaligen zeitnahen Beurteilung entsprang. Diese Bedenken richten sich auch gegen die vom Verwaltungsgericht entwickelte Methode. Diese Methode ruft aber noch ganz besondere Bedenken hervor, weil dabei aus einem einzigen Verkaufsfall, aus einem noch nicht einmal im Hinblick auf die hohe Barzahlung berichtigten Preis und aus dem Verhältnis dieses Preises zu dem in jedem Einzelfall vorhandenen Bodenwert 1913 ein überleitungsmodus aus dem Bodenwert 1913 für andere Fälle berechnet wird.
Ob der aus den Friedensbodenwerten 1913 abgeleitete Wert auch bei der Fortschreibung des Einheitswerts für das Grundstück auf den 1. Januar 1957 in voller Höhe beibehalten werden kann, ist eine andere Frage. Nach dem Kriege haben sich die wirtschaftlichen Verhältnisse und die Verkehrsverhältnisse, welche den Wert des Grundstücks zu einem wesentlichen Teil bestimmen, in der Berliner Innenstadt verschlechtert. Nach der Entscheidung des Bundesfinanzhofs III 150/52 S vom 9. Oktober 1953 - BStBl 1953 III S. 341, Slg. Bd. 58 S. 130 - wird es darauf ankommen, ob diese änderung in vollem Umfang auf der durch den Ausgang des Krieges eingetretenen allgemeinen änderung der politischen, wirtschaftlichen und Verkehrsverhältnisse Berlins beruht, oder ob sie über den Rahmen der allgemeinen änderung der Verhältnisse Berlins hinausgeht und insoweit mit einer auf besonderen Umständen beruhenden änderung der Verkehrslage (Verkehrsverhältnisse) speziell des Grundstücks oder der Grundstücke in dieser Gegend Berlins zusammenhängt. Im zweiten Falle würde die änderung die tatsächlichen Verhältnisse betreffen und infolgedessen bei der Fortschreibung des Einheitswerts für das Grundstück auf den 1. Januar 1957 zu berücksichtigen sein.
Nach meiner Ansicht ist die Verschlechterung in der wirtschaftlichen Bedeutung und in der Verkehrslage der Gegend, in der das Grundstück belegen ist, zwar in einem gewissen Ausmaß auf die nach dem Krieg eingetretene allgemeine änderung der politischen, wirtschaftlichen und Verkehrsverhältnisse Berlins zurückzuführen. Sie besteht darin, daß infolge des Ausgangs des Krieges Berlin seine Stellung als (Reichs-) Hauptstadt verloren hat, wirtschaftlich von seinem Hinterland abgeschnitten und politisch von der Bundesrepublik abgeschnürt und in zwei Teile gespalten worden ist. Hier liegt insoweit keine Besonderheit im Vergleich zu der Entwicklung der wirtschaftlichen Bedeutung und der Verkehrslage in den übrigen Gegenden Berlins vor. Insoweit betrifft die änderung daher die "Wertverhältnisse" und rechtfertigt eine Wertfortschreibung nicht.
Andererseits kann nicht verkannt werden, daß außerdem hinsichtlich der Gegend, in der das Grundstück belegen ist, besondere Umstände vorliegen, die über den Rahmen der allgemeinen änderung der Verhältnisse Berlins hinausgehen. Die ungünstige wirtschaftliche Entwicklung und die Verschlechterung der Verkehrsverhältnisse in dieser Gegend sind im wesentlichen eine zwangsläufige Folge vor allem der Tatsache, daß diese Gegend durch die Kriegsereignisse nachhaltig zerstört worden ist. Insoweit können hier die Dinge nicht anders als bei einer kriegszerstörten Gegend in der Bundesrepublik beurteilt werden. Es bedarf keiner näheren Begründung, daß sich die Lage von Grundstücken in einer kriegszerstörten Gegend ungünstig auf ihren Wert auswirkt.
Darüber hinaus hat die Gegend, in der das Grundstück liegt, durch die Schließung der Anhalter Bahnhofs im Jahre 1952 ihre wirtschaftliche Bedeutung fast völlig eingebüßt. Diese beiden Umstände haben im Zusammenhang mit der Nähe der Sektorengrenze diese Gegend, die früher zu der City von Berlin gehörte, in ein verkehrsarmes Gebiet verwandelt.
