Leitsatz (amtlich)
Mangels ausdrücklicher Vereinbarungen eines Austauschverhältnisses erwächst aus einer zwischen dem Erblasser und einem Dritten bestehenden langjährigen nichtehelichen Lebensgemeinschaft keine diesem Dritten gegenüber bestehende berücksichtigungsfähige Erblasserschuld.
Normenkette
ErbStG 1974 § 10 Abs. 5 Nr. 1; BGB § 612 Abs. 1, § 812 Abs. 1 S. 2, § 818 Abs. 2
Tatbestand
Die in der DDR lebende Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) ist die alleinige Erbin ihres am 24.Mai 1977 verstorbenen Bruders (Erblasser). Mit diesem hatte seit dem Jahre 1948 Frau W eheähnlich zusammengelebt. In all diesen Jahren --bis auf die Jahre 1952 bis 1954, in denen Frau W ganztägig als Verkäuferin für einen Monatslohn von ca. 350 DM tätig war-- hatte sie den Erblasser wegen eines Kriegsleidens betreut. In den letzten fünfzehn Lebensjahren wurde dieser zu einem Pflegefall. Auch in dieser Zeit pflegte ihn Frau W; den gemeinsamen Lebensunterhalt bestritt sie aus dem ihr vom Erblasser zur Verfügung gestellten Wirtschaftsgeld.
Nach dem Tode des Erblassers räumte die Klägerin mit notariell beurkundetem Vertrag vom 14.März 1978 Frau W an der vom Erblasser im Erbwege auf sie übergegangenen Eigentumswohnung den unentgeltlichen, uneingeschränkten Nießbrauch ein. Mit weiterem notariell beurkundetem Vertrag vom 19.Mai 1978 "schenkte" die Klägerin Frau W die aus dem Nachlaß des Erblassers stammenden Wertpapiere sowie das an diesem Tage noch bestehende Bankguthaben.
In Abschnitt IV des Vertrages heißt es:
"Die Vertragsteile stellen fest, daß Motiv für die vorstehende Schenkung ist, daß Frau W Herrn E während der letzten fünfzehn Jahre gepflegt hat."
Die Klägerin wurde beim Abschluß der Verträge durch Frau W vertreten, der die Klägerin am 10.Oktober 1977 Generalvollmacht unter Befreiung von Beschränkungen des § 181 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) erteilt hatte. Am 28.Juli 1978 erklärte die Klägerin ihr ausdrückliches Einverständnis mit der "Schenkung".
Mit Bescheid vom 11.April 1979 setzte der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) gegen die Klägerin aus einem steuerpflichtigen Erwerb von 199 600 DM Erbschaftsteuer in Höhe von 36 926 DM fest. Den Steuerbetrag setzte er auf den Einspruch der Klägerin unter Zurückweisung des Einspruchs im übrigen auf 36 611,50 DM herab (Einspruchsentscheidung vom 21.Januar 1980).
Mit der Klage begehrt die Klägerin, die Erbschaftsteuer auf 969,10 DM, hilfsweise auf 25 143 DM, herabzusetzen. Sie macht geltend, daß sie aufgrund der aufopfernden Pflege des Erblassers durch Frau W rechtlich und sittlich verpflichtet gewesen sei, einen Betrag von 189 090,25 DM an diese zu zahlen. Nur die lange schwere Erkrankung habe den Erblasser daran gehindert, seine langjährige Lebensgefährtin und Pflegerin durch letztwillige Verfügung zur Alleinerbin einzusetzen. Ohne deren Pflege wäre das Vermögen des Erblassers durch entsprechende Kosten für die Pflege von dritter Seite aufgezehrt. Frau W habe wegen der Pflege keinen Beruf ausüben und nicht für einen angemessenen Unterhalt im Alter sorgen können. Das habe Frau W in der Erwartung getan, vom Erblasser geheiratet zu werden oder zumindest erhebliche Zuwendungen von Todes wegen zu erhalten. Es habe zwar keine ausdrückliche Vergütungsvereinbarung zwischen Frau W und dem Erblasser bestanden, doch habe sich zumindest mit dem Eintritt der erhöhten Pflegebedürftigkeit des Erblassers das eheähnliche Verhältnis stillschweigend in ein Pflegearbeitsverhältnis umgewandelt. Weiter hat die Klägerin vorgetragen, der Erblasser habe Frau W versprochen, sie zu heiraten bzw. als Erbin einzusetzen. Das Finanzgericht (FG) hat die Klage abgewiesen.
Mit der Revision verfolgt die Klägerin das Klagebegehren im Hauptantrag weiter.
Entscheidungsgründe
Die Revision der Klägerin ist unbegründet.
Zutreffend hat das FG das Bestehen einer vom Erblasser herrührenden Schuld gegenüber Frau W und damit das Vorliegen einer nach § 10 Abs.5 Nr.1 des Erbschaftsteuergesetzes 1974 (ErbStG) abzugsfähigen Nachlaßverbindlichkeit verneint. Frau W hatte weder einen dienstvertraglich begründeten Rechtsanspruch auf Vergütung noch stand ihr ein Anspruch auf Ersatz des Wertes der von ihr dem Erblasser erbrachten Leistungen unter dem Gesichtspunkt ungerechtfertigter Bereicherung zu.
