Entscheidungsstichwort (Thema)
Einkommensteuer/Lohnsteuer/Kirchensteuer Bewertung/Vermögen-/Erbschaft-/Schenkungsteuer Erbschaft/Schenkung und Steuern
Leitsatz (amtlich)
Die jährlichen Erbschaftsteuerzahlungen gemäß § 33 ErbStG sind bei der Einkommensteuer als Sonderausgaben abzugsfähig.
Normenkette
EStG § 9 Ziff. 1, § 9/1/1, § 10 Abs. 1 Ziff. 1; ErbStG §§ 33, 30
Tatbestand
Gegenstand der Rechtsbeschwerde ist die Frage, ob bei der Einkommensbesteuerung von erbweise erlangten lebenslänglichen Nießbrauchsnutzungen die gemäß § 33 des Erbschaftsteuergesetzes (ErbStG) in Jahresbeträgen zu entrichtende Erbschaftsteuer abzugsfähig ist.
Die Steuerpflichtige (Stpfl.) hat von ihrem 1952 verstorbenen Ehegatten den lebenslänglichen Nießbrauch an seinem hinterlassenen Vermögen vermacht erhalten. Sie hat diesen Nießbrauch angenommen, und zwar bis zum 1. Januar 1965 in vollem Umfang, ab diesem Zeitpunkt zu einem Viertel. Das Finanzamt hat die Erbschaftsteuer auf Antrag gemäß § 33 ErbStG in Jahresraten festgesetzt.
Das für die Einkommensteuer zuständige Finanzamt hat die vierteljährlichen Einkommensteuer-Vorauszahlungen für 1954 unter Anrechnung der im Abzugsverfahren entrichteten Kapitalertragsteuer festgesetzt, ohne die gemäß § 33 ErbStG jährlich zu entrichtende Erbschaftsteuerzahlung zum Abzug zuzulassen.
Die gegen den Vorauszahlungsbescheid eingelegte Beschwerde hat die Oberfinanzdirektion mit Bescheid vom 28. Juni 1954 zurückgewiesen, da die Erbschaftsteuer weder als Sonderausgabe abzugsfähig sei noch zu den Werbungskosten gehöre.
Auf Berufung hat das Finanzgericht unter Hinweis auf das Urteil des Reichsfinanzhofs VI A 582/35 vom 14. August 1935 (Slg. Bd. 38 S. 159, Reichssteuerblatt - RStBl - 1935 S. 1496) die Abzugsfähigkeit der Erbschaftsteuer als Sonderausgabe bejaht, da sie als dauernde Last in Wechselwirkung mit dem Nießbrauch als wiederkehrender Nutzung stehe und die Vorschrift des § 10 des Einkommensteuergesetzes (EStG) den Vorrang vor dem in § 12 Ziff. 3 EStG ausgesprochenen Abzugsverbot besitze.
Gegen dieses Urteil hat die Oberfinanzdirektion Rechtsbeschwerde eingelegt. Sie führt aus: Die Entscheidung VI A 582/35 behandle die Frage der Abzugsfähigkeit der Erbschaftsteuer bei Rentenbezügen; sie sei auf Nießbrauchsnutzungen nicht anwendbar. Außerdem gingen die besonderen Abzugsverbote des § 12 EStG den allgemeinen Vorschriften des § 10 EStG vor. Die Erbschaftsteuer nach § 33 ErbStG könne in ihrer einkommensteuerlichen Wirkung auch keine andere Beurteilung erfahren, als die nach dem Kapitalwert in einem Betrag entrichtete Erbschaftsteuer. Eine Wechselbeziehung zwischen der Erbschaftsteuer und der Nutzung auf Grund des Nießbrauchs sei zu verneinen, da die Erbschaftsteuer aus der Vermögenssubstanz und nicht aus dem Ertrag des angefallenen Vermögens zu zahlen sei. Der möglichen Unbilligkeit, die ihren Grund in der starken Tarifprogression der Einkommensteuer habe, könne nur im Wege des Billigkeitserlasses nach § 131 der Reichsabgabenordnung (AO) abgeholfen werden. Die Abzugsfähigkeit der Erbschaftsteuer widerspreche auch dem Grundgedanken des § 33 ErbStG, der lediglich die Fälligkeit der Erbschaftsteuer hinausschiebe.
Entscheidungsgründe
Die Rechtsbeschwerde ist nicht begründet.