Der nahezu vollständige Verlust der wirtschaftlichen Bedeutung und die ungünstige Entwicklung in den Verkehrsverhältnissen wirken sich auf das fragliche Grundstück, das in unmittelbarer Nähe des früheren Anhalter Bahnhofs liegt, im Hinblick auf seine mögliche Nutzung besonders ungünstig aus.
Ich neige daher der Auffassung zu, daß die Verschlechterung in der wirtschaftlichen Bedeutung und in der Verkehrslage der Gegend, in der das Grundstück belegen ist, soweit sie auf diesen besonderen, über den Rahmen der allgemeinen änderung hinausgehenden Umständen beruht, zur änderung der Verkehrsverhältnisse und damit des tatsächlichen Zustandes des Grundstücks gehört. Sie ist insoweit bei der Fortschreibung des Einheitswertes für das Grundstück auf den 1. Januar 1957 durch einen Abschlag von dem zuletzt festgestellten Einheitswert zu berücksichtigen. Der Abschlag und sein Umfang werden von der Feststellung abhängig sein, ob die gleich dem Streitgrundstück von den besonderen Umständen betroffenen Grundstücke gegenüber den unbebauten Grundstücken in Gegenden Berlins ohne solche Besonderheiten in den Nachkriegsjahren bis in die Zeit des Fortschreibungszeitpunkts (1. Januar 1957) niedriger gehandelt oder evtl. angeboten wurden, wenn man Unterschiede in den Bodenwerten vom 1. 1. 1935 bei den einzelnen Grundstücken in Rechnung stellt."
Entscheidungsgründe
Die Prüfung der Rb. ergibt folgendes:
I. Die Vorinstanz ging zutreffend davon aus, daß für die Wertfortschreibung des Einheitswertes auf den 1. Januar 1957 lediglich der Wert des Grund und Bodens in Betracht kommt. Für die Wertermittlung sind nach § 3a BewDV der tatsächliche Zustand des Grundstücks vom Fortschreibungszeitpunkt - 1. Januar 1957 - und die Wertverhältnisse vom 1. Januar 1935 zugrunde zu legen. In erster Linie ist somit zu prüfen, ob und inwieweit die bei dem Grundstücke durch die Kriegs- und Nachkriegsereignisse eingetretenen Verhältnisse änderungen im tatsächlichen Zustande des Grundstückes darstellen oder als änderungen der Wertverhältnisse anzusehen sind. Der Bundesfinanzhof hat sich im Urteil III 150/52 S vom 9. Oktober 1953 (a. a. O.) bereits mit diesen Fragen befaßt. Hiernach fallen die durch den Ausgang des Krieges eingetretenen allgemeinen änderungen der politischen, wirtschaftlichen und Verkehrsverhältnisse von Berlin unter den Begriff der Wertverhältnisse, die für sich allein keine Fortschreibung des Einheitswertes rechtfertigen. Die nicht auf diesen allgemeinen änderungen der Verhältnisse, sondern auf besonderen Umständen beruhende änderung der wesentlichen Verkehrslage stellt dagegen eine bei einer Wertfortschreibung zu berücksichtigende änderung im tatsächlichen Zustande des Grundstückes dar. Die Vorinstanz hat festgestellt, die wirtschaftliche Lage des Grundstückes sei nicht nur durch nachhaltige Zerstörungen in dessen Umgebung, sondern vor allem durch die Stillegung und den späteren Wegfall des Anhalter Bahnhofs und die Nähe der Sektorengrenze stark beeinträchtigt worden. Allgemein sei bekannt, daß sich die Stillegung des Anhalter Bahnhofs für das Beherbergungsgewerbe - das streitige Grundstück diente früher diesem Zwecke - in der Umgebung und damit auf die Grundstückswerte ausgewirkt habe. Dieser Umstand habe zusammen mit den übrigen schon angeführten Verhältnissen zu einer Wertminderung der Grundstücke in dieser Gegend geführt. Der Bf. bestreitet diese änderung der Verkehrslage des Grundstückes grundsätzlich nicht. Auch der Bundesminister der Finanzen erkennt an, daß hinsichtlich der Gegend, in der das Grundstück belegen ist, besondere Umstände vorliegen, die über den Rahmen der allgemeinen änderungen der Verhältnisse in Berlin hinausgehen. Die nachhaltige Zerstörung dieser Gegend und die Schließung des Anhalter Bahnhofs haben im Zusammenhang mit der Nähe der Sektorengrenze die betreffende Gegend, die früher zur City von Berlin gehörte, in ein verkehrsarmes Gebiet verwandelt. Der Senat stimmt der Auffassung des Verwaltungsgerichts darin zu, daß es sich um eine auf besonderen Umständen beruhenden änderung der wesentlichen Verkehrslage des Grundstückes und damit um eine bei der Wertfortschreibung des Einheitswertes zu berücksichtigende änderung im tatsächlichen Zustande des Grundstückes handelt.
