Entscheidungsstichwort (Thema)
Zinsen für ,,gemischte" Kontokorrentschulden als Betriebsausgaben
Leitsatz (NV)
1. Zinsaufwendungen für die Inanspruchnahme eines Kontokorrentkredits bilden nur insoweit Betriebsausgaben, als der Schuldsaldo durch Abbuchungen für betriebliche Zwecke verursacht worden ist.
2. Beruht eine Kontokorrentverbindlichkeit teils auf betrieblichen und teils auf privaten Abbuchungen (,,gemischte" Kontokorrentverbindlichkeit), so ist die Aufteilung der betrieblich und privat veranlaßten Zinsaufwendungen grundsätzlich nach der sog. Zinszahlenstaffelmethode vorzunehmen. Dazu ist das Kontokorrentkonto entsprechend den privaten und betrieblichen Sollbuchungen rechnerisch in zwei Unterkonten aufzuteilen. Diese Aufteilungsgrundsätze gelten auch für den Fall, daß ein Stpfl. bei einer Bank mehrere Kontokorrentkonten unterhält.
Normenkette
EStG § 4 Abs. 4
Verfahrensgang
Tatbestand
Die Kläger und Revisionsbeklagten (Kläger) sind Eheleute. Sie wurden für die Streitjahre 1981 und 1982 zusammen zur Einkommensteuer veranlagt.
Der Kläger betreibt einen . . . Seinen Gewinn ermittelt er nach § 5 des Einkommensteuergesetzes (EStG) durch Bestandsvergleich.
Der Kläger unterhielt bei der A-Bank mehrere Konten mit den Nrn. 1 bis 7. Für das Konto 7 hatte die Bank dem Kläger ein Kreditlimit von . . . DM (bzw. . . . DM) eingeräumt. Über dieses - vom Kläger als ,,Pufferkonto" bezeichnete - Konto wurden jeweils größere Beträge auf die übrigen Konten des Klägers, über die er den betrieblichen Zahlungsverkehr abwickelte, umgebucht. Umgekehrt wurden auch von den übrigen Konten Beträge auf das Konto 7 übertragen. Auf dem Konto 7 wurden ferner auch private Einnahmen und Ausgaben gebucht.
Der Kläger erfaßte das Konto 7 zunächst nicht in seiner betrieblichen Buchführung. Die Einbuchung erfolgte erst bei der Erstellung des Jahresabschlusses zum 31. Dezember 1980. Die für das Konto 7 berechneten Schuldzinsen machte der Kläger als Betriebsausgaben geltend.
Im Anschluß an eine Betriebsprüfung sah der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt - FA -) die Schuldzinsen als privat veranlaßt an, da von dem Konto neben anderen privaten Aufwendungen auch die Kosten überwiesen wurden, die auf einen privaten Hausbau entfielen. Bei dieser Sachlage könnten die Zinsaufwendungen nicht als Betriebsausgaben abgezogen werden.
Die nach erfolglosem Einspruchsverfahren erhobene Klage hatte Erfolg. Nach Auffassung des Finanzgerichts (FG) handelt es sich bei dem Konto 7 um ein betriebliches Konto. Die A-Bank habe bestätigt, daß die über die Konten des Klägers laufenden Kredite für betriebliche Zwecke bewilligt worden seien. Zwar seien über das Konto 7 auch wesentliche Zahlungen für den Bau eines privaten Wohngebäudes geleistet worden; das schließe jedoch den betrieblichen Charakter des Kontos nicht aus. Schon die erste Belastung auf diesem Konto mit einem Betrag von . . . DM habe der ,,Verstärkung" des unstreitig betrieblichen Zwecken dienenden Kontos Nr. 3 gedient. Es sei davon auszugehen, daß sämtliche Konten des Klägers lediglich Unterkonten eines einheitlichen Kontokorrentverhältnisses darstellten und dieses der betrieblichen Sphäre des Klägers zuzurechnen sei.
Nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs - BFH - (Urteil vom 23. Juni 1983 IV R 192/80, BFHE 139, 50, BStBl II 1983, 725) sei zwar eine Erhöhung des Schuldsaldos, die durch einen Kredit für außergewöhnliche Aufwendungen zu privaten Zwecken veranlaßt sei, nicht betrieblich veranlaßt; deshalb seien auch die mit dem privaten Hausbau zusammenhängenden Überweisungen als privat veranlaßt anzusehen. Der Kläger habe jedoch seine Privatentnahmen im wesentlichen mittels der laufenden Betriebseinnahmen decken können. Ein solcher Sachverhalt sei nach der Rechtsprechung des BFH so zu behandeln, als habe der Betriebsinhaber die ursprünglich private Darlehensverbindlichkeit getilgt und gleichzeitig ein neues betrieblich veranlaßtes Darlehen aufgenommen (BFH-Urteil vom 17. April 1985 I R 101/81, BFHE 143, 563, BStBl II 1985, 510). Hiernach habe im Streitfall ein privater Schuldsaldo - wenn überhaupt - nur ganz kurzfristig bestanden. Von einer Aufteilung der Schuldzinsen in betrieblich und privat veranlaßte Teile könne deshalb abgesehen werden.
Mit seiner - vom FG wegen grundsätzlicher Bedeutung der Sache zugelassenen - Revision rügt das FA ungenügende Sachaufklärung sowie die Verletzung materiellen Rechts.
Entscheidungsgründe
Die Revision führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das FG. Die Frage, ob und ggf. in welchem Umfang die von den Klägern geltend gemachten Zinsaufwendungen als Betriebsausgaben abgezogen werden können, läßt sich noch nicht abschließend beurteilen, da es hierzu noch einer weiteren Sachaufklärung durch das FG bedarf.
1. Zinsaufwendungen sind Betriebsausgaben (§ 4 Abs. 4 EStG), wenn die Zinsen für eine Verbindlichkeit geleistet werden, die durch den Betrieb veranlaßt ist und deshalb zum Betriebsvermögen gehört. Die Zugehörigkeit einer Verbindlichkeit zum Betriebsvermögen richtet sich danach, ob mit den Darlehensmitteln betrieblich veranlaßte Aufwendungen getätigt wurden.
Werden Darlehensmittel nur teilweise für betriebliche Zwecke, teilweise aber für außerbetriebliche Zwecke verwendet, so darf die Darlehensverbindlichkeit nur in dem der Verwendung des Darlehens für betriebliche Zwecke entsprechenden Umfang als Betriebsvermögen behandelt werden (Beschluß des Großen Senats des BFH vom 4. Juli 1990 GrS 2-3/88, BFHE 161, 290, BStBl II 1990, 817).
2. Diese Rechtsgrundsätze sind auch für Kontokorrentverbindlichkeiten zu beachten.
a) Zinsaufwendungen aus der Inanspruchnahme eines Kontokorrentkredits bilden nur insoweit Betriebsausgaben, als der Schuldsaldo durch Abbuchungen für betriebliche Zwecke verursacht worden ist. Eine ,,gemischte" (teils auf betrieblichen, teils auf privaten Abbuchungen beruhende) Kontokorrentverbindlichkeit kann somit nicht deshalb insgesamt als Betriebsschuld angesehen werden, weil das Kontokorrentkonto überwiegend der Abwicklung des betrieblichen Geschäftsverkehrs dient. Bei Verwendung eines Teils der zur Verfügung stehenden Darlehensmittel für private Zwecke kann hiernach nicht die gesamte Darlehensverpflichtung als Betriebsschuld bilanziert werden (BFH in BFHE 161, 290, BStBl II 1990, 817).
