Leitsatz (amtlich)
Der Pfändungsgläubiger eines angeblichen Lohnsteuererstattungsanspruchs wird durch den Pfändungs- und Überweisungsbeschluß ermächtigt, den Antrag auf Durchführung des Lohnsteuer-Jahresausgleichs zu stellen, soweit ihm verfahrensrechtliche - insbesondere fristwahrende - Bedeutung zukommt. Fehlen die für die Durchführung des Lohnsteuer-Jahresausgleichs erforderlichen Angaben und Unterlagen des Schuldners und Steuerpflichtigen, so kann das Gericht das FA nur durch Bescheidungsurteil zur Beachtung seiner Rechtsauffassung über die Antragsbefugnis des Pfändungsgläubigers anhalten. Ein weitergehender Antrag des Klägers auf Verpflichtung des FA zur Durchführung des Lohnsteuer-Jahresausgleichs ist mit kostenrechtlicher Folge abzuweisen.
Normenkette
FGO § 40 Abs. 1, §§ 101, 136 Abs. 1; AO § 159; ZPO §§ 829, 888; JAV § 4 Abs. 1, 5, 7
Tatbestand
Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin) hat durch Pfändungs- und Überweisungsbeschluß des Amtsgerichts R vom 26. Februar 1968 den angeblichen Anspruch ihres Schuldners M gegen den Beklagten und Revisionskläger (FA) auf Auszahlung eines Erstattungsbetrags aus dem Lohnsteuer-Jahresausgleich 1967 bis zur Höhe eines Teilbetrags ihrer Forderung von 1 000 DM nebst Kosten und Zinsen pfänden und sich zur Einziehung überweisen lassen. Sie legte auch die Lohnsteuerkarte des M vor. Mit Schreiben vom 24. April 1968 bat die Klägerin das FA, nunmehr den Schuldner zur Ausfüllung des Formulars für den Lohnsteuer-Jahresausgleich zu veranlassen. Wörtlich heißt es in dem Schreiben dann weiter:
"Es wird vorsorglich formell erklärt, daß wir hiermit diesen Antrag (auf Durchführung des LStJA 1967 für den Schuldner M) stellen unter Hinweis auf den eingangs erwähnten Pfändungs- und Überweisungsbeschluß vom 26.2.1968."
Das FA teilte der Klägerin mit, daß sich nach der vorgelegten Lohnsteuerkarte ein Erstattungsbetrag von 38,01 DM ergebe, die Auszahlung an die Klägerin jedoch abgelehnt werden müsse, weil M keinen Antrag gestellt habe. Gegen den Bescheid des FA vom 14. August 1968, mit dem die Durchführung des Lohnsteuer-Jahresausgleichs abgelehnt wurde, legte die Klägerin erfolglos Einspruch ein. Das FG erkannte dagegen, daß das FA zur Durchführung des Lohnsteuer-Jahresausgleichs verpflichtet sei. Die Pfändbarkeit des Anspruchs eines Arbeitnehmers gegen das FA auf Erstattung überzahlter Lohnsteuer ergebe sich aus § 159 Satz 2 AO. Voraussetzung für die Durchführung des Lohnsteuer-Jahresausgleichs und für die Erstattung überzahlter Lohnsteuer sei nach § 4 Abs. 1 JAV ein Antrag des Arbeitnehmers, der hier in zulässiger Weise durch die Pfändungsgläubigerin gestellt worden sei. Nach allgemeinen Grundsätzen des Zivilprozeßrechts sei der Pfändungsgläubiger legitimiert, alle Rechtsgeschäfte vorzunehmen, die seiner Befriedigung dienten. So sei z. B. auch anerkannt, daß er eine noch nicht fällige Forderung selbst kündigen könne. Daher müsse auch der Pfändungsgläubiger eines öffentlichrechtlichen Erstattungsanspruchs berechtigt sein, den für die Auszahlung erforderlichen Antrag zu stellen. Dieser Antrag sei nur eine Verfahrensvoraussetzung und gehöre nicht zu dem anspruchsbegründenden Tatbestand. Der gegenteiligen Auffassung, wonach die Rechtsstellung eines Erstattungsberechtigten in seiner Eigenschaft als Steuerpflichtiger nicht übertragbar sei und daher der Antrag auf Durchführung des Lohnsteuer-Jahresausgleichs nicht von dem Pfändungsgläubiger gestellt werden könne, sei nicht zu folgen.
Das FA hat Revision eingelegt, die vom FG wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zugelassen wurde. Die Revision wird auf Verfahrensmängel und auf die Verletzung materiellen Rechts gestützt.