II. - Für die Einheitswertfeststellung auf den 1. Januar 1957 ist somit zu ermitteln, welcher Quadratmeterpreis für das streitige Grundstück unter Berücksichtigung der unter Abschn. I dargestellten besonderen Verhältnisse nach den Wertverhältnissen vom 1. Januar 1935 in Betracht kommt (ß 53 BewG, § 3a BewDV). Das Verwaltungsgericht hat den vom Finanzamt angesetzten Quadratmeterpreis von 112 DM - Wertbasis 1935 - aus verschiedenen Gründen für nicht zutreffend erachtet. Es hat hierbei grundsätzliche Ausführungen zur Mindestbewertung und zur Methode der Ermittlung der Bodenwerte 1935 in Berlin gemacht, denen der Senat nicht zustimmt.
Mindestbewertung Das Verwaltungsgericht ist der Auffassung, die Anwendung des § 52 Abs. 2 BewG über die Mindestbewertung sei auf solche Fälle zu beschränken, in denen die bauliche Ausnutzung eines Grundstückes so von der üblichen oder üblicherweise möglichen abweiche, daß der unter normalen Verhältnissen zu erzielende Bodenpreis höher sei als es durch die Nutzung des Gebäudes zum Ausdruck komme. Diese Auffassung ist rechtsirrig. Die Vorschrift des § 52 Abs. 2 BewG bestimmt eindeutig, daß bei der Bewertung von bebauten Grundstücken mindestens der Wert anzusetzen ist, mit dem der Wert des Grund und Bodens allein als unbebautes Grundstück zu bewerten wäre. Diese Vorschrift stellt somit nur darauf ab, ob der gemeine Wert des Grund und Bodens allein höher ist als der Wert, der sich nach den Vorschriften über die Bewertung bebauter Grundstücke ergibt. Ist dies der Fall, so ist der höhere Bodenwert - Mindestwert - als Einheitswert festzustellen. Irgendwelche sonstigen Voraussetzungen, insbesondere solche, wie sie das Verwaltungsgericht anführt, bestehen für die Mindestbewertung nicht. Dem Verwaltungsgericht ist jedoch darin zuzustimmen, daß im Falle der Mindestbewertung der festgestellte Einheitswert den Wert des Grund und Bodens und des aufstehenden Gebäudes umfaßt (vgl. Urteil des Bundesfinanzhofs III 17/53 S vom 14. Mai 1954, BStBl 1954 III S. 211, Slg. Bd. 59 S. 5). Das bedeutet jedoch nicht, daß auch Wertelemente für das aufstehende Gebäude in die Wertermittlung mit einbezogen sind. Bemessungsgrundlage bei der Mindestbewertung ist nur der Wert des Grund und Bodens. Deshalb kann aus der Tatsache, daß das streitige Grundstück früher mit dem Mindestwerte bewertet wurde, nicht gefolgert werden, dieser Wert entspreche nicht dem reinen Bodenwerte.
