Entscheidungsstichwort (Thema)
Einkommensteuer, Lohnsteuer, Kirchensteuer
Leitsatz (amtlich)
Der Gesellschafter einer Offenen Handelsgesellschaft kann mit dieser, auch wenn sie ein Bankhaus betreibt, keinen nach § 10 Abs. 1 Ziff. 2 Buchstabe d EStG 1951 begünstigten Kapitalansammlungsvertrag abschließen.
Normenkette
EStG § 10/1/2/d, § 15 Nr. 2
Tatbestand
Der Beschwerdegegner (Bg.) ist Mitinhaber eines Bankhauses. Dieses wird in der Form einer OHG betrieben, der der Bg. als Gesellschafter angehört. Strittig ist, ob der Bg. 36.000 DM, die er im Jahre 1951 auf einen mit dem Bankhaus abgeschlossenen Kapitalansammlungsvertrag eingezahlt hat, als Sonderausgabe geltend machen kann.
Das Finanzamt veranlagte den Bg. für 1951, ohne dessen Antrag auf Berücksichtigung der 36.000 DM stattzugeben. Es vertrat die Auffassung, daß der Bg. mit der Gesellschaft, der er selbst angehöre, keinen steuerbegünstigten Kapitalansammlungsvertrag abschließen könne, weil bei der einkommensteuerlichen Behandlung der OHG eine Einzahlung, wie sie im Streitfall gegeben sei, zwangsläufig zu einer Einlage des Gesellschafters werde.
Die Sprungberufung des Bg. führte zur Aufhebung des Steuerbescheids und Zurückverweisung der Sache an das Finanzamt. Das Finanzgericht hielt - ausgehend von der sogenannten Bilanzbündeltheorie, nach der die Bilanz der Gesellschaft nur eine Zusammenfassung der Einzelbilanzen der Gesellschafter darstellt und diese je ein eigenes Unternehmen betreiben - den Abschluß eines steuerbegünstigten Kapitalansammlungsvertrages insoweit für möglich, als nicht der Bg. selbst, sondern die anderen Gesellschafter betroffen seien. Insoweit habe, so führt das Finanzgericht aus, der Bg. die Einzahlung nicht dem eigenen Betrieb, sondern fremden Betrieben gegenüber geleistet. Als Maßstab für die Abgrenzung, inwieweit der eigene und inwieweit die fremden Betriebe betroffen seien, ist nach Ansicht des Finanzgerichts das Gewinnverteilungsverhältnis, nicht das Kapitalbeteiligungsverhältnis anzuwenden.
Mit seiner Rechtsbeschwerde (Rb.) wehrt sich der Vorsteher des Finanzamts gegen eine auch nur teilweise Anerkennung des Kapitalansammlungsvertrages. Er ist der Auffassung, daß der Gesellschafter einer OHG mit dieser einen steuerbegünstigten Kapitalansammlungsvertrag nicht abschließen könne. Hilfsweise trägt er vor, daß bei einer teilweisen Anerkennung, wie sie das Finanzgericht für zulässig halte, für die Abgrenzung nur das Kapitalbeteiligungsverhältnis, nicht aber das Gewinnverteilungsverhältnis maßgebend sei. Dieser Auffassung ist auch, wenngleich nur hilfsweise, der Bg. In erster Linie vertritt er den Standpunkt, daß der Kapitalansammlungsvertrag im vollen Umfange anerkannt werden müsse. Die für Kapitalansammlungsverträge vorgesehene Steuerbegünstigung wolle den Konsumverzicht belohnen. Ein Konsumverzicht sei aber, was die Vorinstanzen übersehen hätten, in Höhe der vollen Einzahlung gegeben.
Entscheidungsgründe
Die Rb. muß zur Aufhebung der Vorentscheidung führen.
Nach § 10 Abs. 1 Ziff. 2 Buchstabe d des Einkommensteuergesetzes (EStG) 1951 sind Beiträge auf Grund von Kapitalansammlungsverträgen bestimmter Art dadurch begünstigt, daß sie als Sonderausgaben zu berücksichtigen sind. Wie aus der Einordnung unter den Begriff der Sonderausgaben hervorgeht, können nach jener Vorschrift nur Beiträge begünstigt sein, die nicht Betriebsausgaben, sondern private Aufwendungen sind (vgl. die Entscheidung des erkennenden Senats VI 153/55 U vom 18. Januar 1957, Slg. Bd. 64 S. 180, Bundessteuerblatt - BStBl - 1957 III S. 69). Die Begünstigung kann, anders ausgedrückt, nicht gewährt werden, wenn ein Gewerbetreibender den Abschluß des Kapitalansammlungsvertrages als Geschäftsvorfall, den Anspruch auf Rückzahlung des Guthabens also als Betriebsvermögen behandelt hat. Darum handelt es sich aber im Streitfall.
