Entscheidungsstichwort (Thema)
Einkommensteuer, Lohnsteuer, Kirchensteuer
Leitsatz (amtlich)
Die Grundsätze der Rechtsprechung über die Aktivierung eines Darlehnsabgeldes (Damnums, Disagios) und dessen Abschreibung innerhalb der Laufzeit des Darlehens sind auch auf die Fälle anzuwenden, in denen der Betrag des Darlehnsabgeldes ganz oder zum Teil als zusätzliches kurzfristiges Darlehen (Disagio-Darlehen) gewährt wird.
Zur Frage des Ansatzes einer Darlehnsschuld mit einem über die Anschaffungskosten hinausgehenden Betrag (Teilwert).
Normenkette
EStG § 6 Abs. 1 Ziff. 2; EStG § 6 Abs. 1 Ziff. 3
Tatbestand
I. Bescheid
Die Bfin. hat 1956 bei einer Hypothekenbank ein Hypothekendarlehen von 200 000 DM mit einem Disagio von 7 v. H. 14 000 DM aufgenommen. Von diesem Damnum sind jedoch der Bfin. nach den Vereinbarungen in der Schuldurkunde 12 000 DM als außerordentlicher Zuschlag (Disagio-Darlehen) gewährt worden, rückzahlbar in vierteljährlichen Raten von 1 000 DM in der Zeit vom 1. Januar 1957 bis 31. Dezember 1959. Die Bank hat somit tatsächlich nicht nur 93 v. H. sondern 99 v. H. des Nennbetrags des Hypothekendarlehens an die Bfin. ausgezahlt, und zwar einen Teilbetrag von 80 000 DM im Juni 1956 und den Rest im Jahre 1957. Die Bfin., deren Wirtschaftsjahr vom 1. Juli bis 30. Juni läuft, hat das gesamte Damnum vom 14 000 DM zu Lasten des Gewinnes des Wirtschaftsjahres 1955/1956 verbucht.
Dieser Sachverhalt ist bei einer Betriebsprüfung im Jahre 1959 festgestellt worden. Der Betriebsprüfer hat das Disagio zum 30. Juni 1956 mit dem vorgenannten Betrag aktiviert und unter Zugrundelegung einer voraussichtlichen Laufzeit des Hypothekendarlehens von 10 Jahren ab dem Wirtschaftsjahr 1956/1957 eine Abschreibung von (10 v. H. von 14 000 DM =) 1 400 DM vorgenommen. Für das Wirtschaftsjahr 1955/1956 hat er von einer Abschreibung abgesehen, weil der erste Teil des Hypothekendarlehens nur wenige Tage vor Ablauf des Wirtschaftsjahres an die Bfin. ausgezahlt worden ist. Auf der Grundlage der Prüferfeststellungen hat das Finanzamt die einheitlichen Gewinnfeststellungen der Bfin. für 1955 und 1956 gemäß § 222 Abs. 1 Ziff. 1 AO berichtigt.
Der Einspruch, mit dem die Bfin. den Abzug des gesamten Damnums vom Gewinn des Wirtschaftsjahres 1955/1956 beantragt hat, blieb ohne Erfolg. In der Berufung hat die Bfin. ihren Antrag dahin eingeschränkt, daß in der Bilanz zum 30. Juni 1956 nur ein Betrag von 6 000 DM aktiviert und der Unterschied zu 14 000 DM, das sind 8 000 DM, vom Gewinn des Wirtschaftsjahres 1955 / 1956 abgezogen werden solle. Zur Begründung hat sie vorgetragen, daß sich die Aufnahme des Hypothekendarlehens bei der Hypothekenbank als eine Fehldisposition herausgestellt habe. Der Abschluß mit dieser Bank ohne vorheriges Einholen von Konkurrenzangeboten sei ein erheblicher Verstoß gegen das Gebot der Vorsicht gewesen. Aus einer Bestätigung der Städtischen Sparkasse A. gehe hervor, daß der gleiche Kredit von der Sparkasse bei einem Disagio von nur 3 v. H. ( = 6 000 DM) zu erhalten gewesen wäre. Diese geschäftliche Fehlmaßnahme sei unvermeidlich auf den Teilwert der Schuld von Einfluß. Mit den jährlichen Abschreibungen von dem zu aktivierenden Betrag ab dem Wirtschaftsjahr 1956/1957 hat sich die Bfin. einverstanden erklärt.
