Leitsatz (amtlich)
Mit der Herstellung eines Gebäudes ist im Sinne von § 6 b Abs. 3 Satz 3 EStG auch dann begonnen worden, wenn vor dem Schluß des zweiten auf die Bildung der Rücklage folgenden Wirtschaftsjahres der Bauantrag gestellt wurde und das Gebäude bis zum Schluß des vierten Wirtschaftsjahres nach Bildung der Rücklage fertiggestellt wird.
Normenkette
EStG § 6b Abs. 3 S. 3
Verfahrensgang
Tatbestand
Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin) veräußerte im Jahr 1974 ein betriebliches Grundstück. In der Bilanz zum 31. Dezember 1974 bildete sie in Höhe des Veräußerungsgewinns eine Rücklage gemäß § 6 b des Einkommensteuergesetzes (EStG). Diese Rücklage wies sie noch in der Bilanz zum 31. Dezember des Streitjahres 1976 aus.
Die Klägerin wollte eine Tiefgarage errichten und die Rücklage auf ihre Herstellungskosten übertragen. Die Architektenplanung schloß sie im Jahre 1976 ab. Den Bauantrag stellte sie kurz vor Ende des Jahres 1976.1977 beauftragte sie ein Bauunternehmen mit der Durchführung des Bauvorhabens. Die Bauarbeiten begannen 1977; in diesem Jahr ist die Tiefgarage auch fertiggestellt worden.
Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt - FA -) ist der Meinung, die Rücklage sei zum 31. Dezember 1976 gewinnerhöhend aufzulösen, weil die Klägerin mit der Herstellung der Tiefgarage erst 1977, also erst nach Ablauf des zweiten auf die Bildung der Rücklage folgenden Wirtschaftsjahres (§ 6 b Abs. 3 Satz 3 EStG) begonnen habe. Das FA erhöhte in dem einheitlichen und gesonderten Gewinnfeststellungsbescheid für das Streitjahr 1976 den Gewinn entsprechend. Der Einspruch blieb ohne Erfolg.
Das Finanzgericht (FG) gab der Klage statt.
Mit der Revision rügt das FA die Verletzung materiellen Rechts.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist nicht begründet.
Die Klägerin braucht die von ihr gebildete Rücklage im Streitjahr nicht gewinnerhöhend aufzulösen, da sie noch rechtzeitig, d. h. vor dem Schluß des zweiten auf die Bildung der Rücklage folgenden Wirtschaftsjahres mit der Herstellung der von ihr errichteten Tiefgarage begonnen hat; diese ist ein Gebäude und damit ein begünstigtes Reinvestitionsgut i. S. von § 6 b Abs. 3 Satz 3 EStG.
§ 6 b EStG dient dem Zweck, die aufgrund bestimmter Veräußerungsvorgänge freiwerdenden stillen Reserven steuerrechtlich nicht sofort zu erfassen, sondern sie auf ein Reinvestitionsgut zu übertragen (vgl. Bundestags-Drucksache IV/2400, S. 62 ff.; Urteil des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 6. Dezember 1972 I R 182/70, BFHE 108, 159, BStBl II 1973, 291). Diese Übertragung muß innerhalb bestimmter Zeit geschehen. Wird die Übertragung nicht bereits im Veräußerungsjahr vorgenommen, so kann eine steuermindernde Rücklage gebildet werden. Die Rücklage muß grundsätzlich innerhalb von zwei Jahren aufgelöst werden, und zwar entweder durch Übertragung auf ein Reinvestitionsobjekt oder aber zugunsten des Unternehmensgewinns. Für die Übertragung stiller Reserven auf neu hergestellte Gebäude oder Schiffe verlängert sich die genannte Reinvestitionsfrist auf vier Jahre. Damit wird berücksichtigt, daß die Herstellung derartiger Anlagegüter erfahrungsgemäß eine längere Planungs- und Bauzeit erfordert (Bundestags-Drucksache IV/2617, S. 5).
Die Verlängerung der Reinvestitionsfrist ist allerdings von der weiteren Voraussetzung abhängig, daß innerhalb der allgemein geltenden Zweijahresfrist mit der Herstellung des Reinvestitionsobjekts begonnen worden ist. Der Steuerpflichtige kann also die Verlängerung der Reinvestitionsfrist nicht mit der Behauptung erreichen, er beabsichtige, die Rücklage auf ein Gebäude oder ein Schiff zu übertragen; diese Absicht muß vielmehr durch den Beginn der Herstellung dokumentiert sein. Nach diesem Gesetzeszweck ist mit der Herstellung eines Gebäudes nicht erst mit dem Beginn der Bauarbeiten begonnen, wie das FA meint; vielmehr ist die voraufgehende Einreichung des Bauantrags jedenfalls dann maßgebend, wenn das Bauvorhaben aufgrund des Bauantrags später tatsächlich innerhalb der Vierjahresfrist durchgeführt wird.
Als Beginn der Herstellung wird auch in anderem Zusammenhang ein Zeitpunkt vor dem Beginn der Bauarbeiten angenommen. So gehören Planungskosten zu den Herstellungskosten des Gebäudes; sie sind zu aktivieren, auch wenn die Bauarbeiten noch nicht begonnen haben. Planung und Errichtung des Bauwerks bilden einen einheitlichen Vorgang (BFH-Urteile vom 11. März 1976 IV R 176/72, BFHE 119, 240, BStBl II 1976, 614; vom 23. November 1978 IV R 20/75, BFHE 126, 448, BStBl II 1979, 143). Ähnlich sieht § 4 b Abs. 2 Satz 5 des Investitionszulagengesetzes (InvZulG) 1975 bereits im Antrag auf Baugenehmigung den Beginn der Herstellung. Ob dies allein auf den besonderen Bedürfnissen des Investitionszulagengesetzes 1975 beruht und daher nicht verallgemeinerungsfähig ist, wie das FA meint, kann dahinstehen, weil der besondere Zweck des § 6 b EStG auch die Berücksichtigung des Bauantrags verlangt.
Die Ernsthaftigkeit der Reinvestitionsabsicht wird auch dadurch in einer objektiv nachprüfbaren Weise kenntlich gemacht, daß der Steuerpflichtige die erforderlichen Planungsarbeiten durchführt und einen Antrag auf Baugenehmigung mit den erforderlichen Unterlagen stellt (vgl. dazu §§ 2 ff. der Verordnung über Bauvorlagen im bauaufsichtlichen Verfahren vom 29. September 1970, Hamburgisches Gesetz- und Verordnungsblatt 1970 S. 261). Wird das Bauwerk alsdann innerhalb der verlängerten Reinvestitionsfrist fertiggestellt, so ist auch für die Annahme kein Raum, der Steuerpflichtige habe den Antrag nur gestellt, um die gewinnerhöhende Auflösung der Rücklage aufzuschieben. Der Steuerpflichtige hat in diesem Falle seine Investitionsbereitschaft in gleicher Weise zu erkennen gegeben wie mit dem tatsächlichen Beginn der Bauarbeiten. Die Planungsarbeiten und das Baugenehmigungsverfahren können im Einzelfall erhebliche Zeit beanspruchen. Es liegt nicht in der Absicht des Gesetzes, in einem solchen Fall trotz rechtzeitiger Anbringung des Bauantrags die Auflösung der Rücklage zu verlangen, weil mit den Bauarbeiten erst nach Ablauf der Zweijahresfrist begonnen wurde.
Fundstellen
Haufe-Index 74127 |
BStBl II 1982, 63 |
BFHE 1981, 297 |