Erbschaftsteuer und Einkommensteuer schließen sich grundsätzlich gegenseitig nicht aus, da sie verschiedene und voneinander unabhängige Tatbestände betreffen, und zwar Tatbestände der Vermögenssphäre und Tatbestände der Einkommenssphäre, die jeweils nach den besonderen Vorschriften des ErbStG oder des EStG zu beurteilen sind. Entsprechend diesem in ständiger Rechtsprechung vertretenen Grundsatz hat der Reichsfinanzhof sowohl den Abzug der Einkommensteuer des Erben bei der Erbschaftsteuer als auch den Abzug der Erbschaftsteuer bei der Einkommensteuer abgelehnt (vgl. Urteile des Reichsfinanzhofs VI A 133/30 vom 14. Mai 1930 - RStBl 1930 S. 704 -, VI A 916/30 vom 25. Juni 1930 - RStBl 1930 S. 618 -, und V e A 1066/31 vom 24. Februar 1933 - RStBl 1933 S. 457 -). Auf den Einwand der Stpfl., es hätte bei der Feststellung der Erbschaftsteuer zunächst die Einkommensteuer als Schuld abgesetzt werden müssen, kann im Einkommensteuerverfahren nicht eingegangen werden, da über die Höhe des Nachlasses und der Erbschaftsteuer nur im erbschaftsteuerlichen Verfahren entschieden werden kann.
Für das Gebiet der Einkommensteuer hat der Grundgedanke, eine wirtschaftlich unvernünftige Doppelbelastung mit Erbschaftsteuer und Einkommensteuer zu vermeiden, in dem Sonderfall der Besteuerung des Veräußerungsgewinns einen gesetzlichen Niederschlag gefunden. Gemäß § 14 Abs. 3, § 16 Abs. 5 und § 17 Abs. 4 EStG wird die Einkommensteuer vom Veräußerungsgewinn im Falle der Veräußerung eines Betriebs, eines Betriebsvermögensanteils oder einer wesentlichen Beteiligung an einer Kapitalgesellschaft auf Antrag ermäßigt oder erlassen, wenn der Steuerpflichtige das veräußerte Betriebsvermögen oder die veräußerte Beteiligung innerhalb der letzten drei Jahre vor der Veräußerung erworben und infolge des Erwerbs Erbschaftsteuer entrichtet hat. Für die Doppelbelastung von unentgeltlichen, im Erbwege erworbenen wiederkehrenden Nutzungen fehlt es an einer ähnlichen ausdrücklichen Vorschrift. Eine Milderung oder Beseitigung dieser Doppelbelastung ist nur möglich, wenn die Erbschaftsteuer bei der Ermittlung der Einkünfte je nach deren Art als Betriebsausgabe oder als Werbungskosten oder bei der Ermittlung des Einkommens als Sonderausgabe abgezogen werden kann.
Es ist der Oberfinanzdirektion zuzustimmen, daß zwischen Renten und Nießbrauchsnutzungen ein Unterschied besteht. Der Nießbraucher erwirbt die Nutzungen kraft eigenen Rechts unmittelbar aus der zur Nutzung überlassenen Einkommensquelle. Nach dieser Quelle bestimmt sich auch die Einkunftsart gemäß § 2 Abs. 3 Ziff. 1 - 6 EStG. So hat z. B. der Nießbraucher aus einem Gewerbebetrieb gewerbliche Einkünfte; seine Nutzungen aus einem Wertpapiervermögen sind Einkünfte aus Kapitalvermögen. Die Abzugsfähigkeit von Ausgaben ist bei diesen Einkunftsarten zunächst unter dem Gesichtspunkt von Betriebsausgaben oder Werbungskosten zu prüfen; denn Sonderausgaben können nur solche Ausgaben sein, die nicht Betriebsausgaben oder Werbungskosten sind.
Der Werbungskostencharakter der nach § 33 ErbStG jährlich zu entrichtenden Erbschaftsteuer ist zu verneinen. Der Werbungskostenbegriff ist in erster Linie ein finaler, d. h. die Aufwendungen müssen zum Zwecke der Erwerbung, Sicherung und Erhaltung der Einkünfte gemacht werden. Die jährliche Erbschaftsteuer steht mit den Nutzungen nicht in finalem, sondern in kausalem Verhältnis; d. h. sie wird geschuldet und gezahlt, weil der Steuerpflichtige etwas im Erbwege erworben hat. Bei den im § 9 Ziff. 1 EStG besonders aufgeführten Werbungskosten, zu denen auch dauernde Lasten gehören können, spielt der Gesichtspunkt der Finalität zwar keine Rolle; die Aufwendungen müssen aber mit einer einzelnen Einkunftsart in wirtschaftlichem Zusammenhang stehen, wenn sie Werbungskosten sein sollen (§ 9 Ziff. 1 EStG).