Die Berufung hatte ebenfalls keinen Erfolg. Bei dem Betrag von 14 000 DM, so hat das Finanzgericht ausgeführt, handle es sich um Darlehnsbeschaffungskosten. Die Bank habe zwar das Darlehen mit einem höheren Betrag ausgezahlt, als dem Auszahlungskurs von 93 v. H. entsprochen habe; andererseits habe die Bfin. die Verpflichtung zur ratenweisen Rückzahlung des über den Auszahlungskurs hinaus gezahlten Betrages übernommen. Wirtschaftlich sei die Bfin. dadurch günstiger gestellt gewesen, als wenn die Bank das Darlehnsabgeld von 7 v. H. bei der Auszahlung des Darlehens gleich voll einbehalten hätte. Im Ergebnis kämen aber die entstandenen Geldbeschaffungskosten einem Damnum gleich.
Das in der Bilanz aktivierte Damnum stelle an sich kein aktives Wirtschaftsgut im Sinne des § 6 Abs. 1 Ziff. 1 oder Ziff. 2 EStG dar. Vielmehr handle es sich um einen Wertberichtigungsposten zu der auf der Passivseite der Bilanz eingesetzten Schuld. Nach § 6 Abs. 1 Ziff. 3 EStG seien Verbindlichkeiten unter sinngemäßer Anwendung der Vorschriften der Ziff. 2 anzusetzen, d. h. hier mit den Anschaffungskosten oder dem höheren Teilwert. Als Anschaffungskosten für eine Darlehnsschuld sei der Betrag anzusehen, der dem Schuldner nach Abzug der Darlehnsbeschaffungskosten zur Verfügung stehe (Urteil des Reichsfinanzhofs VI A 909/33 vom 25. April 1934, RStBl 1934 S. 945, Slg. Bd. 36 S. 180). Dieser Ansatz der Verbindlichkeiten im Zeitpunkt der Schuldaufnahme entspreche regelmäßig auch dem Teilwert.
Die Vermutung der übereinstimmung der Anschaffungskosten mit dem Teilwert zum Zeitpunkt der Anschaffung könne nur dadurch widerlegt werden, daß der Nachweis einer Fehlmaßnahme erbracht werden könne (Entscheidungen des Bundesfinanzhofs I 239/54 U vom 14. Februar 1956, BStBl 1956 III S. 102, Slg. Bd. 62 S. 274, und I 18/57 U vom 13. August 1957, BStBl 1957 III S. 349, Slg. Bd. 65 S. 304). Das sei hier nicht der Fall. Der Kredit der Hypothekenbank sei der Bfin. für den Betrieb soviel wert gewesen, daß sie die damit verbundenen Aufwendungen bewußt in Kauf genommen habe. Es handle sich bei der Bank um ein bedeutendes Geldinstitut, das nicht nur an die Bfin., sondern an viele Kaufleute langfristige Kredite zu den bei ihr als Hypothekenbank jeweils üblichen Kreditbedingungen gewährt habe. Wenn diese Kreditnehmer bei anderen Geldinstituten, insbesondere bei Sparkassen, Kredite mit einem geringeren Damnum hätten erhalten können, so hätten sich nach der überzeugung des Gerichts durchaus ihre Gründe gehabt, trotzdem die Kredite bei der Hypothekenbank in Anspruch zu nehmen. Die Gründe hierfür könnten mannigfacher Art sein (Höhe, Laufzeit des Kredits, Zeitpunkt der Auszahlung usw.). Auf das Damnum allein könne hiernach nicht abgestellt werden. Die Begründung der Bfin. laufe letztlich darauf hinaus, daß alle Kredite, die von Kaufleuten bei der Hypothekenbank zu den üblichen Kreditbedingungen einer solchen Bank aufgenommen worden seien, Fehlinvestitionen darstellen müßten. Es lägen aber auch keine Anhaltspunkte dafür vor, daß gerade die Kreditaufnahme der Bfin. bei der Hypothekenbank eine Fehlinvestition gewesen sein solle. Mit der Behauptung, daß sie auch einen Kredit zu günstigeren Bedingungen hätte erhalten können, könne die Bfin. dies jedenfalls nicht dartun.