Die Urteilsformel sei fehlerhaft, da sie das FA zur Durchführung des Lohnsteuer-Jahresausgleichs verpflichte. Es wäre aber Sache des FG gewesen, den Erstattungsbetrag selbst festzusetzen. Im übrigen sei die Urteilsformel so unbestimmt, daß das FA nichts mit der Entscheidung anfangen könne. Es könne der Verpflichtung nicht nachkommen, weil nicht feststehe, ob und gegebenenfalls in welcher Höhe ein Erstattungsanspruch bestehe. Die Angaben in der Lohnsteuerkarte reichten allein für die Durchführung des Lohnsteuer-Jahresausgleichs nicht aus. So sei die Annahme nicht abwegig, daß der Schuldner M als Bauarbeiter erhebliche Einkünfte aus Nebentätigkeit erzielt habe. Dann müsse er sogar zur Einkommensteuer veranlagt werden. Aber unabhängig davon, könnte ein nur aus den Daten der Lohnsteuerkarte durchgeführter Lohnsteuer-Jahresausgleich zu einem unrichtigen Ergebnis führen. Es sei nämlich bei der Höhe der Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit zu vermuten, daß allein die Sozialversicherungsbeiträge die Pauschbeträge für Sonderausgaben überschritten. Das FA müsse daher verlangen, daß die in den Antragsvordrucken für den Lohnsteuer-Jahresausgleich geforderten Angaben gemacht würden.
Materiell sei es zweifelhaft, ob das Antragsrecht nach der Verordnung über den Lohnsteuer-Jahresausgleich wegen seiner engen Verbindung mit dem Steuerschuldverhältnis als Wissenserklärung überhaupt übertragbar und damit pfändbar sei. Die Grundsätze des Zivilprozeßrechts seien auf das Antragsrecht nach der Verordnung über den Lohnsteuer-Jahresausgleich nicht anwendbar. Der Antrag diene als Unterlage für die Feststellung und Festsetzung eines Steuererstattungsanspruchs. Dabei müsse der Antragsteller mitwirken. Diesen Mitwirkungspflichten könne ein Pfändungsgläubiger nicht nachkommen. Das FA beantragt, das angefochtene Urteil aufzuheben.
Entscheidungsgründe
Auf die Revision des FA waren das Urteil des FG und die vorangegangenen Verfügungen der Verwaltung aufzuheben.
Dem FA ist insoweit recht zu geben, als das FG wegen fehlender Spruchreife der Sache nicht die Verpflichtung der Finanzbehörde aussprechen konnte, den begehrten Verwaltungsakt zu erlassen, d. h., den Lohnsteuer-Jahresausgleich durchzuführen, der im Wege der Erstattung erfolgt (§ 4 Abs. 7 JAV). Zwar mußte die Klägerin eine Verpflichtungsklage erheben; denn das FA war in seinem Bescheid vom 14. August 1968 nicht nach der materiell-rechtlichen Prüfung von Fragen des Lohnsteuer-Jahresausgleichs zur Ablehnung einer Steuererstattung gekommen, sondern hatte die Durchführung des Lohnsteuer-Jahresausgleichs wegen der fehlenden Antragsbefugnis der Klägerin als unzulässig abgewiesen (Beschluß des BFH vom 10. Juli 1970 VI B 2/69, BFHE 99, 350, BStBl II 1970, 685). Das FA konnte aber nur im Wege des Bescheidungsurteils nach § 101 Satz 2 FGO insoweit gebunden werden, als es davon auszugehen hat, daß die Klägerin für M den Antrag auf Durchführung des Lohnsteuer-Jahresausgleichs stellen darf, soweit er als Verfahrensvoraussetzung anzusehen ist.
Die grundsätzliche Pfändbarkeit des Erstattungsanspruchs ergibt sich aus § 159 AO, so daß in Rechtsprechung und Literatur auch nur streitig ist, in welchem frühesten Zeitpunkt ein Gläubiger die Pfändung und Überweisung des Erstattungsanspruchs beantragen kann (Beschluß des Hanseatischen Oberlandesgerichts Hamburg vom 28. Oktober 1971 6 W 60/71, MDR 1972, 151; Lübbing in NJW 1968, 879) und ob wegen des besonderen Steuerrechtsverhältnisses der für die Realisierung des Erstattungsanspruchs nach § 4 Abs. 1 JAV notwendige Antrag durch den Pfändungsgläubiger gestellt werden kann (vgl. zum Stand der Meinungen Oswald in MDR 1972, 1009).
Nach der Entscheidung des BFH vom 7. März 1968 IV R 278/66 (BFHE 92, 153, BStBl II 1968, 496 [499]) steht dem Steuerpflichtigen der Anspruch auf Erstattung überzahlter Einkommensteuer unabhängig von seiner Geltendmachung und Fälligkeit bereits zu, wenn der jeweilige Steuerabschnitt abgelaufen und die Überzahlung eingetreten ist. Dieser Entstehungszeitpunkt gilt auch für den Lohnsteuererstattungsanspruch, da keine Gründe vorliegen, hier zu einem anderen Ergebnis zu kommen. Damit steht aber fest, daß der angebliche Lohnsteuererstattungsanspruch des Schuldners der Klägerin für 1967 mit Beschluß vom 26. Februar 1968 gepfändet und der Klägerin zur Einziehung überwiesen werden konnte. Da im übrigen der Antrag des Steuerpflichtigen auf Erstattung der überzahlten Lohnsteuer nach dem oben angeführten Urteil nicht zum anspruchsbegründenden Tatbestand gehört, muß sein Fehlen ohne Einfluß auf die Wirksamkeit der Vollstreckungsmaßnahme sein, da die nach § 829 ZPO für eine Pfändung von Geldforderungen notwendigen Voraussetzungen erfüllt sind.