Die Klägerin hat selbst vorgetragen, daß zwischen dem Erblasser und Frau W kein Arbeitsvertrag geschlossen worden sei. Ohne Rechtsfehler hat das FG auch das Vorliegen eines faktischen Arbeitsverhältnisses aufgrund der Absprache, Frau W sei zu Dienstleistungen deshalb verpflichtet, weil der Erblasser sie letztwillig bedenken wolle, also die (wegen der Nichtigkeit der versprochenen Gegenleistung, vgl. § 2302 BGB) nichtige aber durchgeführte Vereinbarung eines Dienstverhältnisses mit atypischer Gegenleistung, verneint. Denn auch aus dem Vortrag der Klägerin, der Erblasser habe Frau W Zuwendungen von Todes wegen versprochen, ist der Schluß nicht gerechtfertigt, Frau W habe um der Erbeinsetzung wegen von ihr (vermeintlich) geschuldete Dienste erbracht und der Erblasser habe sie als solche angenommen. Dasselbe gilt hinsichtlich der Ausführungen der Klägerin über eine geplante Eheschließung zwischen Frau W und dem Erblasser. Auch der Auffassung der Klägerin, das eheähnliche Verhältnis zwischen dem Erblasser und Frau W habe sich stillschweigend in ein Pflegearbeitsverhältnis umgewandelt, vermag der Senat nicht zu folgen. Allein die tatsächliche Erbringung von Dienstleistungen genügt nicht, um ein durch schlüssiges Verhalten zustandegekommenes Dienstverhältnis anzunehmen (vgl. Urteil des Bundesarbeitsgerichts --BAG-- vom 19.Juli 1973 5 AZR 46/73, Neue Juristische Wochenschrift --NJW-- 1974, 380). Dazu tritt, daß sich ganz allgemein die Beziehung zwischen Frau W und dem Erblasser nicht als Dienstverhältnis charakterisieren läßt und das langjährige eheähnliche Zusammenleben der beiden Partner auch die Vermutung ausschließt, die Pflege- und Betreuungstätigkeit werde dienstvertraglich geschuldet und sei nur gegen leistungsentsprechendes Entgelt übernommen (vgl. dazu Oberlandesgericht --OLG-- Frankfurt, Beschluß vom 23.Oktober 1981 17 W 29/81, NJW 1982, 1885; Derleder, Vermögenskonflikte zwischen Lebensgefährten bei Auflösung ihrer Gemeinschaft, NJW 1980, 545 ff., 548; Scholz, Die nichteheliche Lebensgemeinschaft in der Praxis, Bonn 1982, S.51; de Witt/ Huffmann, Nichteheliche Lebensgemeinschaft, 2.Aufl., München 1986, Rdnr.350).
Mangelt es aber an einer (und sei es auch nichtigen) Rechtsgrundabrede für die von Frau W erbrachten Dienstleistungen, kann ein Anspruch aus § 612 Abs.1, 2 BGB auf Gewährung taxmäßiger bzw. üblicher Vergütung wegen Scheiterns des beabsichtigten Ausgleichs (vgl. hierzu z.B. BAG-Urteil vom 28.September 1977 5 AZR 303/76, NJW 1978,444) nicht entstehen. Denn § 612 Abs.1 BGB fingiert nicht das Vorliegen eines Dienstvertrages, sondern setzt dessen Abschluß voraus. Auch ein Bereicherungsanspruch wegen aufgrund nichtiger Abrede erbrachter Leistungen durch Frau W konnte deshalb nicht bestehen. Schließlich kann ein Anspruch auf Wertersatz in Form der üblichen bzw. angemessenen Vergütung (§ 818 Abs.2 BGB; vgl. Urteil des Bundesgerichtshofs --BGH-- vom 1.Oktober 1985 IX ZR 155/84, NJW-Rechtsprechungs-Report Zivilrecht 1986, 155) auch nicht aus § 812 Abs.1 Satz 2 zweite Alternative BGB entstanden sein; danach besteht die Verpflichtung zur Herausgabe des Erlangten auch dann, wenn der mit einer Leistung nach dem Inhalt des Rechtsgeschäfts bezweckte Erfolg nicht eintritt. Aber auch in diesem Fall bedarf es --wegen der Unbeachtlichkeit des bloßen Motivs-- einer Austauschvereinbarung (vgl. Palandt, Bürgerliches Gesetzbuch, 37.Aufl., § 812 Anm.6 A d). Von einer solchen Austauschvereinbarung auszugehen, verbietet der Charakter der auf Zusammenleben angelegten nichtehelichen Lebensgemeinschaft, und zwar auch dann, wenn die Lastenverteilung sich über einen Zeitraum als unausgewogen darstellen mag.
Ein Abzug als Nachlaßverbindlichkeit kann auch nicht etwa deshalb erfolgen, weil die Klägerin möglicherweise glaubte, eine moralische Verpflichtung (vgl. dazu BGH-Urteil vom 10.November 1982 IVa ZR 83/81, Zeitschrift für das gesamte Familienrecht --FamRZ-- 1983, 53, 55 unter III.4.) erfüllen zu müssen. Denn § 10 Abs.5 Nr.1 ErbStG betrifft nur aus Rechtsgründen bestehende Erblasserschulden.
Unbegründet ist der Einwand der Klägerin, die Heranziehung des Erwerbs verstoße gegen das Bereicherungsprinzip. Denn wenn die Klägerin Frau W für deren Einsatz gegenüber dem Erblasser ohne Bestehen einer Rechtspflicht "belohnte" (zur belohnenden Schenkung vgl. BGH-Urteil vom 11.November 1981 IVa ZR 182/80, NJW 1982, 436), so beruhte das auf ihrem eigenen Entschluß und bedeutete Gebrauchmachen von der vermögensmäßigen Stellung, die ihr aufgrund des Erwerbes von Todes wegen zugefallen war.
Fundstellen
Haufe-Index 62297 |
BStBl II 1988, 1006 |
BFHE 154, 380 |
BFHE 1989, 380 |
BB 1989, 135-136 (LT1) |
DB 1988, 2546 (KT) |
HFR 1989, 91 (LT) |