Die auf dem Nießbrauch an einem Nachlaß lastende Erbschaftsteuer steht nicht mit einer einzelnen Einkunftsart im Zusammenhang. Dies wird besonders deutlich, wenn der zum Nießbrauch überlassene Nachlaß verschiedene Einkommensquellen umfaßt. Gehören zum Nachlaß z. B. Gewerbebetriebe, Kapitalvermögen und Mietgrundstücke, so besteht der Nießbrauch aus der Summe der gewerblichen Gewinne und der Einnahmeüberschüsse. Die jährliche Erbschaftsteuer nach § 33 ErbStG belastet diese Summe und nicht die einzelnen Erträge. Eine Aufteilung der Steuer auf die einzelnen Einkunftsarten scheitert schon daran, daß sie in einer für alle künftigen Jahre gleichbleibenden Höhe festgesetzt wird, während die Erträge in ihrer Zusammensetzung und Höhe schwanken können. Die jährliche Erbschaftsteuer belastet den Gesamtnießbrauch als solchen und nicht die Erträge aus den einzelnen Einkunftsarten. Die Zahlungen können daher weder Betriebsausgaben noch Werbungskosten sein. Dies muß grundsätzlich auch gelten, wenn der mit dem Nießbrauch belastete Nachlaß wie im Streitfall aus einer einzigen Einkommensquelle (Kapitalvermögen) besteht. Auch in diesem Falle belasten die Erbschaftsteuer- Zahlungen den Nießbrauch unmittelbar, sie stehen aber nicht in unmittelbarem oder ausreichendem mittelbaren Zusammenhang mit den Einkünften aus Kapitalvermögen.
Auch der Reichsfinanzhof hat im Urteil VI A 582/35 vom 14. August 1935 (Slg. Bd. 38 S. 159, RStBl 1935 S. 1496) im Falle einer Vermächtnisrente den nach § 33 ErbStG zu entrichtenden jährlichen Erbschaftsteuerzahlungen den Charakter von Werbungskosten abgesprochen. Er hat aber die Zahlungen als Sonderausgaben zum Abzug zugelassen. Er bejahte das Vorliegen einer dauernden Last im Sinne von § 15 Abs. 1 Ziff. 3 EStG 1925 (§ 10 Abs. 1 EStG 1951), die der Rente als einem bis zum Lebensende der Pflichtigen dauernden Bezug gegenüberstehe. Der erkennende Senat schließt sich dieser Auffassung an, und zwar auch für den Vermächtnisnießbrauch.
Die Erbschaftsteuer betrifft zwar grundsätzlich die durch einen Vermögensanfall eintretende Bereicherung des Erwerbers, sie belastet also im Regelfall das Vermögen. Der Vermögensanfall berechnet sich bei Renten und anderen wiederkehrenden Nutzungen nach dem Kapitalwert gemäß §§ 15 - 17 des Bewertungsgesetzes (BewG). Wird die Erbschaftsteuer für den Kapitalwert der Nutzung in einem Betrag festgesetzt und entrichtet, so liegt dieser Vorgang zweifellos im Rahmen der Vermögenssphäre. § 33 ErbStG gibt aber dem Steuerpflichtigen das Recht, die Erbschaftsteuer statt vom Kapitalwert auf die Dauer der Bezüge jährlich mit einem im voraus festgesetzten Jahresbetrag zu entrichten. Macht der Steuerpflichtige von diesem Recht Gebrauch, so bleibt die vom Kapitalwert berechnete Steuer völlig außer Betracht. An ihre Stelle tritt die auf Lebenszeit jährlich zu zahlende Steuer gemäß § 33 ErbStG (vgl. Urteile des Reichsfinanzhofs V e A 885/28 vom 28. Mai 1929 - Slg. Bd. 25 S. 265, RStBl 1929 S. 395 -, und III e 37/38 vom 23. Juni 1938 - RStBl 1929 S. 751 -). Es ist also nicht so, wie die Oberfinanzdirektion in ihrem Schriftsatz ausführt, daß die ursprüngliche Steuerschuld bestehen bleibt und nur in jährlichen Raten bezahlt wird. Der Kapitalwert der Nutzung spielt nur noch eine Rolle für die Berechnung des Hundertsatzes. Die Steuerzahlung dagegen richtet sich ausschließlich nach der Dauer der jährlichen Bezüge. Eine Beschränkung der Zahlungen auf die nach dem Kapitalwert sich errechnende Erbschaftsteuer gibt es nicht. Der Steuerpflichtige geht damit das Risiko ein, daß er u. U. wesentlich mehr zu bezahlen haben wird. Auch die Möglichkeit einer Berichtigung des Kapitalwerts und damit u. U. des Steuersatzes bei vorzeitigem Tod des Erwerbers gemäß § 16 Abs. 3 BewG besteht nicht. Die Erbschaftsteuer nach § 33 ErbStG ist jährlich zu bezahlen, solange die Nutzung dauert. Damit ist sie aus der Vermögenssphäre heraus in die Einkommenssphäre gerückt. Dies ist gerade der innere Grund für die Regelung des § 33 ErbStG.