Ermittlung der Bodenwerte in Berlin Das Verwaltungsgericht bezweifelt, ob die Ableitung des Bodenwertes aus dem Vorkriegswerte 1913 gemäß der Verfügung des Landesfinanzamts Berlin vom 24. Juni 1935 den zutreffenden gemeinen Wert des Grund und Bodens vom 1. Januar 1935 ergibt, und dies insbesondere bei der Mindestbewertung der Fall ist. Hierzu hat der Bundesfinanzhof in dem Urteil III 146/52 U vom 14. November 1952 (a. a. O.) ausgeführt, die Ableitung des Bodenwertes aus den Vorkriegswerten 1913 und die Minderung dieser Werte im Verhältnis des Mietrückganges sei nach ständiger Rechtsprechung des Reichsfinanzhofs (vgl. Urteil III 343/37 vom 13. Oktober 1938, RStBl 1938 S. 1138) grundsätzlich anzuerkennen. Die zum Ausgleich der Wertminderung unter Berücksichtigung der Mietsenkungen zugelassenen Abschläge von den Vorkriegswerten beruhten auf Ermittlungen des Landesfinanzamts Berlin im Einvernehmen mit den Katasterämtern und dem ehemaligen Zentralvermessungsamte auf Grund zahlreicher Vergleichsfälle. Auch in der amtlich nicht veröffentlichten Entscheidung III 193/56 vom 7. Dezember 1956 hat der Bundesfinanzhof dieses Verfahren gebilligt. Die beiden angeführten Entscheidungen betrafen - ebenso wie im Streitfalle - die Bewertung des Grund und Bodens für Grundstücke, deren aufstehende Gebäude durch Kriegseinwirkungen zerstört waren. Mit Recht weist der Bundesminister der Finanzen darauf hin, daß heute wohl kaum jemand in der Lage sei, für die Bewertung des Grund und Bodens eine zutreffendere Methode zu finden, als sie der damaligen zeitnahen Beurteilung entsprang. Für die Ermittlung des Bodenwertes gibt es verschiedene Methoden. Für unbebaute Grundstücke läßt sich der gemeine Wert des Grund und Bodens am zuverlässigsten aus tatsächlichen Verkaufspreisen ableiten, wobei Kaufpreise, die durch ungewöhnliche oder persönliche Verhältnisse beeinflußt wurden, auszuscheiden oder gegebenenfalls zu bereinigen sind. Stehen Verkaufspreise in der betreffenden Gegend nicht zur Verfügung, so bietet sich der Vergleich mit Grundstücken gleicher oder ähnlicher Verkehrslage an, für die Grundstückswerte bekannt sind. Wie bei unbebauten Grundstücken kann auch bei bebauten Grundstücken, sofern keine tatsächlich erzielten Bodenpreise vorliegen, der Bodenwert über Vergleichsgrundstücke, für die Richtwerte je Quadratmeter Vorderland bestehen, ermittelt werden. Hierbei spielen die Grundstückserträge des Vergleichsgrundstückes und des Bewertungsgrundstückes eine wesentliche Rolle (vgl. im einzelnen die Richtlinien zur Ermittlung der Bodenwerte, BStBl 1957 II S. 28). Die Methode des Landesfinanzamts Berlin zur Ermittlung der Bodenwerte 1935 stellt somit im Hinblick auf die Schwierigkeit der Bodenwertermittlung nichts Außergewöhnliches dar. Werden auf diese oder ähnliche Weise Bodenwerte ermittelt, so sind sie ohne Rücksicht darauf, ob das Grundstück bebaut ist oder nicht, der Wertermittlung des Grund und Bodens zugrund zu legen, sofern nicht im Einzelfalle aus besonderen Gründen hiervon eine Abweichung erforderlich ist. Der erkennende Senat hält, auch wenn das Verwaltungsgericht den Ausführungen im Urteil des Bundesfinanzhof III 146/52 U vom 14. November 1952 (a. a. O.) nicht folgen zu können glaubt, daran fest, daß es nicht zu beanstanden ist, wenn die Bodenwerte 1935 auf der Grundlage der Verfügung des Landesfinanzamts Berlin vom 24. Juni 1935 ermittelt worden sind. Aus einem einzigen Verkaufsfalle vom Jahre 1936 können keine entscheidenden Schlüsse für das Bewertungsgrundstück gezogen werden. Dies um so weniger, als für das Vergleichsgrundstück der hohe Kaufpreis in bar bezahlt wurde; ein einziger Verkaufspreis bietet keine genügende Grundlage für die Feststellung des im gewöhnlichen Geschäftsverkehr erzielbaren Preises (Urteil des Reichsfinanzhofs III 345/37 vom 28. April 1938, RStBl 1938 S. 716). Die auf Grund der Verfügung des Landesfinanzamts Berlin ermittelten Bodenwerte enthalten auch nicht, wie das Verwaltungsgericht unterstellt, im praktischen Ergebnis einen Zuschlag gemäß § 37 BewDV zur Erfassung des gesamten Wertes des Grundstückes einschließlich aufstehender Gebäude. Auch wenn nach der angeführten Methode zur Ermittlung des Bodenwertes Abschläge entsprechend dem Absinken der Miete gegenüber früher gemacht wurden, so stellt der ermittelte Wert nur den Wert des Grund und Bodens dar.