Die gebotene Aufteilung der für gemischte Kontokorrentkonten entrichteten Schuldzinsen ist grundsätzlich nach der sog. Zinszahlenstaffelmethode vorzunehmen. Dazu ist das Kontokorrentkonto entsprechend den privaten und betrieblichen Sollbuchungen rechnerisch in zwei Unterkonten aufzuteilen. Auf dem einen sind die privat veranlaßten, auf dem anderen sind die betrieblich veranlaßten Sollbuchungen einzustellen. Da die Banken bisher im allgemeinen keine entsprechenden banktechnischen Verfahren für die Führung solcher Unterkonten entwickelt haben, reicht es für die Aufteilung der Zinsen eines gemischten Kontokorrentkontos in einen privat veranlaßten und einen betrieblich veranlaßten Teil aus, wenn die Aufteilung der gemischten Kontokorrentkonten in zwei Unterkonten in der Buchführung des betreffenden Steuerpflichtigen festgehalten wird (BFH in BFHE 161, 290, BStBl II 1990, 817). Dabei sind Betriebseinnahmen vorab dem privaten Unterkonto gutzubringen, gleichzeitig zu verbuchende Betriebsausgaben aber dem betrieblichen Unterkonto zu belasten; Einlagen des Betriebsinhabers sind dem privaten Unterkonto gutzuschreiben (BFH-Urteil vom 15. November 1990 IV R 97/82, BFHE 162, 557, BStBl II 1991, 226).
b) Diese Aufteilungsgrundsätze gelten auch für den Fall, daß ein Steuerpflichtiger bei einer Bank mehrere Kontokorrentkonten unterhält. In einem solchen Fall bildet zivilrechtlich jedes Kontokorrentkonto ein selbständiges Kontokorrent (vgl. Allgemeine Geschäftsbedingungen der Banken - AGB-Banken - in der Fassung vom 1. Januar 1988 Nr. 2 Abs. 2 Satz 1; abgedruckt bei Baumbach / Duden / Hopt, Handelsgesetzbuch, 28. Aufl., - 8 - AGB-Banken 2), es sei denn, die Auslegung des Parteiwillens ergibt, daß tatsächlich nur der Gesamtsaldo geltend gemacht werden darf (BFH in BFHE 161, 290, BStBl II 1990, 817). Demnach ist - wenn nicht ausnahmsweise nach dem Parteiwillen von einer Zusammenfassung aller Konten auszugehen ist - bei der Einordnung der Kontokorrentkredite in betrieblich und außerbetrieblich veranlaßte Kreditteile grundsätzlich jedes Konto für sich zu beurteilen.
c) Im allgemeinen ist der Steuerpflichtige gehalten, die Unterteilung der Kontokorrentkonten vorzunehmen und die Entwicklung der Unterkonten darzustellen; dies kann auch nachträglich geschehen. Falls der Steuerpflichtige nicht in der Lage ist, bei einem Kontokorrentkonto mit umfangreichem Zahlungsverkehr eine Zinszahlenstaffelrechnung vorzulegen und für die Finanzbehörde oder das FG die Trennung betrieblicher und privat veranlaßter Zinsaufwendungen nach der Zinszahlenstaffelmethode mit einem unzumutbaren Ermittlungsaufwand verbunden wäre, sind sie berechtigt und verpflichtet, den betrieblichen Zinsanteil zu schätzen. Eine solche Schätzung muß als Ergebnis eine Aufteilung anstreben, die sich im Falle der Aufteilung des gemischten Kontokorrentkontos in Unterkonten ergeben würde (zu den Einzelheiten vgl. BFH in BFHE 161, 290, BStBl II 1990, 817).
3. Der Kläger hat mehrere Kontokorrentkonten bei der A-Bank unterhalten. Geht man davon aus, daß es sich hierbei um jeweils selbständige Kontokorrentverhältnisse gehandelt hat, muß hinsichtlich der auf dem Konto 7 ausgewiesenen Schuldbeträge angenommen werden, daß sie teilweise betrieblich veranlaßt waren. Das gilt insbesondere hinsichtlich der zu Lasten dieses Kontos vorgenommenen Umbuchungen, die dazu dienten, die Schuldsalden auf den Betriebskonten des Klägers auszugleichen.
Bei den bisherigen Tatsachenfeststellungen konnte das FG die vom Großen Senat des BFH gestellten Anforderungen an die Aufteilung der Kontokorrentzinsen noch nicht berücksichtigen. Dies wird nunmehr nachzuholen sein.
Fundstellen
Haufe-Index 417700 |
BFH/NV 1992, 226 |