Als aus dem Einkommen zu tragende dauernde Last sind die Erbschaftsteuerzahlungen nach § 33 ErbStG Sonderausgaben im Sinne des § 10 Abs. 1 EStG 1951. Ihrer Abzugsfähigkeit steht auch nicht die von der Oberfinanzdirektion ins Feld geführte Vorschrift des § 12 Ziff. 3 EStG entgegen, wonach Personensteuern nicht abzugsfähig sind. Die Frage, welcher der beiden Vorschriften der Vorrang gebührt, braucht nicht entschieden zu werden. Die Erbschaftsteuer ist keine Personensteuer im Sinne des § 12 Ziff. 3 EStG. Sie besteuert den Anfall einer Erbschaft oder eines Vermächtnisses, also einen Verkehrsvorgang. Bemessungsgrundlage ist die Höhe des ererbten Vermögens. Die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse des Stpfl. (Familienstand, Kinderzahl, Leistungsfähigkeit), die bei den Personensteuern im Sinne des EStG für den Grund und die Höhe der Besteuerung den Ausschlag geben, spielen bei der Erbschaftsteuer überhaupt keine Rolle.
Für die Abzugsfähigkeit der Erbschaftsteuerzahlungen nach § 33 ErbStG spricht auch die Erwägung, daß eine andere Beurteilung zu wirtschaftlich untragbaren Ergebnissen führt.
Wenn die Auslegung des Gesetzes auch nicht vom jeweiligen Ergebnis bestimmt werden darf, so kann doch ein wirtschaftlich untragbares Ergebnis gegen die Richtigkeit einer bestimmten Auslegung sprechen. Zu einem wirtschaftlich untragbaren Ergebnis würde es führen, wenn die jährlich zu entrichtende Erbschaftsteuer, die in unmittelbarem rechtlichen und wirtschaftlichen Zusammenhang mit der Nießbrauchsnutzung steht, nicht von dem Jahresbezug des Nießbrauchs zum Abzug zugelassen würde. Es entspricht der wirtschaftlichen Vernunft und der Verkehrsanschauung, als Nutzung nur die Summe anzusehen, die nach Abzug der Erbschaftsteuer der Bedachten zufließt. Es geht nicht an, dem im wirtschaftlichen Ergebnis gegebenen Tatbestand erst mit Hilfe eines Erlasses nach § 131 AO Rechnung tragen zu wollen, wie dies die Oberfinanzdirektion in ihrer Rechtsbeschwerde vorschlägt. Wie der Bundesfinanzhof schon mehrfach ausgesprochen hat (vgl. Urteile IV 119/52 U vom 16. April 1953 - Slg. Bd. 57 S. 496, Bundessteuerblatt (BStBl 1953 III S. 192 -, und IV 241/52 U vom 3. Dezember 1953 - Slg. Bd. 58 S. 417, BStBl 1954 III S. 72 -), muß vielmehr stets die ausreichende Beachtung des § 1 Abs. 2 des Steueranpassungsgesetzes (StAnpG) bei der Auslegung des Gesetzes geprüft werden, wenn das wirtschaftliche Ergebnis einer formell-rechtlichen Betrachtungsweise so untragbar ist, daß eine Abhilfe nach § 131 AO notwendig erscheint.
Wie die Beschwerdegegnerin (Bgin) ausführt, würde die Einkommensteuer im Falle des Nichtabzugs der Erbschaftsteuer mit dieser zusammen höher sein als die Summe der Jahreseinkünfte. In erster Linie würde dies auf dem hohen Jahreswert im Sinne des § 33 ErbStG beruhen, der bei der Festsetzung der Erbschaftsteuer zugrunde gelegt wurde. Dies würde mehr als eine Konfiskation der Gesamtbezüge bedeuten, die der Bgin. auf Grund ihres Nießbrauchs zustehen. Selbst wenn man berücksichtigt, daß bei der Erbschaftsteuer ein Eingriff in die Substanz der Erbmasse keine Besonderheit ist, kann diese Folge nicht als dem Willen des Gesetzgebers entsprechend angesehen werden.
Das Finanzgericht hat deshalb mit Recht den Abzug der Erbschaftsteuerzahlungen als Sonderausgaben im Sinne des § 10 Abs. 1 Ziff. 1 EStG zugelassen. Es ist nicht zu bestreiten, daß die nach § 33 ErbStG jährlich zu entrichtende Erbschaftsteuer eine dauernde Belastung für die ganze Zeit darstellt, in der die Bgin. auf Grund ihres Nießbrauchs Einkünfte hat und daß diese Zahlungen das Einkommen der Bgin. belasten. Die Rechtsbeschwerde der Oberfinanzdirektion war deshalb als unbegründet zurückzuweisen.
Fundstellen
Haufe-Index 408926 |
BStBl III 1958, 103 |
BFHE 1958, 262 |
BFHE 66, 262 |