III. - Nach den vorstehenden Ausführungen ist somit für die Wertfortschreibung des Einheitswertes von einem Bodenwerte 1935 in Höhe von 112 RM/DM auszugehen. Dieser Wert ist jedoch wegen der unter Abschn. I dargestellten wesentlich veränderten Verkehrslage des Grundstückes zu ermäßigen. Der Bf. wendet sich gegen einen Abschlag, weil er der Auffassung ist, die Nähe des Anhalter Bahnhofs habe sich auf die Bewertung des Grund und Bodens nicht werterhöhend ausgewirkt. Deshalb läge entsprechend dem Urteil des Bundesfinanzhofs III 150/52 S vom 9. Oktober 1953 (a. a. O.) kein Sondertatbestand vor, der durch einen Abschlag zu berücksichtigen sei. Der Bf. vermag wegen der Vernichtung der Bewertungsunterlagen seinen Einwand nicht zu belegen. Demgegenüber muß betont werden, daß sich die Nähe eines großen Bahnhofs, wie es der Anhalter Bahnhof war, zweifellos auf die Bodenwerte der betreffenden Gegend ausgewirkt haben muß, und zwar auch bei der Einheitsbewertung 1935. Jedenfalls muß, da das Gegenteil nicht erwiesen ist, von dieser Erfahrungstatsache ausgegangen werden. Deshalb ist auch ein Abschlag gerechtfertigt. Der Senat verkennt keineswegs die Schwierigkeiten der Ermittlung eines Abschlages wegen der Veränderung der Verkehrslage. Es könnte jedoch versucht werden, durch Gutachter festzustellen, in welchem Umfange sich die veränderte wirtschaftliche Bedeutung und Lage der Gegend, in der das streitige Grundstück belegen ist, von 1935 gegenüber 1957 auf dem Grundstücksmarkte ausgewirkt hat. In diesem Verhältnis wäre der Bodenwert 1935 von 112 RM/DM je qm zu ermäßigen. Sollte eine solche Feststellung nicht möglich sein, so bliebe nur übrig, die Höhe des Abschlages im Schätzungswege zu ermitteln (ß 217 AO). Bei der Höhe des Abschlages ist zu berücksichtigen, daß nach der vom Verwaltungsgericht gehörten Gutachterstelle infolge der starken Zerstörungen durch Kriegseinwirkungen, verbunden mit dem Wegfall des Anhalter Bahnhofs, die nahe an der Sektorengrenze gelegene Gegend, die vor 1945 ein Geschäftszentrum war, von jeglichem Verkehr abgeschnitten ist. Bei diesem besonderen Sachverhalte wird der Tatsache, daß die veränderte Verkehrslage im gewissen Umfange auch auf die allgemeinen änderungen der politischen, wirtschaftlichen und Verkehrsverhältnisse zurückzuführen ist, keine allzugroße Bedeutung beizumessen sein.