Die OHG ist, wovon auch das Finanzgericht zutreffend ausgegangen ist, einkommensteuerlich kein Steuersubjekt; Steuersubjekt im Sinne des Einkommensteuerrechts ist der einzelne Gesellschafter der OHG als Mitunternehmer (vgl. § 15 Ziff. 2 EStG). Mit Recht hat das Finanzgericht entsprechend der vom Reichsfinanzhof entwickelten Bilanzbündeltheorie in der Bilanz der Gesellschaft nur eine Zusammenfassung der jeweiligen Einzelbilanzen der Gesellschafter gesehen. Dieser Auffassung entspricht die Vorstellung, von der auch das Finanzgericht zutreffend ausgegangen ist, daß jeder Gesellschafter gewissermaßen selbst einen Betrieb führe. Trotzdem ist die Schlußfolgerung des Finanzgerichts, daß der Bg. hinsichtlich der in die "Betriebe" der übrigen Gesellschafter geleisteten Einzahlungen begünstigt sei, nicht gerechtfertigt. Wenn auch von jener Vorstellung des Betriebes des einzelnen Gesellschafters aus die Möglichkeit einer Einzahlung des einen Gesellschafters in den Betrieb des anderen Gesellschafters auf einen mit diesem abgeschlossenen Kapitalansammlungsvertrag nicht von der Hand zu weisen ist, so ist doch, was das Finanzgericht übersehen hat, solche Einzahlung nur über den eigenen Betrieb möglich, so daß auch insoweit eine Einlage in den eigenen Betrieb gegeben ist, zu dessen notwendigem Betriebsvermögen dann auch die Rückzahlungsforderung gehört. Die Vorstellung, daß jeder Gesellschafter selbst einen Betrieb führe, soll die Regelung des § 15 Ziff. 2 EStG verständlich machen, nach der grundsätzlich alles, was der Gesellschafter von der Gesellschaft bezieht, Gewinn darstellt. Die Vorstellung darf aber nicht darüber hinwegtäuschen, daß der Gesellschafter "seinen" Betrieb doch immer nur als Mitunternehmer, also in Verbindung mit den Betrieben der anderen Gesellschafter führt. Was der einzelne Gesellschafter der Gesellschaft zur Verfügung stellt, wird notwendiges Betriebsvermögen, wenn nicht der Gesellschaft, so doch sein eigenes (vgl. dazu auch die Entscheidung des Reichsfinanzhofs VI 755/37 vom 23. März 1938, Reichssteuerblatt 1938 S. 565). Der Gesellschafter kann hier ebensowenig einen teils sein Betriebsvermögen, teils sein Privatvermögen berührenden Vorgang annehmen, wie er nicht in der Lage ist, seine etwaige Geschäftsführung in eine seinem eigenen Betrieb gegenüber erbrachte Unternehmerleistung und in eine den Betrieben der anderen Gesellschafter gegenüber erbrachte Angestelltenleistung aufzuspalten und hinsichtlich der letzteren Einkünfte aus unselbständiger Arbeit für gegeben zu halten. Die Regelung des § 15 Ziff. 2 EStG zwingt wie gesagt dazu, die Leistung eines Gesellschafters gegenüber der Gesellschaft als im Rahmen seines "eigenen Betriebs" erbracht anzusehen. Ob Verträge, insbesondere Miet- und Dienstverträge, zwischen der Gesellschaft und ihren Gesellschaftern handelsrechtlich möglich sind, kann dahingestellt bleiben. Das Steuerrecht geht, wie die Regelung des § 15 Ziff. 2 EStG zeigt, bewußt andere Wege, um eine einfache und klare Rechtslage zu haben (vgl. dazu auch die Entscheidung des Bundesfinanzhofs I 256/55 U vom 25. September 1956, Slg. Bd. 64 S. 3, BStBl 1957 III S. 2, insbesondere S. 5 linke Spalte).
Die Einzahlung des Bg. auf den mit seiner Gesellschaft abgeschlossenen Kapitalansammlungsvertrag ist danach als Einlage nicht steuerbegünstigt. Hieran ändert auch der Hinweis des Bg. auf seinen Konsumverzicht nichts. Sollte ein Konsumverzicht dieser Art begünstigt werden, dann wäre nicht einzusehen, warum nicht auch ein als Einzelunternehmer tätiger Bankier eine entsprechend gebundene Einlage als steuerbegünstigten Konsumverzicht geltend machen könnte. Konsumverzicht dieser Art wird aber nur als nicht entnommener Gewinn unter den hierfür geltenden Voraussetzungen begünstigt.
Das Finanzamt hat den Kapitalansammlungsvertrag mithin zu Recht nicht berücksichtigt. Die Aufhebung des Steuerbescheids ist insofern unberechtigt.
Trotzdem muß die Sache zur erneuten Entscheidung im Einspruchsverfahren an das Finanzamt zurückverwiesen werden. Der Steuerbescheid geht von einer Zusammenveranlagung des Bg. und seiner Ehefrau aus. Durch das Gesetz zur änderung steuerrechtlicher Vorschriften vom 26. Juli 1957 (Bundesgesetzblatt 1957 I S. 848) ist die Ehegattenbesteuerung auf eine neue Grundlage gestellt worden (vgl. auch das Urteil des Senats VI 33/56 U vom 31. Oktober 1957 - BStBl 1957 III S. 433 -). Hiernach ist grundsätzlich von der getrennten Veranlagung der Ehegatten auszugehen und die Zusammenveranlagung nur dann durchzuführen, wenn dies von beiden Ehegatten beantragt wird (vgl. Art. 1 Ziff. 4 a. a. O.).
Fundstellen
Haufe-Index 408927 |
BStBl III 1958, 68 |
BFHE 1958, 171 |
BFHE 66, 171 |