Mit der Überweisung des gepfändeten Lohnsteuererstattungsanspruchs wird der Gläubiger ermächtigt, das Recht des Schuldners in eigenem Namen geltend zu machen. Daraus folgt, daß er gegenüber dem FA zumindest zur Vornahme der Handlungen berechtigt sein muß, ohne die eine Realisierung seines Anspruchs von vornherein gefährdet, wenn nicht sogar unmöglich gemacht würde. Dazu gehört aber der Antrag auf Durchführung des Lohnsteuer-Jahresausgleichs. Wenn in der Literatur teilweise die Ansicht vertreten wird, daß dieser Antrag nur vom Steuerpflichtigen selbst gestellt werden könne (vgl. Schüler in DB 1973, 182 und die dortigen Nachweise), so vermag der Senat dieser Auffassung nicht zu folgen. Da der Gesetzgeber die Pfändbarkeit öffentlichrechtlicher Erstattungsansprüche in § 159 AO zugelassen hat, muß auch gewährleistet sein, daß der Pfändungsgläubiger im Fall eines böswilligen oder gleichgültigen Schuldners seine Rechte wahrnehmen kann. Bei unvertretbaren Handlungen sind zwar dafür in § 888 ZPO Regelungen getroffen, die aber den Ablauf der Ausschlußfrist des § 4 Abs. 5 JAV nicht verhindern können. Das FA geht davon aus, daß der Antrag formularmäßig zu stellen ist und gleichzeitig die für die Durchführung des Verfahrens notwendigen Angaben des Steuerpflichtigen enthalten muß (§ 4 Abs. 1 JAV). Insoweit ist der Antrag die notwendige Unterlage für die Feststellung und Festsetzung eines Steuererstattungsanspruchs. Das FA tritt in eine materiell-rechtliche Prüfung des Erstattungsanspruchs aber erst ein, wenn es festgestellt hat, daß der Antrag rechtzeitig gestellt wurde. Die Einhaltung der Ausschlußfrist ist danach eine Verfahrensvoraussetzung. Hinsichtlich der fristwahrenden Bedeutung des Antrags auf Durchführung des Lohnsteuer-Jahresausgleichs kann dem Pfändungsgläubiger nicht entgegengehalten werden, daß es ihm verwehrt sei, die Rechtsposition des Schuldners als Steuerpflichtiger einzunehmen. Nur insoweit könnten aber Bedenken gegen die Übertragbarkeit der Rechte im Wege der Pfändung und Überweisung öffentlich-rechtlicher Erstattungsansprüche bestehen (Becker-Riewald-Koch, Reichsabgabenordnung, Kommentar, § 159 Anm. 5).
Das Antragsrecht des Pfändungsgläubigers ist unabhängig davon gegeben, ob er im Zeitpunkt der Antragstellung in der Lage ist, die für die Durchführung des Lohnsteuer-Jahresausgleichs erforderlichen Angaben zu machen bzw. die notwendigen Unterlagen einzureichen, da er alles tun kann, um sein Pfandrecht zu erhalten (Baumbach-Lauterbach, Zivilprozeßordnung, 31. Aufl., § 829 Anm. 5 A).
Inwieweit die Mitwirkung des Schuldners zur Durchführung des Lohnsteuer-Jahresausgleichs erforderlich ist, bleibt davon unberührt. So werden dem FA weder die Einwendungen abgeschnitten, die es gegenüber dem Schuldner hat, noch hat das FA auf die für die Durchführung des Lohnsteuer-Jahresausgleichs erforderlichen Angaben und Unterlagen zugunsten des Gläubigers zu verzichten.
Das FA hat auf der Grundlage der Entscheidung des Senats, nach der die Klägerin als Folge ihrer Gläubigerstellung den Antrag auf Lohnsteuer-Jahresausgleich zur Wahrung der Frist des § 4 Abs. 5 JAV selbst stellen kann, der Klägerin aufzugeben, von welchen Angaben und Unterlagen die Durchführung des Lohnsteuer-Jahresausgleichs abhängig ist. Es wird dann Aufgabe der Klägerin sein, ihren Schuldner zur Erfüllung der Auflagen des FA anzuhalten.
Fundstellen
Haufe-Index 70572 |
BStBl II 1973, 784 |
BFHE 1974, 26 |