IV. - Bei der Beurteilung des tatsächlichen Zustandes eines Grundstückes sind auch änderungen der baupolizeilichen Bestimmungen zu beachten und ebenfalls bei der Wertfortschreibung des Einheitswertes zu berücksichtigen (Urteil des Bundesfinanzhofs III 146/52 U vom 14. November 1952 , a. a. O.). Die zulässige Bebauung des Grundstückes betrug nach der Bauordnung vom 9. November 1929 zunächst 6/10 der Grundstücksfläche (fünfgeschossig). Eine änderung der baulichen Ausnutzung ist erst durch die neue Berliner Bauordnung vom 1. Dezember 1958 mit Wirkung vom 1. Januar 1959 eingetreten. Diese änderung hat somit am Bewertungsstichtage 1. Januar 1957 noch nicht bestanden. Der Senator für Bau- und Wohnungswesen hat jedoch in einem Schreiben vom August 1958 an das Verwaltungsgericht erklärt, die damals schon in Aussicht genommen gewesene änderung der Bauordnung würde aber auch schon vorher im Falle der Bebauung durch Bebauungsplanfestsetzung bzw. auf Grund der Vorschriften des § 18 des Planungsgesetzes vom 22. August 1949 in der Fassung vom 22. März 1956 (GVBl Berlin 1956 S. 272) wirksam werden. Hiernach war die änderung der baulichen Ausnutzung von 6/10 auf 3/10 bei der Wertfortschreibung des Einheitswertes auf den 1. Januar 1957 schon zu berücksichtigen, falls die Beschränkung in der Flächenausnutzung nicht durch eine änderung der Bauklasse - Zulässigkeit einer größeren Stockwerkszahl - ausgeglichen ist. Das Verwaltungsgericht hat die Beschränkung der baulichen Ausnutzbarkeit unberücksichtigt gelassen, weil bei einem Wiederaufbau der um das streitige Grundstück liegenden Gegend, die als Kerngebiet vorgesehen sei, der gegenüber dem früheren Zustand geringeren baulichen Ausnutzung werterhöhende Faktoren durch die Planung als Geschäftsviertel gegenüberständen. Hierzu ist folgendes zu bemerken: Nach der Stellungnahme des Senators für Bau- und Wohnungswesen wurde auf Grund des Planungsgesetzes vom 22. August 1949 (Verordnungsblatt für Groß-Berlin 1949 S. 301) im Jahre 1950 ein Flächennutzungsplan aufgestellt und von den verfassungsmäßig zuständigen Organen gebilligt (ß 11 des Planungsgesetzes). Dieser Flächennutzungsplan besitze keinen rechtsverbindlichen Charakter, sondern diene der vorbereitenden Bauleitplanung. Nach dieser vorbereitenden Bauleitplanung sei das betreffende Gebiet als Kerngebiet für Geschäftshäuser, Gaststätten, Hotels usw. vorgesehen. Der Senat stimmt der Vorinstanz nicht darin zu, daß diese lediglich vorbereitende Bauleitplanung, von der am Bewertungsstichtage in keiner Weise erkennbar war, ob und wann diese Planung einmal Wirklichkeit wird, bei der Wertfortschreibung auf den 1. Januar 1957 zu berücksichtigen ist. Somit kann die Beschränkung der Flächenausnutzung auch nicht durch derartige angeblich "werterhöhende" Faktoren als ausgeglichen angesehen werden. Die Beschränkung der Flächenausnutzung ist somit bei der Wertfortschreibung des Einheitswertes wertmindernd zu berücksichtigen, falls dieser Umstand nicht durch änderung der Bauklasse ausgeglichen wird.
Die Vorentscheidung war sonach aufzuheben. Die Streitsache wird an das Verwaltungsgericht zur erneuten Entscheidung zurückverwiesen. Es wird unter Beachtung der vorstehenden Ausführungen zu prüfen haben, in welchem Umfange wegen der änderung der Verkehrslage des Grundstückes ein Abschlag von dem als Ausgangswert anzusetzenden Quadratmeterpreis von 112 DM berechtigt ist. Ferner ist zu prüfen, ob und inwieweit wegen der änderung der zulässigen Flächenausnutzung eine weitere Ermäßigung des Quadratmeterpreises vorzunehmen ist. Der von der Vorinstanz wegen der wesentlichen änderung der Verkehrslage des Grundstückes vorgenommene Abschlag von 10. v. H. wird den tatsächlichen Verhältnissen nicht gerecht. Der erkennende Senat ist der Auffassung, daß nach dem bisher festgestellten Sachverhalte zur Berücksichtigung aller wertmindernden Umstände ein beträchtlicher Abschlag von dem Ausgangswerte von 112 DM je qm in Betracht kommt.
Fundstellen
Haufe-Index 410784 |
BStBl III 1963, 252 |
BFHE 1963, 688 |
BFHE 76, 688 |