Der Ansatz eines höheren negativen Wertes einer Darlehnsschuld als Teilwert könne allenfalls dann gerechtfertigt sein, wenn seit der Aufnahme des Kredits eine Verbesserung der allgemeinen Kreditbedingungen eingetreten sei. Dieser Gesichtspunkt scheide jedoch hier schon deshalb aus, weil Bewertungsstichtag und Zeitpunkt der Darlehnsaufnahme so nahe zusammen lägen, daß eine ins Gewicht fallende änderung in den Kreditbedingungen der Hypothekenbanken nicht in Betracht kommen könne.
In der Rb. hat die Bfin. ihren in der Berufung gestellten Antrag aufrechterhalten. Irrig sei auf jeden Fall der Schluß des Finanzgerichts, alle Kaufleute, die bei der Hypothekenbank Kredite aufgenommen hätten, müßten fehlinvestiert haben. Denn es stehe nicht fest, ob die Hypothekenbank mit anderen Kreditnehmern damals die gleichen Bedingungen vereinbart habe. Sie (Bfin.) habe sich bei der Kreditaufnahme der Vermittlung der Staatsbank bedient. Es bestehe die Möglichkeit, daß die Hypothekenbank in derartigen Fällen dem vermittelnden Bankinstitut eine Vergütung gewähre, die sich zuungunsten des Darlehnsnehmers auf die Bedingungen, insbesondere die Höhe des Disagios, auswirke und daß somit ein unmittelbar an die Hypothekenbank herantretender Darlehnsnehmer günstiger bedient werde. Auch stehe nicht fest, ob die übrigen Darlehnsnehmer an ihren Betriebssitzen ebenso leistungsfähige Sparkassen wie diejenige in A. zur Verfügung gehabt hätten und diese hätten in Wettbewerb ziehen können.
Entscheidungsgründe
Die Prüfung der Rb. ergibt folgendes:
Das Finanzgericht hat zutreffend den Betrag von 14 000 DM als Darlehnsbeschaffungskosten (Disagio, Damnum) gegenüber dem Hypothekendarlehen von 200 000 DM angesehen. Es ist mit Recht davon ausgegangen, daß dies auch hinsichtlich des der Bfin. hieraus gewährten kurzfristigen Darlehens von 12 000 DM der Fall ist. Daher war nach der vom Finanzgericht angeführten Rechtsprechung zur Ermittlung der Anschaffungskosten der Darlehnsschuld gemäß § 6 Abs. 1 Ziff. 3 in Verbindung mit Ziff. 2 EStG der Betrag von 14 000 DM als Gegenposten zum Darlehnsnennbetrag in der Bilanz zum 30. Juni 1956 zu aktivieren. Dies wird von der Bfin. auch nicht bestritten. Sie ist auch damit einverstanden, daß in übereinstimmung mit der Rechtsprechung der aktivierte Betrag in den Bilanzen ab dem Wirtschaftsjahr 1956/1957 entsprechend der Laufzeit des Darlehens abzuschreiben ist.
Streitig ist nur noch, ob die Darlehnsschuld in der Bilanz zum 30. Juni 1956 durch Kürzung des zu aktivierenden Betrages mit einem höheren Teilwert auszuweisen ist, weil die Darlehnsaufnahme bei der Hypothekenbank angeblich für den Betrieb eine Fehlmaßnahme dargestellt hat. Diese Frage hat jedoch das Finanzgericht im Ergebnis mit Recht verneint. Jedenfalls reicht die von der Bfin. vorgelegte Bestätigung der Städtischen Sparkasse A., wonach für ein Darlehen von 200 000 DM in der Zeit vom Februar bis Juni 1956 ein Auszahlungsdisagio von 3 v. H. berechnet worden wäre, hierzu nicht aus. Es ist nicht zu beanstanden, wenn das Finanzgericht davon ausgegangen ist, daß die Bfin. gute Gründe gehabt hat, den Kredit bei der Hypothekenbank aufzunehmen. Diese Annahme wird auch durch den Akteninhalt nahegelegt. Danach hat die Bfin. bereits im Jahre 1951 bei der gleichen Hypothekenbank ein Hypothekendarlehen aufgenommen. Als weiterer Kreditgeber der Bfin. ist ab 1952 die Staatsbank in Erscheinung getreten. Es entspricht nun aber durchaus kaufmännischen Gepflogenheiten, wenn die Bfin. im Interesse der Deckung ihrer späteren Kreditbedürfnisse darauf bedacht war, die Geschäftsverbindung mit diesen beiden Bankinstituten aufrechtzuerhalten. Im übrigen stand bei der hier in Betracht kommenden Kreditaufnahme dem höheren Disagio der Vorteil gegenüber, daß der Bfin. 6/7 des Disagiobetrages als zusätzlichen, wenn auch kurzfristig zu tilgendes Darlehen gewährt worden sind und der Auszahlungsbetrag somit 99 v. H. des aufgenommenen Kredits von 200 000 DM ausgemacht hat.
Schließlich hat das Finanzgericht zutreffend ausgeführt, daß der Ansatz eines höheren Teilwertes der Darlehnsschuld jedenfalls zum 30. Juni 1956 auch nicht wegen einer etwa seit der Darlehnsaufnahme eingetretenen Verbesserung der allgemeinen Kreditbedingungen in Betracht kommen könne. Dieser Gesichtspunkt ist auch von der Bfin. nicht geltend gemacht worden.
Da es hiernach das Finanzgericht mit Recht für den genannten Stichtag bei der Bewertung der Darlehnsschuld mit den Anschaffungskosten belassen hat, war die Rb. als unbegründet zurückzuweisen.
Die Bfin. hat mündliche Verhandlung beantragt; es erschien jedoch dem Senat zweckmäßig, nach § 294 Abs. 2 AO vorerst ohne eine solche zu entscheiden.
II. Urteil Wegen des Sach- und Streitstandes wird auf den Bescheid des Senats vom 11. Dezember 1962 Bezug genommen. Die Ausführungen der Bfin. in der mündlichen Verhandlung liefen im wesentlichen darauf hinaus, die Leistungsfähigkeit der Stadtsparkasse A. hinsichtlich des Kreditgeschäfts darzutun. Ferner wurde geltend gemacht, daß die Bfin. seither keinen weiteren Kredit mehr bei der Hypothekenbank aufgenommen habe. Der Senat sieht jedoch in diesem Vorbringen keine Veranlassung, von seiner im Vorbescheid niedergelegten Beurteilung abzugehen. Denn auch darin kann kein schlüssiger Nachweis dafür erblickt werden, daß die seinerzeitige Kreditaufnahme bei der Bank eine Fehlmaßnahme dargestellt habe.
Hiernach muß es bei dem Ergebnis des Bescheides vom 11. Dezember 1962 verbleiben.
Fundstellen
Haufe-Index 410829 |
BStBl III 1963, 327 |
BFHE 1964, 30 |
BFHE 77, 30 |
BB 1963, 761 |
DB 1963, 886 |